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Die Schäuble-Chain: ein praxisnahes Exempel, wie die Blockchain die Welt verbessern kann

"Redbeard and Barbossa divide the New World." Foto von Pascal via flickr.com. Lizenz: Kein Copyright

Als Reaktion auf die Panama Papers will die Bundesregierung ein Register aufbauen, in dem sämtliche Unternehmen mitsamt den Eigentümern und Begünstigten geführt werden. Und zwar “schnellsmöglich”. Wir finden, dass dies ein prima Einsatzfeld für die Blockchain-Technologie wäre. In unserer 10-Punkte-Liste erklären wir, wie eine solche Schäuble-Chain funktionieren könnte.

Schluss mit der Heimlichtuerei! Die Panama-Paper haben gezeigt, dass das Kapital das Licht scheut und sich verbirgt, wann immer es sich verbergen kann. Genau dem möchte die Bundesregierung nun einen Riegel vorschieben. Wer genau das “Register” als Antwort auf die Panama Papers ins Spiel gebracht hat, ist etwas nebulös. Die Zeit schreibt, dass Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD vorhat, ein Transparenzregister aufzubauen, während in der Süddeutschen zu lesen ist, dass Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble im Rahmen eines 10-Punkte-Plans ein “weltweites Register der wirtschaftlich Berechtigten von Firmen” vorschlägt. Teil davon ist auch die systematische weltweite Vernetzung nationaler Register.

So oder so, egal wer dahinter steht – unsere Regierenden wollen mehr Transparenz und ein einheitliches Unternehmens-Register, am besten für die ganze Welt. Die Blockchain könnte die perfekte Technologie dafür sein. Warum? Und wie setzt man eine solche Schäuble-Chain auf? Wir erklären dies in zehn Punkten.

1.) Warum ist die Blockchain besser? Vor- und Nachteile des Modells.

Als Register hat die Blockchain folgende Eigenschaften: Sie speichert Daten dezentral unter den Teilnehmern. Sobald eine Information – etwa der Eintrag eines Unternehmens – in der Blockchain ist, kann sie nicht mehr geändert werden. Das Register synchronisiert sich alle paar Minuten unter allen Teilnehmern. Jeder Teilnehmer hat sämtliche Infomationen verfügbar. Es gibt keine Zentrale, die von Hackern angegriffen werden kann. Die Blockchain ist also eine solide und stabile Datenbank für eine Vielzahl von Teilnehmern, die sich nur bedingt vertrauen.

Es ist jedoch möglich, dass auch andere Software-Architekturen genau diese Vorteile bieten, während sie gleichzeitig effizienter sind als die Blockchain.

2.) Konkret: wie würde dies aussehen?

Stellen wir uns mal vor, die G20-Staaten beschließen, ein solches Unternehmensregister als Blockchain aufzubauen. Jeder dieser Staaten baut einen oder mehrere Knoten auf. Dazu nutzt er ein Rechenzentrum oder mehrere Rechenzentren. Sobald jemand ein Unternehmen anmeldet, leitet das zugehörige Amt diese Anfrage an einen Knoten weiter. Der Knoten speichert den Eintrag in dem Register. Einige Minuten später haben alle Knoten der Blockchain, von den USA bis Japan und von Russland bis Brasilien, diese Info, und jeder, der Zugang zu den Datensätzen hat – Bürger, Journalisten, Unternehmer, Polizisten, Politiker – kann Einblick in das Unternehmensregister haben.

Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, eine solche Blockchain aufzubauen, und verschiedene Stellschrauben im Design, an denen man drehen kann.

3.) Welche Blockchains gibt es hierfür?

Einige: Der Goldstandard ist die Bitcoin-Blockchain. Aber es gibt noch weitere Blockchains, die wie etwa Ethereum mehr Funktionen bieten, aber weniger sicher sind. Schließlich können die Staaten auch ihre eigene Blockchain bilden.

4.) Die Vor- und Nachteile der Bitcoin-Blockchain

Die Bitcoin-Blockchain ist die reifste, sicherste und bewährteste Blockchain. Sie hat schon mehr als 100 Millionen Transaktionen fehlerfrei prozessiert, sie läuft seit 7 Jahren und wird vom leistunsstärksten Computernetzwerk der Welt beschützt. Für die Bitcoin-Blockchain spricht ebenfalls, dass es bereits verschiedene Protokolle und Schichten gibt, um Daten in der Blockchain abzuspeichern.

Der Nachteil der Bitcoin-Blockchain ist, dass sie bereits in regem Gebrauch ist und Skalierbarkeitsprobleme hat. Es ist möglich, dass Transaktionen – durch diese werden Informationen abgespeichert – länger dauern oder höhere Gebühren kosten. Für ein Unternehmensregister sollten jedoch Gebühren im einstelligen Euro-Bereich unproblematisch sein.

Im Folgenden stelle ich zwei Methoden vor, um Informationen in der Bitcoin-Blockchain abzuspeichern.

