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“Nichts als eine weitere Briefkastenfirma, um von russischen Oligarchen und Kriegsverbrechern zu profitieren.”

Ist Binance-Gründer Changpeng Zhao wirklich ein Vampir? Am besten ihr fragt ChatGPT.

Die große Krypto-Börse Binance verlässt Russland angeblich „vollständig“, indem es den Betrieb an eine andere Firma verkauft. Doch es bleiben starke Zweifel, ob die Börse das ernst meint – oder ob sie sich weiterhin am Sanktionsbruch bereichern will.

Die angeblich weltweit größte Krypto-Börse Binance ist bekannt für ihren eigenartigen Umgang mit der Regulierung. Auf der Oberfläche gibt sie gerne vor, den Auflagen Folge zu leisten – doch intern hilft sie Kunden proaktiv, diese zu umgehen.

Ein ähnliches Muster zeichnet sich beim Umgang mit Sanktionen ab. Offiziell verlässt Binance den russischen Markt „vollständig“, indem sie lautt Pressemitteilung Ende September „sein gesamtes russisches Geschäft an CommEX verkauft.“ Das „offboarding“ werde bis zu einem Jahr dauern, um einen fließenden Übergang zu gewährleisten.

Man habe erkannt, erklärt Noah Perman, Chief-Compliance-Officer, „dass der Betrieb in Russland nicht kompatibel mit der regulatorischen Strategie von Binance ist.“ Man werde sich daher auf die mehr als 100 weiteren Länder fokussieren, in denen man operiere. Man gebe zwar keine Details über den Verkauf bekannt, doch es sei wichtig, wiederholt die Pressemitteilung, „dass Binance damit Russland vollständig verlässt.“

Soso.

„Schlicht eine weitere Briefkastenfirma“

Der Deal ist, um es vorsichtig auszudrücken, etwas fragwürdig. „Eines der Probleme ist,“ erklärt der Analyst Adam Cochran, „dass CommEX nicht wirklich existiert.“ Bis Anfang der 2000er war CommEX eine Kreditkartenfirma. Danach stand die Domain zum Verkauf, bis sie am 21. September erworben wurde.

Registriert ist CommEX auf den Seychellen. Es läuft auf „Binance Cloud”, und die User können sich mit ihrem Binance-Account einloggen, nach dem “Binance Connect”-Protokoll.

Binance Cloud ist eine Art Whitelabel-Börse, die es anderen Parteien erlaubt, die Binance-Technologie für die eigene Börse zu verwenden, wobei aber nur die Basis-Dienstleistungen enthalten sind. Zusätzlich erlaubt Binance Cloud es, die Liquidität von Binance mit zu nutzen. Allerdings wurde sie im Jahr 2022 abgeschafft. Dasselbe trifft auf Binance Connect zu. Das, was CommEX ist, dürfte es also gar nicht geben.

Die große Krypto-Börse Binance verlässt Russland angeblich „vollständig“, indem es den Betrieb an eine andere Firma verkauft. Doch es bleiben starke Zweifel, ob die Börse das ernst meint – oder ob sie sich weiterhin am Sanktionsbruch bereichern will. Dennoch hat CommEX bereits am ersten Tag ein Handelsvolumen von rund einer Million Dollar beim Währungspaar BTC/USDT und eine gesunde Liquidität im Orderbuch. Auf dem P2P-Marktplatz handeln große Anbieter Rubel gegen Bitcoin – die sich schon elf Tage vor dem Start der Börse angemeldet haben.

„Also, da ist diese neue, unbekannte Börse, die angeblich durch führende Kapitalgeber unterstützt wird, aber keine davon nennt,“ kommentiert Cochran, „die an ihrem ersten Tag des Betriebs die russischen Assets von Binance kauft, zufällig auf Binance Cloud läuft (die nicht mehr existiert) und ihre Trades gegen die Liquidität auf Binance schließt …“ Kurzum: CommEX nicht nur mit Binance verbunden – sondern „schlicht eine weitere Briefkastenfirma von Binance.“

Danach stellt Adam Cochran eine Frage, die ihn tief in ein wildes Labyrinth führt: „Warum ist CZ [Binance-Boss Changpeng Zhao] so versessen darauf, dass dieser Zahlungsstrom lebendig bleibt, dass er eine weitere Briefkastenfirma gründet?“ Immerhin riskiert Binance mit dieser offensichtlichen Scharade, den Konflikt mit westlichen Banken und Aufsehern noch zu verschärfen.

