Polkadot-Projekt von Parity verkauft 500.000 Token – und wird von Investoren als 1,2 Milliarden-Dollar-Unternehmen bewertet
Eine Firma, die weder ein Live-Produkt noch ein klares Geschäftsmodell vorzuweisen hat, sammelt von Investoren mutmaßlich 60 Millionen Dollar ein und wird auf einen Wert von 1,2 Milliarden Dollar geschätzt. Damit wäre Polkadot wohl eines der ersten Einhorn-Startups ohne Produkt. Ist das gerechtfertigt – oder sind wir immer noch in einer Blase von viel zu hohen Erwartungen? Wir schauen uns das Startup an, das eine Ausgründung des Teams hinter der wichtigen Parity-Wallet für Ethereum ist.
Polkadot löse, schreibt die Webseite, “die größten Probleme” der heutigen Blockchain-Technologie. “Polkadot ist eine Revolution, nicht nur für die Blockchain-Technologie, sondern auch dafür, fairere digitale Peer-to-Peer Jurisdiktionen zu ermöglichen.”
Hinter Polkadot steht vor allem Gavin Wood, Mitgründer von Ethereum und Chef von Parity, einer der zwei großen, wichtigen Implementierungen von Ethereum. Vermutlich dürfte für viele Investoren allein schon der Name von Gavin und von Parity klingend genug gewesen sein, um die Geldbeutel zu öffnen. Gemeinsam mit der Web3-Foundation hat Polkadot 500.000 der DOT genannten Token in einer nicht-öffentlichen Auktion verkauft. Der genaue Preis ist nicht bekannt, aber laut Coindesk wurden 60 Millionen Dollar angepeilt. Laut Gavoin Wood habe es ein großes Interesse an dem Token-Verkauf gegeben, die Web3-Foundation meint, die Investoren hätten mehr Token gewollt, als angeboten wurden.
Daher ist es wahrscheinlich, dass Polkadot sein Ziel erreicht hat. Dies würde dem Unternehmen eine Marktbewertung von 1,2 Milliarden Dollar geben. Schon im Jahr 2017 hat die Web3 Foundation 5 der insgesamt 10 Millionen DOT-Token für insgesamt 145 Millionen Dollar verkauft. Damit hat Polkadot nun mehr als 200 Millionen Dollar an Investmentgeldern eingefahren. Was möchte das Unternehmen mit dieser großen Menge Geld machen?
Polkadot ist, so die technische Beschreibung, “ein Netzwerk, das es ermöglicht, beliebige Daten – nicht nur Token – zwischen Blockchains zu transferieren.” Polkadot sei “eine echte Multichain-Anwendungsumgebung, auf der Dinge wie chainübergreifende Registries und Berechnungen möglich sind.” Es handelt sich also um eine Plattform, durch die man zwischen verschiedenen Blockchains springen kann. Das können sowohl öffentliche Blockchains wie Bitcoin oder Ethereum sein, aber auch private Blockchains. “Das macht es möglich, Anwendungen zu schaffen, die zugangsbeschränkte Daten von einer privaten Blockchain nehmen und auf einer öffentlichen Blockchain verwenden.”
Um dies zu schaffen kombiniert Polkadot mehrere Chains. Es gibt die anwendungsspezifischen “Parachains”, deren Architektur an die jeweilige Anwendung angepasst ist. Mit diesen, so Polkadot, kann man einen hohe Skalierbarkeit erreichen. Hier soll das meiste ablaufen, verteilt auf viele Chains. Die “Relay Chain” ist dagegen das Herz von Polkadot: Sie verbindet die verschiedenen Komponenten des Polkadot-Netzwerks und erlaubt es, Nachrichten zwischen den verschiedenen Chains auszutauschen. Die “Bridge Chains” schließlich ermöglichen es dem Polkadot-Netzwerk mit Blockchains zu interagieren, die nicht in dessen Rahmen arbeiten, etwa Ethereum oder Bitcoin. Die Relay-Chain wird von Proof-of-Stake-Validatoren geschützt. Es gibt noch Collator- und Nominator-Nodes. Die Collatoren bündeln Transaktionen auf Parachains, während die Nominatoren die Validatoren auswählen.
Mit diesen Komponenten ordnet Polkadot beliebig viele Blockchains um die Relay Chain herum an und kann auch mit anderen, öffentlichen Blockchains interagieren. Die Vision, die hinter Polkadot steht, ist maximalistisch; so, wie Bitcoin-Maximalisten darauf setzen, dass nur Bitcoin bleibt, setzt Polkadot darauf, dass es in Zukunft maximal viele Chains geben wird. Anstatt zu versuchen, eine Blockchain so zu optimieren, dass man mit ihr alles machen kann, möchte Polkadot ein Protokoll schaffen, das die maximale Interoperabilität zwischen vielen Chains schafft. Im Kern des Konzeptes ist die Relay Chain, um die herum sich die anderen Chains organisieren.