5.) Infos über OP_Return speichern

OP_Return wurde von den Core-Entwicklern vor einiger Zeit eingeführt, um eine Methode zu liefern, Nachrichten in die Blockchain zu schreiben, ohne diese dauerhaft zu beschädigen. Es gibt ein spezielles Skript namens OP_Return. Mit diesem kann man bis zu 80 byte an Daten in der Blockchain speichern. OP_Return hat den Vorteil, dass Bitcoin-Knoten die Daten “prunen” – also wegputzen – können, sofern sie Pruning aktiviert haben. Für die Nutzer kann dies ein Nachteil sein, da Daten somit nicht mit derselben Stärke gesichert werden wie Bitcoin-Kontostände. Solange allerdings jeder teilnehmende Staat einen Full Node fährt, ist dies kein Problem.

Mit OP_Return kann man entweder die Daten in Reinform in der Blockchain ablegen. Wenn es sich um öffentliche Daten handelt und 80 byte genug für einen Eintrag sind, wäre dies möglich. Alternativ kann man aber auch nur die Hash oder die Signatur von Daten, die auf anderen Servern liegen, abspeichern, um nicht die Daten an sich, sondern nur einen Beweis zu haben, dass diese Daten in dieser Form zu diesem Zeitpunkt abgespeichert wurden.

OP_Return ist der Standard, um Daten in der Blockchain abzuspechern. Dieses Verfahren wird von mehreren Protokollen (Colored Coins, Open Assets, Coinproof …) und Extraschichten (Factom, Counterparty) verwendet.

6.) Infos in das UTXO-Set einspeichern

Anstatt OP_Return kann man auch durch spezielle Transaktionen Daten in der Blockchain abspeichern. Dazu muss man einfach die abzuspeichernde Informationen ins Hexadezimal-Format umwandeln, das Ergebnis in jeweils 40-stellige-Ketten auftrennen und aus diesen Adressen bilden. Schon hat man Phantasie-Adressen, an die man Bitcoins senden kann. Auf diese Weise wurde beispielsweise ein Bild von Nelson Mandela in der Blockchain abgespeichert.

Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Nachricht ins UTXO-Set eingeht, also auf jedem Bitcoin-Knoten dieser Welt präsent ist und auch nicht weggesäubert werden kann. Der Nachteil ist, dass man damit das UTXO-Set – das jeder Knoten haben muss – aufbläht. Dementsprechend muss man für Nachrichten, die auf diese Weise gespeichert werden, auch deutlich höhere Transaktionsgebühren bezahlen als durch OP_Return, und es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass man die Hand beisst, die einen füttert.

Aufgrund der Unwirtschaftlichkeit wird dieses Verfahren von kaum einem Protokoll mehr benutzt.

7.) Alternative Blockchains

Natürlich kann man auch alternative Blockchains verwenden. Insbesondere wenn man die Datenbank “smart” machen will. So könnte man etwa spezielle Verträge oder Skripte einprogrammieren wollen, wie dass sich ein Eintrag nach Ablauf von fünf Jahren und dem Ausbleiben einer Verlängerung von selbst löscht. Für solche Zwecke könnte die Ethereum-Blockchain besser geeignet sein, da sie eine flexiblere Skriptsprache benutzt.

Die zahlreichen anderen Blockchains – Litecoin, Dogecoin, Dash, Peercoin, Monero, BitShares – haben soweit ich weiß zwar kein OP_Return integriert, sind aber deutlich günstiger als die Bitcoin-Blockchain, weshalb ein Abspeichern über das UTXO-Set möglich ist. So könnte es eine Option sein, das Register auf einer Reihe von Blockchains zu speichern.

8.) Eine eigene Blockchain bauen

Natürlich ist auch denkbar, dass die Regierungen dieser Welt lieber eine eigene Blockchain bilden wollen. In diesem Fall ist zunächst zu fragen, welchen Vorteil sie sich davon erhoffen. Denn hinsichtlich der dezentralen Sicherheit dürften die bereits existierenden Blockchains schwer zu toppen sein. Außerdem sind solche öffentlichen Blockchain nach dem bisherigen Stand der Dinge von einer nativen Währung abhängig. Die G20-Staaten könnten die Schaffung eines weltweiten Unternehmensregisters natürlich gleich mit der Schaffung einer weltweiten Einheitswährung kombinieren – aber vielleicht ist das zuviel gewollt …

Mögliche Vorteile neuer Blockchains liegen hingegen darin, dass man beispielsweise das Mining sowie das Speichern und Lesen von Informationen exklusiv den Staaten und ihren Institutionen vorbehalen kann. Damit steigt das Ausmaß an Kontrolle, das man der Blockchain auferlegen kann.

9.) Federated Mining

So könnte die Unternehmensregister-Blockchain nur ausgewählten Stellen erlauben, zu minen. Es kann kryptographisch gewährleistet werden, dass nur Besitzer bestimmter Schlüssel – beispielsweise je ein Rechenzentrum pro Staat – Blöcke minen.