Was geschah Ende Juni auf Binance?

Cochran umkreist eine mögliche Antwort mit mehreren Charts und Hinweisen, die für sich genommen frei im Raum schweben, zusammen aber ein unheimliches Bild ergeben. Ich habe selten eine so gelungene Interpretation politischer Ereignisse durch Charts gesehen.

Zuerst verweist er auf einen Chart Ende Juni, als es einen plötzlichen Anstieg des Preises gab, der mit einem starken Delta, also einer großen Differenz zwischen Kauf- und Verkaufgeboten, bei den den Handelspaaren BTC/USD sowie BTC/RUB auf Binance einherging. Ein Delta deutet oft auf eine tatsächliche Nachfrage hin als Ursache eines Kursanstiegs.

Um dieselbe Zeit, am 23. Juni, hatte CZ einen merkwürdigen Tweet abgesetzt: „1, 2, 3 …“. Danach gab es aber keine News zu Binance, wie man erwartet hatte, weshalb der Tweet die Szene verwirrt zurückließ. Bis heute weiß niemand, was der Binance-Chef damit gemeint hat.

Wenige Stunden nach CZs Tweet geschah aber etwas anderes: Zuerst schnellte das Rubel-Volumen auf Binance in die Höhe – und dann brach der Söldnerführer und Massenmörder Jewgenij Prigoschin sein Lager in der Ukraine ab und marschiere nach Moskau, angeblich, um Diktator Wladimir Putin zu stürzen.

Gibt es einen Zusammenhang? Welche Verbindung besteht zwischen Binance und Prigoschins Mördertruppe Wagner?

Die nigerianische Naira als Tor zu Afrika

Adam Cochran bringt ein weiteres Währungspaar ins Spiel: Bitcoin gegen Nigerianische Naira (NGN). Wenn man die Deltas zwischen diesem Paar und BTC/RUB auf Binance vergleicht, falle auf, dass seit 2022 etwa alle zwei Wochen eine Spitze gibt. „Etwa alle 15 Tage bewegt sich Geld von RUB zu BTC zu NGN“.

Dieses Muster setzt sich bis Anfang Juni 2023 fort. Bekanntlich operieren Wagner-Truppen in Afrika, etwa in Libyen, Mali, Mosambik, dem Sudan oder Kongo. Die Naira ist neben dem südafrikanischen Rand die gebräuchlichste Währung in Afrika. Sie wird in vielen Ländern des Kontinents akzeptiert und ist leicht gegen andere lokale Währungen zu wechseln, ohne aber denselben Bankauflagen zu unterliegen wie der Rand.

Das Verschieben von Rubel über Bitcoin in Naira könnte also eine Methode sein, um die Wagner-Söldner trotz der Finanzsanktionen zu bezahlen. Anfang Juni wurden viele Söldner von Afrika zurück nach Russland geholt, um in der Ukraine zu morden. Danach bricht das Muster ab. Stattdessen “erreichte das Volumen zwischen NGN und BTC eine Spitze auf Binance; es eskalierte schließlich, als die Wagner-Kräfte stattdessen nach Moskau marschierten.“ Man könnte das so deuten, als ziehe Prigoschin Geld aus Afrika ab.

Heute, nach dem Scheitern des Putsches und der mutmaßlichen Ermordung Jewgenij Prigoschins, morden Wagner-Kräfte wieder im Osten der Ukraine, allerdings nun unter russischer Flagge. Andere dagegen operieren weiter in Afrika, wo sie, heißt es, Diktatoren gegen ihr Volk unterstützen und Rohstoffe abgreifen.

Anleitung zum Regelbruch

Anfang des Jahres, erklärt Cochran, „hat die Regierung von Nigeria eine Warnung vor Binance ausgesprochen.“ Die Börse erklärte daraufhin, nicht länger in dem Land zu operieren, betrieb aber so Cochran, Briefkastenfirmen, durch welche Binance seine Liquidität auf einen P2P-Markt umleitet.

