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Bitcoin als Tunnelwährung oder E-Mail-Anhang

Die Bitcoin News der Woche

Ist der Bitcoin eine Tunnelwährung, ein Geschäft oder eine Ideologie? Ein Service bringt Bitcoins als Peso nach Mexiko, ein anderer bietet an, Bitcoins per Email zu versenden, und ChangeTip steht in der Kritik, über kurz oder lang Nutzerdaten verkaufen zu müssen. Außerdem wurde in Barcelona das besetzte Haus geräumt, in dem unSYSTEM, die Hacker hinter der DarkWallet, gewohnt haben. Das sind die Bitcoin-News aus einer Woche, in der der Preis mal wieder ein Stück gefallen ist.

Beginnen wir mit den Zahlen: Der Kurs befindet sich in dieser Woche wieder unter Druck. Warum, weiß wie meistens keiner so genau, und manche wundern sich, warum der Fall des Rubels nichts gebracht hat, wo der doch demonstriert, dass manche Währungen sogar noch labiler sind als der Bitcoin. Fakt ist, dass der Preis in den vergangenen sieben Tagen um rund 10 Prozent nachgegeben hat und nun bei 260 Euro steht. Punkt. So, wie die Zeichen stehen, wird das Jahr 2014 als ein miserables Jahr fürs Bitcoin-Investemt in die Geschichte eingehen. Nochmal Punkt.

Möglich, dass der sinkende Preis eine sehr lange anhaltende Korrektur ist, während der sich die Marktkräfte gegen die Bitcoin-Begeisterung zum Boden vorkämpfen. Zwei andere Werte deuten nämlich darauf hin, dass der Markt, trotz – oder wegen – des sinkenden Preises gesünder geworden ist: Die Anzahl der Transaktionen und die Mining-Difficulty. Die Trends der letzten Wochen haben sich hier fortgesetzt: Die Difficulty ist erneut gesunken, sogar um mehr als 1 Prozent, und die Anzahl der täglichen Transaktionen hat am Donnerstag mit mehr als 103.000 ein neues Allzeithoch erreicht. Beides gibt Anlass zum Optimismus für 2015. Aber bitte bewerten Sie das nicht über.

Cash nach Mexiko

Die Tatsache, um die es mir geht, ist, dass der Bitcoin zunehmend benutzt wird, aber das nicht als echte Währung, sondern als Brückenwährung. Er wird benutzt, ja, aber so, dass er das Fiat-Geld nur für eine sehr kurze Zeit ersetzt. Reinschlüpfen, teleportieren, rausschlüpfen. Solange es der Zweck eines Bitcoins ist, verkauft zu werden, wird der Preis nicht gerade zum Mond fliegen.

Ein Paradebeispiel dafür, dass der Bitcoin als Tunnelwährung funktioniert, ist sendbitcoin.mx. Der Service ging in dieser Woche online und prozessiert Zahlungen nach Mexiko: Der Sender überweist Bitcoins, und der Empfänger kann sie als mexikanische Peso an einem von 6.000 Geldautomaten der BBVA Bancomer in Mexiko abholen. Als Partner fungiert die mexikanische Börse meXBT. Die Gebühr beträgt 1 Prozent. Laut der Webseite von sendbitcoin.mx ist der Service deutlich günstiger als Western Union, Xoom oder MoneyGram.

Der Bitcoin wird so zur Tunnelwährung. Man kann beklagen, dass das seinem Design als echte Währung zuwiderläuft. Oder man kann es als Schritt auf dem Weg verstehen: Wenn der Bitcoin immer nützlicher wird, lohnt es sich mehr und mehr, auf den Umtausch zu verzichten. Denn wenn der Bitcoin schon dann besser funktioniert als Euro oder Dollar, wenn man ihn am Ende in eine andere Währung eintauscht – wie ist es dann erst, wenn man auf den Wechsel verzichtet?

Bitcoins per E-Mail

Mit Backlash etwa kann man Bitcoins als Email versenden. Das ist so was von praktisch. Man loggt sich ein, schreibt eine E-Mail und hängt ein Stückchen Bitcoin an, sagen wir 5 Euro. Der Empfänger loggt sich ein, liest die Nachricht und holt Bitcoins ab. Ist das nicht die konsequente Weiterentwicklung der E-Mail? Alternativ kann man die Bitcoins auch über Facebook, twitter oder andere soziale Netzwerke versenden. Was ich mir nun nur noch wünsche, ist Backlash als Plugin für Thunderbird …

Kritik an ChangeTip

Eine andere spannende Bitcoin-Firma ist ChangeTip, der „Love Button for the Internet“. Mit ChangeTip kann man „tippen“, also Bruchteilchen von Bitcoins in sozialen Netzwerken verschenken. Weil jemand einen guten Witz gerissen hat, er das Geld braucht oder man ihn mag. Das StartUp hat das Konzept erfrischend aufgezogen, und so wurde das Tipping in den letzten Monaten zum (kleineren) Trend. Über reddit braut sich Tag für Tag und am liebsten dienstags eine Spenden-Cloud zusammen, die über andere subreddits herfällt und Bitcoins verteilt. Als Microsoft Bitcoins akzeptiert hat, bekamen so etwa viele xbox-Fans ein kleines Startkapital für den xbox-Account. Ich dagegen habe mich ein wenig über ChangeTip geärgert, weil zwischenzeitlich mein Account aufgrund meines Standortes gesperrt und nun wohl gelöscht oder leer ist.

Schade um die 3 Euro. Aber ich kann verstehen, dass bei ChangeTipp grade viel zu viel los ist. Tiping wird als Zukunft des Micropayment gehandelt, als Befreiung der Kreativ- und Content-Wirtschaft von der Werbung: Wenn die Cloud am Tag beim Surfen einfach einen Euro „tippt“, an all diejenigen, die das produziert haben, was sie nun genießen – der E-Mail-Account, ein Journalist, ein Youtube-Kanal, ein Foto, eine App – dann wäre die Utopie eines freien Marktes für kreative Leistung wahrgeworden. Es kam also, wie es kommen musste: ChangeTip prozessiert wahnsinnig viele Tips – bis zu 10.000 am Tag – bekommt 3,5 Millionen Dollar von einer Investorengruppe, stellt neue Leute ein, baut sich eine neue Webseite, undsoweiter …

Findet nicht jeder toll. Emin Gün Sirer, Hacker und Professor in Cornell, schreibt auf Hacking, Distributed „ChangeTip muss sterben“. ChangeTip sei ein zentrales Zahlungssystem wie jedes andere auch, zum Beispiel flattr, und wenn man sich die Zahlen von ChangeTip anschaut, rechnet Sirer, sei das Unternehmen so wertvoll wie ein alter Volkswagen: Es habe 155 Bitcoin auf der Cold Wallet. Führt es wie geplant eine 1-Prozent-Gebühr auf alle Auszahlungen aus dem System heraus ein, sei das maximale Einkommen 600 Dollar. ChangeTip habe genau eine Möglichkeit, mehr als ein paar tausend Dollar im Jahr zu erwirtschaften: indem es deine Daten verkauft.

Wer bei ChangeTip mitmacht, am besten mit google, reddit, twitter und facebook, der gibt ChangeTip Infos über alle seine soziale Netzwerke und verbindet die auch noch mit der Bitcoin-Adresse. Keine gute Idee. Selbst wenn ChangeTip solvent bleibt und die Daten wie versprochen nicht weiterverkauft, besteht immer noch die Gefahr, dass es gehackt wird.

Nick Sullivan, Gründer von ChangeTip, sagte, man habe eine strenge privacy police und verkaufe ohne Einwilligung der Nutzer keinerlei Daten. Die Vision sei es, zur Plattform des globalen Micropayments zu werden, das werde sich auch ohne den Datenverkauf monetarisieren, etwa durch Charities. Dass ChangeTip ein zentraler Service sei, sei notwendig: Micropayment ist auf der Blockchain einfach nicht möglich. Es kostet, und es ist langsamer. Eine Plattform, die stark skalierbar sei, muss offchain arbeiten.

Tja, das lassen wir mal so stehen.

Dunkelheit und spanische Polizei

In der Bitcoin-Welt gibt es zwei Lager. Das eine besteht aus Investoren und StartUp und will alles mit Bitcoin machen, wofür es einen Markt geben könnte. Hauptsache einen Fuß in der Türe haben, wenn die Währungsrevolution kommt. Das andere Lager besteht aus Idealisten, denen es (auch) um die Utopie des Bitcoin geht: um freies, dezentrales Geld und um Privatsphäre.

Man könnte ja Geld über soziale Netzwerke senden – aber nicht, solange jeder sehen kann, was ich wohin überweise. Die Blockchain ist vollkommen transparent, privat ist beim Bitcoin nur, wer hinter einer Adresse steckt. Wenn diese Privatsphäre fällt, wird der Bitcoin zum Geld des gläsernen Bürgers.

Hacker wie Amir Taaki programmieren deswegen schon lange das DarkWallet. Es soll dezentral alle Transaktionen der Nutzer mischen, so dass nicht nachverfolgbar ist, wer wem etwas überweist. Es ist, wie Amir Taakir einmal unglücklich gesagt hat, „ein Programm zum Geldwaschen“. Taakir und Wilson waren in Barcelona in einem besetzten Haus, der Kasa de la Muntanya, wo sie mit der Gruppe unSYSTEM an der DarkWallet arbeiten. Das Kasa de la Muntanya wurde diese Woche von der spanischen Polizei gestürmt. Die Operation richtete sich gegen Verbindungen zu Anarchisten und wurde als „Terrorabwehr“ bezeichnet. 400 Polizisten haben am Dienstagmorgen in Madrid und Barcelona die besetzten Häuser erobert. Anschließend haben einige tausend Leute auf der Straße gegen die Aktion demonstriert.

11 Personen wurden dabei verhaftet. Amir Taaki und unSystem waren nicht dabei. Sie sind schon im Sommer in ein neues Haus in London gezogen.

 

Über Sascha Nierste (34 Artikel)
Hat Soziologie studiert und arbeitet unter anderem als freier Autor. Für das Bitcoinblog kümmert er sich mit Vorliebe um Neuigkeiten und Akzeptanzstellen.

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