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Security Tokens im Kommunismus

Regierungssitz von Weißrussland in Minsk. Davor: Eine Statue von Lenin. Bild von Un Bolshakov via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Mit Currency.com startet eine Handelsplattform aus Weißrussland, „Security Token“ gegen Kryptowährungen zu handeln. Die Token laufen wie Bitcoins auf einer Blockchain, geben aber den Wert von Aktien, Rohstoffen und Indizes wieder. Wir schauen uns das genauer an. Wie seriös klingt das? Und was läuft in Weißrussland in Sachen Blockchain?

Beginnen wir damit, wie die Sache von außen aussieht – mit der Pressemitteilung.

Currency.com eröffnet, so heißt es, „die erste vollfunktionale Handelsplattform für tokenisierte Wertpapiere, auf der Investoren mit Kryptowährungen Finanzinstrumente kaufen und handeln können.“ Man zahlt Bitcoins oder Ether ein, um dann „Security Token“ zu handeln. Diese Token bilden die Preise der unterliegenden Finanzinstrumente nach. Das können Indize, Aktien oder Rohstoffe sein. Currency.com strebt an, mehr als 10.000 solcher Token anzubieten, beginnt aber mit etwas mehr als 150.

Der CEO der Plattform erklärt: „Wir sind begeistert, dieses revolutionäre Blockchain-Unternehmen zu starten. Wir geben Krypto-Investoren die Chanche, ihr Portfolio zu diversifizieren, indem sie in traditionelle Anlageklassen investieren — ohne dass sie zuvor ihre Coins gegen Fiatgeld tauschen müssen.“

Sollte dies wirklich funktionieren, wäre es ein Meilenstein. Es würde Bitcoinern aus aller Welt Zugang zu Aktien und so weiter geben, also die Kaufkraft, die Bitcoin repräsentiert, um ein riesiges Segment von Gütern erweitern. Zugleich wäre es ein Durchbruch für eine Entwicklung, die in den letzten zwei Jahren langsam angerollt ist: Der „Security Token“ – der Tokenisierung von Aktien.

Weißrussland

Currency.com ist in Weißrusslands Hauptstadt Minsk angesiedelt. Da wir über dieses interessante Land bisher noch nichts geschrieben haben, hier eine kurze Einführung:

Weißrussland ist ein kleiner, an Russland und Osteuropa grenzender Staat, mit etwas weniger Einwohnern als Baden-Württemberg. Historisch war das Land meistens russisch und gelegentlich polnisch oder unabhängig. Ein dauerhafter eigener Staat wurde Weißrussland aber erst nach der Auflösung der Sowjetunion 1991. Regiert wird es seit 25 Jahren von Präsident Aljaksandr Lukaschenka, der als der „letzte Diktator Europas“ gilt.

Als die ehemals wirtschaftsstärkste Provinz der Sowjetunion hatte Weißrussland eine prosperierende landwirtschaftliche und industrielle Produktion sowie gute Handelsbeziehungen nach Ost und West. Anders als andere ehemals kommunistischen Staaten unterlief das Land keine Hau-Ruck-Transformation zum Kapitalismus. Vielmehr sind die Schlüsselindustrien bis heute in planwirtschaftlichen Strukturen geblieben. Man könnte sagen, Weißrussland ist einer der letzten kommunistischen Staaten der Welt.

Insgesamt war das Land von den üblichen postsowjetischen Wirtschaftskrisen relativ wenig betroffen. Teilweise litt die Wirtschaft jedoch unter starken Inflationsschüben, die Ende der 90er Jahren sogar zur Hyperinflation ausarteten. Die Regierung reagierte darauf mit Währungsreformen. Erst 2016 wurde der dritte weißrussische Rubel eingeführt, der bis 2021 parallel zum zweiten weißrussischen Rubel läuft. Ihm gelang es, die Inflation, die zuvor auf 10 bis 20 Prozent gestiegen war, auf aktuell unter fünf Prozent zu drücken.

Weißrussland und Blockchain

Für Coins, Tokens und Blockchain wird Weißrussland seit November des vergangenen Jahres interessant. Denn Ende des Monats hatte die Regierung das „Decree No. 8 ‚On the Development of a Digital Economy'“ verabschiedet. Dieses erlaubt es Unternehmen, die in einer Sonderwirtschaftszone registriert sind, offiziell, mit Kryptowährungen und Blockchains zu arbeiten.