Angeblich gab es sogar eigene Abteilungen im Kundensupport von Binance, „die User in sanktionierten Regionen direkt dabei unterstützt, KYC-Limits zu unterlaufen.“ Diese Praxis „nahmen auch Einwohner Russlands und der Krim in Anspruch“.

Am 23. August wurde Prigoschins Flugzeug abgeschossen, woraufhin Geldströme wieder zurück in die Naira flossen. Am 6. September traten die beiden Binance-Manager Gleb Kostarev und Vladimir Smerkis zurück und wurden laut Cochran rasch durch Olga Gonscharova ersetzt, eine ehemalige Direktorin der russischen Zentralbank. Diese hatte bereits im Januar 2022 bei Binance angeheuert, um, berichtet Reuters, „systemische Interaktionen mit russischen Behörden“ pflegen.

“… von russischen Oligarchen und Kriegsverbrechern profitieren”

Die Datenpunkte, die Cochran aufzählt, sind teils nicht eindeutig, teils auch spekulativ, etwa was die Stellung von Olga Gonscharova angeht. Aber sie erzählen eine faszinierende Geschichte, die Trading-Charts und politische Ereignisse verbinden.

Insgesamt ergibt sich das Bild, dass Binance ein Geschäftsmodell daraus gemacht hat, mit seinen P2P-Märkten die Geldtransfers von Afrika, wo Wagner-Söldner in verschiedenen Regionen Gewalt ausüben, nach Russland zu organisieren. Dies läuft über Nigerianische Naira, Bitcoin, Rubel und USDT.

„CommEX,“ schlussfolgert Cochran, „ist nichts als eine weitere Briefkastenfirma von Binance, um von russischen Oligarchen und Kriegsverbrechern zu profitieren.“ Binance wäre demnach ein Schlüsselknoten eines globalen Netzwerks, das sich von Oligarchen in Moskau über die Krim bis ins Herz Afrikas erstreckt, um Geld zu waschen und den Betrieb von Söldnerbanden zu finanzieren.

Die Vorgeschichte

Das ganze hat eine Vorgeschichte, die nur zum Teil bekannt ist. Nachdem Russland vor nun mehr als eineinhalb Jahren begonnen hat, grenzübergreifend Massenmord zu begehen, wurden russischen Banken mit Sanktionen überzogen. Auch Kryptobörsen wurden in die Pflicht genommen, den Handel mit russischen Bürgern entweder komplett einzustellen oder scharf zu begrenzen.

Im ersten Schritt mussten Börsen die Accounts von russischen Usern auf 10.000 Euro limitieren. Mit der Verschärfung der Sanktionen im Herbst 2022 wurde es Krypto-Unternehmen generell verboten, Geschäfte mit Bürgern Russlands zu machen. Wegen der Sanktionen war es zudem unmöglich, aus Russland Geld durch Visa und Mastercard einzuzahlen.

Laut einem Coindesk-Bericht vom April sind solche Einzahlungen auf Binance mittlerweile wieder möglich, während russische User berichten, dass auch das Limit von 10.000 Euro gefallen ist. Während Russland also Tag für Tag Massenmord auf fremdem Territorium begeht, hat Binance klammheimlich sämtliche Sanktionen aufgehoben.

Im August berichteten Medien zudem, dass der P2P-Handel von Binance auch mehrere im Februar von der EU und im Mai durch die USA sanktionierte russische Banken zuließ, darunter Tinkoff und Rosbank, über die Russen Rubel gegen USDT tauschen konnten. Nachdem das US-Justizministerium Druck ausübte, strich Binance diese Banken – angeblich. Denn tatsächlich wurden sie durch „grüne“ und „gelbe“ Karten repräsentiert.

Es hat bei Binance offenbar Tradition, sich als helfende Hand bei der Umgehung von Sanktionen anzubiedern.

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15 Kommentare zu “Nichts als eine weitere Briefkastenfirma, um von russischen Oligarchen und Kriegsverbrechern zu profitieren.”

