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Der fabelhafte Auftritt des Andreas Antonopoulos vor dem kanadischen Senat

Canada flag on CNE. Taken in Toronto @ December 21, 2006. Foto von Alex Indigo via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Um sich über den Bitcoin zu informieren, hat der kanadische Senat einen der prominentesten „Bitcoin-Evangelisten“ eingeladen: Andreas Antonopolous. Während einer etwa 1,5-stündigen Befragung durch die Senatoren hat Antonopolous auf bestechende Weise für den Bitcoin geworben, Vorschläge für eine vernünftige Regulierung gemacht und Ausblicke auf die Zukunft der Kryptowährungen gegeben. Er traf dabei auf Senatoren, die mit Offenheit, Humor und Neugier an das Thema herangegangen sind.

Das stehende Komitee für Banking, Handel und Kommerz des kanadischen Senats traf am 8. Oktober zum 11. mal zusammen, um sich über den Nutzen der digitalen Währung zu informieren. Während der vorangegangenen Sitzungen hatte das Komitee die Ansicht des Finanzministeriums, der Zentralbank, der Steuerbehörde, der Kanadischen Payments Association, von Akademikern sowie kanadischer Bitcoin-Firmen angehört. Zum 11. Treffen war Andreas Antonopolous, berühmter Bitcoin-Redner und Mitarbeiter bei blockchain.info, eingeladen, um den Senatoren eine weitere Innenansicht aus dem Bitcoin-Raum zu vermitteln. Der Vorsitzende Irving Gerstein stellte ihn als „Bitcoin-Guru“ vor. Antonopolous demonstrierte, dass er diesen Titel verdient.

Keine zentralistische Lösungen für ein dezentrales Netzwerk

Andreas Antonopolous klärte gleich zu Beginn seines Auftritts einen ganz wesentlichen Punkt, der zwar technisch ist, aber für die Regulierung immense Folgen hat: Der Unterschied zwischen zentralen und dezentralen Sicherheitsstrukturen. Die große Neuheit des Bitcoins ist, dass er Sicherheit dezentralisiert. Davor konnte Transaktionssicherheit nur durch zentrale Systeme gewährleistet werden, in denen diejenigen, die nahe am Zentrum sind, so eine ungeheure Macht bekommen. „Zentralisierte finanzielle Netzwerke sind fragil und benötigen mehrere Schichten der Aufsicht und Regulierung, um zu gewährleisten, dass die zentralen Akteure ihre Stellung nicht für eigene Profite missbrauchen.“ Beim Bitcoin gibt es keine Akteure mit unerhörter Macht, und da das Bitcoin-Netzwerk nur Bitcoins sendet (und nicht, wie andere Methoden, die Ermächtigung, Geld von einem anderen Konto abzuziehen) können die Transaktionen unverschlüsselt gesendet und auch auf unsicheren Systemen gespeichert werden. Eine Notwendigkeit, zentrale Akteure zu überwachen und zu regulieren, besteht nicht, um die Validität von Überweisungen sicherzustellen.

Antonopolous appellierte an den Senat, keine zentralistischen Lösungen für ein dezentrales System anzuwenden:

Bitcoin zu zentralisieren wird seine Sicherheit schwächen, sein innovatives Potenzial hemmen, seine am stärksten disruptiven und am vielversprechendsten Möglichkeiten entfernen und die User entmachten, während es die etablierten Betreiber stärkt. Konsumentenschutz wird nicht erreicht, indem man Bitcoins naturgegebene Privatheit entfernt. Von Nutzern zu verlangen, dass sie sich identifizieren, und Mechanismen der Zugangskontrolle auf das Bitcoin Netzwerk aufzusetzen und dann den Identifikatoren durch eine Kette von Mittelsmännern zu vertrauen – das wird nur die Fehler der Vergangenheit wiederholen, wenn man single point of failures in ein Netzwerk einführt, dass diese nicht hat. Wir können Konsumenten nicht beschützen, indem wir ihnen die Möglichkeit nehmen, ihre eigenen Schlüssel zu besitzen und von ihnen verlangen, denselben Mittelsmännern zu vertrauen, die schon zuvor so oft versagt haben.

Wie der Bitcoin zu regulieren ist

Senator Black fragte Antonopolous dann, wie man Bitcoins regulieren solle. „Ich möchte lernen, was notwendig ist, um sicherzustellen, dass sich diese Innovation weiterhin entwickeln kann. Das ist meine Premise für diese Anhörung, ob richtig oder falsch.“ Da die Vertreter der kanadischen Bitcoin-Branche dem Senat gesagt haben, eine Regulierung schaffe Rechtssicherheit und sei gut für die Branche – wie solle man diese angehen?

