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“Bitcoin könnte 2020 so viel Strom verbrauchen wie Dänemark.”

Eurodif Nuclear Power Plant, Tricastin, France. Bild von IAEA Imagebank via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Im Magazin Motherboard fragt ein Klimaforscher, wie viel Energie Bitcoin langfristig brauchen könnte. Das Ergebnis ist nicht unbedingt geeignet, Klimaschützer zu Kryptofans zu machen – beruht aber auch auf fragwürdigen Annahmen.

Sebastian Deetman forscht an der niederländischen Universität Leiden über Klimapolitik und Ressourceneffizienz. Er wurde kürzlich, wie er in Motherboard schreibt, zum “Bitcoin Enthusiasten”. Einem möglichen Konflikt zwischen diesen beiden Leidenschaften geht er in einem ausführlichen Artikel nach. Denn Bitcoin ist “unglaublich energieintensiv.” Bereits Mitte 2015 hatte ein Journalist vorgerechnet, dass eine einzige Bitcon-Transaktion soviel Energie verbraucht wie 1,7 US-Haushalte am Tag.

Deetman hat daraufhin mehrere Szenarien gebildet, um auszurechnen, wieviel Energie Bitcoin in Zukunft verbrauchen kann. Die Ergebnisse für 2020 liegen zwischen dem Ausstoß eines kleinen Kraftwerks und Dänemarkt.

Der Forscher drückt dabei sogar noch ein Auge zu: Er rechnet lediglich den Stromverbrauch der Miner ein, nicht den der Nodes, der Bitcoin-Geldautomaten, der Börsen etc. Er nimmt als Ausgangswert die Hashrate (die Anzahl von Hashes, die das Netzwerk je Sekunde produziert) sowie die Effizienz der Mining-Hardware, die auf den Internetseiten der Hersteller bekanntgegeben wird. Dann geht er von verschiedenen Effizienz-Verteilungen der Miner aus, die die aktuelle Hashrate stellen. Nicht viel anders habe ich es in einem Artikel 2014 getan.

Das Ergebnis: Um 800 Petahashes je Sekunde zu generieren, sind 10.000 Tonnen Hardware nötig – genug Material, um einen zweiten Eiffelturm zu bauen. Diese verbrauchen derzeit etwa 350 Megawatt, was etwa 280.000 US-Haushalten entspricht.

Immerhin zeigen Deetmans Recherchen, dass der Energieverbrauch eines Miners je Gigahash rapide abnimmt.

Der technologische Fortschritt der Chip- und Hardwarehersteller sorgt anscheinen dafür, dass das Bitcoin-Mining in Zukunft wahrscheinlich mehr als drei Mal effizienter sein wird. Ich könnte mich ohne ein Gefühl der Schuld zur Ruhe legen. Oder?

Natürlich nicht. Das wäre auch eine Milchmädchenrechnung gewesen. Stattdessen gab es eine Frage, die Deetman “in der Nacht herumtrieb”:

Konnte es sein, dass, wenn die Nutzung des Bitcoins wächst, auch die totale Hashrate des Netzwerkes wächst, in einer Geschwindigkeit, die den Anstieg der Effizienz der Miner überholt? Wäre es möglich, dass der absolute Energieverbrauch wächst?

Die Frage ist, finde ich, sinnlos. Der Energieverbrauch der Miner entspricht immer den Einnahmen der Miner sowie ihrem Standort. Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass der Stromverbrauch der Miner ihren Einnahmen in Relation zu günstigen Strompreisen wie in Island oder Venezuela abzüglich der Abschreibung für die Hardware entspricht. Weder die Nutzung des Bitcoins, noch die Energieeffizienz der Hardware hat irgendeinen Einfluss auf den Stromverbrauch. Der einzige Wert, der zählt, sind die Einnahmen der Miner. Und diese werden mit jedem Halfing weniger.

Ob der Stromverbrauch der Miner etwas mit dem Klima zu tun hat, ist auch wieder eine andere Frage. Denn wenn die Miner an Orten stehen, wo Energie klimaneutral und fast kostenlos produziert wird, wie in Island, ist es eigentlich egal, wie viel Energie sie verbrauchen. In Ländern mit vielen Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken, wie Frankreich, Österreich oder Belgien, wird es ohnehin nicht so viele Miner geben. Aber kommen wir zurück zu Deetmans Artikel.