  1. Es hätte der Ausgewogenheit des Beitrags sicherlich nicht geschadet, wenn Du erwähnt hättest, dass die überwältigende Mehrheit der Staatengemeinschaft sich nicht den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat. Zudem hat der UN-Menschenrechtsrat am 3. April 2023 mit überwältigender Mehrheit die Sanktionen als völkerrechtswidrig eingestuft, “da sie gegen die Charta der Vereinten Nationen und die Normen und Grundsätze für friedliche Beziehungen zwischen den Staaten verstoßen”.

    • da sie gegen die … Grundsätze für friedliche Beziehungen zwischen den Staaten verstoßen

      Also immer diese bösen Sanktionen. Echt gemein 😉
      Hmm, ist der Anti Inflation Act der USA dann also eine versteckte Kriegserklärung der USA, aber die russischen Auslandsaktivitäten mit Panzern und Söldner eher eine Form von “freundschaftlicher” Beziehungsvertiefung? 😉 😉 😉

      Lieber Michael, es mag in deinen Augen vielleicht an der Ausgewogenheit des Berichts mangeln, aber die Verhältnismäßigkeit spiegelt er gut wieder. Natürlich sind auch Sanktionen oder der Anti Inflation Act nichts Angenehmes für die Handelspartner, aber es steht in keiner Relation zu den russischen Kriegsverbrechen durch Prigoschin & Co.!!! Solcherlei verharmlosende Kommentare unter dem Deckmantel einer proklamierten “Ausgewogenheit”, hängen mir mittlerweile sowas von zum Hals heraus.

      Dass sich Staaten entgegen ihrer ökonomischen Interessen, und “lediglich” zur Verteidigung ihrer moralischen und demokratischen Wertvorstellungen, zur Anwendung von Sanktionen entschließen, ist aus meiner Sicht bereits ein gesellschaftlicher Fortschritt. Dass es trotzdem noch viele opportunistisch denkende Regierungen gibt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Aber der Anfang ist gemacht und ich bin mittlerweile auch zuversichtlich, dass sich demokratisch und human denkende Nationen wieder etwas weniger naiv gegenüber autoritären Regierungen zur Wehr setzen werden.

      • Michael. // 7. Oktober 2023 um 11:31 //

        Lieber Kranich, mein Argument war zunächst erstmal ein logisches und nicht politisches. Wieso sollte ein Unternehmen, das seinen Sitz nicht in den USA bzw. der EU hat, Sanktionen umsetzen, die im Rest der Welt als völkerrechtswidrig eingestuft werden?

        Über die politische Sinnhaftigkeit von Sanktionen kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Mit Moral hat aber auch diese Diskussion dann noch nichts zu tun. Legendär ist ja das Interview mit Madeleine Albright, die meinte, dass die 500.000 umgekommenen irakischen Kinder in Folge der westlichen Sanktionen nach dem 1. Golfkrieg, gerechtfertigt waren.

        Was mir in der Tat “zum Hals raushängt” ist die moralische Verlogenheit der “demokratisch und human denkenden Nationen”, die in den vergangenen 25 Jahren ein halbes Dutzend völkerrechtswidrige Angriffskriege mit Hunderttausenden von Toten geführt haben, ohne dass sie der Rest der Welt mit Sanktionen überzogen hätte.

        Du bist einer der wenigen hier im Forum, die freiheitlich orientiert denken. Daher verstehe ich zwar Deinen Standpunkt, halte ihn aber nicht für konsequent zu Ende gedacht. Wir brauchen nicht mehr Kriege, mehr Sanktionen, mehr Unrecht, sondern mehr Freiheit, mehr Zusammenarbeit und mehr Vertragstreue. Und hier kommt wieder die große Strahlkraft von Bitcoin um die Ecke, wo Kriege nicht finanzierbar wären, Sanktionen nicht durchsetzbar und sich Menschen auf Augenhöhe begegnen und miteinander kooperieren würden.

      • Was mir in der Tat “zum Hals raushängt” ist die moralische Verlogenheit der “demokratisch und human denkenden Nationen”, die in den vergangenen 25 Jahren ein halbes Dutzend völkerrechtswidrige Angriffskriege mit Hunderttausenden von Toten geführt haben, ohne dass sie der Rest der Welt mit Sanktionen überzogen hätte.