Für Antonopolous ist es das wichtigste, dass man den Bitcoin nicht in regulative Strukturen zwingt, die für zentralistische Organisationen wie Banken gemacht worden sind. Stattdessen fordert er den Senat auf, Bitcoins als programmierbares Geld anzuerkennen, das zahlreiche Möglichkeiten bietet, flexibel auf die Bedürfnisse des Verbraucherschutzes zu reagieren.

Im traditionellen Bankgeschäft ist es zum Beispiel so: So lange man kein Bargeld hat, ist jedes Konto des Verbrauchers ein Treuhandkonto. Das bedeutet, dass die Bestände von einer Bank, der man vertraut, verwahrt werden, und dafür bekommt man das Versprechen, dass dieses Geld auch morgen noch da sein wird. Die Bank kontrolliert die Bestände vollständig. Bitcoin ermöglicht eine viel weitere Spanne von Kontrolle zwischen dem Verbraucher und einem Finanzdienstleister. Bis hin zu vollständig dezentralen Kontrolle, in denen der Nutzer der einzige mit der vollen Kontrolle bleibt.

Anders gesagt: Der Bitcoin bietet Verbraucherschützern ganz andere Möglichkeiten als gewöhnliches Geld. Man kann Bitcoins auf einer Wallet lagern, ohne dass deren Betreiber die Möglichkeit hat, sie auszugeben. Unfälle im Bitcoin-Space kommen nur dann vor, wenn ein zentraler Akteur die volle Kontrolle über die Bitcoins hat. Wie im Fall Mt. Gox. Wenn man die regulativen Bestimmungen, die für solche zentralen Akteure gelten, auf den kompletten Bitcoin-Bereich anwendet, verpasse man die Chance, bessere Lösungen für dieses programmierbare Geld zu schaffen, die auch besser Lösungen für Geld an sich sind.

Antonopolous meint, dass der Bitcoin an sich bereits durch das Protokoll reguliert werden. Gewisse Geschäftsmodelle mit Bitcoins sollten jedoch durchaus reguliert werden sollen, etwa wenn die Kontrolle über die Gelder zentralisiert ist.

Zur Ausnutzung durch Kriminelle

Selbstverständlich geht keine Anhörung zum Bitcoin vorbei, ohne dass die Geldwäscher, Drogendealer und Terroristen thematisiert werden, die womöglich auch vom Bitcoin profitieren können. Der Vorsitzende Gerstein fragt, was Antonopolous dazu meint, dass der Bitcoin, als offenes Netzwerk, auch von Kriminellen missbraucht werden kann.

Antonopolous sagt zum einen, dass er es für ein großes Missverständnis der Idee des Bitcoin halte, dass das Netzwerk anonym sei. „Im Gegenteil, die öffentliche Datenbank erlaubt es jedem, alle Transaktionen des Netzwerkes zu beobachten.“ Es sei tatsächlich einfacher, starke Transparenzbestimmungen einzubauen als starke Anonymität zu erreichen.

Ohnehin sei der Bitcoin kein primäres Vehikel für kriminelle Transaktionen. Der Nutzen des Bitcoins für Milliarden von Menschen überwiege es, dass er von einigen für kriminelle Zwecke benutzt werde. „So wie es mit jeder Technologie ist, spiegelt diese Technologie die Gesellschaft, und es wird eine kleine Minderheit geben, die sie für böse Zwecke nutzt.“

Wie lange muss Bitcoin noch reifen?

Einer der sympathischsten Aussprüche kommt von Senator Campbell: „Ich glaube nicht, dass ich jemals beim Bitcoin durchsteigen werde. Ich verstehe es nicht, auch nicht im 11. Treffen. Aber wenn ich mit jüngeren Leuten reden, sehe ich, dass sie es verstehen. Sie haben keinerlei Fragen. Sie meinen, ‚das ist das, wo es hingeht.‘ […] Wie lange braucht es noch? Was meinen Sie? Wie schnell wird diese Sache über uns kommen?“

Antonopolous schätzt, dass der Bitcoin etwa dort ist, wo das Internet in den 90er Jahren war.

Etwa zehn Jahre danach war es schon beinah im Mainstream angekommen, vor allem unter jüngeren Leuten. Etwa 20 Jahre danach hat meine Mutter ihren ersten iPad bekommen und mir eine Email geschickt. Ich denke, dass in den nächsten acht Jahren auch der Bitcoin zum Mainstream wird, wenn wir Anwendungen sehen, die es viel leichter machen, Bitcoins komfortabel und sicher zu benutzen. Derzeit sind wir noch nicht so weit.

