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Frei schwebender Reichtum

Bild von XoMEox via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Bitcoin hat viele Menschen reich gemacht. Anders als die traditionellen Reichen entziehen sich die Bitcoin-Reichen aber den üblichen Rollen und Netzwerken. Das macht sie zu einer neuen, freieren Klasse von Reichen.

Wenn man einige Jahre ein Blog über Bitcoin schreibt, wird es unvermeidbar, direkt oder indirekt in Kontakt mit Leuten zu stehen, die relativ reich sind.

DEN Bitcoin-Reichen gibt es jedoch nicht: Der eine lebt weiter im Keller seines Elternhauses, der andere kauft sich in ganz Europa Immobilien, und der nächste wandert nach Südamerika aus; die einen hören auf zu arbeiten und kümmern sich um Kinder und Haushalt, die anderen gründen Unternehmen, schreiben Open-Source-Code und investieren in Bitcoin-Startups; einer kauft sich ein 300PS starkes Auto, während ein anderer seinen größten Luxus darin findet, Freunde und Verwandte zu beschenken.

Mit Reichtum zu protzen scheint den meisten Bitcoinern fern zu liegen. Sie tragen keine Maßanzüge, bewohnen keine Villen, schlafen nicht in Luxus-Hotels, speisen nicht in Edel-Restaurants, fahren keine Nobelautos, verschenken keine Diamanten. Stattdessen erfüllen sie sich bodenständige Träume – und sind damit zufrieden.

Vielleicht trifft auf die Bitcoin-Reichen der Satz zu, dass Geld einen nicht verändert: Es erlaubt einem nur, zu sein, wer man wirklich ist. Und vielleicht unterscheidet das Bitcoiner am deutlichsten von traditionellen Reichen.

Wer in Deutschland ein Vermögen besitzt, hat es entweder geerbt oder als Unternehmer oder Manager verdient. Wer erbt, wird in ein Umfeld des Reichtums geboren. Er oder sie wird entsprechend erzogen und per Geburt in die Netzwerke der Reichen integriert. Er wächst in den Habitus des Reichseins hinein.

Unternehmer erwirtschaften ihren Reichtum dagegen durch Arbeit und oft Entbehrungen. Auf dem Weg entwickeln sie eine „Geschäftsführer-Persönlichkeit“: Sie gewöhnen sich an, „Chef“ zu sein und sich beflissen im Umfeld der Geschäftspartner zu bewegen. Sie wachsen in die Netzwerke der Reichen hinein und kennen ihre Anwälte, Notare, Banker und Steuerberater, ihre Bauunternehmer, Architekten, Landschaftsgärtner und Maßschneider, Lokalpolitiker, Sterne-Köche, andere Reiche und so weiter.

Auf traditionellem Wege reich zu werden ist ein Prozess, der die Persönlichkeit transformiert und in soziale Netzwerke einbettet. Reichtum wird ein Lebensstil, der mit Rollen und Zwängen, Kontrolle und Disziplinierung einhergeht. Der goldene Käfig ist mehr als nur eine Floskel.

Mit Bitcoin reich zu werden ist dagegen ein Ereignis. Da ist der Gamer, der 2011 aus Spaß mit seiner Grafikkarte ein paar Wochen Bitcoins schürfte; der Kiffer, der 2012 Gras auf der Silk Road bestellte und sich in das Darknet-Zahlungsmittel verliebte; der Zocker, der 2013 mit Altcoins handelte; der Techie, der 2015 in die Ethereum-ICO investierte. Und so weiter. Nicht ein langer, mühsamer Weg, sondern einzelne Entscheidungen sind die Quelle des Reichtums.

Man sollte Bitcoiner aber nicht mit Lotto-Millionären vergleichen. Denn Glück allein reichte nicht. Sie brauchten auch Neugier und Offenheit, eine technische oder ökonomische Vorbildung, den Mut, ein ungewöhnliches Investment zu wagen, und den Glauben, zu halten, anstatt 200 Prozent Profit abzuschöpfen.

Anders als Unternehmer und Erben durchlaufen Bitcoin-Reiche aber keine Transformation von Ego und Umfeld. Sie sind nicht „Chef“, sie übernehmen keinen Habitus der Reichen und integrieren sich nicht in die üblichen sozialen Netzwerke. Viele kennen keinen Anwalt, haben noch nie ein Haus gebaut, tragen Jeans und Kapuzenpulli und fahren einen alten, rostige Fiat. Ihr würdet sie nicht erkennen, wenn sie eure Nachbarn wären.

Diese Bitcoiner sind eine neue Klasse von Reichen, die vor allem psychologisch und soziologisch spannend ist: Sie hatten oft gar nicht vor, reich zu werden, sondern wurden es versehentlich, weil sie ihrem Sinn für Idealismus folgten. Sie frei von den üblichen Bedürfnissen und Zwängen des Reichtums, frei von der üblichen Kontrolle und Einbettung.

