„Parallelwährung, jetzt!“

Ist Geld heute beliebig geworden? Und war es besser, als es noch durch Gold gedeckt wurde? Daniel Eckert, Redakteur der WELT, erkundet in seinem Buch “Alles Gold der Welt” die Möglichkeiten, den Währungen wieder einen Wert zu geben. Dies führt ihn zum Goldstandard, jener Epoche, in der das Gold die Geldmenge begrenzt hat – und zum Bitcoin, dem digitalen Gold des 21. Jahrhunderts. Eckerts Buch ist ein Aufruf, Paralellwährungen eine Chance zu geben.
Das Buch startet mit einer fulminanten Interpretation der Midas-Legende. Bekanntlich hat sich der griechische König gewünscht, dass alles, was er anfasst, zu Gold wird, und bekanntlich hat es sich als Desaster erwiesen, als der Gott Dionysos ihm den Wunsch erfüllt hat. Man kann sich nicht, so die Moral der Geschichte, von Luft und Gold allein ernähren. Aber was wäre passiert, fragt Eckert, wenn Midas, irgendwie, einen Weg gefunden hätte, trotz der vergifteten Gabe weiterzuleben? Gold wäre beliebig geworden. Midas hätte soviel davon geschaffen, dass es seinen Wert verloren hätte. Er wäre, so der Redakteur, zu einer Zentralbank des 21. Jahrhunderts geworden. Mit diesem Auftakt beginnt Eckert sein Buch „Alles Gold der Welt.“
Dreh- und Angelpunkt ist das Unbehagen am gegenwärtigen Geldsystem, das der WELT-Redakteur mit der Midas-Variation auf den Punkt bringt: Geld darf nicht beliebig sein. Mit Notenbanken, die sich zum Werkzeug der Politik machen lassen, anstatt die Goldmenge zu kontrollieren, wird es das aber. Die Notenbanken erzeugen maßlos neues Geld, um ein überschuldetes System vor dem Kollaps zu bewahren. Geld, so Eckert, ist zum sozialpolitischen Schmiermittel verkommen. Die Kosten trägt der Bürger, der schleichend enteignet wird: Durch Niedrigzinsen und eine schleichende Inflation. Es droht ein Währungskrieg, der in einer Spirale der Abwertung enden könnte.
Einfach so weiterzuwursteln, hält Eckert für gefährlich. Die Frage, wie man dem Geld seine Stabilität wiedergeben könnte, führt ihn zum historischen Goldstandard. Mit anschaulichen Anekdoten erzählt das Buch die Wirtschaftsgeschichte einer Epoche, in der Geld durch Gold gedeckt war, ganz oder teilweise. Wie Isaac Newton als britischer Münzmeister im frühen 18. Jahrhundert die Werte von Edelmetallmünzen in Relation setzte, wie im Lauf des 19. Jahrhunderts Nation um Nation die Geldmenge an den Goldvorrat koppelte, wie der Goldstandard zum Anbruch des 20. Jahrhunderts erblühte und die ganze Welt durch ein stabiles Währungssystem umspannte, und wie er schließlich von Richard Nixon 1971 begraben wurde.
Eckert erklärt die bemerkenswerten Eigenschaften des Goldstandards: Zum einen ist eine Hyperinflation ausgeschlossen. Die Goldmenge steigt und fällt zwar, weshalb eine goldgedeckte Währung weder von Inflation noch Deflation gefeit ist. Aber eine Hyperinflation wie in Deutschland in den 30ern oder in Zimbabwe in den 90ern ist rein physikalisch ausgeschlossen. Zweitens ist der Goldstandard die beste Medizin gegen ein Problem, mit dem die Eurozone derzeit kämpft: Er ist, so Eckert, ein „Alptraum der Ungleichgewichte“. Erwirtschaftet ein Land, sagen wir Deutschland, einen Exportüberschuss, fließt mehr Gold ins Land. Die Geldmenge steigt, Preise und Gehälter steigen mit. In einem Land mit Exportdefizit, sagen wir Griechenland, passiert das Gegenteil: Die Geldmenge sinkt, Preise und Gehälter sinken mit. Griechische Produkte werden günstiger, deutsche teurer, womit sich über kurz oder lang die Exportverhältnisse umkehren.
Der Goldstandard hatte die große Globalisierung ermöglicht, er hatte den Menschen ein Geld gegeben, das über Jahrzehnte hinweg stabil war. Könnte er erneut die Lösung sein? Könnte ein restaurierter Goldstandard ein aus den Fugen geratenes Geldsystem retten? Eckert geht der Frage auf den Grund, bleibt bei der Antwort aber unentschlossen. Einerseits ja, ein Goldstandard könnte das Vertrauen in Währungen wiederbeleben und ihnen einen neuen Werkkern verleihen. Andererseis nein, das Gold ist weltweit zu ungleich verteilt, Gold ist als Zahlungsmittel unpraktisch, und eventuell ist der Goldstandard zu starr, um Krisen verhindern zu können.
Daher überlegt der Redakteur, ob ein neuer, ein zeitgemäßer Goldstandard denkbar wäre. Womit er beim Bitcoin ist. Eckert ist fasziniert von dem Prinzip, vor allem von der begrenzten Menge der virtuellen Währung. Allerdings sieht er sie eher als Experiment denn als Inbegriff der Wertbeständigkeit an. Er ist besorgt über Hackerangriffe, irritiert davon, dass der Bitcoin keinerlei physische Form hat, skeptisch wegen der volatilen Preise – aber auch gespannt, wie es weitergeht. Wenn der Bitcoin die derzeitigen Probleme überwindet und an ihnen wächst, gibt Eckert ihm durchaus eine Chance.
Der Bitcoin ist für den Redakteur aber eher Nebensache. Er könnte sich auch ein neues E-Gold vorstellen, also eine kryptografische, durch Gold gedeckte Währung. Oder Gold-ETFs, die als Zahlungsmittel dienen. Worum es Eckert geht, ist, dem Bürger ein Geld anzubieten, das wertbeständig und frei von politischen Interessen ist. Das Buch endet demnach auch mit dem glühenden Plädoyer: „Parallelwährung jetzt!“.
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