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Warum die Politik wegen Facebooks Libra-Coin besorgt ist – und was sie daran nicht versteht

Politiker aus aller Welt kritisieren Facebooks Libra-Coin. Man befürchtet das Schlimmste: Zuwenig Datenschutz, aber zuviel Anonymität, und die Gefährdung des globalen Finanzsystems. Noch lange bevor Libra live geht, rufen Politiker nach einer entschlossenen Regulierung. Dabei übersehen sie aber, dass Facebook Libra vor allem schafft, um eben nicht zur Zielscheibe der Regulierung zu werden.

Plötzlich sind sie alle wach geworden. Für die meisten Politiker waren Kryptowährungen bisher nur eine unbedeutende Nische, die man vielleicht ein wenig kommentieren und regulieren muss, aber ansonsten getrost ignorieren kann. Mit dem Libra-Coin von Facebook ändert sich das plötzlich. Der Coin existiert bisher nur auf dem Papier und geht frühestens in einem Jahr ernsthaft online – aber er sorgt schon jetzt für mehr Furcht und Schrecken, als es Bitcoin und Co. jemals vermocht haben.

Datenschutz und Geldwäsche

Einerseits beunruhigt die schiere Marktmacht von Facebook viele Politiker: Die Vorsitzende des Finanzausschusses im US-Repräsentantenhaus, Maxine Waters, sagt, Facebook führe seine „ungeprüfte Expansion fort und erweitert seinen Einfluss auf das Leben seiner User. Regulierer sollten dies als Weckruf ansehen, um den Gefahren für Privatsphäre und nationale Sicherheit, die von Kryptowährungen ausgeht, ernsthaft ins Auge zu sehen.“ Sherrod Brown, ein hochrangiges Mitglied im Banking-Kommittee des US-Senats, meint, Facebook sei „schon jetzt zu groß und zu mächtig.

Auch in Deutschland warnen Experten. Gerhard Schick, Vorstand und Mitgründer der Bürgerbewegung Finanzwende, mit den Grünen verbunden, sagt: „Meines Erachtens wird hier eine marktbeherrschende Stellung von Facebook im Bereich Social Media genutzt, um Marktmacht in einem anderen Bereich, nämlich Zahlungen zu erreichen.“ Die Dominanz von Facebook würde sich in eine enorme Dominanz am Finanzmarkt ausweiten. Um zu verhindern, dass Staat und Gesellschaft in einer Krise erpressbar würden, wie durch Großbanken in den Jahren 2008/2009, müssten „die Wettbewerbsbehörden einschreiten.“

Üblicherweise geht die Kritik an Libra mit Bedenken zum Datenschutz einher. So warnt US-Senator Brown etwa, Libra würde Facebook „Wettbewerbsvorteile beim Sammeln von Useraten über finanzielle Transaktionen geben.“ Auch der deutsche Experte Schick fürchtet, dass „den Datenschutz-Versprechungen von Facebook nicht zu trauen ist“. Die Transaktionsdaten könnten systematisch ausgewertet werden, womit die ohnehin bereits enormen Überwachungsmöglichkeiten von Facebook noch größer werden. „Das muss unbedingt verhindert werden.“

Ein Kommentar der in der US-Politik einflussreichen Washington Post fürchtet, „Libra könnte die Privatsphäre der User unterminieren.“ Zwar sage die Libra Stiftung, sie werde die Transaktionsdaten von den Identitäten der User trennen, „aber Facebook hat hier eine gemischte Bilanz vorzuweisen.“ Als der Konzern etwa WhatsApp übernahm, hat er versprochen, keine Kreuzverbindungen zwischen den Userdaten der Plattformen zu ziehen – wurde aber nun genau dafür von europäischen Regulierern verklagt. „Libra wird Metadaten von jeder Transaktion speichern, was durch Kreuzverbindungen mit WhatsApp-Daten die Userprofile schärfen könnte.“ Libra drohe, einen „Schatz an feinmaschigen Informationen über das alltägliche Leben“ zu generieren, und das Geschäftsmodell von Facebook, den „Überwachungskapitalismus“, noch auszubauen.

