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Was das Jahr 2016 für den Bitcoin bringen könnte

Der Jahresvorausblick

Businessman Consulting Glowing Crystal Ball. Foto von InfoWire.dk via flickr.com. Lizenz. Creative Commons

Die Zukunft ist offen und immer gut für Überraschungen, gerade wenn es um den Bitcoin geht. Dennoch wagen wir einige Voraussagen, was uns im Jahr 2016 erwarten könnte.

Revolutionen mögen vieles sein, aber langweilig waren sie noch nie. Nimmt man die vergangenen Jahre als Maßstab, darf man getrost annehmen, dass auch 2016 ein spannendes Bitcoin-Jahr werden wird. Es wird drunter und drüber, rauf und runter sowie vorwärts und rückwärts gehen, Trader werden über Kursstürze und -Sprünge turnen, Polizisten und Gangster sich im Cyberspace bekriegen, Startups verrückte Ideen auf den Markt bringen und Erfolg haben oder scheitern, und im Herzen des Bitcoins werden sich weltanschauliche Lager weiterhin bekämpfen. Wir versuchen hier, zu skizzieren, was im noch blutjungen Jahr 2016 passieren kann.

Das Halving

Im Bitcoin-Raum ist ein Halving ein beinah mythisches Ereignis, das so sicher eintreten wird wie eine Sonnenfinsternis, aber unberechenbare Folgen haben kann. Für alle, die es noch nicht wissen: Die Belohnung der Miner halbiert sich alle vier Jahre. Von 2009 bis 2013 haben die Miner etwa alle zehn Minuten (also je Block) 50 Bitcoins erhalten. Seit Anfang 2013 bekommen sie nur noch 25 Bitcoins, und nach Ablauf der zweiten „Reward-Ära“ werden sie nur noch 12,5 Bitcoins bekommen. Und so weiter, bis es irgendwann in den 2030ern weniger als 1 Bitcoin je Block gibt. Die Bitcoin-Goldmine erschöpft sich.

Laut Plan würde das zweite Halving eigentlich erst Anfang 2017 stattfinden. Da sich aber der Abstand zwischen den Blöcken an die Hashrate anpasst, und die Hashrate dank des Asic-Miner-Wahnsinns seit 2013 im allerirrsinnigsten Ausmaß gestiegen ist, sind die Blöcke etwas schneller in die Blockchain gepurzelt als geplant, weshalb das zweite Halving bereits Mitte 2016 geschehen wird. Die Webseite bitcoinclock schätzt den konkreten Termin auf den 18. Juli, 20:30 UTC (koordinierte Weltzeit, entspricht deutscher Uhrzeit im Sommer plus zwei Stunden).

Das Halving ist also ein Vier-Jahres-Ereignis. Was wird es bewirken? Zum einen wird die Belohnung der Miner sinken. Wer zuvor 25 Bitcoins für einen Block bekommen hat, bekommt nun nur noch 12,5 Bitcoins. Der Ertrag des Minings wird halbiert. Wenn es einem Miner also beim derzeitigen Stand gerade so möglich ist, seine Stromrechnung und ein kleines Verdienst durchs Mining zu bezahlen, wird er nach dem Halving Verluste fahren. Und das nicht zu knapp. Das Halving kann dazu führen, dass viele Miner vom Netz gehen, wodurch sich das Mining weiter zentralisiert und wodurch die Hashrate sinkt, was in der Folge bedeutet, dass es länger dauert, bis Blöcke gefunden und somit Transaktionen bestätigt werden.

Auf der anderen Seite bedeutet das Halving aber auch, dass sich das Angebot frischer Bitcoins halbiert. Die Folge: der Preis kann steigen. Inwieweit das Halving jedoch bereits eingepreist ist oder in den kommenden Monaten eingepreist wird, kann niemand sagen.

Die Blocksize-Debatte

Jaja-ja… das Thema beherrscht die Bitcoin-Diskussion seit Monaten, es wird gestänkert, getrollt, zensiert; Leute, die wie ich keine Ahnung vom Code haben, wollen sich einmischen, während Leute, die sehr viel Ahnung vom Code haben, Vorschläge machen, die von Szene und Wirtschaft verworfen werden. Ich würde gerne mal wieder über etwas anderes schreiben, aber leider verhält es sich so, dass auf der einen Seite viele der supertollen Anwendungen und Geschäftsideen, über die ich hier berichte, kaum einen Sinn ergeben, wenn das Blocksize-Thema ungelöst bleibt, und dass die Debate auf der anderen Seite droht, den Bitcoin in eine Hardfork zu führen, was für euch als Bitcoin-Besitzer und -Benutzer nicht ganz unriskant wäre.