Die Rolle der DOT-Token ist demnach auch einfach erklärt: Sie sind die native Einheit im Polkadot-Netzwerk. Sie werden dafür benutzt, um zu staken, also dafür, um die Blockchain(s) zu sichern. Dafür erhalten die Besitzer der DOT-Token eine zinsartige Vergütung durch Proof-of-Stake. Die Investoren in die DOT-Token erwerben damit also zugleich die Chance, als Staker vom Erfolg des Netzwerks zu profitieren, als auch die Möglichkeit, Einfluss auf das Netzwerk zu nehmen. Live gehen soll Polkadort Ende 2019.
Mit Polkadot versuchen sich die Entwickler des Ethereum-Clients Parity ein Standbein aufzubauen, um Geld zu verdienen. Mit der reinen Wallet- und Client-Software ist es schwierig, Einnahmen abseits einfacher Beratungen zu generieren. Mit Polkadot hingegen können sie über den Verkauf der DOT-Token verdienen, was offenbar gut klappt, wie die letzte Investment-Runde beweist.
In der Ethereum-Szene ist das Projekt nicht ganz unumstritten, da gefürchtet wird, dass es für die Entwickler die falschen Anreize setzt. So hat etwa der Parity-Entwickler Afri Schoedon im Februar getwittert, dass Polkadot “das leistet, was Serenity leisten soll.” Serenity ist sozusagen die Endform von Ethereum, die man irgendwann erreichen will; Afris Tweet könnte man damit übersetzen, dass Polkadot das bessere Projekt ist als Ethereum – was, aus dem Munde eines Ethereum-Entwicklers, doch etwas fragwürdig klingt. Afris Statement hatte im Februar einen Shitstorm in der Ethereum-Szene entfacht. Der Verdacht wurde laut, dass Parity seine wichtige Stellung im Ökosystem von Ethereum missbrauchen wird, um sein eigenes Produkt auf den Markt zu bringen.
Abseits davon muss man sich natürlich die Frage stellen, ob Polkadot wirklich 1,2 Milliarden Dollar wert ist. Das Projekt ist noch nicht live, auch wenn die Testversionen offenbar bereits funktionieren. Es gibt aber noch keinen Hinweis darauf, wie Polkadot am Markt ankommen wird; derzeit konkurrieren zahlreiche Projekte mehr oder weniger erfolgreich darum, die Limitierungen von Blockchains über Offchain- und Sidechain-Lösungen zu umgehen: Bei Ethereum sind dies die Plasma Sidechains, die direkt an Ethereum anknüpfen, sowie das Raiden Netzwerk für State Channels; bei Bitcoin haben wir das Lightning Netzwerk sowie Sidechains wie Drivechain, Liquid oder Rootstock; und dazwischen haben wir mehrere Kryptowährungen, die ähnliche Konzepte im Basiscode erfüllen, beispielsweise Lisk, das eine Blockchain mit nativen Sidechains ist.
Dass der Markt solche Lösungen überhaupt akzeptiert, ist dabei abgesehen von Lightning vollkommen unklar – und selbst hier ist das Wachstum des Netzwerks in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen. Dies macht das Investment in die DOT-Token zu einer Wette auf eine sehr spezifische, aber ungewisse, Vision, wie sich Blockchains entwickeln, und zudem darauf, dass sich die äußerst spezifische Version von Polkadot gegen eine breite Konkurrenz durchsetzt. Aber, immerhin: Das Investment spült Geld in die Kassen eines Unternehmens, das für Ethereum selbst extrem wichtig ist: Die Wallet-Entwickler von Parity. So gesehen könnte das Investment durchaus etwas Gutes haben.
Affiliate-Einnahmen von Exchanges, die in Wallets integriert werden sind nicht zu vernachlässigen…
Wir müssen weg von diesem “Walled Garden” Gedanken, wenn es uns um die Idee eines freien Geldes geht. Jeder sollte in der Lage sein, Projekte zu kopieren und möglichst weiterzuentwickeln. Das gilt für Code-Forks wie Litecoin genauso wie für Chain-Forks wie BCH oder BSV. Falls es Ethereum selbst nicht schafft, die eigenen Ziele zu erreichen, dann sollte man sich darüber freuen, dass es ein anderes Projekt “probiert” (Note: Ich habe noch nie Ethereum gehalten und beabsichtige dies nicht aber halte es mittlerweile für eines der interessanteren Projekte im Krypto-Space).
Und Open-Source ist nicht nur gegen Konzerne, das wäre zu einfach gedacht, denn auch Oracle hat seinen Platz in diesem Ökosystem, zahlreiche kleinere Firmen wie Automattic, Canonical, Elastic, Github oder Symas auch. Was mich persönlich sehr aufregt, sind Patente wie von CSW initiiert, die eigentlich alle Projekte in diesem Bereich belasten. Daher ist CSW/BSV für mich eigentlich schon tot, egal welche eventuell sinnvollen Verbesserungen es hätte.