Ironischerweise geht die Sorge vor zuwenig Datenschutz mit der Sorge vor zuviel Datenschutz einher. So ruft etwa der französische Finanzminister Bruno Le Maire die Zentralbanker und Regulierer auf, sich mit Facebook zu beschäftigen. Seine Befürchtungen drehen sich um „Privatsphäre, Geldwäsche und Terrorfinanzierung.“ Auch Markus Ferber, ein EU-Parlamentarer der CSU, sagte, Facebook könne mit seinen 2 Milliarden Usern zu einer „Schattenbank“ werden, was die Regulierer in höchste Alarmbereitschaft versetzen sollte. In ähnlicher Weise meldet sich Joachim Wuermeling, Vorstandsmitglied der Bundesbank, zu Wort: Facebook dürfe nicht zu einem neuen „Marktplatz werden, um Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zu tätigen“. Ähnlich der eben noch über die mangelnde Privatsphäre besorgte grüne Finanzexperte Schick: „Anonyme Zahlungsmöglichkeiten“ wie Libra erleichterten auch, „dass man Dienstleister ohne Blick des Fiskus fast weltweit entlohnen kann.“

Wie man es macht, ist es falsch: Ist eine Kryptowährung zu transparent, verletzt sie den Datenschutz, ist sie zu privat, wird sie zur Schattenbank. In der Vorstellung der meisten Politiker ist Libra, irgendwie, beides zugleich.

Der Erfolg wird vorausgesetzt

Gleichzeitig scheinen viele der Politiker und Experten schon jetzt davon überzeugt, dass Facebook mit seiner Kryptowährung – die sich im Whitepaper ein wenig wie ein Bullshit-Bingo der neuesten Blockchain-Trends liest – ein maßloser Erfolg sein wird. Und zwar so sehr, dass man sich bereits bis in die höchsten Etagen über die globale Geldmarktstabilität Sorgen macht.

So sagte Frankreichs Le Maire, dass Libra nicht als Ersatz für traditionelle Währungen gesehen werden sollte. „Es steht nicht zur Debatte, dass es eine souveräne Währung wird. Das kann es nicht und das darf nicht geschehen.“ Auch der Governeur der britischen Zentralbank, Mark Carney, betonte mit Blick auf Libra, dass „alles, was in dieser Welt funktioniert, augenblicklich systemisch wird und zum Subjekt der höchsten Standards der Regulierung werden muss.“ Er verspricht, gemeinsam mit der G7, dem Internationalen Währungsfond, der Bank für Internationalem Zahlungsausgleich (BIZ) sowie dem Financial Stability Board (FSB) über Libra zu diskutieren.

Die mächtige BIZ, auch bekannt als „Zentralbank der Zentralbanken“, hat Libra bereits kommentiert. Wenn eine solche große Tech-Firma ihre riesigen Userdaten mit finanziellen Aktivitäten verbinde, könne dies „die finanzielle Stabilität gefährden“. Hyun Song Shin, ein Analyst der BIZ, sagte, es sei ein koordiniertes Bemühen der globalen Politik nötig, um mit dem Facebook-Coin umzugehen. Auf Social Europe fragt derweil Katharina Pistor, eine Rechtsprofessorin an der Columbia Law Schook, ob die Regierungen „die Risiken für die Finanzstabilität verstehen.“ Ein Zahlungssystem – oder eine Währung – verlange nach einem Maß an Liquidität, die kein privater Akteur aufbringen könne. Libra sei „eine Gefahr für das gesamte globale Finanzwesen“. Daher müsse die Politik es stoppen.

Sogar die BILD titelt, dass Libra den Druck auf die EU erhöhe, „eine eigene Antwort auf das bargeldlose Geldsystem zu finden“. Sie zitiert Danyal Bayaz, Finanzpolitiker der Grünen mit der Frage, „ob unsere Zentralbank eigene Angebote wie beispielsweise einen E-Euro schaffen sollte.“ Facebooks Libra-Projekt sieht er als Angriff auf das Monopol der Politik: „Es geht um die Frage, wer in Zukunft eigentlich noch das Privileg hat, Geldschöpfung zu betreiben. Der Staat? Banken? Oder Digitalkonzerne wie Facebook?“ Zustimmung kommt von einer Partei, die eigentlich nicht oft mit den Grünen einig ist. Hansjörg Durz, digitalpolitischer Sprecher der CSU, meint, Libra zwinge „staatliche Institutionen dazu, sich noch intensiver mit digitalen Währungen auseinanderzusetzen. Dabei ist kritisch zu hinterfragen, inwieweit die Ausgabe einer Währung und die Anwendung finanzpolitischer Instrumente durch NGOs und Unternehmen statt durch staatliche Akteure dem Allgemeinwohl dienlich sind.“