        Die Verlogenheit des Westens ist tatsächlich ein Problem, fehlende offizielle Sanktionen halte ich jetzt aber für kein Argument gegen Sanktionen generell. Schon im Kindesalter lernt man, dass man afu den aggressiven Spielkumpanen entweder mit Gegenaggression oder Entzug der eigenen Interaktion reagiert, was letztenendes auch Sanktionen sind. Dass die Sanktionen gewollt nicht konsequent angewendet werden, ist leider ein Problem unserer eigenen Systeme…

        Und hier kommt wieder die große Strahlkraft von Bitcoin um die Ecke, wo Kriege nicht finanzierbar wären, Sanktionen nicht durchsetzbar und sich Menschen auf Augenhöhe begegnen und miteinander kooperieren würden.

        Schöne heile Welt Fantasien bringen uns leider nicht weiter, auch wenn sie erstrebbar wären. Wir stehen vor der Tatsache, dass die Ukraine militärisch von Russland angegriffen wird und Russland ist der einzige Akteur, der das von heute auf morgen abstellen kann. Wenn “wir” Sanktionen gegen Russland verhängen, die auch die Zivilbevölkerung treffen, ist das zwar bedauerlich, aber nicht im Ansatz vergleichbar mit dem Leid, welches vom dortigen Regime anderen gegenüber ausgeübt wird. Dass ein großer Teil der Welt autokratisch ist, macht es nicht unbedingt erstrebenswert, sich einzureihen, auch wenn man vieles in unserer Demokratie kritisieren kann.

        Und letzten Endes muss man die Fantasie, dass Bitcoin dies lösen würde ganz schnell verwerfen, weil Bitcoin bereits mit uns paar Hanseln, die aktuell involviert sind, nicht skaliert.

      • Kranich // 8. Oktober 2023 um 14:45 //

        Wir brauchen nicht mehr Kriege, mehr Sanktionen, mehr Unrecht, sondern mehr Freiheit, mehr Zusammenarbeit und mehr Vertragstreue. Und hier kommt wieder die große Strahlkraft von Bitcoin um die Ecke, wo Kriege nicht finanzierbar wären, Sanktionen nicht durchsetzbar und sich Menschen auf Augenhöhe begegnen und miteinander kooperieren würden.

        Lieber Michael, ich stehe voll und ganz hinter deiner Aussage. Das ist auch ein Grund, weshalb ich mich für Krypto und insbesondere Bitcoin begeistere. Vielleicht ist der Anspruch durch Bitcoin Kriege zu verhindern etwas groß, aber für solche Ziele lohnt es sich, nach jedem “Strohhalm” zu greifen. 🙂

        Wir sind also prinzipiell auf der selben Linie. Trotzdem ist es schade, dass immer wieder versucht wird ein “Keil” in unsere Gesellschaft zu treiben. Es gibt in der Physik eine natürliche Bestrebung Ungleichheiten durch “Spannungen” auszugleichen (z.B. Thermodynamik). Auch in einer pluralistischen Gesellschaft sind unterschiedliche Sichtweisen erlaubt und sogar gewollt. Unterschiedliche Ansichten haben aber jeweils ihre Vor- und Nachteile, und wir dürfen uns nicht dem Trugschluss hingeben, dass eine demokratische Grundordnung stets zur besten aller möglichen Entscheidungen führen wird. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass nur eine freiheitliche und aufgeschlossene Gesellschaft, durch “Lernbereitschaft”, sich zu einer langfristig zukunftsfähigen Gesellschaftsform entwickeln wird können. Jede autokratische Regierungsform wird früher oder später durch ein paar wenige unfähige Personen wieder um Generationen zurückgeworfen werden, weil der “Lerneffekt” eher durch ein “Zufallsprinzip” ersetzt wird.

        Was mir in der Tat “zum Hals raushängt” ist die moralische Verlogenheit der “demokratisch und human denkenden Nationen”, die in den vergangenen 25 Jahren ein halbes Dutzend völkerrechtswidrige Angriffskriege mit Hunderttausenden von Toten geführt haben, ohne dass sie der Rest der Welt mit Sanktionen überzogen hätte.

