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Die Bedeutung digitaler Währungen für Zentralbanken gründet nicht auf dem, was sie heute sind, sondern auf dem, was sie repräsentieren

Bank for International Settlement, Basel. Foto von Jim McDougall via flickr.com. Lizenz: Creative Commons
Die Mutter aller Banken, die BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) kommentiert den Aufstieg der Kryptowährungen. Interessant an dem Paper ist, dass erstmals eine Bank konsequent durchdenkt, was es für das Finanzwesen bedeutet, wenn sich Kryptowährungen durchsetzen.

Die BIZ, die “Bank der Zentralbanken” und älteste Finanzinstitution der Welt, hat im November ein 24-seitiges Paper zu Kryptowährungen veröffentlicht. Damit hat die vielleicht wichtigste und zentralste aller Finanzinstitutionen nun eine klare Position zu Kryptowährungen bezogen. Besonders spannend daran ist die Perspektive: Was bedeuten digitale Währungen für das Finanzsystem – und welche Folgen können Zentralbanken zu spüren bekommen?

Nischen-Ding mit Riesen-Potenzial

Grundsätzlich sieht die BIZ in digitalen Währungen ein großes, wenn auch noch nicht im Ansatz ausgeschöpftes Potenzial:

“Digitale Währungen, und vor allem jene, die einen dezentralen Zahlungsmechanismus auf Basis eines verteilten Registers nutzen, sind eine Innovation, die eine Reihe von Folgen für verschiedene Aspekte der Finanzmärkte und die weitere Wirtschaft haben könnten.”

Konkreter: Digitale Währungen können Geschäftsmodelle über den Haufen werfen und neue ökonomische Interaktionen und Verbindungen ermöglichen. Allerdings sind digitale Währungen auch im Jahr 2015 weiterhin ein Nischenphänomen und viel zu klein, um für Zentralbanken überhaupt nur sichtbar zu sein. “Ihr Einfluss auf die Finanzbranche und die weitere Wirtschaft ist zu vernachlässigen.”

Dass sich die BIZ dennoch mit digitalen Währungen beschäftigt, hat einen Grund, der so vertrickst wie nachvollziehbar ist: Denn die Bedeutung, die digitale Währungen für Zentralbanken haben, gründet daher nicht auf dem, was digitale Währungen heute sind, sondern auf dem, was sie repräsentieren: eine Technologie, um Zahlungen peer-2-peer und ohne eine vertrauenswürdige dritte Partei und nationale Währung abzuwickeln. Kryptowährungen demonstrieren, dass diese Technologie möglich ist. Die Folgen, die eine solche Innovation haben kann, sind gar nicht zu überschätzen.

“Wenn verteilte Register und digitale Währungen jedoch auf breiter Basis genutzt werden – etwa für Transaktionen von großem Wert oder für andere Wertpapiere – würde ihr Einfluss auf andere Verantwortungsbereiche von Zentralbanken, wie die Regulierung des Zahlungsverkehrs, die Aufsicht über die finanzielle Stabilität und monetäre Politik, zunehmen.”

Risiken im Zahlungsverkehr

Die BIZ sieht in digitalen Währungen vor allem ein potenzielles Problem, das Zentralbanken zwingen kann, sich mit ihm zu beschäftigen und zu handeln. In naher Zukunft könnten sich Zentralbanken mit den Folgen beschäftigen, die digitale Währungen auf den Zahlungsverkehr ausüben. Das Paper beschreibt einige der Herausforderungen:

  • Volatilität: Der Wert digitaler Währungen beruht einzig auf der Erwartung der Nutzer, dass sie die Währungseinheiten gegen Güter, Dienstleistungen oder nationale Währungen von Wert eintauschen können. Diese Erwartungen schwanken und mit ihnen der Wert digitaler Währungen. Dies resultiert in Risiken für den Verbraucher.
  • Betrug: Aufgrund der unregulierten, irreversiblen und pseudonymen Natur digitaler Währungen ist das Risiko, einem Betrug zum Opfer zu fallen, erhöht.
  • Operative Risiken: Wie bei herkömmlichen Zahlungssystemen gibt es bei digitalen Währungen mehrere operative Risiken.
  • Rechtliche Risiken: Da Zahlungen mit digitalen Währungen wie mit Bargeld final und irreversibel sind, gibt es keine legale Struktur und Rechtssicherheit durch Transaktionen. Damit bestehen im Falle von Betrug, Fälschung, Diebstahl und Verlust keine adäquaten rechtlichen Absicherungen.