Was die Politiker nicht verstehen …

Diese schnellen, ranghohen und aufgeschreckten Statements zeigen: Der Facebook-Coin ist für die Politik etwas ganz anderes als Bitcoin und Co. Zum einen weil sich die meisten Politiker nicht vorzustellen können, dass eine Kryptowährung erfolgreich sein kann, hinter der kein globaler Konzern steht. Dass etwas dezentral funktioniert, anstatt durch eine zentrale Macht, geht weiterhin über die Phantasie der meisten hinaus. Erst wenn eine richtige, große Firma dabei ist, muss man es ernstnehmen.

Sie übersehen dabei, dass hinter Bitcoin ein mittlerweile gereiftes Ökosystem von Firmen steht, von denen einige einen Marktwert von mehr als einer Milliarde und viele Bewertungen von hunderten oder zumindest zig Millionen haben. Ein solches Ökosystem ist sehr viel widerstandsfähiger und innovativer als eine um Facebook und einige Platzhirsche herum zentralisierte Währung, die den Ballast lange gewachsener Strukturen mit sich schleppt. Die harte Kritik der Politik an Libra zeigt zunächst vor allem, dass hier noch immer in alten Mustern gedacht wird, um neue Phänomene wie Bitcoin zu begreifen; eventuell steht dahinter sogar eine Art Wunschdenken, dass nur das, was man versteht und was ein Zentrum hat, auch erfolgreich sein kann. Die Übertreibung der Gefahr und des Potentials von Libra könnte eine Art psychologische Strategie sein, um die eigene Hilflosigkeit angesichts dezentraler Kryptowährungen zu verdrängen.

Auf der anderen Seite zeigt die Kritik der Politiker auch ziemlich deutlich, warum nur dezentrale Kryptowährungen eine Chance haben, erfolgreich zu sein. Wenn man der Regierung einen Angriffspunkt bietet, indem man eine Kryptowährung zentralisiert aufbaut, nutzt sie ihn. Was ein Zentrum hat, kann zerstört und beherrscht werden, und wenn die Politik eine Möglichkeit hat, auf ein Zentrum zuzugreifen, fordert sie schon präventiv, noch bevor es überhaupt losgeht, ihre Einflussnahme ein. Bei Bitcoin weiß die Politik nicht, an wen sie sich wenden soll; Aufrufe, dass Bitcoin nicht sein darf, werden dann und wann laut, aber sie verschallen, weil es niemanden gibt, an den man herantreten kann, um Bitcoin auszuschalten. Diejenigen, die das fordern, zeigen damit meist, dass sie schlicht nicht verstanden haben, welche Bedeutung Bitcoin hat. Bei Facebooks Coin ist das anders – hier können die Regierungen eingreifen. Und genau das wollen sie auch tun.

Facebook ist bereits einen Schritt voraus

Dabei aber scheint Facebook genau das bereits bedacht zu haben. Der Konzern versucht schon seit einigen Jahren, eine Lizenz zu bekommen, um seine mächtige Userbasis für finanzielle Transaktionen zu nutzen. Die Entwicklung einer eigenen Kryptowährung scheint nun dem Umstand geschuldet zu sein, dass sich Facebook auf dem geordneten Wege der regulierten, unternehmerischen Finanzdienstleistung schwer tut. Wenn es nur um die Technologie ginge, könnte Facebook einfach ein neues PayPal auf Basis seiner breiten Infrastruktur schaffen.

Libra ist daher nicht der Versuch, das technische Problem zu lösen – sondern sich den Zwängen von Aufsicht und Politik zu entziehen. Indem der Coin von 100 Mitgliedern der Stiftung betrieben wird, ist Facebook kein hinreichender Ansprechpartner, um regulatorische Wunschvorstellungen durchzusetzen. Auch die Stiftung selbst ist es nicht, da sie keine Verfügungsgewalt über ihre Mitglieder hat. Schon allein diese Konstruktion macht es der Politik enorm schwierig, einen Hebel zu finden, um Libra zu kontrollieren.