Diese Freiheit könnte der Grund sein, warum Bitcoiner vielleicht besser als andere Reiche in der Lage sind, den größten Gewinn aus Geld zu ziehen – nämlich wirklich sie selbst zu sein.


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Über Christoph Bergmann (2828 Artikel)
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12 Kommentare zu Frei schwebender Reichtum

  1. Bravo, echt gut geschrieben.

    Scheint so, als würdest du dich in der Welt des alten Geldes gut auskennen.
    Habe eine abgegrenzte Erfahrung mit Reichtum (Immobilien) und würde sagen, echt authentisch.

  2. Hans Frosch // 7. Mai 2024 um 18:29 // Antworten

    Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Bitcoin nach wie vor auf Null fallen kann.

    • diese Erkenntnis erdet so manchen.
      Streben nach Lambo ist Irrweg.
      Bw

    • LOL. Nach wie VOR? Wann war das denn? Mist, habe ich wohl verpennt.

      • Hans Frosch // 11. Mai 2024 um 14:07 //

        Es könnte durchaus sein, dass es eine viel dezentralere, privatere, skalierbarere Kryptowährung mit Smart Contracts geben wird. Wer braucht dann noch Bitcoin?

  3. Sehr schöner Artikel. Ich finde mich darin wieder.
    Ergänzen möchte ich zu „…und den Glauben, zu halten“ gehört zudem eine gewaltige Stressresistenz bezüglich Vola und Bärenmarkt.

    • In der Tat ein sehr schöner Artikel. 10 von 10 Punkten!

      …gehört zudem eine gewaltige Stressresistenz bezüglich Vola und Bärenmarkt.

      Ich glaube, die meisten Bitcoiner, über die Christof schreibt, verfügen in Bezug auf materiellen Wohlstand über ausreichend Gelassenheit, sodass Stress im Großen und Ganzen kaum aufkommt. Vielleicht steht der Begriff „Hodler“ irgendwann einmal als Synonym für wirkliches Selbstsein. 😉

      • Frank // 8. Mai 2024 um 2:49 //

        Der Stress entsteht dadurch, einmal erlangtes evtl. wieder abgeben zu müssen. Das erreicht auch Leute, die aus Versehen reich geworden sind. Die Gelassenheit weicht, wenn man beginnt, sich an die Zahl in EUR zu gewöhnen und sich ausmalt, was man damit anstellen wird. Wenn bei den HODlern im Großen und Ganzen Panik oder Stress kaum aufkäme, wäre diese Gruppe heute die Reichste und Größte, denn es wurden vom sogenannten „Retail“ dermaßen viele Bitcoin gemined und gehalten, als es noch gar keinen „Retail“ / Markt für Bitcoin gegeben hat. Genau diese Gruppe aber ist heute eher selten geworden, da viele davon in einem der vergangenen Bullen- oder Bärenmärkten eben doch Panik bekommen haben und den größten Teil an einem Punkt verkauft haben, der weit unterhalb der heutigen Kurswerte liegt.

      • Kranich // 8. Mai 2024 um 12:47 //

        @Frank
        Tja, „wie gewonnen, so zerronnen!“
        Christoph schreibt aber:

        Sie tragen keine Maßanzüge, bewohnen keine Villen, schlafen nicht in Luxus-Hotels, speisen nicht in Edel-Restaurants, fahren keine Nobelautos, verschenken keine Diamanten. Stattdessen erfüllen sie sich bodenständige Träume – und sind damit zufrieden.

        Warum sollte jemand der sich nur bodenständige Träume erfüllt, bei einem Bärenmarkt in Stress verfallen, wenn er sich durch die Ausübung seiner gewöhnlichen beruflichen Tätigkeit trotzdem noch die meisten seiner bodenständigen Träume erfüllen kann?

        Der Stress entsteht in erster Linie durch Zockerei und Proletentum. Wenn man nur das investiert, was man auch bereit ist zu verlieren, oder bereit gewesen wäre aus Idealismus für einen guten Zweck zu spenden, der wird auch den Bärenmarkt ohne viel Stress durchleben können. Außerdem sollte man im Bullenmarkt tunlichst seine Klappe halten, und im Freundeskreis nicht mit dem teuren Auto oder Urlaub prahlen. Es wird nämlich dann stressig, wenn man sich das alles nicht mehr leisten kann.
        Ich glaube es ist zutiefst menschlich, sich auszumalen was man alles machen könnte, wenn Bitcoin auf einen Betrag X steigen wird. Wenn sich diese Träume im nächsten Bärenmarkt anfangen in Luft aufzulösen, würde ich trotzdem nicht von Stress sprechen. Viel mehr ist es eine weitere Lektion des Lebens, dass die Bäume eben nicht in den Himmel wachsen, oder dass Rom auch nicht an einem Tag erbaut wurde. Womit wir wieder bei der notwendigen Portion Gelassenheit wären, die vielleicht notwendig ist, um ein „guter“ Hodler zu werden. 😉

