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Chinesische Zentralbank möchte mit digitalem Yuan so schnell wie möglich Bargeld ersetzen

Der einzige Miner der geplanten chinesischen digitalen Währung: Die People's Bank of China (PBOC, chinesische Zentralbank). Bild von Max12Max via wikipedia.de, Lizenz: Creative Commons

Bargeld ist schmutzig und potentiell mit Viren verseucht. Für China ist das ein guter Anlass, den digitalen Yuan voranzutreiben, der Geldscheine und Münzen ersetzen soll. Dahinter steht aber unverhohlen die Absicht, der Zentralbank mehr geldpolitische Instrumente zu geben und Finanzströme besser überwachen zu können. Für die EU dienen die chinesischen Pläne als Vorbild.

China ist offenbar nicht mehr weit davon entfernt, eine offizielle digitale Währung herauszugeben. Einem Bericht der Global Times zufolge hat die Zentralbank zusammen mit einer Reihe von privaten Unternehmen und Banken die Basis-Funktionen des digitalen Yuans vollendet und arbeitet nun an den Gesetzen, um ihn in Umlauf zu bringen.

Hintergrund ist dabei, wie derzeit bei fast allem, auch die Corona-Krise. Sie hinterfragt auch Bargeld. Geldscheine wandern von Hand zu Hand, und damit sind sie potenziell auch ein Träger von Viren, die vom Mund in die Hand, übers Bargeld in die andere Hand, und von dort in den Mund gelangen können. Rund um die Welt haben Zentralbanken bereits begonnen, Geldscheine und Münzen in Quarantäne zu stecken. In China, Südkorea, der USA. In China ging die Zentralbank sogar so weit, Geldscheine zu vernichten und durch frisch gedruckte zu ersetzen. Und selbst der Louvre in Paris hat, als er noch geöffnet war, kein Bargeld mehr angenommen. Das hohe Gesetz, dass Bargeld das einzige offizielle und überall gültige Zahlungsmittel in der EU ist, scheint in Widerspruch zum Schutz vor dem Corona-Virus zu stehen.

Die Frage, ob Bargeld tatsächlich ein Träger von Viren ist, ist umstritten. Auf der einen Seite meinte ein Sprecher der World Health Organization, dass Geldscheine natürlich ein Träger für Bakterien und Viren seien und es daher vom Standpunkt der Gesundheit aus besser sei, elektronisch zu bezahlen. Allerdings betonte der Sprecher später, dass dieser Kommentar nicht in Zusammenhang zu Corona stehe und auch nicht als offizielle Warnung vor Bargeld missverstanden werden solle. Coronaviren können zwar tatsächlich auf Flächen wie Papier Stunden, wenn nicht Tage überdauern, und natürlich ist von dort aus auch eine Ansteckung möglich. Virologen zufolge spielt diese Art der Übertragung aber, wenn überhaupt, eine sehr viel geringere Rolle als der Kontakt von Mensch zu Mensch. Kein Vergleich dazu, wenn einen jemand anhustet. Als Hauptübertragung scheidet Bargeld wohl aus.

Negative Zinsen mit digitalem Bargeld

Dennoch verleiht die Corona-Krise den Rufen nach einer Abschaffung von Bargeld neuen Rückenwind. Die Forderung, die Scheine und Münzen doch bitte ganz aus dem Verkehr zu ziehen, weil sie doch sowieso nur von Kriminellen verwendet werden, ertönt schon lange; sie bleibt aber größtenteils nur eine Radikalposition, während immer neue Anti-Geldwäsche-Gesetze Bargeld so streng regulieren, dass es für Kriminelle immer ungeeigneter wird. Daher hat die Forderung nach der Abschaffung von Bargeld in den letzten Jahren eher Dampf verloren.