Auf diese Weise könnte Facebook die Zeit gewinnen, um Libra weiter zu dezentralisieren und den eigenen Einfluss verschwindend gering zu machen. Es ist geplant, auch Nicht-Mitgliedern der Stiftung zu erlauben, einen Validator-Node – das entspricht einem Mining-Node bei Bitcoin – zu betreiben, wenn sie sich durch einen „Stake“, also einen gewissen Betrag an Libra-Coins, ausweisen. Auch soll es Usern erlaubt sein, „Full Nodes“ zu betreiben, die zwar keine Daten in die Blockchain schreiben, aber die gesamte Blockchain – wenn man das bei Libra noch so nennen kann – herunterladen und validieren können. Sollte dies schneller geschehen, als es der Politik gelingt, einen regulatorischen Fuss in der Tür zu haben, dürfte es extrem schwer werden, Libra zu beherrschen.

Facebook steht hier vor einer der interessantesten Anreiz-Konstellationen von Kryptowährungen. Als Unternehmen will man keine Kryptowährung beherrschen. Ripple hat es versucht, aber seit die Firma Ripple Labs von den US-Regulierern bestraft wurde, versucht sie, Ripple zu dezentralisieren, um selbst nicht länger Zielscheibe zu sein. Für Facebook gilt dasselbe. Dezentralisierung scheint bei Kryptowährungen das natürliche Interesse gerade jener Parteien zu sein, die noch einen zentralen Einfluss ausüben können.

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16 Kommentare zu Warum die Politik wegen Facebooks Libra-Coin besorgt ist – und was sie daran nicht versteht

  1. Hans Frosch // 25. Juni 2019 um 14:57 // Antworten

    Letztendlich wird sich die „dezentralste“ Währung durchsetzen. Das dürfte mit Sicherheit nicht Libra sein, auch nicht der Dollar oder Euro. Der Einfluss von Staaten und großen Konzernen wird dramatisch sinken. Gut so! Ich freue mich auf die Zeit, in der es keine Trumps mehr geben wird. Herausforderungen wie der Klimawandel, die Abkehr von Kriegen oder die Umverteilung von Reich nach Arm können in meinen Augen nur dezentral gemeistert werden.

  2. „Die Übertreibung der Gefahr und des Potentials von Libra könnte eine Art psychologische Strategie sein, um die eigene Hilflosigkeit angesichts dezentraler Kryptowährungen zu verdrängen.“ – Yep, das sehe ich auch so.
    Nicht dass ich ein Fan von FB wäre, (benutze es um gelegentlich backgammon zu zocken) aber der Zukerberg hat echt COJONES ! Sich mit so vielen Regierungen anzulegen, WOW!
    Ich freue mich auf die Hilflosigkeit der Banken, sie merken ja jetzt schon dass ihre Macht schwindet. Binance hat die Deutsche Bank schon nach einem Jahr überholt!
    Und das dämliche Argument „Geldwäsche und Terrorfinanzierung“ wir müssen es bekämpfen!, das findet doch nur in dem alten System statt.

    Es wird eine spannende Zeit werden.

  3. Unverständnis und unnützes Geschrei,
    … wohl weil die Politik befürchtet einen weiteren Einfluß zu verlieren.
    Dabei sollte die Geldpolitik doch „unabhängig“ sein… glaubt nur keiner mehr und flüchtet vor drohender Enteignung, sei es durch überbordender Schuldenmacherei, inflationärem Buchgeld drucken durchs Bankensystem, Altersenteignung durch Nullzinspolitik bei gleichzeitiger realer Inflation oder Guthabencuts, wenn bei den Banken oder Staaten dann völlig aus dem Ruder gelaufen ist.

    Doch Libra ist wohl der falsche Angriffspunkt.
    die soll man ja wohl nur gegen Tausch von Fiat via Paypal oder eigenen ATMs bekommen.
    Hinterlegt in Währungskörben und Staatsanleihen.

    Nun ja, das muß wohl bei der anzunehmenden Größenordnung überwacht und reguliert werden.
    Und hier liegt auch der Zugriff. Billionen in Dollar, Euro, Yen und Staatspapieren hinterlegt bei durch die Libra beauftragten Banken dürfte für die BIZ ja zu machen sein?

