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Ethereum 2.0: Vitalik Buterin möchte Verzinsung für Staker erhöhen

SAN FRANCISCO, CA - SEPTEMBER 18: Ethereum Founder and Inventor Vitalik Buterin speaks onstage during TechCrunch Disrupt SF 2017 at Pier 48 on September 18, 2017 in San Francisco, California. (Photo by Steve Jennings/Getty Images for TechCrunch) *** Local Caption *** Vitalik Buterin. Bild über Flickr.com geteilt, Lizenz: Creative Commons

Die Ethereum-Entwickler diskutieren seit langem den Umstieg von Proof-of-Work auf Proof-of-Stake. Derzeit steht eine spezielle Konstante im Fokus: Die Verzinsung der Einlagen. Ethereum-Leitentwickler Vitalik Buterin schlägt nun vor, diesen für die Sicherheit des Netzwerkes zu erhöhen.

Einer der wichtigsten Hebel von Zentralbanken ist der Zinssatz. Indem sie ihn erhöhen oder senken können sie Geldpolitik betreiben und, zumindest in der Theorie, die Konjunktur von Volkswirtschaften beeinflussen. Die derzeitige Diskussion bei Ethereum dreht sich auch um einen Zinssatz – um die Belohnung der “Staker”.

Um zu verstehen, worum es dabei geht, sollte man wissen, dass der derzeitige Kernmechanismus von Ethereum, das Mining, nicht das Design ist, das das Netzwerk langfristig haben soll. Mining – oder Proof-of-Work, Arbeitsbeweise – bedeutet, dass Leute Computerleistung verbrennen, um gleichzeitig neue Coins zu erschaffen und neue Blöcke an die Blockchain anzuhängen. Dieses Verfahren bewährt sich bei Bitcoin seit 10 Jahren; es vergräbt Transaktionen unter einem immer höheren Berg von Arbeitsbeweisen. Allerdings hat Proof-of-Work auch seine Nachteile, unter denen der extrem hohe Stromverbrauch vermutlich an erster Stelle steht.

Die Alternative, die bereits seit 2013 diskutiert wird, nennt sich Proof-of-Stake. Hierbei soll nicht ein Beweis von Rechenleistung, sondern ein “Stake” – ein Beweis des Besitzes von Coins – entscheiden, welcher Knoten einen Block bilden darf und damit die Belohnung durch Transaktionsgebühren und frische Krypto-Münzen einheimst. Zwar gibt es schon lange experimentelle Proof-of-Stake-Coins, etwa Peercoin, doch insgesamt herrscht noch eine beträchtliche Unklarheit, ob das Konzept überhaupt in der Lage ist, die notwendige Sicherheit technisch zu gewährleisten, weshalb der seit langem angepeilte Umstieg von Ethereum auf Proof-of-Stake immer wieder verschoben wird. Ethereum 2.0 – so der Arbeitstitel – lässt noch auf sich warten.

Der zentrale Zinssatz

Aber um solche technischen Fragen geht es in der aktuellen Diskussion nicht. Stattdessen geht es um den Zinssatz bei Proof-of-Stake. Miner erhalten einen Blockreward; wie viel Profit sie dabei machen, hängt davon ab, wie viel sie für die Hardware und den Strom bezahlen und was der Betrieb der Mining-Anlagen kostet. Bei Proof-of-Stake fallen solche Kosten weg; ein Staker muss lediglich Coins in einer Wallet vorübergehend einfrieren und ein System betreiben, das gut genug ist, um die Blockchain zu verarbeiten. Daher kann man bei Proof-of-Stake einfach von einem Zinssatz für die eingesetzten Coins sprechen.

Die große Frage ist nun: Wie hoch soll dieser Zinssatz sein? Der berühmteste Ethereum-Entwickler, Vitalik Buterin, hat vor kurzem vorgeschlagen, einen Zinssatz von 3,3 Prozent anzuvisieren. Er geht dabei davon aus, dass etwa 30 Millionen Ether fürs Staking verwendet werden und im Jahr maximal 100.000 Ether erhalten. Dies entspricht derzeit einer Summe von 160 Millionen Dollar. Im Vergleich zu den 700 Millionen Dollar, die die Miner derzeit bei Ethereum erhalten, ist das ein relativ geringer Betrag.

Eine Summe von etwa 32 Millionen Ether – derzeit rund 5 Milliarden Dollar – gilt den Entwicklern als ausreichend großes “Stake”, um Angreifer davon abzuhalten, durch den Kauf von genügend Ether das Netzwerk korrumpieren zu können. Wenn Vitalik Biterin nun vorschlägt, die für die Staker ausgeschütteten Ether zu erhöhen, möchte er gewährleisten, dass es genügend Anreize gibt, um Leute zu motivieren, entsprechend viele Ether zu staken.