Der Klimaforscher hat das Wachstum der historischen Hashrate modelliert und versucht daraus die zukünftige Entwicklung abzuleiten.

Seit der Einführung der ersten ASIC Mining Hardware im Januar 2013 betrug das monatliche Wachstum der Hashrate schlagende 37 Prozent. Wenn wir das als Anschlag nehmen für die kommenden Jahre, wird das Bitcoin Ende 2016 Netzwerk mehr Elektrizität verschlingen als gegenwärtig global produziert wird (ja, im Dezember in diesem Jahr, unabhängig von Annahmen über die Effizienz des Minings).

Irre … mehr als weltweit produziert wird? Das kann nicht sein, oder? Dazu müssten die Einnahmen der Miner – nach dem Halfing im Sommer! – den restlichen globalen Stromverbrauch überschreiten.

Das konnte nicht richtig sein. Der Bitcoin Preis stieg 2013 rapide an, durchbrach die 1.000 Dollar Marke Ende des Jahres und noch einmal Anfang 2014. Dieser Preisanstieg schien eine Anomalie gewesen zu sein, angetrieben vom Hype, und er schien meine Kalkulationen für das künftige Wachstum der Hashrate zu beinträchtigen.

Nehmen wir also mal an, es gibt keinen weiteren solchen Hype mehr, keinen +1000% Anstieg, ignorieren wir das Halfing, und gehen von den Wachstumsraten der letzten Monate aus. In der Grafik sind diese blau unterlegt.

Schon haben wir ein Wachstum von “nur noch” 5 oder 12 Prozent (je nach Betrachtungsweise). Aufgrund dieser Werte entwickelt Deetman mehrere Szenarien, in die noch weitere Variablen wie die Effizienz der Mining-Hardware einfließen. Diese zeigen dann ein optimistisches und ein pessimistisches Szenario.

Im optimistischen Szenario verbrauchen wir im Januar 2020 417 Megawatt an Strom, im pessimistischen 14600 Megawatt. Der Klimaforscher ist von diesen Ergebnissen – natürlich – geschockt.

Sogar im optimistischen Szenario braucht man 5.500 Kilowattstunden, um im Jahr 2020 einen Bitcoin zu minen, was die Hälfte des jährlichen Stromverbrauchs eines amerikanischen Haushaltes ist. Und selbst wenn wir annehmen, dass in dieser Zeit die Hälfte der Energie durch erneuerbare Energien gedeckt wird, sind das immer noch 4 Tonnen Kohlendioxid, die je Bitcoin ausgestoßen werden. Es wundert einen, ob man Bitcoin wirklich noch eine virtuelle Währung nennen kann, wenn die phyischen Effekte so deutlich sind.

Deutlich wird hier aber auch, dass Deetman zwar Ressourcenverbrauch und Klimaforschung, aber nicht das Bitcoin-Mining versteht. Die Erschaffung eines Bitcoins wird im Jahr 2020 nur so viel Strom verbrauchen, wie er wert ist. Wenn ein Bitcoin so viel kostet, dass man durch seinen Verkaufspreis die Stromrechnung eines amerikanischen Haushaltes für 6 Monate decken kann – dann ja. Aber dann spricht auch nichts dagegen, den Strom durch das Bitcoin-Mining zu veredeln, anstatt ihn beispielsweise in die Chemieindustrie zu stecken. Am Ende geht es nur darum, Strom in Geld zu verwandeln. So oder so.

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18 Kommentare zu “Bitcoin könnte 2020 so viel Strom verbrauchen wie Dänemark.”

  1. Gut erklärt! Mein Versuch dazu ist hier zu finden:
    https://github.com/C-Otto/bitcoin/blob/master/README.md#braucht_bitcoin_viel_strom.

    Den Stromverbrauch kann man nicht sinnvoll pro Transaktion angeben. Und der Stromverbrauch ist immer an die Belohnung (in Dollar etc.) pro Block gekoppelt.