Nämlich richtet sich der Regierungserlass an die Unternehmen im Belarus High Technologies Park. Dieser ist laut Wikipedia eine „Sonderwirtschaftszone mit speziellen steuer- und rechtlichen Regeln, die helfen, attraktive und erfolgreiche IT-Unternehmen zu schaffen. Es ist das weissrussische Pendant zum Silicon Valley.“ Rund 500 Personen arbeiten in dem Park, ein Blick in die Presseabteilung zeigt, dass die Startups dort etwa mit Augmented Reality, KI und Blockchain arbeiten.  Ende November berichtet das Presseteam des Parks über die Regulierung von Token-Aktivitäten. Er verlinkt mehrere Dokumente, die die Anforderungen und Regeln für Kryptobörsen und ICOs auflisten.

Der CEO von Currency.com lobt die Regulierung in den höchsten Tönen. Weißrussland sei, erklärt er, „eines der vorausschauendsten Länder in Sachen Blokchain-Technologie“. Mit dem Decree No. 8 habe die Regierung das weltweit erste regulatorische Rahmenwerk erlassen, „das für die Branche der Kryptowährungen maßgeschneidert ist.“ Das Decree No. 8 erlaubt Firmen, die im „Belarus High Technologies Park“ operieren, mit Kryptowährungen zu arbeiten, und stellt dafür explizite und relativ detaillierte Regeln auf. Wie die anderen Firmen der Sonderzone genießen Blockchain-Firmen bis 2049 deutliche Steuervorteile.

Bei den Startups dort dürfte dies offene Türen einrennen. In der Firmenliste des Parks findet man mehr als 12 Startups, die etwas mit Blockchains machen. Viele dieser Firmen werden Blockchain wohl nur als ein Trendwort neben anderen in ihrer Beschreibung haben. Bemerkenswert viele arbeiten aber mit Kryptowährungen, Token und echter Blockchain-Technologie.

Konkret erlaubt das Decree es ihnen nun, „Token und Smart Contracts rechtsgültigen Status zu geben und rechtmäßig Operationen in Beziehung zum Minen, Aufbewahren, Kaufen, Verkaufen, Verteilen oder Wechseln von Kryptowährungen aufzunehmen.“ Von den Firmen verlangt es dafür die Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche (KYC / AML). Currency.com – laut Webseite das erste nach dieser Regulierung lizensierte Unternehmen – geht mit diesen konform, indem es unter anderem Blockchain-Analyse-Tools von Chainalyses und anderen einsetzt.

Interessant ist übrigens ein Blick zurück zur Webseite des Decree No. 8. Denn diese geht auf eine überraschende Domain: china.mfa.gov.by. Ruft man diese nativ auf, landet man auf einer einer Seite voller chinesischer Schriftzeichen. Das Logo der Seite, zwei rote Hände, die sie drücken, eine mit dem Symbol Chinas, die andere mit dem von Weißrussland, symbolisiert wohl die Freundschaft zwischen den beiden (kommunistischen) Ländern. Dies könnte vielsagend sein, von woher das Land sich Investitionen erhofft.

Aber kommen wir hier zurück zu Currency.com. Was soll man von der Plattform nun halten?

Security Token

Testen konnten wir die Seite noch nicht. Um am Handel teilzunehmen, muss man sich für einen Early-Access anmelden. Derzeit stehen knapp 40.000 Leute auf der Warteliste.

Daher gibt es nur einen Blick auf die verfügbaren Märkte. Diese zeigen ein breites Spektrum an Wertpapieren: Die Indizes der wichtigsten Märkte (DAX, S&P, Nasdaq, Euro Stoxx, Dow Jones, FTSE) sowie Aktien von etwa Adobe, Spotify, BMW, Activision Blizzard, Nike, BASF, Bank of America, JP Morgan, Porsche, Alibaba, Amazon, PayPal, Siemens, Wal Mart, Boing, DropBox, Electronic Arts, Walt Disney und vielen mehr. Dazu kommen noch Rohstoffe wie Gold, Silber, Öl, Gas, Palladium und Platin.

All diese Wertpapier werden also durch Token wiedergegeben, die auf der Ethereum Blockchain laufen. Als Kunde kann man Bitcoins oder Ether einzahlen, um mit diesen dann die Token zu kaufen. Das klingt nach einem wirklich nützlichen Service.

Eine große Frage bleibt aber offen: Worauf basieren die Token? Nicht technisch, sondern wirtschaftlich? Womit gewährleistet Currency.com, dass das, was man sich kauft, auch tatsächlich den Wert von anderen Wertpapieren spiegelt? Kauft Currency.com diese bei Aktienbörsen, um sie im eigenen Depot zu verwahren?

