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Die Demokratisierung der Blockchain-Analyse durch ChatGPT

Robby The Robot aus dem Film Forbidden Planet (1956). Illustration von JD Hancock via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der Blockchain-Analyst Blocktrace kündigt an, die ChatGPT-KI als Interface für Blockchain-Daten zu benutzen. Für die Privatsphäre der User könnte das ungünstig sein. Oder?

„ChatGPT + Bitcoin,“ tweetet Blocktrace, „wir stellen Robby the Robot vor.“

Robby soll in der Lage sein, komplexe Fragen der User zu Blockchain-Daten zu beantworten: Wie viele Transaktionen enthält Block XYZ? Wie viele Adressen beginnen mit 1Bergmann? Wie viele Transaktionen gingen auf Adresse 1ABC ein? Wie viel haben sie im Durchschnitt überwiesen? Mit welchen Adressen ist 1Bergmann verbunden?

Wenn man solche Fragen über einen Blockchain-Explorer von Hand ergründet, wird man viel Zeit und Mühe benötigen. Man könnte sie rascher beantworten, indem man die APIs von Blockexplorern nutzt, aber auch das ist mühsam und setzt IT-Kenntnisse voraus.

Eine KI wie ChatGPT, die Zugriff auf Blockchain-Daten hat, ist dagegen in der Lage, individuelle, auch komplexe Fragen zu verstehen und zu beantworten. Eine Sprach-KI ersetzt die API als Schnittstelle zwischen Datenbank und User, was vielleicht der kurzfristig mächtigste Effekt der KI-Revolution ist. ChatGPT bzw. Robby the Robot demokratisiert damit die Blockchain-Analyse: Jeder kann die Informationen erhalten, die bisher professionellen Analysten vorbehalten waren.

Dabei aber sollte man sich wenig Illusionen darüber machen, worum es geht: um Überwachung und Geldwäsche. Blocktrace, ein Startup aus Texas, ist ein klassischer Blockchain-Analyst wie Chainalysis, der mit seinen Analysen den Strafverfolgern hilft, den Spuren des Geldes auf einer Blockchain zu folgen.

Indem Blocktrace nun ChatGPT zwischen die eigene Datenbank und die User stellt, wertet der Analyst zunächst sein eigenes Produkt auf. Polizisten – oder Steuerfahnder – können damit effizienter und mit weniger Übung gezieltere Fragen an die Blockchain stellen. Effektiv dürfte die Sprach-KI damit dazu beitragen, dass es leichter wird, die Blockchain zu überwachen – und die Privatsphäre der User, ohnehin eher dürftig, noch weiter zu untergraben.

Transparente Blockchains, kommentiert Peter Van Valkenburgh, Anwalt und Lobbyist beim CoinCenter, scharfzüngig, „werden eine massive Belastung sein, wenn jedermann einen Chainalysis-fähigen Supercomputer in der Tasche hat, der Fragen in schlichtem Englisch beantwortet. Es ist vorbei.“

Wenn ein solcher Bot in der Lage ist, im Internet zu browsen, kann er womöglich erschreckend treffende Antworten darauf geben, was die physische Identität des Eigentümers einer bestimmten Adresse ist. Das könnte für viele Bitcoin-Holder zu einem ernstzunehmenden Sicherheitsrisiko werden.

Allerdings könnten User dank einer solchen KI auch klarer erkennen, was über sie bekannt ist – und sich damit besser schützen, und Kriminelle werden in der Lage sein, ihr Geldwäsche-Verfahren mit denselben Instrumenten zu evaluieren, die Blockchain-Analysten in Anspruch nehmen. Technologien sind oft zweischneidig. Robby the Robot könnte paradoxerweise dazu führen, dass die Privatsphäre auf der Blockchain stärker anstatt schwächer wird und Geldwäsche nicht einfacher, sondern schwieriger zu erkennen ist.

Darüber hinaus kommen mit Fähigkeiten oft auch Verpflichtungen. Theoretisch droht schon lange ein Szenario, in dem jeder User dafür verantwortlich ist, zu prüfen, ob die Coins, die er empfängt, frei von Spuren krimineller Aktivität sind. Wenn ChatGPT oder eine andere KI den Weg in die Wallets findet, werden diese intelligent genug, um zu erkennen, woher eine Zahlung kommt, Nichtwissen schützt nicht mehr vor Frage, wenn man wissen könnte.

Noch ist das Zukunftsmusik. Noch ist Robby the Robot zu unzuverlässig, weshalb Blocktrace ihn derzeit noch mit Hilfe der User trainiert. Noch gibt es auch keine Wallet, die eine Künstliche Intelligenz integriert. Aber es wäre leichtsinnig, nicht damit zu rechnen, dass die schon heute bestehende Technologie in naher Zukunft eingesetzt wird. Künstliche Intelligenzen werden auch den Umgang mit Bitcoin verändern.

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3 Kommentare zu Die Demokratisierung der Blockchain-Analyse durch ChatGPT

  1. Coole Sache. Ich finde was sichtbar gemacht werden kann, sollte auch einigermaßen gleichmäßig für alle sichtbar gemacht werden. Geheimnistuerei ist nie gut, und vielleicht baut sich dann auch das Vorurteil ab, Krypto wäre nur was für illegale Machenschaften. Wahrscheinlich wird aber genau das dann wieder ein Argument für staatliche CBDCs. Die Staaten werden wohl damit argumentieren, dass auf deren zentral regulierten Blockchains die Daten besser vor der Öffentlichkeit geschützt werden. Deshalb bleibt es wichtig, dass bei BTC weiter an der Verbesserung der Privatsphäre gearbeitet wird. Die Mehrheit der aufgeklärten Bevölkerung wird es irgendwann zu schätzen wissen, und Krypto deshalb langfristig auch einer CBDC vorziehen.

  2. Darüber hinaus kommen mit Fähigkeiten oft auch Verpflichtungen. Theoretisch droht schon lange ein Szenario, in dem jeder User dafür verantwortlich ist, zu prüfen, ob die Coins, die er empfängt, frei von Spuren krimineller Aktivität sind. Wenn ChatGPT oder eine andere KI den Weg in die Wallets findet, werden diese intelligent genug, um zu erkennen, woher eine Zahlung kommt, Nichtwissen schützt nicht mehr vor Frage, wenn man wissen könnte.

    Das prophezeihe ich schon seit Jahren, nicht erst mit ChatGPT, denn insbesondere Custodial Wallet Provider sind schon heute mehr oder weniger gezwungen, Chainanalyse zu implementieren. Wenn man non-Custodial nutzt und Funds an eine Custodial Wallet schickt, könnte es ein böses Erwachen geben, weil ein Kunde seine Coins von einer Ransomware hatte…
    Einzige Lösung: Privacy auf Layer1.
    Warum auf Layer1? Weil jeder Layer darauf aufbauen muss und siehe da, es gibt ständig aktuelle Beispiele, wie erst gestern:
    https://twitter.com/Bitcoinbeach/status/1643786690337669121
    Und nein, das sind keine sogenannten “Shitcoin Shills”, sondern gestandene Bitcoiner, ich glaube kaum, dass diese FUD verbreiten. Der gesamte Thread ist interessant, es ist kein Einzelfall.

    Wer wie ein Saylor nach noch mehr Regulierung schreit, dem ist nicht mehr zu helfen. Jemandem, der jeden 150. BTC, die jemals geschürft werden in Treuhand verwahrt, der hat Bitcoin eh noch nie verstanden.

  3. Ach naja, Blocktrace müsste dann aber auch beweisen, dass chatGPT meine Coins nicht bloss halluziniert hat.

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