    In Bedrängnis könnte das lediglich dritte Welt oder Schwellenstaaten bringen wenn deren Bürger ihre Währung zu hauf dann gegen Dollar und Euro tauschen.
    Und wies aussieht wenn es einen Bankrun auf Libra gibt (weil Facebook vor der Zerschlagung steht) und alle ihre Libra wieder in Fiat haben wollen… werden dann die Staatsanleihen auf einmal auf den markt geworfen?

    Das sind eher kurzfristige Verwerfungen, aber keine Finanzsystem bedrohenden Auswirkungen wie es die Wetten der Schattenbanken sind.

    Libra ist wohl eher wie eine „lokale Tauschwährung“, die gibt es ja auch zu hauf.
    Nur eben global und mit einer blockchain basierten Buchführung.
    Schlieplich gibt es einen Emittenten (E-Geld) und soll zu 100% gedeckt sein.

    Bleibt noch Geldwäsche, Terrorfinanzierung und Datenschutz.

    Einem Konzern, der jedes Busenbildchen zensieren kann dürfte es wohl ein Leichtes sein, Drohnenkauf zu unterbinden.

    Dann darf sich die Politik doch gerne mal über den Datenschutz und die Privatsphäre den Kopf zerbrechen… hier wäre der Hirnschmalz dann wohl angebracht.

    Und ja, alles weit weg von Bitcoin, da ist Facebooks Libra wohl nur ein gefundenes Fressen an dem man seinen ohnmachtslosen Frust auslassen kann.

  4. Politiker, welche sich Sorgen um den Datenschutz machen. Dass ich nicht lache.

    Es geht hier schlicht und ergreifend um das Monopol, Gewünschtes von einer Person zu wissen. Dieses Monopol ginge den Politikern verloren bzw. sie wären sie von Facebook abhängig, könnten sie Facebook nicht kontrollieren. Und für diese Kontrolle wird jetzt gesorgt.

    Die Politiker verstehen ganz genau worum es hier geht, sie sehen ihre Felle davon schwimmen und müssen rechtzeitig gegensteuern.

  5. Ausgabe einer Währung und die Anwendung finanzpolitischer Instrumente durch NGOs und Unternehmen statt durch staatliche Akteure dem Allgemeinwohl dienlich sind.

    Da bin ich voll beim CSU Hansjörg! Die ganzen ICO-geschöpften Corporate & Foundation Bullshit Coins erstmal ordentlich durchregulieren, dann haben Bitcoin, Monero und ähnlich dezentrale „Grassroot“ Projekte die Möglichkeit, sich in der Zwischenzeit weiterzuentwickeln, bis jemand auf die Idee kommt, dass man die User auch regulieren müsste um diese zu stoppen (was demokratisch kaum durchsetzbar ist), aber dann ist es eh schon zu spät 😉

  6. herzmeister // 25. Juni 2019 um 20:41 // Antworten

    > Was die Politiker nicht verstehen …

    > Diese schnellen, ranghohen und aufgeschreckten Statements zeigen: Der Facebook-Coin ist für die Politik etwas ganz anderes als Bitcoin und Co. Zum einen weil sich die meisten Politiker nicht vorzustellen können, dass eine Kryptowährung erfolgreich sein kann, hinter der kein globaler Konzern steht. Dass etwas dezentral funktioniert, anstatt durch eine zentrale Macht, geht weiterhin über die Phantasie der meisten hinaus. Erst wenn eine richtige, große Firma dabei ist, muss man es ernstnehmen.

    d’accord, mit das beste was du je geschrieben hat. Hab ich auch immer so empfunden, manche sind psychologisch nicht in der Lage, Bitcoin richtig zu verstehen.

    Zu Facebook, die werden das „Axiom des Widerstands“ nicht erfüllen können. https://github.com/libbitcoin/libbitcoin-system/wiki/Axiom-of-Resistance

    Denn die nötige Performance wird nicht dezentral implementierbar sein, man verspricht 1000 tp/s, das reicht bei weitem nicht für Milliarden Users, und selbst da würd kein Knoten mehr mitkommen. Damit wird es zu einem Paypal-Klon pivoten. Aber genau das ist wohl der Plan: https://twitter.com/herzmeisterderw/status/1132290514441658368

  7. Das ist wieder einer dieser Artikel, für die ich dieses Blog liebe. Danke!

  8. Andreas Spindler // 26. Juni 2019 um 6:38 // Antworten

    Politik tut gerne so als könne sie über Parteiprogramme die Gesellschaft führen. Aber das kann sie nicht.
    Echte Veränderungen – seien sie moralischer oder technischer Natur – gingen und gehen von der Gesellschaft aus. Die Politik kann und darf sie nur begleiten. Es war sehr weitsichtig von Fr. Merkel das Internet als „Neuland“ zu bezeichnen. Was Fr. Merkel wahrscheinlich noch nicht ahnte ist, dass dieses Neuland eine bessere, verlässlichere, dezentralere Form der Politik erfordert. Stichwort „Liquid Democracy“.

