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So kompliziert kann es sein, mit Ethereum bei Amazon zu bezahlen

Plasma Licht. Bild von Shawn Nystrand via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die Startups Clic Technology und Opporty wollen Ethereum zu Amazon bringen. Durch ein Browser-Plugin können User mit ETH und ERC-Token auf dem Weltmarktplatz bezahlen. Die beiden Firmen benutzen dafür eine Plasma Cash Sidechain, was die Sache zum Auftakt der Offchain-Dimension bei Ethereum werden könnte. Dahinter verbirgt sich aber auch ein großer Schwung Technobabble.

Neuigkeiten können in Pressemitteilungen meistens gar nicht groß genug sein. Das Browser Plugin von Clic Technology und Opporty werde den E-Kommerz, verkündet die Meldung, gleich „revolutionieren“. Denn es erlaubt den Kunden, „alltägliche Güter auf Amazon zu kaufen, indem sie die öffentliche, verteilte, blockchain-basierte Open-Source Computing-Plattform Ethereum benutzen.“

Über das konkrete Produkt verrät die Pressemitteilung allerdings nicht viel. Der relativ junge, auf Bitcoin, Ethereum und ERC-Token spezialisierte Krypto-Zahlungsdienstleister Clic wird ein Browser-Plugin entwickeln, über das man, vermute ich, mit ETH einen Zwischenhändler dafür bezahlen kann, dass er für einen Waren bei Amazon bestellt. Etwas ähnliches gab es für Bitcoin schon vor einigen Jahren unter dem Dach von Bitcoins Berlin, und mit dem Browser-Plugin von Moon kann man bereits heute mit Lightning bei mehreren Plattformen – unter anderem Amazon und Ebay – bezahlen.

Die Neuigkeit beim Plugin von Clic liegt also nicht unbedingt im Produkt an sich. Eine weitere Brücke zwischen Krypto-Usern und Amazon ist nicht unbedingt „revolutionär“. Revolutionär wäre es, wenn Amazon direkt im Boot säße, was man aber ausschließen darf, da es sonst in der Pressemitteilung gestanden hätte. Ebenfalls revolutionär wäre es, vielleicht, wenn Clic eine Methode gefunden hätte, um die organisatorisch-rechtlich-betriebswirtschaftlichen Probleme dieses Konstrukts zu lösen. Denn es ist nicht unbedingt „revolionär“, wenn man einen weiteren Mittelsmann einführt, der zwischen Amazon und Verbraucher steht. Aber auch davon steht nichts in der Pressemitteilung.

Plasma Sidechain mit DPoS und PBFT

Das Interessante am Plugin ist vielmehr die Technologie hinter dem Produkt. Wir landen wieder bei der Mutter aller Blockchain-Probleme: Ethereum skaliert nicht. Es gibt zwar diese wundervollen Skripts und Smart Contracts, mit denen man, theoretisch, alles machen kann. Aber die Blockchain selbst wird dadurch so komplex, dass sie schon jetzt, bei einer Datenlast von nicht mal 200 Megabyte oder knapp einer Million Transaktionen am Tag, an ihr Limit gerät. Mit 300 Transaktionen in der Sekunde verarbeitet Amazon selbst bereits etwa 30-mal so viele Zahlungen wie Ethereum. Falls man es ernst meint, mit einem Plugin für Amazon, ist das ein Problem.

Also versucht Clic, die Zahlungen offchain zu bringen. Der Ansatz ist im Kern nicht viel anders als bei Lightning: Die Blockchain selbst wird zum „Settlement“-System, bei dem nur die Endzustände von Transaktionen festgehalten werden, die anderswo geschehen. Anders als Lightning ist die Idee bei Ethereum aber viel weniger gereift und existiert in der Praxis noch nicht.

Clic kooperiert dafür mit Opporty, einem Technologieanbieter, der sein Produkt als „die ultimative Plattform“ für Business-to-Business-Transaktionen vorstellt. Dieses ultimative Produkt ist eine Blockchain mit einem „DPoS-Konsens-Algorithmus PBFT“, der angeblich bis zu 25.000 Transaktionen je Sekunde schafft. Also genug für mehr als 300 Amazons. Diese superskalierbare Blockchain ist kompatibel mit den Smart Contracts von Ethereum und durch Plasma Cash mit Ethereum verbunden.

Damit haben wir einige Fach- und Buzzwörter: DPoS, PBFT, Plasma, Sidechain. Was bedeutet das? Beginnen wir mit Plasma Cash. Eine oberflächliche, aber gute Darstellung davon findet sich auf dem Blog von Opporty selbst, als das Startup Ende April die erste Version seiner Plasma-Sidechain vorgestellt hat.

Das Plasma-Protokoll wurde 2017 von Ethereum-Mitgründer Vitalik Buterin und Lightning-Miterfinder Joseph Poon entwickelt. Sein Ziel ist es, Ethereum durch Sidechains zu skalieren. Dabei werden Daten, Smart Contracts, Coins oder Token auf der Mainchain von Ethereum „eingefroren“ und auf einer anderen Blockchain freigegeben. Diese andere Blockchain kann beliebige Eigenschaften haben. Auf ihr werden dann Transaktionen und Smart Contracts ausgeführt, was es erlauben würde, aufwändige und komplexe Smart Contracts zu bilden, ohne dass diese die Mainchain von Ethereum verstopfen, oder, wie im Falle der Amazon-Brücke: Eine Anzahl an Transaktionen zu verarbeiten, die auf der Ethereum-Blockchain undenkbar wären. Das Wort „Plasma“ meint dabei nicht die Sidechain an sich, sondern den Mechanismus, um sie mit Ethereum zu verbinden.

Allerdings hatte die ursprüngliche Plasma-Version ihre Probleme. So musste jeder User jeden Block der Plasma-Blockchain herunterladen und validieren, um sich gewiss zu sein, dass seine Transaktionen sicher sind — was hier wohl bedeutet, dass sie zurück auf die Ethereum-Blockchain können, anstatt auf der Sidechain verloren zu gehen. Das eigentliche Problem – dass alle Knoten alle Daten validieren können – wurde nicht gelöst, sondern nur auf eine andere Blockchain geschoben. Daher hat Vitalik Buterin ein Jahr später das Plasma Cash Protokoll eingeführt. In diesem müssen die User nicht mehr alle Blöcke herunterladen, sondern lediglich die, die Transaktionen enthalten, die sie betreffen. Die Einheit der Plasma-Chain wird aufgesprengt, wenn ich das Blogpost richtig verstehe: „Man braucht keinen Mechanismus der Bestätigung. Da jeder Coin im Netzwerk individuell ist und mit einem spezifischen User identifiziert wird, ist es egal, was mit dem Netzwerk passiert (Hacking, Betrug, etc.). Die User können ihre Coins weiterhin aus dem Netzwerk herausholen.“ Wie das im Detail funktioniert, wäre sicherlich interessant.

Zensus-Demokratie mit Wahlmännern

Aber lassen wir es zunächst dabei, dass Opporty eine spezifische Sidechain anbietet, die den Plasma-Brückenmechanismus nutzt. Ihre konkrete Gestalt bleibt auf Webseite und Whitepaper aber verschwommen. Es handelt sich um einen „DPoS Consensus Algorithm PBFT“, was schon mal ein bißchen Info enthält: DPoS steht für „Distributed Proof of Stake“ und meint ein Konsensverfahren für Blockchains, das unter anderem von EOS, Steem, Lisk und der EU-Blockchain verwendet wird. DPoS bedeutet, dass die Besitzer von Coins – oder anderen Token – in einer Art Zensus-Wahlverfahren eine Gruppe von Delegierten auswählen, die dann entscheiden, was Konsens ist. Ein wenig wie Zensus-Demokratie mit Wahlmännern. DPoS scheint sich dabei zu bewähren, schnelle und relativ hochskalierbare, aber nur eingeschränkt dezentrale bzw. erlaubnisfreie Blockchains zu bilden.

PBFT dagegen ist ein (mir) neuer Begriff. Ich vermute, es handelt sich um Practical Byzantine Fault Tolerance (PBFT), ein Konsens-Algorithmus, der bereits in den 90ern entwickelt wurde. Er beruht darauf, dass zwei Drittel der Knoten eines Netzwerks einer konsensrelevanten Information zustimmen. Also ein Wahlverfahren, ähnlich wie bei Ripple oder Stellar. So wie zuvor Tendermint kombiniert Opporty offenbar DPoS mit PBFT. Das könnte dann so aussehen, dass nicht einer der durch die Token-Besitzer gewählten Delegierten den Konsens bestimmt, sondern diese gemeinsam durch ein Abstimmungsverfahren. Der Vorteil der Delegationen könnte darin liegen, dass das System effizienter arbeitet, wenn nicht alle, sondern nur einige abstimmen.

Für die Trends in der Blockchain-Entwicklung ist das alles interessant. Seit spätestens 2013 wird versucht, eine Alternative zum Mining bei Bitcoin zu finden, um in einem dezentralen Netzwerk einen Konsens aller Knoten zu bilden. Dabei landet man meistens bei einem Wahlverfahren a la Ripple oder einer Delegations-Abart von Proof of Stake. IOTAs Plan für ein Leben nach dem Koo umfasst in gewisser Weise beides, und auch Facebooks Libra scheint mit (eventuell) einem Proof of Stake Anteil sowie dem HotStuff-Konsens-Algorithmus in diese Richtung zu gehen.

Die Opporty-Sidechain mit ihrem „Proof-of-Expertise“-Konsens – der kaum erklärt wird – ist noch ziemlich nebulös. Klar dürfte aber eines sein: Dem Versprechen, die Zahlungen über „die öffentliche, verteilte, blockchain-basierte Open-Source Computing-Plattform Ethereum“ zu leiten, wird es bestensfalls indirekt gerecht. Das geplante Browser-Plugin ist eher eine unglaublich komplizierte Methode, um noch einen weiteren Mittelsmann zwischen den Produzenten und den Verbraucher zu setzen.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
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