China plant nun, die schon lange angekündigte digitale Währung schneller voranzutreiben, um sie im Windschatten der Corona-Krise möglichst schnell einzuführen. Die hygienischen Maßnahmen sind dabei eher ein Sahnehäubchen. Wichtiger ist der Zentralbank, dass eine digitale Währung zum Werkzeug im Kampf gegen die Wirtschaftskrise werden kann. Die Global Times erklärt, dass “der globale Virus-Ausbruch die Europäische Zentralbank und die Japanische Zentralbank veranlasst haben, ihren Leitzins beinah auf Null zu senken oder sogar in einen negativen Bereich zu rücken.” Dann zitiert die parteinahe chinesische Zeitung Cao Yan, den Generaldirektor der Digital Renaissance Foundation: Falls es in China als letzte Option notwendig sei, die Leitzinsen ebenfalls negativ werden zu lassen, werde eine digitale Währung anstelle des Bargeldes M0 dies erreichen können.

Negative Zinsen bedeuten, dass Geld schrumpft. Anstatt dass es um 1 oder 3 Prozent im Jahr wächst, wie früher auf dem Sparbuch, wird es um diese Prozentzahl weniger. Das Vorbild ist hier das “Wunder von Wörgl”: Eine kleine Stadt in Österreich hat “Schwundgeld” ausgegeben, das jeden Monat einen Prozent an Wert verlor, und damit die Wirtschaftskrise der 30er Jahre bewältigt. Ein solches Programm wird natürlich nicht auf die Zustimmung der breiten Masse der Sparer stoßen. Daher fürchten die Zentralbanken, dass diese ihre Konten plünden um das Bargeld selbst zu verwahren. Ein solcher “Bank Run” könnte den drohenden Kollaps der Banken noch beschleunigen.

Bargeld mag Wirtschaftslenkern ein Dorn im Auge sein. Aber für die Bürger spielt es eine extrem wichtige Rolle: Es ist das Korrektiv, das es erlaubt, mit den Füßen bzw. Scheinen gegen die Finanzpolitik zu demonstrieren. Wenn man eine Krise mit deutlich negativen Zinsen lindern will, muss man damit beginnen, das Bargeld loszuwerden.

Privater als Banküberweisungen, aber transparenter als Bargeld

Die Zentralbank Chinas will also einen digitalen Yuan einführen. Dabei berücksichtigt sie überraschenderweise auch die Privatsphäre und den Datenschutz. Denn der digitale Yuan soll zweigleisig funktionieren. Wer kleinere Summen annimmt und ausgibt, muss sich nicht persönlich ausweisen. Er kann die App herunterladen und ohne eine Verbindung zu einem Bankkonto benutzen, etwa indem jemand anderes ihn bezahlt. Eine solche digitale Währung wäre wesentlich privater als an Bankkonten verbundene Zahlungsapp. Lediglich größere Beträge – Summen sind bislang nicht bekannt – sollen mit Know-Your-Customer-Maßnahmen verbunden und von Bankkonten abhängig sein.

Damit trägt China tatsächlich einen Teil der ideologischen Grundfesten von Kryptowährung in ihre digitale Währung: Sie funktioniert ohne Bank, User haben – womöglich – ihre eigenen Schlüssel, und die Privatsphäre für den kleinen Mann ist gar nicht mal so schlecht. Aber natürlich wird der digitale Yuan zentralisiert sein. Er wird von der Zentralbank betrieben. Und natürlich ist es sein Zweck nicht, Privatsphäre zu schaffen – sondern Überwachung zu ermöglichen.

Die digitale Währung gibt, so ein Analyst aus Beijing, “der Zentralbank tiefere Einsichten in die Transaktionen im Land”. Wenn auch kleine Beträge nicht mit der Identität verbunden sind, so sind doch die Transaktionen transparent, was aus Sicht der Überwacher ein deutlicher Fortschritt gegenüber Bargeld ist. Und dass größere Beträge nur versendet werden können, wenn die Identität bekannt ist, wird natürlich auch zum Sieg der Überwacher über die Privatsphäre. Insgesamt erhofft sich die Zentralbank also durchaus, durch den digitalen Yuan die Informationen ans Licht zu ziehen, über die Bargeld derzeit noch in Dunkelheit legt.