Von daher werden wir wohl noch viel von der Blocksize-Debatte hören. Auf der einen Seite werden die Kernentwickler gemäß ihres Fahrplans Segregated Witness einrichten, um damit die Kapazität der Blöcke um immerhin 75-100 Prozent zu erhöhen, während sie mit Thin Blocks und IBLT die Basis für eine sichere Erhöhung der Blocksize legen und zugleich am Lightning Netzwerk arbeiten, das die wahre, echte Skalierbarkeit darstellen soll. Für mich bedeutet das, dass ich mich mit all diesen Fremdwörtern beschäftigen muss, um sie euch zu erklären.

Abseits von Core bieten Bitcoin Unlimited und Bitcoin XT zwei alternative Clienten mit alternativen Antworten auf das Problem der Skalierbarkeit. Beide finden zunehmende Beliebtheit und liefern interessante Antworten. Auch mit diesen Clienten werden wir uns hier beschäftigen müssen. Dieser Wettstreit zwischen den Clienten sowie ein mögliches Szenario, in dem Bitcoin an seine Kapazitätsgrenzen stößt – wenn die Blöcke wirklich voll sind – können im Jahr 2016 für ein exzellentes Drama sorgen.

Hier möchte ich nur noch darauf hinweisen, dass es eine tolle Seite gibt, bitcoin.consider.it, die die Community dazu aufruft, über mögliche Lösungen abzustimmen. Ihr habt eine Stimme – also nutzt sie auch.

Dezentralisierung von Medien und Entwicklung (die permanente Revolution)

Wir bleiben – fast – beim Thema. Diesmal geht es aber nicht um Technik, sondern um Politik. Vielleicht kennt ihr den Begriff der „permanenten Revolution.“ Karl Marx hat damit gemeint, dass die Proletarier so lange Revolution machen müssen, bis die Produktionsmittel weltweit in den Händen des Proletariats sind. Stalin hat das so interpretiert, dass er als Führer der permanenten Revolution ständig die ihn umgebenden Politiker ermorden muss, damit es einen dauernden Wandel gibt. Und Mao Tse Tsung kam zum Schluss, dass die Gesellschaft sich permanent durch Entwicklungsstufen schälen muss, bis sie an ihrem Ziel angekommen ist.

Beim Bitcoin, könnte man sagen, meint die permanente Revolution, dass ständig jeder entmachtet wird, der eine zentrale Position einnimmt. Zunächst soll der Bitcoin die Zentralbanken entmachten. Wenn sich im Bitcoin jedoch, wie in jeder Revolution, eine Gruppe oder ein Einzelner die zentrale Kontrolle aneignet, ist dieser wieder zu entmachten. Und sobald derjenige, der ihn entmachtet, zum neuen Herrscher wird, muss auch er entmachtet werden. Dezentralisierung ist wie Ordnung – sie ist kein Zustand, sondern etwas, dass immer wieder erkämpft werden muss.

Das Blocksize-Thema, dass das Jahr 2015 wie kein anderes beherrscht hat, hat gezeigt, dass Bitcoin ein „Governance“-Problem in seinen Zentren hat. Und das sowohl auf der Ebene der Programmierung wie auch auf der Ebene der Medien. Die Core-Entwickler schaffen es nicht, eine Lösung zu finden, die in der ganzen Szene auf Zustimmung stößt, und in den bislang wichtigsten Bitcoin-Foren – bitcointalk und r/bitcoin – wird alles zensiert, was alternative Lösungen auch nur erwähnt.

Diese nicht für jeden befriedigende Leistung zweier zentraler Knoten im Bitcoin-Universum wird für 2016 Folgen haben: Zum einen haben sich bereits zwei alternative Clienten etabliert – BitcoinXT und BitcoinUnlimited – die beide bereits eine gewisse Community aufgebaut haben und eine dreistellige Anzahl von Clienten überzeugt haben. Wohin die Dezentralisierung der Entwicklung führt, wird sich eventuell 2016 zeigen. Die Seite xtnodes.com zeigt an, welche Versionen des Clienten in welcher Anzahl im Einsatz sind.

Auch in den Medien findet derzeit ein Prozess der Dezentralisierung statt: von r/bitcoin fliehen viele Leute nach r/btc, und von bitcointalk.org zu bitco.in sowie forum.bitcoin.com. Sich auf dem Laufenden zu halten, wird damit leider komplizierter.

