Newsticker

SEGA-Boss cancelt Blockchain-Projekte: Pay-2-Earn-Spiele sind langweilig

Sonic the Hedgehog, vielleicht die beliebteste SEGA-Marke aller Zeiten. Bild von Anthony Quintano via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der japanische Spieleentwickler SEGA hat sich zunächst begeistert auf NFTs und Blockchain-Gamining gestürzt. Nun kehrt Ernüchterung ein. Die Gamer-Szene spottet.

Das Blockchain-Gaming wirkt manchmal wie eine Art der Zwangsbeglückung. Die Zocker-Szene bezahlt seit langem gerne Geld, um Spaß zu haben,  gerne auch viel Geld, anstatt keinen Spaß zu haben, um Geld zu verdienen. Alle Vorschläge, die Zockerei durch Blockchains, NFTs und Micropayment so lukrativ zu machen wie Arbeit, rufen bestenfalls Desinteresse hervor, ernten in der Regel aber Spott und Häme.

SEGA, ein japanischer Kult-Entwickler von Spielen und Konsolen, hat sich von der Kritik seiner Kunden lange nicht beeindrucken lassen. Der Publisher verfolgt schon seit Jahren NFT-Pläne, etwa für die Erfolgsreihe “Sonic the Hedgehog“. Im September 2022 nannte das Unternehmen NFTs eine „natürliche Erweiterung“ der Spieleumgebung, und plante, mit der “Super Gaming Initiative” eine Art NFT-Hub für seine Titel aufstellen. Als Pilotprojekt wollte SEGA eine NFT-Version einer alten Arcade-Marke, Sangokushi Taisen, auflegen.

Doch nun scheint Ernüchterung einzukehren. Ein Manager des Konzerns nannte Pay-2-Earn-Spiele auf Blockchain-Basis „langweilig“ und kündigte an, alle Blockchain-Projekte zu pausieren. Im Interview mit Bloomberg sagte Shuji Utsumi, dass die Action in Play-2-Earn-Spielen langweilig sei. Und welchen Sinn machten Spiele, wenn sie keinen Spaß machen?

Trotz der Pausierung der eigenen Projekte erlaubt SEGA seinen Partnern weiterhin, NFTs für seine Titel herauszugeben, etwa für Three Kingdoms oder Virtual Fighter. Das Tafelsilber, Sonic The Hedgehog, möchte SEGA aber nicht länger als NFT verscherbeln, wohl aus Sorge, die Marke dadurch abzuwerten.

Utsumi meint zwar, man solle die Augen weiter offen halten. Was Blockchain-Anhänger sagten, klinge für die Spiele-Szene oft extrem, doch „das war der erste Pinguin schon immer“. Man solle die Bewegung nicht unterschätzen.

Aber derzeit ist es offenbar noch nicht so weit. Mit dem Stopp aller Blockchain-Projekte vermeidet SEGA den Fehler von Ubisoft. Der französische Entwickler hatte NFTs in das Spiel Ghost Recon integriert, stellte jedoch die Updates ein, nachdem das Interesse der Spieler und Märkte quasi nicht-existent geblieben war. Ähnlich erging es den meisten Publishern außerhalb Asiens: NFTs stießen bestenfalls auf Desinteresse, schadeten meist aber der Reputation unter den Kunden.

In der Tat finden die meisten Zocker-Foren überwiegend Spott für NFTs und Spiele. Viele Kommentare zu SEGAs Entscheidung aus dem Reddit-Forum r/games bringen das Dilemma mit Play-to-Earn durch NFTs auf den Punkt, wie es nur diejenigen vermögen, die auch tatsächlich Spiele lieben. Blockchain-Entwickler sollte aufhorchen!

„Nee, echt jetzt?” höhnt der erste, “die einzige Methode, wie die Ökonomie von ‚Play-to-Earn‘ läuft, ist es, wenn man ein Spiel entwickelt, das so ermüdend ist, dass der eine Spieler anderen Spielern einen Dollar die Stunde zahlt, um es nicht spielen zu müssen.“

„Und wenn ein Spiel wie dieses existiert,“ legt der nächste nach, “wird die Spielerbasis zu 90 Prozent aus Bots bestehen, die es farmen.“

Der einzige Sinn solcher Spiele sei es, meint ein dritter, „den Wert von irgendeinem Krypto-Coin aufzublasen, der als Framework benutzt wird.“ Die Spiele werden nicht für Spieler gemacht, sondern für „die bestehenden Horter des Coins.“

Die ganze Idee sei, findet ein anderer Zocker, schräg: Man verdiene beim Spielen doch schon immer, Play to Earn sei der Standard: „Du spielst ein Level durch, um ein weiteres Level zu verdienen. Du spielst, um Kostüme und mehr Modi oder Charaktere freizuschalten. Etc. Diese ganze neuen Bewegung ist nicht Play to earn, sondern Play or Pay.“

Das Spiel ist die Belohnung. Wenn es ein Token als Belohnung braucht, ist es kein gutes Spiel. So könnte man den Punkt der Gaming-Community zusammenfassen, den sich nun auch SEGA zu eigen gemacht hat. Es wäre definitiv angebracht, auf das Urteil der Zocker zu hören, anstatt sie als Nicht-Zocker mit NFTs und Blockains zwangsbeglücken zu wollen, während man heimlich auf den Preis seines Lieblingscoins linst.

Dennoch dürfte ihr Urteil, wie sich Spiele in Zukunft entwickeln, nicht die letzte Antwort sein. Bei den viele Mikro-Ökonomien von Spielen, bei den vielen Items und Unique Items, Mods, Level und Skins, die die Spieler so lieben, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn es da keinen Platz für Coins, Token und Smart Contracts gäbe. Leute bezahlen schon heute dafür.

Warum sollte es nicht einen Markt für Super-Items geben, die man nach hunderten Stunden in einem MMORPG findet? Warum sollten Computerspiele nicht auch ein Stück wie eine Schatzsuche sein? Warum sollte ein Spieler nicht einen Teil einer Open World kaufen, um dort sein eigenes Level zu bauen? Was spricht dagegen, Rekorde und Abzeichen durch ein Soulbound-Token zu repräsentieren? Und so weiter.

Klar ist aber: Einfach ein NFT herauszugeben, weil man eine beliebte Marke hat, und darauf zu warten dass es dann auf OpenSea für 1.000 Ether gehandelt wird, funktioniert ebenso wenig, wie das Spielen über Token zu Arbeit zu machen. Und je ignoranter die Konzepte gegenüber den Bedürfnissen der Gamer sind, je mehr sie die Spiele mit skurpellosen Botfarmen verschmutzen, desto mehr wird sich die Szene gegen Blockchain-Gaming verschließen.

Unter den großen Publishern hält aber Square Enix den NFTs die Treue. Der Entwickler wird bald eine NFT-Kollektion zu seinem Bestseller Final Fantasy VII herausgeben und steht mit Symbiogenesis, einem ambitionierten NFT-RPG, kurz vor dem Release. Man darf gespannt sein, ob auch dieses Projekt Schiffbruch erleidet.

Über Christoph Bergmann (2641 Artikel)
Das Bitcoinblog wird von Bitcoin.de gesponsort, ist inhaltlich aber unabhängig und gibt die Meinung des Redakteurs Christoph Bergmann wieder ---

Kommentar verfassen

%d Bloggern gefällt das: