Die Bank ist tot, es lebe die Bank!
Ralf Beck hat ein Buch zu Bankenalternativen geschrieben. Er fordert den Verbraucher auf, die Banken vom Thron der Geldherrschaft zu stoßen und stattdessen Online-Plattformen zu nutzen. Das Buch ist ein wertvoller Leitfaden für den Verbraucher – rudert allerdings schwarzweißmalend zurück, wenn es der einzigen wirklichen Alternative zu den Banken begegnet.
Sind Banken die neuen Dinosaurier? Steckt die Dienstleistung, die sie erbringen, im 20. Jahrhundert fest, während gefrässige Shareholder und Manager den dummdoofen Verbraucher ausweiden wie einen frisch erlegten Fisch?
Geht es nach Ralf Beck, ist die Antwort: “JA!”. Banken spekulieren mit Lebensmitteln, zocken den Verbraucher durch heimliche Gebühren ab, verdienen unerhört viel an der Geldschöpfung, investieren in Atomkraft, zahlen viel zu hohe Managergehälter, lobbieren die Politik, täuschen den Verbraucher, liefern oft miese Dienstleistungen und werden, wenn sie scheitern, auch noch vom Steuerzahler gerettet. Der Verbraucher sollte, so der Professor an der Fachhochschule Dortmund, die Banken unbedingt von ihrem Thron der Geldherrschaft stoßen. Dazu muss er sie nur meiden, wo er kann. Und das geht, so Beck, immer besser. Wie, zeigt er in seinem Buch “Wer braucht noch Banken? Wie Start-Ups die Finanzwelt verändern und was uns das nutzt”, erschienen beim Börsenbuchverlag.
Herzlich Willkommen im 21. Jahrhundert!
Tatsächlich befindet sich das Finanzwesen derzeit in einer Revolutionsphase. Denn letzten Endes sind Banken vor allem die Verwalter von Informationen: Sie verwalten Kontostände, führen Überweisungen aus, strukturieren den Geldverleih, schöpfen Geld, wechseln Geld, vermitteln Anlageprodukte. Banken sind, um es ganz abstrakt zu sagen, Datenbanken mit einer kleinen Quote Eigenkapital.
Da aber nicht nur Banken Datenbanken können, gibt es mittlerweile Hunderte von sogenannten FinTech-Startups, die das Bankwesen neu erfinden. PayPal, Startnext, Auxmoney und viele Startups mehr bieten dieselbe Dienstleistung wie Banken, nur ohne den ganzen jahrhundertelang gewachsenen Ballast.
Beck zeigt in seinem Buch, welche Aufgaben die Banken haben, welchen Nutzen und Schaden sie erbringen und welche Alternativen es zu ihnen gibt. In ausgedehnten Streifzügen durch die Welt der alternativen Finanzdienstleister testet Beck Zahlungsdienstleister wie PayPal oder Sofort, investiert über Crowdfunding-Plattformen wie Startnext, vergibt Kredite über die P2P-Lending-Plattform Auxmoney, vergleicht die Wechselkosten von Banken mit TransferWise und legt über Online-Plattformen wie Tradegate Exchange sein Geld an. Dabei lernt der Leser: Viele Dienstleistungen, die man traditionell bei der Großbank um die Ecke kauft, gibt es im Internet günstiger – und oft auch besser.
Becks Buch sollte eigentlich zur Grundausbildung jedes finanziell mündigen Bürgers gehören. Er zeigt klar auf, was Banken machen, weshalb sie es nicht so gut machen, wie man es erwarten könnte, und wie man sein Geld vor ihnen in Sicherheit bringt. Dazu ist das Buch, trotz der eigentlich trockenen Thematik, sehr lebendig geschrieben. Beck würzt seine Absätze mit vielen Fragesätzen, Ausrufezeichen und seiner persönlichen Meinung. Manchmal wirkt das tapsig, aber es führt den Leser sehr unterhaltsam durch das Thema und motiviert, mit Beck die Banken die Macht des Verbrauchers spüren zu lassen: Nicht mit uns! Wir haben Alternativen!
“Nichts für uns, wir sind die Guten!”
Allerdings geht Becks subjektiver Einschlag manchmal zu weit. Mit einer einige Dioptrin starken Schwarzweißsicht teilt er die Welt der Finanzen gnadenlos in Gut und Böse. Böse Großbanken – gute Ethikbanken. Gute Antikapitalisten wie Occupy – schlechte Antikapitalisten wie Blockupy. Gute Investments wie Crowdfunding – böse “Zockerpapiere” wie CFDs (Differenzkontrakte). CFDs scheinen Beck so sehr zu erbosen, dass er seitenweise Schimpftiraden über sie ausbreitet und Handelsplattformen nur deswegen ablehnt, weil sie auch CFDs anbieten. Dass CFSd auch ein Instrument sein können, mit denen der Kleinanleger sein Investment in den DAX mit denselben Werkzeugen schützt wie die Profis – geschenkt.
Beck gehört zu jenen Autoren, die unbedingt und immer auf der Seite der Guten sein wollen – ohne das geltende “Gute” zu hinterfragen. Leider findet man dasselbe schwarz-weiße Prinzip auch dann vor, wenn Beck den Bitcoin trifft. Er erwähnt die Kryptowährung als mögliche Alternative zur Geldschöpfung durch die Banken: “Halt, halt, gerade fällt mir noch etwas zur Geldschöpfung ein! Der Bitcoin.”
Allerdings beschäftigt sich Beck nicht wirklich mit dem Bitcoin. Ein Blick in die Wikipedia reicht, um die ganze Geschichte in einen Kübel schwarze Farbe zu tauchen:
“Der Wikipedia-Artikel zum Bitcoin ist ellenlang. Wenn man sich dort die schiefgelaufenene Dinge ansieht, erübrigt sich die Frage schon, ob wir auf so etwas (gelegentlich) mal umspringen können und sollten. Als Alternative für was? Eigentlich für nichts […] Der Bitcoin ist ewas für Spieler. Haken wir das also bis auf weiteres ab.” Entgegen dieser Versprechung schimpft er dann doch weiter über die Kryptowährung. MtGox, Kursschwankungen, etc. “Letztlich gab und gibt es an allen Ecken und Enden Probleme mit dem Bitcoin.” Und, schlimmer noch: diese “ominöse Währung” wird auch noch in Verbindung mit Drogengeschäfte gebracht. “Nichts für uns, wir sind die Guten!”
Es gibt keine bankenlose Wirtschaft im falschen Geld
Nun … was soll man dazu sagen? Dass der Bitcoin in den letzten Monaten stabiler als der DAX ist? Dass auch mit Euro Drogen und Schlimmeres gekauft werden? Dass Zahlungsdienstleister das Kursrisiko tragen und man sich mit beispielsweise BitReserve vor der Volatilität schützen kann? Dass seit MtGox keine Kunden größerer Plattformen durch einen Hack Schaden erlitten haben? Dass die Ausfallquote beim Crowdinvesting dagegen ziemlich hoch liegt? Dass Multi-Sig-Verfahren mehr Verbraucherschutz leisten können, als alle Regularien zusammen? Wer sich nur über Wikipedia informiert und noch dazu neigt, die schwarze Farbe, die er einmal aufgetragen hat, immer wieder zu erneuern, wird das natürlich nicht wahrnehmen.
Tragisch ist Becks Schwarzsichtigkeit jedoch, weil der Bitcoin im Grunde exakt das ist, was er sucht. Denn während Beck die Alternativen vorstellt, ahnt er, dass sie auf halbem Weg steckenbleibt. PayPal erhebt hohe Gebühren, ist anfällig für Datenphishing und macht sicht, sehr zum Ärger von Beck, zum transaktionsblockierenden verlängerten Arm der US-Außenpolitik. Ärgerlich findet er es auch, dass es keine Alternative zum Girokonto bei der Bank gibt, obwohl dieses zur Grundvoraussetzung der bundesdeutschen Existenz gehört. Ebenso stellt Beck leicht enttäuscht fest, dass bei allen Fintech-Startups im Hintergrund weiterhin eine Bank mit ihren Konten und Lizensen steht. Die Revolution des Verbrauchers führt diesen auf einen Weg, der im Schoß der Banken mündet. Hätte man doch nur ein Werkzeug, das wirklich aus dem Bankwesen ausbricht, aber nicht einen so schlechten Wikipedia-Artikel hätte …
Beck sieht selbst, dass die von ihm vorgestellten Alternativen entweder zu Banken zurückführen oder sich – Stichwort PayPal – selbst wie eine Bank gebärden, wenn sie einmal die notwendige Marktmacht haben. Wenn er die echte Revolution findet – den Bitcoin – rudert er jedoch zurück. Er möchte die Banken schon entthronen, aber die Alternative soll nicht beißen, absolut legal und frei von Risiken sein.
Wenn man die Banken wirklich aus den Kreisläufen des Geldes entfernen möchte, dann geht dies derzeit nur mit dem Bitcoin. Mit der Kryptowährung kann man Wirtschaftssysteme schaffen, in denen das Geld vom Verbraucher über die Plattformen zu Investoren und Gläubigern zirkuliert, ohne dass eine Bank auch nur einen kleinen Finger im Spiel hat. Wäre das nicht genau im Sinen von Beck?
Prof. Dr. Ralf Beck: Wer braucht noch Banken? Wie Start-Ups die Finanzwelt verändern und das uns das nutzt, 304 Seiten, gebunden, ISBN: 9783864702907, Börsenbuchverlag, erschienen am 11. September 2015, Börsenbuchverlag, Hardcover: 24,99 Euro, E-Book: 19,99 Euro.
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