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Kein ruhiger Tag in Bitcoin-Land

Bitcoin-Bloggen und Urlaub ist so eine Sache. Kaum fährt man mal weg, ist die Hölle los. In diesem Jahr hatten wir eine Rally und den Kollaps der DAO.

Was den Urlaub angeht, setzen die einen aufs Meer und die anderen schwören auf Berge. Leute, die nach Norwegen fahren, bekommen beides, interessieren sich aber meistens nur dafür, möglichst große Heilbutts aus dem Wasser zu ziehen.

Ist ja auch zu geil. Man fährt mit einem kleinen Alu-Boot durch Fjorde, die aussehen wie die Alpen nach der Sintflut, hängt einen Haken oder einen Köder ins hundert Meter tiefe Wasser und wartet, bis endlich eines dieser Monster aus dem Nordatlantik anbeisst, während man in der Sonne sitzt, die rund um die Uhr scheint …

Unglaublich schön, wenn um 1 Uhr Nachts die Sonne durch die Wolken durchbricht

Unglaublich schön, wenn um 1 Uhr Nachts die Sonne durch die Wolken durchbricht

Neben all dem hat Norwegen noch einen weiteren Vorzug, der vor allem entzückend ist, wenn man aus Deutschland kommt und es gewohnt ist, dass dank Störerhaftungsgesetz jeder sein WLAN abschirmt, als sei es ein Goldlager: Man hat fast überall freies Internet. Selbst in der Einöde jenseits des Polarkreises findet man leichter freies Internet als in einer durchschnittlichen deutschen Großstadt. Das ist phantastisch – außer man ist Bitcoinblogger, versucht Urlaub zu machen und trägt ein internetfähiges Gerät bei sich. Ich konnte es einfach nicht lassen, gelegentlich zu spickeln, was Bicoin-Land so treibt. Und es war ja auch zu spannend.

Der Chart sagt eigentlich schon alles:

Wild: der Bitcoin-Chart in den letzten Wochen. Quelle: Bitcoin.de

Wild: der Bitcoin-Chart in den letzten Wochen. Quelle: Bitcoin.de

Der Pfeil ganz links markiert etwa meine Abreise. Da stand der Preis ein Stückchen über 500 Euro. Noch während ich in den äußersten Norden gereist bin, begann der Kurs zu steigen. Es ging Schlag auf Schlag. 530, 550, 570, 600. Innerhalb von nicht mal einer Woche hatte der Bitcoin-Preis um 100 Euro zugelegt. Dann ging es weiter, zack, zack, zack – 670 – und schon hört man die ersten Prognosen, dass Bitcoin eher heute als morgen ein neues Allzeithoch erreichen wird.

Noch verrückter ist jedoch, dass der Preis plötzlich gar nicht mehr die große Neuigkeit war. Stattdessen hat die DAO – wir haben ja berichtet – dem nach oben stürzenden Bitcoin die Show gestohlen. Ihr habt es bestimmt schon gehört:

Am Freitag, dem 17. Juni, wurde ein Angriff auf Die DAO gefunden und ausgebeutet. Die Attacke ist eine „recursive calling“ Verwundbarkeit, bei der ein Angreifer die „split“-Funktion aufruft und dann innerhalb des Splits diese Funktion rekursiv aufruft. Dadurch sammelt er immer wieder Ether in einer einzigen Transaktion. Indem ein Angreifer diese Verwundbarkeit ausgenutzt hat, hat er 3.641.694 Ether von der DAO in eine Child DAO abgezogen.

So das Forum von DAOhub. Der 17. Juni muss ein entsetzlicher Tag für Freunde der DAO gewesen sein. Sie konnten live zusehen, wie ein Angreifer die DAO entleerte. Insgesamt nahm sich der Hacker Ether im Wert von rund 50 Millionen Dollar, während die verbleibenden 70-100 Millionen Dollar (je nach Ether-Kurs) auf der Schwebe standen – eingesperrt in einem unsicheren Smart Contract.

Die Ethereum-Entwickler begannen fieberhaft, den Schaden zu begrenzen. Auf der einen Seite startete ein „White Hat Angriff“, die restlichen Ether in der DAO abzuziehen, während die Entwickler eine Soft-Fork geschrieben haben, um die gestohlenen Ether einzufrieren und an einer Hard Fork arbeiten, die die DAO komplett abwickeln und den Investoren ihre Ether zurückgeben soll. Ein Vorgang, der bereits von Vericoin vorexerziert wurde (freilich ohne diesen Altcoin retten zu können).

Der Hacker hat derweil in einer Nachricht behauptet, er sei rechtmäßiger Eigentümer der Ether. Den Ethereum-Entwicklern droht er mit einer Klage, falls sie die gehackten Coins tatsächlich wegforken:

Ich habe lediglich das explizit gecodede Feature im Smart Contract genutzt. Mein Anwalt hat bestätigt, dass diese Aktion vollständig in Einklang steht mit dem Recht der Vereinigten Staaten … Eine Soft oder Hard Fork würde die mir rechtmäßig zustehenden Ether stehlen. Eine solche Fork würde unabänderlich und für immer das Vertrauen nicht nur in Ethereum sondern auch in das gesamte Feld der Smart Contracts und der Blockchain Technologie ruinieren … Ich behalte mir vor, alle möglichen rechtlichen Schritte gegen jeden Kooperateur des Diebstahles oder Einfrierens meiner legitimen Ether einzuleiten, und ich arbeite hierfür aktiv mit meiner Anwaltskanzlei zusammen.