        Mit deiner pauschalisierten Aussage blendest du aus, dass es in den vergangenen Jahrzehnten durchaus unterschiedliche politische Sichtweisen, zu den durchgeführten Kriegen gegeben hat. Deutschland hat zum Beispiel den Irak Krieg nicht mitgetragen, trotzdem wirfst du jetzt alle westlich orientierten Gesellschaften in einen Topf. Als Teil einer demokratisch orientierten westlichen Gesellschaft, hätte Deutschland aber auch nicht viel dagegen unternehmen können. Es gehört auch zum Wesen einer Demokratie, als Minderheit auch Mehrheitsentscheidungen respektieren zu können. Rückblickend muss man sagen, dass die Amerikaner während des Irak-Krieges von unfähigen und egozentrischen Entscheidungsträgern geführt wurden. Ich glaube dies ist mittlerweile auch in der amerikanischen Gesellschaft weitestgehend angekommen, auch Dank der Aufarbeitung durch einigermaßen unabhängige Medien.

        Trotz allem, muss man immer wieder dafür kämpfen, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, und nicht in alte Muster zurück zu fallen. Im Prinzip sind es autokratische Regierungen welche die Spannungen innerhalb demokratischer Strukturen für sich auszunutzen versuchen. Eine einigermaßen neutrale mediale Aufarbeitung wie nach dem Irak- oder Vietnam-Krieg, wäre unter einer autokratischen Regierung wohl niemals möglich gewesen. Da hätte man viel mehr durch Täuschen und Betrügen seine eigene Position noch rechtzufertigen versucht, genau so wie wir es jetzt bei der russischen Politik und deren weltpolitischen Einflussnahme beobachten können.

        Leider gibt es bei uns nicht wenige, die sich als empfänglich für derartige Propaganda zeigen. Ich nenne das bewusst Propaganda, weil es nicht immer nur auf den Inhalt der Nachricht ankommt, sondern auch darauf, wer die Nachricht ausspricht. Du wiederholst an dieser Stelle genau das, was “pseudo-demokratische” Regierungen mit stark eingeschränkten Bürger- und Medienfreiheiten von sich geben. Allein schon deshalb sollten einem bei derlei Aussagen sämtliche Alarmglocken angehen.

    • Hast du einen Link dazu? Finde spontan nichts.

      • Michael. // 7. Oktober 2023 um 11:46 //

        Der Artikel verweist auch auf die Originalquelle.

        https://www.nachdenkseiten.de/?p=96301

      • Danke. Wenn man von der Quelle ein paar LInks weiter klickt, kommt man zu den Dokumenten. Wie ich es sehe, geht es nicht um die Sanktionen gegen Russland, sondern “unilaterale Zwangsmaßnahmen” im Generellen, von denen gesagt wird, sie belasten die Versorgung mit Medizin etc. Die UN hat sich in anderen Abstimmungen sehr deutlich den russischen Massenmord ausgesprochen.

      • Finde ich spannend. Auch wenn ich prinzipiell hinter dem Sanktionsgedanken stehe – ich finde Paul hat das oben mit der unterlassenen Gegenaggression super ausgedrückt – finde ich dieses Zitat von Nicholas Mulder aus Deinem Paper auch sehr treffend:

        „Das Paradoxe an Sanktionen ist, dass ihre wirksame Anwendung von einem glaubwürdigen Versprechen abhängt, sie aufzuheben. Sie müssen sich verpflichten, die Beschränkungen aufzuheben, wenn ihre Forderungen erfüllt sind. Im Moment stecken viele westliche Regierungen in einem Steigerungsproblem fest, bei dem sie nur den wirtschaftlichen Druck erhöhen, aber niemals die Beschränkungen aufheben können. Dies macht nicht nur das gesamte demokratische Verhaltensmodell für Sanktionen zunichte, sondern führt auch dazu, dass jede neue Sanktion immer weniger Aussicht auf Erfolg hat.“

        Das stimmt irgendwie. Hätte man die Atom-Sanktionen gegen den Iran wirksam wieder aufheben können, als der Iran ganz im Sinne der Sanktionen mitgespielt hat, wäre das Verhältnis zum Iran heute vielleicht ein anderes. Einmal ausgetretene Sanktionspfade wieder zu verlassen ist aber auch für uns nicht einfach.