        Deshalb mein bescheidener Rat an alle Zweifler von Bitcoin, habt keine Angst vor der Volatilität. „The trend is your friend“ und der Trend für das knappe Gut „Bitcoin“ zeigt auf absehbare Zeit weiterhin nach oben. Ganz egal, welche Argumente die anzugtragenden Verfechter des klassischen Finanzsystems sich noch einfallen lassen werden. Am besten einen monatlichen Bitcoin-Sparplan über einen „verschmerzbaren“ Betrag abschließen, und sich dann in 10-20 Jahren „überraschen“ lassen. 🙂

  4. Zu jedem Vermögen gibt es das passende Ausgabeverhalten, so dass das Vermögen erhalten bleibt. Und genau so gibt es auch für jedes, wirklich jedes Vermögen, einen Weg es zu vernichten. Spiel- Drogen- und Protzsucht zum Beispiel. Aber die bislang absolut ungeschlagene Nummer Eins ist die Gier.

    Weil man einfach den Hals nicht vollbekommen kann, werden aberwitzige Investitionen getätig und sowas geht recht oft gänzlich schief.

    Wie war das damals mit dem Chef und Milliardär von Ratiofarm, Heidelberger Zement und noch ein paar riesen Firmen? Adolf Merckle hieß er, glaub‘ ich. Der hat in ganz großem Stil VW-Aktien fett gehebelt geshortet. Dann kam der Wiedeking mit der sehr erfolgreich sanierten Porsche AG und wollte VW feindlich übernehmen. Das hat den Aktienkurs auf weit über tausend Euro getrieben und genau dann musste der Merkle die leer verkauften Aktien zurückkaufen. Joh, dann hat er sich vor einen Zug geschmissen. Noch mehr Verlust geht einfach nicht.

  5. Dass Leute reich wurden, die sonst keine Chance gehabt hätten, ist nur eine der Absurditäten, die Bitcoin in die Welt gebracht hat. Andere sind:
    Dass Reichtum darin bestehen kann auf einem versteckten Zettel 24 Worte notiert zu haben,
    … dass jemand beim Gox-Hack alles verloren hat, aber 10 Jahre später hoffen kann, viel mehr zurück zu bekommen, .
    .. dass jemand, der mit seiner alten Festplatte auch seine Wallet weggeworfen hat, jetzt bei jedem Blick auf den Bitcoin-Kurs immer noch kalkuliert, wie reich er jetzt wäre,
    … dass altgediente Aktienfachleute wie Buffett und Munger und Goldfachleute wie Peter Schiff immer weiter gegen Crypto argumentieren und einfach nicht sehen, dass hier eine ganze Industrie entsteht,
    … dass sich immer mehr Leute neu für die Frage interessieren, was Geld überhaupt ist.

  6. Auf traditionellem Wege reich zu werden ist ein Prozess, der die Persönlichkeit transformiert und in soziale Netzwerke einbettet. […]

    Hier stimme ich dir zu. Der BTC-Weg spielt sich im Vergleich zum klassischen Erben oder Unternehmer doch weit weniger im sozialen Umfeld anderer Reicher ab und weit mehr im eigenen stillen Kämmerchen.

    Mit Bitcoin reich zu werden ist dagegen ein Ereignis. […] Nicht ein langer, mühsamer Weg, sondern einzelne Entscheidungen sind die Quelle des Reichtums.

    Das dagegen glaube ich nicht.

    Mit Bitcoin wird man schließlich nicht „plötzlich“ reich, sondern nur, wenn man den Großteil der damals ohne finanzielle Hintergedanken bekommenen BTC über viele Jahre trotz aller Verlockungen und Anfechtungen behält. Auch das ist ein Prozess, der den Charakter beinflusst, verändert und entwickelt.

    Nicht umsonst sind viele der früheren BTC-Besitzer eben nicht reich geworden, sondern haben zu viel und zu früh verkauft bei früheren Hochs.

    ***

    Insgesamt habe ich ein bisschen den Eindruck, dass du zwar anfangs eine große Bandbreite an Bitcoinern konstatierst, dich im Laufe des Artikels aber immer mehr auf einen hypothetischen Bitcoin-Typus (Klischee? Idealtypus?Prototyp?) einschießt.

    Trotzdem – in Summe ein interessanter Artikel.

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