Damit erhöht Buterin den Zinssatz von 2,2 Prozent, den die Ethereum-Entwickler bisher anvisiert haben. Andere Entwickler, etwa Fedrik Harryson von Parity, bevorzugen eine rutschende Skalierung, bei der sich die Belohnung erhöht, wenn zuwenig Ether im Stake sind. Ein Stratege von ConsensSys, Collin Myers, unterstützt dagegen Buterin. Er stimmt zu, dass die bisher veranschlagten 2,2 Prozent zu gering sind, um genügend Menschen zu motivieren, mindestens 32 Ether – das ist das minimale Stake – zu riskieren und die Rechen- und Betriebskosten zu bezahlen. Zugleich warnt ein Kollege von ihm, der Entwickler Jonny Rhea, davor, zu viel zu bezahlen.

Keine objektive Wahrheit

Der Vorschlag von Vitalik Buterin wird in naher Zukunft von den Entwicklern diskutiert. Ob es dabei möglich ist, einen “objektiv” richtigen Zinssatz zu finden, darf bezweifelt werden. Man kann Märkte nicht von Grund auf planen; selbst die Zentralbanken intervenieren meistens “auf Sicht”. Die Verzinsung für die Staker ist eine Konstante, die sowohl ökonomische als auch technische Konsequenzen hat: Sie bestimmt die Inflation der Ethereum-Coins (Ether) auf der einen Seite, und ist auf der anderen Seite maßgeblich für das Investment in das System sowie die Resistenz gegen Angriffe.

Darüber hinaus wird der Zinssatz – bzw. der jährliche Ausstoß neuer Coins – einen maßgeblichen Einfluss auf die Form des Netzwerks haben. Wenn die Belohnung zu gering ist, wird es nicht genügend Ether im Stake geben, um das Netzwerk sicher zu halten; zudem wird die Anzahl der Staking-Nodes, die mit der erheblichen Last der Ethereum-Blockchain zurechtkommen, nicht groß genug sein, um die Dezentralität des Systems zu erhalten. Die Belohnung für die Staker wird damit nicht nur einen Einfluss auf die Sicherheit haben, sondern auch auf die Fähigkeit des Netzwerks, zu skalieren und dabei dezentral zu bleiben.

Diese einzelne Zahl hat bereits so viele Implikationen, die nicht genau abzuwägen sind, dass es unmöglich sein dürfte, eine Lösung zu finden, die “korrekt” ist, in dem Sinne, wie eine Lösung für ein Rätsel oder eine technische Erfindung “korrekt” ist. Für die Ethereum-Entwickler bedeutet der Umstieg auf Proof-of-Stake damit, dass sie eine ähnliche, die Ökonomie leitende, Stellung einnehmen müssen wie die Zentralbanken; und weil man Märkte nicht am Reissbrett entwerfen kann, ist absehbar, dass sie diese Stellung auch langfristig einnehmen müssen, um immer wieder einzugreifen, wenn sich das System nicht wie gewünscht verhält.

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7 Kommentare zu Ethereum 2.0: Vitalik Buterin möchte Verzinsung für Staker erhöhen

  1. Mal ganz davon abgesehen, dass mich bisher kein PoS Ansatz überzeugen konnte, insbesondere da sehr viele Coins in (wenigen) zentralisierten Exchanges “gehalten” werden und diese durch die eingezahlten Coins eine enorme Macht erhalten, aber genau diese Exchanges könnten das Staken professionell betreiben…

    Für die Ethereum-Entwickler bedeutet der Umstieg auf Proof-of-Stake damit, dass sie eine ähnliche, die Ökonomie leitende, Stellung einnehmen müssen wie die Zentralbanken;

    Haben sie das nicht bereits mehrfach mit ihren manuellen PoW Block Reward Reduktionen getan (5 auf 3), kürzlich 3 auf 2?
    Entwickler haben in jedem Projekt eine entscheidende Rolle über die Richtung, aber die manuelle Änderung Sozioökonomischer Aspekte ist etwas komplett anderes als z.B. Optimierungen der Technologie. Die Entscheidungshoheit bei Ethereum konzentriert sich sehr stark auf Vitalik selbst und macht ihn damit unter Umständen sehr angreifbar. Ich würde ohnehin eine fixe Inflationsrate im Bezug auf die gesamte sich im Umlauf befindende Geldmenge bevorzugen, die dann gemäß dem “gestaketen” Anteil gegengerechnet wird. 1-2% Inflation sollten dafür aber reichen, auch wenn gerade das Beispiel Wörgl vielleicht das beste Argument für eine höhere Inflation und die tatsächliche Nutzung sein könnte…

    Eine dauerhafte Inflationsrate von 3,3% halte aber auch ich für ein gewagtes Experiment, das allerdings gerade in den Anfängen nicht unbedingt nachteilhaft sein muss, man vergleiche die anfängliche Emissionskurve von Bitcoin. Langfristig wird man aber die Inflation sehr wahrscheinlich nachjustieren müssen, auch wenn man verlorene Coins durch Key-Verlust oder gar Tod einberechnet. Gerade mit der Null-Zins Politik der letzten Jahre dürften 3,3% ein erheblicher Ansporn auch für eher konservative Anleger sein, doch in Kryptowährungen zu investieren, dafür müssten allerdings auch die Kursschwankungen geringer werden, also mehr Liquidität in den Markt fließen.