    PS: Ich sehe hier gleich zweip Tippfehler “Um 800 Petahases je Sekunde zu generieren, sind 10.000 Tonen Hardware nötig”

  2. und abgesehen davon, alles was Strom benötigt, wandelt die Energie in Wärme um.

    Die Wärme kann ja effektiv genutzt werden, anstatt mit Extra Strom die Asic zu kühlen.

    So ganz einfach ist die Rechnung nicht mit dem Stromverbrauch, wenn man die Konzeption vernünftig anlegt.

    mfg

  3. Dieser energiehungrige Proof-of-Work Mechanismus, um die Blöcke bzw. die enthaltenen Transaktionen dezentral vor Douplespends zu schützen ist eine echtes Ärgernis bei den Cryptowährungen. Und je erfolgreicher die entsprechende Cryptowährung wird, umso mehr Energie fließt durch die Marktgesetze in den PoW, wie der Artikel ja gut beschreibt. Kann da nicht mal was genauso sicheres, aber nicht so “Resourcen verschwendendes” erfunden werden. Oder gibt es vieleicht schon was? Was Proof-of-Stake angeht, was ja eine Alternative sein soll, hab ich die Funktionsweise nie verstanden. Für eine Erklärung wäre ich sehr dankbar.

    • Meines Wissens geht es im Grunde darum, wie mehr Coins du besitzt desto mehr (anteilsmässig) kannst du an neu entstehenden Coins erhalten wenn du einen Node betreibst und damit das Netzwerk stützt. Ich glaube da reicht ein normaler PC mit schneller Internetverbindung. Allerdings hat das wohl einen Haken. Erstens besitzen (und verdienen) diejenigen am meisten Coins welche früh eingestiegen sind, also viele Coins besitzen und andererseits sind ebendiese mangels Kosten, nicht gezwungen Ihre Coins zu verkaufen. Bei Bitcoin “müssen” die Miner die geschürften Coins verkaufen damit sie Ihre Energie- und Equipment Kosten bezahlen können. Wenn also 50’000 User jeden Tag hinzukommen wie bei Bitcoin und der Preis nicht sinnlos durch die Decke gehen soll ist PoW das wohl einzig richtige Konzept. Ich jedenfalls sehe keine ander Möglichkeit eine aus dem Nichts erschaffene Währung global unters Volk zu bringen.

  4. Ach wie schön, es geht mal wieder um das Klima bzw. den Stromverbrauch vom Bitcoin. Das hatten wir wirklich lange nicht. Das soll in keinem Fall harsch wirken – aber wenn einem Bitcoingegner nichts mehr einfällt, kommt meist der Punkt mit dem Strom.

    Wir finden es sehr schon, wie die die Argumente in diesem Blog auseinandergenommen worden sind, sehr gut Christoph!

    Klar braucht der Bitcoin viel Strom, aber man muss auch die Relation zum Wert eines Bitcoin sehen. Es gibt Stimmen, die rechnen mit einem Bitcoinpreis von 10.000 € und mehr – natürlich wird das Begehrlichkeiten bei den Minern auslösen.

    Des Weiteren sollte man nicht vergessen, das sie hohe Hashleistung auch eine gewisse Sicherheit bringt. Bitcoin mal eben manipulieren ist nicht.

    Gibt es eigentlich Zahlen zum Stromverbrauch der Banken und Börsen dieser Welt? Nur mal so ganz neutral in den Raum gefragt. Wie viele Millionen Schalterautomaten werden 24/7 eigentlich so unterhalten?

    Es ist doch immer wieder erstaunlich, was für seltsame Annahmen von eigentlich intellektuell gut ausgestatteten Menschen verbreitet werden.

    • Naja, mal ganz ruhig. Wir wollen doch nicht überall eine Verschwörung wittern… Und glauben Sie ehrlich an 10000€/BTC. Aus dem Traum sind die Meisten doch mittlerweile aufgewacht.

      • Das hat mit Verschwörung wenig am Hut. Hier packt jemand den Dampfhammer aus, ohne wirklichen Vergleich! Ob ich oder wir an eine Preis von 10k glauben spielt keine Rolle. Es hängt von der Entwicklung des Bitcoin’s aber, ob wir solche Preise sehen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist dieser Preis nicht unrealistisch.