    Und zwar weltweit.

    Wenn die Politik der Gesellschaft nicht folgt, sondern ihre Formen festigt und Veränderungen per Gesetz reguliert rutschen wir automatisch in ein totalitäres System.

    Dieser Umstand ist als das „Böckenförder-Dilemma“ bekannt, und wurde in den 1960er Jahren von dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Wolfgang Böckenförde formuliert.

    > Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er
    > selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der
    > Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits
    > nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen
    > her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der
    > Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte
    > nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und
    > autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit
    > aufzugeben.
    >
    > > Ernst-Wolfgang Böckenförde (1930-2019, ehem. Bundesverfassungsrichter)

    • Chapeau! Parteiprogramme als Kontrolle über den Bürger, genau. Die Staaten führen sich mehr und mehr auf wie autoritative Systeme, und der Bürger hat schon lange nicht mehr die finanzielle Freiheit, die eben Cryptocoins bieten. Das geht soweit, dass das offizielle, staatliche Zahlungsmittel EURO von Banken nicht akzeptiert wird. Versuche mal 2000 Euros in bar bei einer Bank in Frankreich einzuzahlen… no way! Könnte ja aus „Terrorfinanzierung“ oder emotional aufgeladenes wie „Kinderpornographie“ kommen. Ich frage mich, wer den Terror in die Welt rausbringt, und wieso er zurück kommt. Wo ist da die moralische Substanz? Wo schützen da die Staaten?
      Und nebenbei haben die Politiker oftmals Verständnisprobleme mit der Geldschöpfung, wollen hier aber moralische Instanz spielen (Datenschutz – haha! Mir ist es eigentlich egal, ob Facebook oder der Staat ausspioniert – Datenschutz ist beides nicht). Dass der Staat „souverän“ in Sachen Finanzen ist, kann man seit Gründung der Bank of England (und darauf das FIAT Geld) sowieso in Frage stellen. Die Tendenz geht m.E. dahin, dass private das Geldgeschäft übernehmen (oder schon übernommen haben), und der Staat die 1% Umlaufgeld drucken/prägen behalten darf. Den Rest erledigt der Turbokapitalismus, und der ist moralisch sicherlich nicht in gewünschtem Masse gefestigt.
      Stellen alle Bürger um auf Crypto, müssen die Alarmglocken klingeln, weil sowohl der Staat seine geglaubte finanzielle Autorität verliert, das ist nur Gerassel… aber noch viel kritischer würde es das private Geldwesen treffen, die bisher der Politik die Regeln definiert… (siehe voriger Artikel zu FATF von Christoph). Spannende Zeiten!

  9. Es gibt 2 Gründe, warum Libra bei der Politik die Alarmglocken schrillen lässt und BTC nicht:
    – Libra wäre bei Verfügbarkeit vermutlich ohne große Eintrittsbarrieren durch Milliarden von Nutzern nutzbar
    – Libra wird aufgrund der angestrebten Wertstabilität ggü. FIAT auch leichter als Zahlungsmittel akzeptiert

    BTC könnte man auch verbieten/verfolgen, komplett wäre natürlich schwierig bzw. unmöglich, aber auch nicht nötig… ist auch klar

    BTC wird außerhalb der BTC-Maximalisten eigtl. eher als Store-of-Value wahrgenommen, nicht als das Zahlungsmittel der Zukunft
    ob das Lightning Network das in Zukunft ändern kann, mal schaun, die Politik zumindest sieht da wohl derzeit keine Gefahr

  10. Sehr intelligenter Artikel.

    Es ist lustig, dass die Politiker Angst haben, diese private Währung könnte das Geldsystem destabilisieren. Das liegt daran, dass das Geldsystem so total und fundamental kaputt ist dank dem Einfluss des Staates.