    • Den Schritt, den Block Reward einfach so zu reduzieren, fand ich damals auch heftig. Ich meine, alle Coin-Entwickler üben diese Zentralbank-Funktion aus, zumindest am Anfang, wenn sie die Distribution bestimmen. Satoshi war da auch nicht anders. Aber wenn die Distribution einmal festgelegt ist, kann man die Zentralbank abschalten; wenn die Entwickler sie nach eigener Willkür ändern, bleiben sie Zentralbank.

      Gerade bei PoS ist das interessant bzw. heikel. Das kann ja auch mächtig schiefgehen. Bei PoW hast du immer Miner, die es irgendwie billiger schaffen, sei es mit alten Asics, gestohlenem Strom oder wie auch immer, und auch Miner, die auf die Zukunft spekulieren. Bei PoS sind die Erträge recht eindeutig definiert, es gibt zumindest nicht die Unsicherheiten / Unschärfen wie bei PoW. Ich denke, die Versuchung für Entwickler, zentralbankartig das Verhältnis von Netzwerksicherheit, Inflation und Skalierbarkeit mit dem Hebel “Zinssatz” gerade zu biegen ist ziemlich groß.

      Zu wenig Ertrag: zu wenig Coins am Staken –> zu wenig Netzwerksicherheit
      Zu viel Ertrag: Zu viel Inflation
      ?? –> keine Anreize für Nodes, in Netzwerkressourcen zu investieren (das könnte bei zu viel und zu wenig Ertrag passieren…)

  2. Ich frage mich, wer für 3,3% Rendite sowas machen würde. Man bekommt ja am Geldmarkt mehr (Bonds). Außerdem müssen die ETH in einer Hot Wallet sein und man hat sicher auch sonstige Risiken. Das ist doch kein attraktives Geschäftsmodell. Das würden höchstens Leute machen, die sowieso ETH halten und nichts besseres damit vor haben.

    • Ja, das ist auch eines meiner Hauptprobleme mit PoS. Wenn Ethereum so läuft, wie es geplant ist, wird man für seine Ether Investment-Möglichkeiten haben, die ein viel besseres Risiko-Reward-Verhältnis haben.

  3. Diskussionen über den Zinssatz in einem PoS System… Welch Überaschung!
    Vitalik hat eine Ehrendoktorwürde der wissenschaftlichen Fakultät Basel.
    Er sollte mal folgendes zugeben: PoS ohne dezentrales Government wird in den nächsten 100 Jahren nicht funktionieren. Damit wird auch Ethereum nicht dezentral.

    Not. Gonna. Happen.

    • Fakultät für Wirtschaftswissenschaften meinte ich…

    • Er sollte mal folgendes zugeben: PoS ohne dezentrales Government wird in den nächsten 100 Jahren nicht funktionieren. Damit wird auch Ethereum nicht dezentral.

      Stelle ich mir ehrlich gesagt auch schwierig vor, denn man kann in einem PoS praktisch nur den Stake als Stimme (1 Coin = 1 Stimme) zählen, ergo stimmen die Profiteure über ihren Profit ab. 1 Nutzer = 1 Stimme ist damit komplett obsolet, wie es im PoW eigentlich mit 1 CPU = 1 Stimme gedacht war. Anhand von Wallet Adressen, IP Adressen oder ähnlichen Metriken kann man keine User ausmachen, weil sich diese viel zu einfach beliebig oft reproduzieren lassen. Blieben noch gängige Methoden wie Fingerabdruck, Irisscan, DNA, Postident oder elektronischer Pass *sic!*

      Da man zum Staken ein gewisses Guthaben besitzen und einfrieren und die entsprechend verarbeitende Hardware betreiben muss, würde die Gier der Anleger zu einer immer höheren Inflation kommen und dazu führen, dass die großen Staker einen immer größeren Anteil am gesamten Supply an sich binden, ohne dass sie die Coins nutzen und wieder in Umlauf bringen. Willkommen im neuen Kapitalismus!

      PoW hingegen “zwingt” die Miner, ihre Coins wieder in Umlauf zu bringen (zumindest einen großen Teil davon), da sie neben dem initialen Investment für Hardware auch laufend für Stromkosten und Wartung aufkommen müssen.

      Andererseits kann man eine dezentrale Regierung in einem anonymen Netzwerk kaum bewerkstelligen (siehe Spam in “Social” Networks) und muss diese auf Trust aufbauen, den bei Ethereum neben Vitalik nur wenige bekannte Entwickler haben und diese könnten für ihre Entscheidungen unter Umständen zur Rechenschaft gezogen werden. Ein großer Teil der Genialität des Bitcoin Whitepapers war eben den Trust bisheriger Ansätze durch PoW zu ersetzen / verteilen.

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