Eine konkrete Antwort darauf ist schwer zu finden. Pressemitteilung und Webseite bleiben hier unkonkret. Immerhin gibt es ein Whitepaper. Wie so viele andere Whitepaper von Krypto-Startups besteht dieses aber vor allem aus Versprechungen und Eigenlob. So heißt es hier etwa: „Unser Team wird von der Vision angetrieben, das Investment zu demokratisieren und es überall auf der Welt verfügbar zu machen.“ Das mag zutreffen – aber wie funktioniert es?

Einen Hinweis geben schließlich die kleingedruckten Risikohinweise und obligatorischen Hinweise am Ende des Whitepapers. In ihnen erfährt man, dass die „tokenisierten Wertpapiere kein Recht auf das unterliegende Investment verkörpern“. Allerdings „zertifiziert es das Recht des Besitzer, dass die Person, die es platziert hat, das Token zum Preis zum gewünschten Zeitpunkt abkauft.“ Es funktioniert also ähnlich wie ein Future, das in Cash finalisiert wird. Nur dass der Cash hier Bitcoin und Ether sind. Der Herausgeber ist offenbar meist Currency.com, aber die Hinweise sehen wohl auch vor, dass andere Unternehmen Token platzieren, und Currency.com dabei gewährleistet, dass der ordnungsgemäße Rückkauf möglich ist.

Die neuen Aktien

Ganz da sind wir also noch nicht. Das Security Token von Currency.com repräsentiert nicht eine echte Aktie, sondern lediglich ein Versprechen auf eine Aktie – ein Versprechen einer einzelnen Firma, der man vertrauen muss. Das, was mit Blockchains möglich wird, ist damit noch nicht erfüllt: dass die Aktie tatsächlich das Token ist. Aber es ist vielleicht ein Weg dorthin.

„Security Token“ sind ein neues Schlagwort der Blockchain-Branche, nachdem die „Initial Coin Offerings“ (ICO) sich größtenteils als Verlustnummer erwiesen haben. Anders als ICOs – die ihren Wert aus Versprechen und Whitepaper generieren – sollen die Security Token echte Aktien und Wertpapiere als Token auf eine Blockchain bringen. Sie können damit die globalen Aktienmärkte transformieren, Mittelsmänner überflüssig machen und eine Aktie ebenso sehr zum „echten Besitz“ machen wie einen Bitcoin.

Technisch ist es möglich, dieses neue Zeitalter des Aktienhandels einzuleiten. Es ist weniger die Frage, ob es passiert, sondern wann die Regulierung, die Aktienbörsen und die Emittenten soweit sind, es zuzulassen. Currency.com hat das Potential, hier einen Anfang zu machen. Dass dieser  Vorstoß aus Weissrussland kommt, ist überraschend, bemerkenswert und irgendwie auch erfreulich.

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
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3 Kommentare zu Security Tokens im Kommunismus

  1. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass es so wie beschrieben nicht umsetzbar ist.

    Wenn ich Aktien halte, notieren diese in einer bestimmten Währung. Kursgewinne und -verluste der Aktie werden in dieser Währung ausgewiesen.

    Wenn ich z.b. auf der Platform einen Bitcoin einzahle und damit Aktien kaufe, bekomme ich dann die Performance der Aktie oder von Bitcoin? Angeblich ja beides (das wäre ja der interessante Teil: Bitcoin und Aktien Exposure), aber das funktioniert ja mit klassischen Aktien nicht. Wenn die Platform meinen Bitcoin nimmt und Aktien kauft, habe ich kein Bitcoin Exposure mehr.

    Vor 2 oder 3 Jahren gab es schonmal ein Startup in den USA die das machen wollten, mit Venture Capital von Barry Silbert. Hat man nie wieder was von gehört…

  2. Ist das nicht ein ähnliches Prinzip wie dx.exchange ?

  3. weown.de ein deutsches Start-UP hat sich auf die Fahne geschrieben die Tokenisierung von Unternehmens Anteilen für Unternehmer und Investoren in fünf Minuten über eine wunderschöne Website / App (MyOwn) abzuwickeln.

    Damit nicht genug. Sie übernehmen einen vollen Ende zu Ende Service. Der CEO Sascha und sein Team haben Jahrzehnte Erfahrung in diesem Geschäft, den sie jetzt auf den Kopf stellen.

    Wer ein Interesse hat seine Anteile zu tokenisieren, dem rate ich zu Own. Die Jungs tüfteln seit einem Jahr an der Plattform. Jetzt geht sie live. FAST startet Ende Januar 2019. Das Mainnet, welches alle Mittelsmänner und ihre Gebühren aus dem klassischem Markt entfernt, geht 1. Quartal 2019 live.

    Wäre schön hier ein Interview von Herrn Ragtschaa und seinen Zielen zu lesen.

    https://link.medium.com/OfLSuyX8GT
    https://twitter.com/OwnMarket

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