      • Andres, guter Punkt! Ein klassisches Beispiel ist Kuba, bei dem nicht mehr wirklich klar ist, warum es bis heute noch sanktioniert wird. Dort leidet die Bevölkerung wirklich darunter, ich war vor einigen Jahren selbst einen Monat vor Ort und man sieht überall, woran es fehlt, zuallererst am Wissenszugang per Internet… 2018 gab es ein Überseekabel nach Venezuela für ganz Kuba, Zugang an wenigen Wifi-Hotspots für 2 USD / 30 Minuten und die Verbindung war so verheerend, dass selbst Mails abrufen meist gescheitert ist und ich trotz 100 gekaufter Zugänge mich nach wenigen Versuchen damit abgefunden habe, einen Monat ohne Internet zu leben und die Restlichen Zugänge an Locals verschenkt habe. Heute immer noch lediglich Privilegierten zugänglich, aber immerhin bekommt man eine Sim, vor 5 Jahren war das nicht möglich. Trotzdem müssen Kubaner auf Mesh-Netzwerke ausweichen, Unterhaltungscontent wird bis heute auf Festplatten auf der ganzen Insel verbreitet. Ich habe daher kürzlich auch diese Bestrebung unterstützt: https://kuno.anne.media/fundraiser/qwhy/

        Klar ist das Land noch tief im Sozialismus, aber schon 2018 waren zunehmend “Home Stays” möglich, unter strengen Auflagen und nur 1-3 Zimmer pro Haushalt, aber immerhin. Das Problem war eher die Buchung, denn man hatte kein Internet, Reisebüros alle staatlich und eine einzige Katastrophe und im Prinzip musste man blind weiterreisen und sich nach einer Unterkunft durchfragen oder sich auf den aktuellen Gastgeber verlassen, dass er einem etwas im nächsten Ort organisiert. Beides nicht sonderlich geil insbesondere wenn man mit Kindern reist… In Havanna habe ich vor der Ankunft etwas über Airbnb gebucht, was auch ganz OK war, allerdings haben meine Gastgeber (angeblich?) kein Geld von Airbnb bekommen und ich habe doppelt bezahlt.

        Dass die US-Regierung seit Jahrzehnten an ihrem Embargo festhält, zwischenzeitlich aber auf Kuba ihr rechtsfreies Guantanamo betreibt, ist an Zynismus kaum zu überbieten.

      • Ich finde das Beispiel von Paul mit den spielenden Kindern ebenfalls sehr passend. Man könnte gut argumentieren, dass das eine Kind das andere Kind sanktioniert, indem es dieses zum Beispiel ignoriert. Aber wahrscheinlich ist dies eine nicht ganz so schlechte pädagogische Maßnahme.

        Jahrelang wurde das Motto “Wandel durch Handel” gepredigt, und mit Staaten wie Russland oder China wurde der Handel intensiviert und ausgebaut. Es wurden sogar Abhängigkeiten geschaffen und High-Tech transferiert. Man versuchte zumindest mit gutem Beispiel voranzugehen, in (leider zu geringen) Ansätzen übrigens auch in Afrika. Trotzdem ist das Modell “Wandel durch Handel” krachend gescheitert. Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern oder für LGBT, sehr oft leider Fehlanzeige. Korruption ist in vielen Ländern noch immer gang und gäbe, und darum macht man es sich zu einfach, wie in dem Link von Michael versucht wird darzustellen, dass hauptsächlich die Sanktionen für einen unangemessenen Lebensstandard verantwortlich sind, und sie deshalb gegen “Menschenrechte” verstoßen würden. Dass kein Mensch mehr Hunger, Durst oder Kälte leiden sollte, ist klar. Aber solche humanitären Hilfsleistungen waren so gut wie nie von Sanktionen betroffen gewesen. Außerdem geht extremer Hunger und extreme Armut oft noch durch ein mehr oder weniger selbstverschuldetes Verteilungsproblem innerhalb der jeweiligen Staaten, mit einer zumeist autokratischen Regierungen, einher. Mit Sicherheit treffen diese Beschreibungen nicht pauschal zu, und mit Sicherheit hätten sich westliche Staaten schon viel früher und viel mehr in zahlreichen Entwicklungsländern solidarisch einbringen müssen. Deshalb aber zu argumentieren, dass man stets gute Mine zum bösen Spiel des aggressiven “Spielkameraden” machen sollte, und deshalb keine einseitigen Sanktionen verhängen darf, das leuchtet mir dann doch nicht unbedingt ein.