Abgesehen von der Volatilität sind dies Probleme, die man vom Bargeld kennt. Wenn man Bar bezahlt und keine Quittung bekommt, hat man ebenfalls keinen Beweis über die Zahlung, wenn man Bargeld einem Betrüger gibt, hat man wenig rechtliche Grundlagen, um es zurückzufordern, etc. Diese Probleme sind dennoch relevant und sollten vor allem aus der Perspektive des Verbraucherschutzes ausgiebig und nüchtern thematisiert werden.

Der Einfluss digitaler Währungen auf das Finanzsystem als Ganzes

Interessanter wird das Paper aber danach. Es beschreibt nämlich auch die möglichen Einflüsse des Aufstiegs digitaler Währungen auf die Finanz-Stabilität und die Geldpolitik – also auf das ganz große Ganze. Dabei jedoch geht die BIZ von einer extremen Steigerung der Verbreitung und Nutzung digitaler Währungen aus, die derzeit weder absehbar noch technologisch möglich ist. Die hier geschilderten Folgen sind demnach rein hypothetisch.

  • Finanz-Infrastruktur / Intermediäre: Dezentrale Mechanismen für den Austausch von Werten verändern die Basis-Konfiguration der Aggregation und des Vernetzens, auf denen viele finanzielle Infrastruktur-Elemente beruhen. Im speziellen kann die Nutzung verteilter Register einen Einfluss auf die Registrierung von Aktien, Bonds, Derivaten und anderen Wertpapieren ausüben, und darüber hinaus den Handel, das Clearing und das Settlement dieser Papiere verändern, indem Mittelsmänner ausgeschaltet werden.
  • Smart Contracts: Die Entwicklung von Smart Contracts auf Basis verteilter Register, die in der Lage sind, Zahlungen bei Eintreten bestimmter Bedingungen automatisch auszuführen, kann die Art verändern, wie etwa Margining und Clearing ablaufen.
  • Banken als Intermediäre: Digitale Währungen und die dahinterstehende Technologie können bei weiterer Nutzung die Rolle verschiedener Akteure des Finanzsystems, vor allem Banken, als Intermediäre gefährden.
  • Zentralbanken: Die weitläufige Ersetzung von Banknoten durch digitale Währungen kann dazu führen, dass die Zahlungsverpflichtungen der Zentralbanken sinken. Dies kann Zentralbanken dazu bewegen, verzinste Anleihen zu substituieren oder ihre Bilanzen zu verringern. Dies könnte die Einnahmen der Zentralbanken reduzieren.
  • Monetäre Politik: Bei signifikant erhöhter Verbreitung von digitalen Währungen kann die Nachfrage nach existierenden Geldmitteln sowie die Ausführung der monetären Politik betroffen sein, auch wenn das Risiko sehr gering erscheint.
  • Zentrale Institutionen generell: Möglich wäre auch das hypothetische Risiko, dass digitale Währungen die Funktion einer zentralen Institution wie einer Zentralbank reduziert und, im Extremfall, zentrale Institutionen für bestimmte Funktionen komplett überflüssig macht.

Handlungsoptionen von Zentralbanken

Zentralbanken und weitere Finanz-Regulierer sind durch Bitcoins herausgefordert. Als Grund nennt die BIZ vor allem die grenzenlose Natur digitaler Währungen sowie das Fehlen eines identifizierbaren Herausgebers. Während die grenzenlose Natur Transaktionen schneller, bequemer, praktikabler und günstiger machen können, gibt es Befürchtungen durch Gesetzeshüter, dass diese Systeme für illegale Aktivitäten genutzt werden.

Da digitale Währungen online und ohne die Beschränkung auf nationale Jurisdiktionen sind, wäre nur ein koordinierter, globaler Ansatz der Regulierung wirklich erfolgreich. Dennoch sieht die BIZ mehrere Handlungsoptionen für nationale Zentralbanken und Aufseher:

