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Binance behauptet, das Opfer einer Kampagne durch ChatGPT-Bots zu sein

Ist Binance-Gründer Changpeng Zhao wirklich ein Vampir? Am besten ihr fragt ChatGPT.

Beginnt nun das Zeitalter der Desinformation durch Künstliche Intelligenz? Binance behauptet dies. Angeblich hat ChatGPT ein unschönes Gerücht über den Gründer der weltweit größten Krypto-Börse verbreitet.

Die weltweit größte Kryptobörse Binance hat es nicht einfach. Sie muss, wie jedes öffentlich gut sichtbare Krypto-Unternehmen, eine Menge ertragen, was ihr von Regulierern, Wettbewerbern und unzufriedenen Kunden entgegenkommt.

Und nun hat es offenbar auch noch die künstliche Intelligenz ChatGPT auf Binance abgesehen. Zumindest erklärt das Chief Strategy Officer Patrick Hillmann. Laut seinen Aussagen hat jemand ChatGPT benutzt, um eine Desinformationskampagne gegen Binance zu fahren.

In den letzten Wochen seien, so Hillmann, unzählige Anfragen eingegangen, ob Binance-Gründer Changpeng Zhao früher Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen sei. Dieses Gerücht war so weit verbreitet, dass sogar Mitglieder des US-Kongresses besorgt nachfragten. Im Gespräch mit diesen erkannte Hillmann auch, wer das Gerücht in die Welt gesetzt hatte: die Chat-KI ChatGPT.

Auf Twitter teilte der PR-Spezialist eine Konversation mit dem Chatbot, auf die ihn ein Abgeordneter hingewiesen hatte. Darin erklärt ChatGPT munter, dass Changpeng Zhao Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Chinas gewesen sei, als er in den 90ern für die National Petroleum Corporation, einen staatlichen Ölkonzern, gearbeitet habe.

Auf Nachfrage erklärt ChatGPT voller Überzeugung, woher es davon weiß: Erstens vom LinkedIn-Profil von Changpeng Zhao, welches die Stellung als Software-Entwickler bei der National Petreleum und sein Engagement im Jugendverband erwähnt; zweitens von “verschiedenen Artikeln und Interviews”, darunter ein Interview in der Forbes, in dem der Binance-Gründer 2018 von seiner Erfahrung mit der National Petroleum geredet habe. ChatGPT verlinkt sogar einen Forbes-Artikel sowie auf ein LinkedIn-Profil.

Doch nichts davon ist wahr. Weder der Forbes-Artikel noch das LinkedIn-Profil existieren, wobei man beim LinkedIn-Profil immerhin weiß, dass es wohl ein Fake war, während der Forbes-Artikel noch nicht mal in der Wayback-Machine auffindbar ist. Hat sich ChatGPT das alles aus den virtuellen Fingern gesaugt? Einschließlich einer frei erfundenen Internetadresse?

Mittlerweile scheint ChatGPT gelernt zu haben, ob freiwillig oder mit Zwang. In jedem Fall wiederholt sie die Aussage nicht mehr. Es gebe, sagt sie stattdessen, keine Beweise dafür, dass Changpeng jemals mit dem Jugendverband oder der National Petroleum zu tun gehabt hätte, und warnt, dass man Obacht geben sollte, ungeprüfte Informationen zu verbreiten.

An der Stelle brechen der Geschichte die weiteren Fakten weg. Es steht Aussage gegen Aussage, Changpeng Zhao gegen ChatGPT. Vielleicht hat er recht, vielleicht die KI, man kann es nicht beweisen, und beide sind dafür bekannt, es nicht immer so genau mit der Wahrheit zu nehmen.

Die spannende Frage ist aber, wie es dazu kam. Dass ChatGPT sich auch mal Dinge ausdenkt, ist mittlerweile bekannt und vermutlich auch notwendig. Ohne Phantasie ist keine Intelligenz denkbar, und Phantasie geht nicht ohne die Fähigkeit zu lügen. Vielleicht hat die KI die Geschichte einfach nur erfunden, und sie hat sich, weil viele Leute die richtige Frage gestellt haben, weiter verbreitet.

Eventuell hat jemand einmal die richige Frage gestellt – nach Changpeng Zhao und der National Petroleum – und dann auch noch die richtigen falschen Links und Quellen angegeben, und die Story hat sich dann in den neuronalen Netzen des Sprachmodells festgesetzt. Da die Frage aber doch speziell ist, bleibt es verdächtig, dass sie plötzlich von so vielen gestreut wird.

Ob damit aber, wie die Fortune munkelt, das Zeitalter beginnt, in dem KIs wie ChatGPT benutzt werden, um “in einem bisher undenkbaren Ausmaß Fake News zu generieren und den politischen Prozess zu beeinflussen und zu korrumpieren”, sei dahingestellt. Dieses Zeitalter steht definitiv vor der Türe – wenn es nicht schon begonnen hat – und wir als Menschheit sind nicht im mindesten darauf vorbereitet. Aber ein mutmaßlicher Irrtum der KI über Changpeng Zhaos Biographie gehört noch zu den kleineren Kollateralschäden der anbrechenden Orgie mentaler Verwüstung.

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1 Kommentar zu Binance behauptet, das Opfer einer Kampagne durch ChatGPT-Bots zu sein

  1. Naja, das waren jetzt aber bloß Fakenews, die ChatGPT aufgrund gefakter Webseiten und mit den üblichen KI-Halluzinationen generiert hat. Man könnte sagen ChatGPT ist da fast noch kindlich – mit sehr großer Naivität und Phantasie gesegnet.
    Alles in Allem nichts, was man nicht vielleicht in Zukunft besser in den Griff kriegen kann.

    Viel mehr Sorgen bereiten mir, die (zwar nicht so stilsicheren, dafür deutlich weniger naiven) menschlichen Nutzer von ChatGPT mit bösen Absichten.
    Die können jetzt Kampagnen fahren, denen man nicht mehr so einfach am bloßen Stil ansieht, aus welches Geistes Haus sie stammen.
    Das wird in Folge schon zu einer exorbitanten Zunahme an Fake News führen. Gar kein Vergleich zu den zahlreichen Fake News, die uns jetzt schon dominieren, aber i.d.R noch irgendwie erkennbar sind.

    Das wird man letztlich nur mit Reputationsverfahren kontern, die nur noch kryptographisch korrekt signierten Content als wahr akzeptieren.
    Anonymer Content wird noch deutlicher an Wert verlieren. Content der klar einer Person im RL zugeordnet werden kann, wird an Wert steigen. Pseudonymer Content der kryptographisch signiert ist und anderweitig eine Ernsthaftigkeit nachweisen kann, kann vermutlich mithalten und bleibt, wo er jetzt ist.

    Die Zukunft gehört wohl den BORG.

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