Die User sind zu hacken, aber nicht das System

Auch Senator Greene hat Spaß an der Anhörung. „Das ist ohne Frage das interessanteste Thema, mit dem wir uns beschäftigen, seit ich dem Komitee angehöre. Ich bin einfach nur fasziniert. In der vergangenen Nacht, als ich Ihr Paper gelesen habe, hatte ich eine Idee. Kann es sein, dass Bitcoin und verwandte Währungen nicht zu hacken sind, weil es nichts zu hacken gibt?“

Antonopolous erklärte darauf, dass individuelle Wallets gehackt werden können und dass es Beispiele dafür gebe. Das System als ganzes kann jedoch nicht gehackt werden. „Ich sage das mit Überzeugung, denn während der letzten fünf Jahre und vor allem während der letzten eineinhalb Jahre, als der Wert im Netzwerk 5 Milliarden Dollar überstiegen hat, gab es nie eine Knappheit an Leuten, die versucht haben, Bitcoin zu hacken.“ Sie haben es nicht geschafft.

So, wie das Internet in den frühen Zeiten auch anfällig für Hacker waren – einzelne Hacker konnten Yahoo oder Microsoft angreifen – und mittlerweile viel resistenter geworden ist, so werden auch die Bitcoin-Plattformen und -Anwendungen immer resistenter werden.

Über Altcoins

Senator Greene erkundigte sich nach Altcoins. „Sie haben erwähnt, dass es etwa 500 andere Kryptowährungen gibt. Wie groß sind sie, verglichen mit dem Bitcoin? Sind es ernstzunehmende Konkurrenten oder sind es Kopien?“

Laut Antonopolous schafft die Möglichkeit, Währungen auf Knopfdruck zu kreieren, eine Umwelt, in der es womöglich tausende oder zehntausende von Währungen geben werden.

Ich glaube, dass Leute Währungen so erzeugen werden, wie sie Internetseiten erzeugen […] Was derzeit entsteht, ist ein Labor der Evolution und Innovation, in dem neue Ideen gestestet werden, und einige der besten Ergebnisse sind oft katastrophale Desaster im kleinen Rahmen, durch die wir mehr über das künftige Design des Bitcoin erfahren.

Über den Wandel von Geld

Senator Green frage: „Können Sie sich vorstellen, dass einmal ein Nationalstaat seine eigene Währung aufgibt und Bitcoin annimmt?“

Diese Frage empfand Antonopolous als schwierig, da er meint, dass sich die grundlegende Natur des Geldes wandelt.

Ich denke die Wirtschaft, oder, wenn Sie möchten, Organisation, die den Bitcoin annimmt, ist das Internet und das ist eine transnationale Entität. Ich denke, das hat weitreichender Implikationen in der Zukunft als nationale Währungen. […] Ich sage aber voraus, dass in der Zukunft Nationalbanken vielleicht die Blockchain-Technologie nutzen werden um eine eigene nationale digitale Währung herauszugeben.

Über die Bestimmung der korrekten Geldmenge

Über die richtige Geldmenge war Senator Massicotte besorgt: „Wir sind älter als Sie. Ich schaue mir Zentralbanken an, da ich in einem Bankenkomitee sitze, und sie kommen alle 20 oder 30 Jahre mit einer neuen Theorie zur Geldmenge, zu deren Wachstum und zur Kontrolle von Inflation oder Währungen an. Wir lernen es immer 30 bis 40 Jahre später, dass wir falsch lagen. In anderen Worten: Shit happens. Wenn ich mir nun Ihren Algorithmus anschaue, dann sagt er, wir sagen voraus, wie sehr eine Währung wachsen muss, und wir haben recht. Allerdings bin ich recht sicher, dass man in 20 oder 30 Jahren sagen wird: wir hatten nicht recht.“

Für Antonopolous ist das ökonomische Rezept des Bitcoins nur ein Rezept von vielen möglichen:

Bitcoin und andere Währungen erlauben uns, monetäre Konzepte zu implementieren und zu korrigieren. Wenn Bitcoins monetäres Rezept falsch ist, werden die Leute zu einer anderen Währung gehen, die ebenso dezentral ist, aber andere monetäre Grundlagen hat. Es ist einfach nur eine Wahl. Ich weiß nicht, ob es richtig oder falsch ist, aber ich weiß genau, wieviele Bitcoins in 30 Jahren existieren werden, ja, sogar in 140 Jahren. Was der Bitcoin bietet, ob man das Konzept mag oder nicht, ist Sicherheit und Berechenbarkeit, und das macht es Leuten möglich, ihre Erwartungen anzupassen. Wenn es andere monetäre Theorien gibt, kann man mit der Blockchain-Technologie andere Währungen bilden. Sie können sogar eine Blockchain-Technologie bilden, deren Geldmenge durch ein Komitee von 12 Zentralbänkern gesteuert wird. Es würde transparenter sein als das derzeitige System.