  • Information: Die Aufseher können Nutzer und Investoren über mögliche Risiken und Einflüsse auf den Markt informieren.
  • Regulierung: Die Aufseher können Akteure digitaler Währungen, beispielsweise Börsen, regulieren.
  • Interpretation bestehender Regularieren: Die Aufseher können prüfen, ob und wie weit bestehende Regularieren auf digitale Währungen anzuwenden sind.
  • Breite Regulierung: Regularien, die bereits auf traditionelle Zahlungsmethoden angewandt werden, können auch auf digitale Währungen angewandt werden
  • Verbieten: Aufseher können die Nutzung von digitalen Währungen verbieten. Praktisch gesehen würde dies in einem Verbot von unternehmerischen Aktivitäten rund um digitale Währungen resultieren.
Zentralbanken im Speziellen sollten reagieren, wenn es zu einer verbreiteteren Nutzung digitaler Währungen und verteilter Register kommt. Die BIZ empfiehlt hierfür, dass Zentralbanken die Technologie selbst benutzen und digitale Währungen herausgeben bzw. sich zumindest mit diesem Thema auseinandersetzen und die Möglichkeiten ausloten. Die Zentralbanken von England und Kanada sind bereits dabei, genau dies zu analysieren. Denn Innovationen kann man entweder annehmen – oder man wird von ihnen abgehängt.
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5 Kommentare zu Die Bedeutung digitaler Währungen für Zentralbanken gründet nicht auf dem, was sie heute sind, sondern auf dem, was sie repräsentieren

  1. Was das Paper über die “Risiken im Zahlungsverkehr” beschreibt ist eine reine Milchmädchenrechnung, wenn man sich als Referenz auf das amtierende FIAT-System bezieht.

    Zu Volatilität:
    Natürlich ist der Bitcoin “volatiler” als bspw. der Euro, jedoch nur weil die Marktkapitalisierung im Vergleich zum Euro ein Witz ist. Man kann mit ein paar millionen Euro den Bitcoin erheblich bewegen. Dies ist genauso der Fall beim Euro wenn die eingesetzte Geldmenge in Relation zur Marktkapitalisierung die selbe ist.

    Zu Betrug:
    Laut Gesetzt ist einzig und allein ZENTRALBANKGELD, also die realen BANKNOTEN echtes Zahlungsmittel. Die Bank sollte nun die Aufgabe übernehmen, Zahlungen zu vereinfachen, damit ich nicht immer zum Hauptsitz meines online-Verkäufers rennen muss um ihm das Bargeld zu geben. Somit wird hier dem Verkäufer indirekt durch die Bank das Bargeld zugestellt, sofern er es abheben möchte.
    Die Konsequenz daraus ist, wenn ich jemanden Bargeld in die Hand gebe und er seine Verpflichtung nicht erfüllt, kann ich ebenso wenig mein Geld automatisch zurück bekommen, wie beim Bitcoin. Demnach ist Bitcoin in dieser Hinsicht dem Bargeld (und einzigen legalem Zahlungsmittel) sehr ähnlich.
    Es könnte sich genau so ein Drittdienstleister zwischen die Bitcoin-Transaktion (allerdings nur wenn gewünscht) schalten und diese Aufgabe des Konsumentenschutzes übernehmen. (und auf diesen Service eine Gebühr berechnen)

    Rechtliche Risiken:
    Wie zuvor, Drittdienstleister können diese Aufgabe übernehmen.
    Vorstellbar und absolut legitim ist z.B. ein Visa-Karten System, welches die Bitcoins nur intern zwischen seinen Benutzern hin und her schiebt.
    Peer2peer ist nicht der einzige Vorteil des Bitcoins, wer geschützt sein will muss sich auf vertrauenswürdige Drittanbieter verlassen, die im Zweifelsfall schiedsrichten oder den Schaden auf sich nehmen.

    Das (nach meiner Ansicht) einzige wirklich relevante Risiko, welches im Vergleich zum FIAT System existiert:
    Falls irgendwann eine technische Lösung gefunden wird das Bitcoin-Protokoll auf irgendeine Weise zum eigenen Vorteil zu manipulieren, ist auf EINMAL der gesamte Zahlungsverkehr der Erde betroffen und möglicherweise vernichtet. Dies würde in jedem Fall die Menschheit lange in die Knie zwingen.

  2. Denn Innovationen kann man entweder annehmen – oder man wird von ihnen abgehängt. *THUMPS UP*

    • Daran sieht man ja das, selbst die Banken einsehen müssen, das Fortschritt nicht aufzuhalten ist. Bitcoin is a rolling bandwagon! There are 2 position you can be on it ore under it.

  3. Super Artikel, danke! Nur eine Frage: wie kommst Du auf “älteste Finanzinstitution der Welt” i.S. BIZ?

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