        Ob es gelingt die Sanktionen wieder aufzuheben, lässt sich im Prinzip auch bei den Kindern abschauen. Meistens braucht es einen ersten Schritt aufeinander zu. Der kommt in der Regel von dem, der den größeren “Leidensdruck” verspürt. Wenn man also im Westen das Prinzip “Wandel durch Handel” verfolgt hat, und damit gerne auf eine tolerante multikulturelle Gesellschaft hingewirkt hätte, dann müssten sich nun die ggf. sanktionierten Länder, bzw. deren Regierungen, überlegen ob man so einen Wandel überhaupt möchte. Wenn nicht, dann ist das eigentlich kein Problem, und dann sollte es allerdings auch keine Sanktionen geben. Erst wenn diese Länder nach außen hin aggressiv auftreten, oder ggf. aktiven Einfluss auf andere Länder und deren Gesellschaften auszuüben versuchen, erst dann sehe ich einen berechtigten Grund für Sanktionen (und das ggf. auch längerfristig). Leider haben sich in der Vergangenheit auch so manche westliche Staaten diesbezüglich nicht vorbildlich verhalten (insbesondere wenn es um die Ressource Öl gegangen ist). Deshalb wären im Prinzip auch Sanktionen gegen den Westen gerechtfertigt gewesen (z.B. durch die OPEC).

        Schaut man sich aber das aktuelle Weltgeschehen an, dann wird einem schnell klar, dass Sanktionen tatsächlich das kleinere Übel sind. So lange wir “nur” wegen Sanktionen diskutieren, dann scheint ja noch alles gut zu sein. Ich glaube in Zentraleuropa ist vielen nicht mehr bewusst, in was für eine bequeme und materiell sorglose Welt wir heutzutage hineingeboren werden. Hoffen wir mal, das es noch lange so bleiben wird, und dass wir sogar den Wohlstand getrost noch etwas herunterfahren können, um andere Nationen auch daran teilhaben zu lassen.

        Dann möchte ich mich an dieser Stelle bei allen für die konstruktiven Beiträge und Diskussionen bedanken. Insbesondere bei Paul, aber natürlich auch bei den “BSV-Jüngern” & Co. 😉 Ich habe mir vorgenommen, mich die nächste Zeit aus der Kommentarspalte weitestgehend rauszuhalten. Natürlich werde ich diesen tollen den Blog von Christoph weiter verfolgen, und ich bleibe auch Krypto und insbesondere BTC treu (gerade in so vielversprechenden Pre-Halfing- bzw. Pre-ETF-Zeiten).

        Ich wünsche allen einen guten Bull-Run, und haltet euch gut fest (Hodl, Hodl, Hodl)

        Ciao 🙂

    • Auch ein Votum des UN-Menschenrechtsrats ist keine Definition, was Menschenrechte fördert und was nicht. Es ist ein Votum der Mitglieder, die nach Zufallsprinzip ausgesucht und nach Regionen werden. Zurzeit sind die Mehrheit dieser Länder keine Demokratien und haben keine Vorstellung von individuellem Menschenrecht, wie es sich in der Aufklärung herausgebildet hat. Und dann stimmen auch Länder, wie China, Eritrea, Somalia, Vietnam, Katar, Kasachstan und Pakistan über Menschenrechte ab. Ich finde, da muss man in einem Blog nicht ausgewogen berichten.

  2. Ich hab gedacht ,das ist von der Tagesschau oder aus der taz.
    Alter Schwede,hattest du Besuch in der letzen Woche vom Propagandaminister persönlich?
    Kann’s noch immer nicht fassen.

    • Irgendwelche faktischen Anmerkungen oder nur ein Gefühl? Sorry dass ich das Blog nicht auf Jubelmeldungen reduziere sondern auch unschöne Aspekte von Krypto thematisiere. Gibt aber genügend andere Medien, die alles, was unschön sein könnte, konsequent ausblenden.

      • Michael W. // 9. Oktober 2023 um 8:26 //

        Ist halt normal heutzutage. Was nicht zur eigenen Meinung passt kommt von der “Gegenseite”. Fakten spielen keine Rolle mehr.

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