Wie schwierig ist es, selbst eine Währung zu bauen?

Senator Ringuette wollte daraufhin wissen, wie teuer es ist, eine ähnliche Währung wie den Bitcoin zu bilden.

Antonopolous erklärte, dass dies jeden Tag geschehe. Die Blockchain-Technologie versetzt die Leute in die Lage, sich eigene Währungen zu bilden, wie sie es wollen. Sogar ein Zehnjähriger könne eine Währung bauen, die sicher sei.

So wie das Internet Desktop-Publishing und Kommunikation zu den Individuen gebracht hat und ihnen Möglichkeiten gegeben hat, die vorher ein Privileg von Leuten waren, die fußballfeldgroße Druckmaschinen hatten, so demokratisiert die Blockchain-Technologie die Schaffung von Währungen. Das Resultat ist, dass jeder, der eine neue Währung erschaffen will, egal aus welchen Gründen, dies auch tun kann. Die Währungen sind sofort, global und sicher.

Senator Ringuette fragte, ob sie auch kostenlos seien.

Ja, sagte Antonopolous, auch kostenlos. Tatsächlich könne man auf eine Webseite gehen und den Ringuette-Coin noch heute erschafften für etwa ein Zehntel-Bitcoin. Bald werde aber auch das komplett kostenlos sein.

Die Chancen des Bitcoins für Kanada

Senator Black fragte schließlich, welche Chancen der Bitcoin für Kanada bringe.

Antonopolous meine, man würde zu kurz greifen, wenn man Bitcoin nur als Geld fürs Internet ansehe. Stattdessen sei Bitcoin das Internet des Geldes (Internet of Money).  Eine Währung sei nur eine von vielen App.

Bitcoin, die Währung, ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist die Proto-Technologie, die dezentrale Netzwerke des Vertrauens zum Verbraucher bringen, aber es wird noch andere apps geben, und das entwickelt sich bereits mit einer ungeheuren Geschwindigkeit. Vom Standpunkt der Forschung und Innovation, es ist unglaublich.

Über Christoph Bergmann (2813 Artikel)
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5 Kommentare zu Der fabelhafte Auftritt des Andreas Antonopoulos vor dem kanadischen Senat

  1. Sehr interessanter Beitrag. Danke!

    „Antonopolous sagt zum einen, dass er es für ein großes Missverständnis der Idee des Bitcoin halte, dass das Netzwerk anonym sei. “Im Gegenteil, die öffentliche Datenbank erlaubt es jedem, alle Transaktionen des Netzwerkes zu beobachten.Es sei tatsächlich einfacher, starke Transparenzbestimmungen einzubauen als starke Anonymität zu erreichen.”“

    Vielleicht kann mir das mal einer erklären (ich versteh`s nämlich nicht wirklich): Was soll das bringen wenn man Transaktionen des Netzwerkes beobachten kann? Damit allein kann ich doch keine Anonymität aufheben? Niemand kann (außer villeicht unter Androhung von Gewalt) anhand des Netzwerkes Identitäten von Zahlungsempfängern bzw. Sendern herausfinden!?

    Transparenz hat doch nicht wirklich viel mit „De-Anonymität“ zu tun, oder?

    • Name required // 25. Oktober 2014 um 14:28 // Antworten

      Genau da liegt ja der Clou. Wenn man an den richtigen Stellen die Anonymität aufhebt (staatliche Ermittlungen hinsichtlich illegaler Nutzung) kann man alle Aktivitäten verfolgen. Es ist zwar aufwändig, aber machbar. Insofern reicht eine maßvolle Regulierung völlig aus, die sich lediglich auf die Schnittstelle mit herkömmlichen Währungen beschränkt. Sollte dann tatsächlich Emittlungsbedarf bestehen, kann man diesen staatlicherseits durchsetzen – aber auch nur dann. Alles Andere wäre Überregulierung.

    • Die Annonymität ist sofort aufgehoben, wenn man daran denkt die Bitcoin in der realen Welt auszugeben. Solange der Bitcoin in der virtuellen Welt bleibt ist er annonym.

  2. t

  3. „Tatsächlich könne man auf eine Webseite gehen und den Ringuette-Coin noch heute erschafften für etwa ein Zehntel-Bitcoin.“
    Wer kennt die genannte Webseite?

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