… Schreibt Mircea Popescu auf trilema.com. Der Rumäne behauptet hier, er sei der Hacker, beweist dies jedoch nicht. Dasselbe Dokument wurde auch auf pastebin veröffenlicht.

Der DAO-Hack eröffent so viele Fragen, dass man es gar nicht zusammenfassen kann. Darf man das – mit einer Fork einen Hacker um seine Beute bringen? Wird diese Fork, wie der Hacker prophezeit, das Vertrauen in Kryptowährungen nachhaltig erschüttern? Oder ist eine solche Fork eine Stärke einer Blockchain, so, wie es die Stärke einer Demokratie ist, verfassungsfeindliche Parteien zu verbieten? Und was sagt der Bug im DAO-Smart Contract über Ethereum aus? Ist die Programmiersprache von Ethereum zu flexibel, zu einfach? Hat sie selbst Bugs? Kann man sich darauf verlassen, komplexe Smart Contracts zu schreiben, wenn diese gehackt werden können? Sind Hacker die neuen Juristen? Ich habe, wie es scheint, einiges zu tun.

Der Kurs von Ethereum ist, natürlich, nach dem Hack in den Keller gerauscht.

1-Monats-Chart von Ether. Quelle: Coinmarketcap.com

1-Monats-Chart von Ether. Quelle: Coinmarketcap.com

Der linke rote Pfeil ist der „DAO-Moment“, der rechte rote Pfeil markiert den Tiefpunkt bei 0,013 Bitcoin je Ether. Für viele ist es erstaunlich, dass sich Etherereum kurz darauf erholte und wieder auf etwa 0,02 Bitcoin stieg – währfend Bitcoin selbst begann, einzustürzen. Beinah zum selben Zeitpunkt, als Ether aufhörte, zu fallen, begann Bitcoin, zu fallen. Die Kryptowährung rutschte innerhalb von drei Tagen von 670 Euro auf 520 Euro ab, während Ether wieder gewann.

Vermutlich haben zahlreiche Leute, die in Ethereum investiert waren, zunächst ihre Ether in Bitcoin und dann ihre Bitcoin in Euro oder Dollar gewechselt. Dies zeigt einmal mehr, dass sich Bitcoin und Ethereum nicht in einem schnöden Konkurrenzverhältnis befinden, dass es also kein Null-Summen-Spiel ist, in dem Leute entweder in Bitcoin oder Ethereum investieren, sondern mehr als das. Ethereum selbst macht Bitcoin stärker, und wenn Ethereum fällt, fällt Bitcoin mit. Dasselbe gilt wohl für alle Altcoins.

Für Ethereum hingegen ist der „DAO-Moment“ in jedem Fall ein einschneidender Moment. Ein Moment, der vielleicht deutlicher als jemals zuvor die Unterschiede zwischen Bitcoin und Ethereum definiert. Falls Ethereum den DAO-Moment überlebt. Derzeit scheinen die Chancen dafür aber gut zu stehen.

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5 Kommentare zu Kein ruhiger Tag in Bitcoin-Land

  1. Willkommen zurück 🙂

    Letzter Absatz : „Für Ethereum hingegen ist der “DAO-Moment” in jedem Fall ein einschneidender Momen. Ein Moment, der vielleicht deutlicher als jemals zuvor die Unterschiede zwischen Bitcoin und Ethereum definiert. Falls Ethereum den DAO-Moment überleht. Derzeit sieht es aber gut aus.“

    Irgendwas passt da nicht und fehlt oder ?
    Außerdem paar kleine Rechtschreibfehler.

  2. Na wie gut, wenn man nicht bei jedem Schwachsinn oder Experiment dabei ist. War so etwas nicht vorauszusehen und wurden die Nutzer vorher auch vor solchen prinzipiell möglichen Angriffen gewarnt? Oder war wieder einmal alles Euphorie und Hype?

    Und wie kann man (der Hacker) auf die Idee kommen, dass der Hack legal war und das Geld ihm gehört? Wenn er sich so im Recht fühlt, dass er mit einem Anwalt klagen will, muss er doch öffentlich seinen Namen nennen. Also die Geschichte stimmt doch hinten und vorne nicht. Sehr verquere Denkweise…

  3. Übrigens haben bei meinen eigenen Beobachtungen Altcoins (Nicht-Bitcoins) letzten Endes immer gegenüber dem Fiatgeld stärker verloren als der Bitcoin. Ging es mit dem Bitcoin bergauf, konnten die Altcoins relativ zur Fiatwährung nicht mithalten, ging es mit dem Bitcoin bergab, haben die Altcoins ebenfalls verloren, jedenfalls stärker als der Bticoin und relativ zur Fiatwährung. Ich kann aber nicht sagen, ob das immer und für alle Altcoins gilt.

    • …was von den Protagonisten gerne als „FUD“ (fear, uncertainty and doubt) abqualifiziert wird, nenne ich gesunden Realismus und Aufklärung.

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