In diesem Fall stellt sich die Frage, ob man wie Bitcoin oder andere Kryptowährungen mit Proof-of-Work minen sollte. Denkbar wäre es, da man die dabei erzeugten Token nutzen könnte, um Informationen einzuschreiben. Staaten könnten unter sich wiederum diese Token verkaufen; sie könnten auch diese Token an Unternehmen, Ämter oder Notare verkaufen, die sich damit das Recht sichern, Einträge in dieser Datenbank vorzunehmen. Auf diese Weise könnte der Betrieb dieser Blockchain sogar zur Einnahmequelle werden oder sich im mindestens selbst finanzieren.

Eine andere Alternative wäre das Federated Mining. Denn Proof-of-Work wurde ja genau deswegen eingeführt, weil man eine Sybill Attack verhindern will, die durch das Spammen von Identitäten das Netzwerk manipuliert. Wenn ein Netzwerk aber zugangsbeschränkt ist, dann gibt es auch keine Gefahr eines Sybill Angriffs. Also könnte man einfach die Erzeugung von Blöcken unter den Staaten nach bestimmten Zufallsalgorithmen verlosen. In diesem Fall kann man auch darauf verzichten, der Blockchain ein natives Token zu verpassen.

Solche Ansätze des Federated Minings findet man beispielsweise in der Liquid-Sidechain sowie in der BigChainDB.

10.) Permissioned

Permissioned, also zugangsbeschränkt, meint hier nicht das Mining, sondern das Benutzen. Es ist möglich, nur registrierten oder sonstwie ausgewählten Nutzern zu erlauben, Transaktionen – und damit Informationen – in eine Blockchain zu schreiben. Wenn man dies will, ist wie im Federated Mining eine hausgemachte Blockchain zu empfehlen.

So könnten die Staaten beispielsweise die entsprechenden Schlüssel an Ämter, Kanzleien etc. abgeben oder mit einer Lizenz verkaufen. Dann könnten nur diese Berechtigten Transaktionen bzw. Informationen in der Blockchain abspeichern. Es wäre vermutlich sogar möglich, in jeder Transaktion zu erkennen, wer sie abgespeichert hat.

Fazit

Um diese Liste abzurunden: Die Chancen der Blockchain, Transparenz zu schaffen, sind offensichtlich vorhanden. Je nachdem, wie man die Welt sieht, kann dies gut oder schrecklich sein. Denn die Blockchain ist eine gläserne und fatalistische Datenbank, und sollte es einmal geschehen, dass die Staaten dieser Welt sie nutzen, um Transparenz und Glasigkeit zu schaffen, wird ein Schäuble’sches Unternehmensregister noch unsere kleinste Sorge sein. Denkbar sind Blockchain-Schufas, Blockchain-Webprofile, Blockchain-Menschenprofile, Blockchain-Bewegungsmelder, Blockchains, die automatisch Steuern einziehen  …

Aus einer rein technischen Sichtweise aber kann die Blockchain ein vielversprechendes Werkzeug sein, um Korruption zu bekämpfen bzw. aufzudecken. Das hier beschriebene geteilte Unternehmensregister wäre vermutlich mit einer Blockchain zu machen – stellt aber nur den Anfang dar. So gibt es bereits Versuche, die Herkunft von Diamanten und Medikamenten per Blockchain zu gewährleisten oder in einigen etwas korrupteren Staaten Landregister per Blockchain zu verwalten.

Ob für all dies wirklich eine Blockchain notwendig ist, oder ob es auch eine andere Technik einfacher und effizienter täte, kann ich jedoch nicht genau beurteilen.

Über Christoph Bergmann (2561 Artikel)
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5 Kommentare zu Die Schäuble-Chain: ein praxisnahes Exempel, wie die Blockchain die Welt verbessern kann

  1. Naja, nur weil man vor alle bestehenden Technologien das Wort “Blockchain ” klatscht, wird es damit nicht zur Lösung aller Probleme. Genau gesagt erweitert es ausgereifte bestehende Lösungen nur um das Proof-of-existence-Konzept. Große Datenbanken oder asymmetrische Verschlüsselung oder Signaturen sind an sich nichts neues. Also auch nichts was für eine Blockchain spricht.
    Also wie wäre es man nimmt eine bestehende oder neu aufgesetzte Chaos für genau den einen Zweck: Proof-of-existence-Konzept und den Rest macht man wie bisher oder mit dafür ausgelegten Lösungen, die sich einfacher handhaben lassen anstatt bspw “einfach ein Bild in 40 Zeichen lange hex-strings” umzuwandeln.

  2. Wolfgang Schäuble // 28. April 2016 um 22:08 // Antworten

    Ich bin dafür, das weltweite Firmenregister in der Dogecoin-Blockchain zu speichern.

  3. Name required // 28. April 2016 um 22:29 // Antworten

    Eine Blockchain mit persönlichen Daten darf es nicht geben. Datenschutz = Null. Das wäre Orwell 10.0.

  4. Goldlöckchen // 28. April 2016 um 22:41 // Antworten

    Warum nicht?

  5. Geniale Idee! Wenn man aber mit einer solchen Blockchain effektiv Transparenz schaffen und dubiose Finanzgeschäfte wirklich offenlegen kann, werden die meisten Politiker alles tun, um genau das zu verhindern.

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