Startups und Investoren

Nachdem 2015 mit einigen massiven Investitionen in Startups begann, hat sich das Investment-Klima abgeflacht und scheint Ende 2015 beinah zum Erliegen gekommen zu sein. Vermutlich wird auch 2016 nicht mit den Investitionen der Vorjahre mithalten können. Schließlich gibt es bereits Börsen, Payment-Provider, Marktplätze, Block-Explorer, API-Provider, Hersteller von Mining-Hardware, Pools. Das Ökosystem scheint jene gewisse Reife erreicht zu haben, zu der Risikokapitalisten mit ihrem Kapital verhelfen können, aber noch nicht jene Reife, die nötig ist, um weitere Investoren anzuziehen.

Anstatt dass weiter Investment-Kapital auf Startups ausgeschüttet wird, könnte 2016 das Jahr sein, in dem sich die bestehenden Startups weiter professionalisieren und ausloten, welche Geschäftsmöglichkeiten rund um Kryptowährungen profitabel sind. Das Ökosystem muss beweisen, was es wert ist. Als Beispiele nenne ich hier drei Startups, auf deren Ergebnisse ich gespannt bin:

  • SearchTrade: Ich habe es schon mehrmals erwähnt, aber mir gefällt die Idee so gut: Man baue eine Metasuchmaschine und beteilige die Nutzer an den Werbeeinnahmen. SearchTrade aus Singapur arbeiten an diesem Modell und wollen in 14 Tagen starten.
  • OpenBazaar: Ein dezentraler Marktplatz, der dank Bitcoin zensurresistent, dank MultiSig betrugssicher und dank Dezentralität gebührenfrei ist – das ist das Ziel von OpenBazaar. An dem Projekt wird seit mehr als einem Jahr gearbeitet, die ersten Beta-Versionen sind schon raus. 2016 könnte sich zeigen, ob die Welt einen Bedarf nach einem solchen Marktplatz hat oder nicht.
  • 21.co: Der Prototyp des 21 Bitcoin Computers ist schon ausgeliefert, die ersten Experimente laufen bereits, aber das große Ziel, einen Bitcoin-Mining-Chip in jedes Gerät zu bringen, liegt noch in weiter Ferne und wird auch 2016 nicht erreicht werden. Aber möglicherweise werden wir spannende Schritte hin zu diesem Ziel sehen.

Cybercrime und Regulierung

Ja, auch darüber werden wir reden müssen. Und zwar immer wieder. Der Cybercrime war eine Wachstumsbranche 2015, und der Bitcoin wird mehr und mehr zu seiner Währung. Software, die Daten verschlüsselt und die User erpresst, Botnetze, die Shops mit DdoS-Angriffen drohen und Lösegelder verlangen, Drogenhändler, die ihre Ware im Darknet anbieten, Hacker, die Daten stehlen und verkaufen oder für deren Geheimhaltung Geld verlangen – es gibt einige Geschäftsmodelle, die sich im Darknet schon längst etabliert haben. Dass dieses Wachstum 2016 abflaut, ist nicht anzunehmen.

Im Stillen tobt bereits ein Cyberkrieg zwischen den Ermittlern und den Kriminellen. Dieser Krieg bringt immer wieder absurde Forderungen hervor wie die, Verschlüsselung zu verbieten (als könnte man ein Stück Code verbieten). Es könnte jedoch sein, dass er auch zu Forderungen nach einer verstärkten Regulierung von Kryptowährungen führt, wie sie jüngst von Frankreich und der CSU erhoben werden, angeblich, um die Finanzströme von Terroristen abzuwürgen (obwohl es keinerlei Hinweis darauf gibt, dass diese wirklich Bitcoins verwenden).

2016 könnte ein Jahr werden, in dem sich der Bitcoin gegen Angriffe der Regulierer zur Wehr setzen muss.

Die Blockchain-Welle

… Und natürlich wird auch die Blockchain als „mehr als der Bitcoin“ eine Rolle spielen. Blockchains im Finanzwesen, Blockchains im Rechtswesen, Blockchains beim Internet-der-Dinge, Blockchains in der Verifizierung von Identität und noch vieles mehr. Die Banken wollen mit R3CEV ihre eigene Blockchain bauen, IBM baut eine Blockchain für das Internet-der-Dinge, Microsoft nimmt mehrere Blockchain-Anwendungen in die Azure-Cloud auf, rund um Ethereum werden dezentrale Apps für die Turing-vollständige Blockchain Ethereum gebildet, t0 und Nasdaq prozessieren Aktien auf einer Blockchain – es passiert viel. Wir sind gespannt, was das folgende Jahr alles für den Durchbruch der Blockchain-Technologie bringen wird.

Über Christoph Bergmann (2813 Artikel)
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