    Geld ist eigentlich eine ganz einfache Sache. Das muss man erstmal schaffen, zu versauen.

  11. Maik Richter // 26. Juni 2019 um 17:38 // Antworten

    Sie rudern hilflos herum, weil sie Bitcoin schon nicht verstanden haben und immer noch nicht verstehen und Libra genauso wenig. Verrückte Regularien werden gefordert, wie vor 120 Jahren bei Einführung des Automobils dieses nur Schrittgeschwindigkeit fahren durfte und ein Mann mit einer roten Flagge 5 Meter davor laufen sollte. Mag es ihnen bei zentralisierten Shitcoins wie Libra und XRP gelingen, bei Bitcoin beissen sie auf Granit. Gottseidank.

  12. Hallo Herr Bergmann,
    wie immer ein interessanter Artikel !
    Mich würde ja mal interessieren, welche sinnvollen Herangehensweisen zum Thema Kryptowährungen / Blockchain die Politik eigentlich hat. Egal ob nun Bitcoin oder Libra.
    Ich meine, wenn man sich in die Situation von Politik bzw. staatlicher Finanzwirtschaft rein versetzt, wie könnten denn jenseits von Ängsten und Verboten eine progressive Einstellung und Lösungen aussehen, die die Möglichkeiten der Blockchain und dezentralen Geldes nicht gegen sondern für und mit den staatlichen Interessen nutzen? Oder kann man das aufgrund konträrer Interessen gänzlich ausschließen?

  13. Maik Richter // 27. Juni 2019 um 10:24 // Antworten

    Sinnvolle Regularien gibt es längst. Das sind GWG/AML/KYC Prozeduren die jede grössere Bitcoin Börse genauso wie jede Bank anwenden muss. Identifizierung des Kunden mit Name, Adresse usw., FIAT Einlagen nur von Bankkonten die auf den gleichen Namen laufen etc. Alles schon längst da! Was wollen die noch? Die Börsen sind insoweit längst denselben Regularien unterworfen wie jede Bank und jeder Broker.

    • Erstmal müsste die Politik klar definieren, was Bitcoin und andere Kryptowährungen oder auch Token überhaupt sind, denn aktuell sind sie rechtlich eher mit Gutscheinen / (Payback)Punkten zu vergleichen als mit Währungen / Wertpapieren oder ähnlichen Assets.
      KYC / AML ist daher strikt nur anzuwenden, wenn Fiat involviert ist, nicht Krypto zu Krypto. Die USA sind da wieder eine Ausnahmen und Shapeshift hat sich schließlich KYC / AML unterworfen, da sie zwar in der Schweiz registriert sind, aber von Denver aus operieren.
      Selbst bei Binance hat man ohne sich mit AML/KYC nackt auszuziehen ein Withdrawal Limit von 2BTC pro Tag und das dürfte mehr als 99% aller Coiner genügen.

      Solange die Politik Bitcoin einerseits nicht als Werteinheit anerkennen möchte, andererseits aber doch durchregulieren wie eine solche, wird es zum lächerlichen Spagat eines unbeweglichen Apparats.

      Deutschland ist bei dieser Unsicherheit übrigens ziemlich gut dabei, siehe Bitcoin ATMs.
      USA: 3179
      Kanada: 680
      Österreich: 264
      Großbritannien: 245
      Spanien: 89
      Tschechoslowakei: 67

      Rumänien: 36
      Deutschland: 36

  14. Eine Sache hat Christoph in seiner brillianten Analyse nicht mehr eigens dazu gesagt: Es ist nämlich gerade die Regulierungswut der staatlichen Akteure, die konzernartige Strukturen in Schach hält, indem diese wie dargelegt Angriffsfläche für Regulierungen bieten. Dabei sind die Konzerne langfristig gefährlicher als Staaten, denn letztere sind allesamt pleite. Man merkt dies daran, wie die „letzte verbleibende Supermacht“ USA hoheitliche Aufgaben etwa des Militärs an Konzerne wie Blackwater auslagert. Das gleiche gilt, wie wir wissen sollten, für Aufgaben der Geheimdienste, denn Edward Snowden war (lediglich) Mitarbeiter von Booz Allen Hamilton, einer Firma, die im Auftrag des NSA agierte.

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