  5. Wenn man auf den brach liegenden Ackerflächen Nutzhanf anbauen würde.. könnte man 20 Bitcoinsysteme parallel laufen lassen ohne Probleme..

    Warum wir das bereits nicht machen ? Fragen Sie mal ihre Regierung *hust* Ja wenn sich mit der Dummheit der Menschen nicht so viel Geld verdienen lassen würde..

    “Klimawandel” hust..

    Rettet die Wälder, Hanf auf die Felder !

    Das was Bitcoin im digitalen ist.. wäre Hanf im realen 🙂

    Lg

    blub

  6. Wettrüsten (welcher Art auch immer) bringt bekanntlich Innovationen und Entwicklungen hervor welche ohne Druck kaum denkbar wären. So stelle ich einfach mal folgende Frage in den Raum: Könnte es eventuell sein dass Fortschritte in der Entwicklung sparsamerer ASIC-Chips letztlich in “normalen” Computerchips von PC’s, Tablets, Handys oder anderer digitalen Geräten landen und den Welt-Energieverbrauch dadurch verringern?

    • Wenn sich Bitcoin wirklich durchsetzt, ist dies sehr wahrscheinlich. Das bedeutet dann aber auch, dass praktisch nur die ganz großen und reichen (Intel, Apple, NSA) Mininghardware betreiben werden. Ob wir diese Zentralisierung wollen, ist eine andere Frage.

      • Und wie ist es heute? Sind wir tatsächlich weniger zentralisiert als in deinem Bsp?

  7. Noch zum Artikel :
    Wenn es um Extrapolation von Daten, also die Aussagekraft vergangener Daten auf die Zukunft, dann sollte man IMMER auch das Modell nennen auf das man seine Prognosen stützt, und ggf rechtfertigen.
    Das ist so typisch VWL: “Ich hab in meinem Leben nur lineare, quadratische und vllt mal eine exponentialFunktion gesehen also nehme ich einen der drei, lege meinen Schema F 0815-Fit an und fertig ist der tolle Chart.”
    Schon mal einen Gedanken daran verschwendet, dass ich mit einem Polynom n-ten Grades n+1 Datenpunkte perfekt anfitten kann? Mit einem Polynom der Ordnung n+1 und damit einer weiteren Stellschraube kann ich mir sogar frei wählen, wie der Preisverlauf in der Zukunft aussehen soll. Worauf ich hinaus will: Diese Prognosen sind alle Mist, der sich in den seltensten Fällen rechtfertigen lässt. Was zählt ist nicht ein toller Chart sondern ein gutes, wissenschaftliches Modell das man den Chart zu Grunde legt!

  8. Die Frage ist doch: Wieviel Strom wird eingespart durch Bitcoin? Man denke nur an den Aufwand und die vielen Stationen welche eine Überweisung durchläuft ehe sie ihren Adressaten erreicht! Wieviele Datacenter müssen betrieben werden, wieviele Bankentürme klimatisiert?

    Am Ende kommt eventuell eine ganz andere Rechnung heraus…

    • Sehr schöner Einwand. Leider haben wir dazu noch keine Zahlen gefunden, aber auch die Banken werden extrem viel Strom verbrauchen. Gibt es vlt im Web eine Hochrechnung?

      • Naja … das ist imho ein Scheinargument. Banken brauchen natürlich extrem viel Strom, aber ebenso brauchen es die mehrere tausend Rechner, auf denen Nodes laufen, die Börsen, Zahlungsdienstleister, Bitcoin-Geldautomaten usw. Je höher die Nutzung eines Geldes ist, umso mehr Energie schlucken die Prozesse um das Geld herum. Beim Bitcoin mag das derzeit noch relativ gering sein, da die Nutzung noch begrenzt ist, aber langfristig werden die Prozesse um den Bitcoin herum mehr Strom verbrauchen als das Mining selbst (das dank Halfing sowieso immer energiesparsamer werden dürfte)

    • Richtig. Nämlich, was hat es an Energie gekostet eine Bank zu bauen und wieviel verbraucht sie täglich an Strom? Was kostet es an Energie täglich Mitarbeiter in die Bank zu befördern und diese täglich zu ernähren? Das Spiel kann weitergespielt werden.

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