China setzt den Westen unter Druck

Chinas Pläne sind schon relativ weit gediehen. Die ersten Pläne für die digitale Währung reichen bis ins Jahr 2014 zurück. Seitdem hat die Zentralbank mit mehreren Tech-Unternehmen und Banken zusammengearbeitet, um ein Konzept zu entwickeln. Einer der technischen Partner ist Alipay, der Finanz-Arm des chinesischen Amazons Alibaba, dessen Zahlungs-App in China eines der beliebtesten Zahlungsmittel ist. Alipay hat vor kurzem fünf Patente zur chinesischen digitalen Währung veröffentlicht. Diese betreffen die Kernfunktionalität der Währung, etwa die Zirkulierung, die Zahlung, die Herausgabe und die inhärenten Methoden zur Unterbindung von Geldwäsche. Ein Insider sagte der Global Times, dass nach Sicht der Patente die technische Entwicklung mehr oder weniger abgeschlossen sei.

Der nächste Schritt wird es nun sein, Gesetze für die digitale Währung zu schaffen und mit Banken, Versicherern und Regulierern die konkrete Handhabung zu erarbeiten. Auch hierfür bestehen bereits Partnerschaften mit vielen Banken, etwa der großen China Merchant Bank. Was sollen die Banken auch anders tun, als mit der Zentralbank zu kooperieren?

Vermutlich wird es nicht gelingen, die digitale Währung noch während der unmittelbaren Corona-Krise herauszubringen. Aber es könnte sein, dass China schnell genug ist, um mit dem digitalen Yuan die mittlerweile unvermeidbar erscheinende Wirtschaftskrise besser in den Griff zu bekommen. Die westlichen Staaten – und andere asiatische Länder – drohen damit, in Rückstand zu geraten – und das, nachdem China bereits im Kampf gegen das Virus eine bessere Figur abgegeben hat als westliche Staaten wie Italien, Spanien und die USA. Wenn das Land nun auch noch besser dabei abschneidet, die Wirtschaftskrise zu lindern, dürfte dies der Welt erneut signalisieren, dass das chinesische System von Zentralplanung und fehlenden Freiheitsrechten die bessere Antwort ist auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts abgibt.

Die EU ist sich dieser Situation offenbar bewusst. So arbeitet auch die Europäische Zentralbank an einer digitalen Währung und hat es geschafft, dass das Thema im Zuge der Coronakrise zumindest mehr Aufmerksamkeit gewinnt. Eines der elementaren Probleme, mit denen sich die bisherigen Konzepte beschäftigen, ist die Balance von Privatsphäre und der Verhinderung von Geldwäsche. So soll der digitale Euro auf der einen Seite privat sein, aber auf der anderen Seite nicht von Kriminellen missbraucht werden. Auch hier geht die Lösung offenbar in eine zweigleisige Richtung: einzelne, anonyme Token können bis zu einem gewissen Wert erworben werden, während bei größeren Summen eine strikte Identifizierung verlangt wird. Anders als China dürfte es der EZB aber schwer fallen, Bargeld vollständig aus dem Verkehr zu ziehen und es zu unterbinden, dass alternative digitale Währungen – seien sie von Ländern wie China oder der USA herausgegeben, von Konzern-Allianzen wie Facebooks Libra, oder wie Bitcoin von niemandem – parallel kursieren. Dies könnte den maßgeblichen Effekt verhinden, den sich die chinesische Zentralbank von ihrem digitalen Yuan erhofft, oder die Einführung zumindest deutlich verzögern.

Noch ist nicht entschieden, wie konkret die digitalen Währungen der Staaten gestaltet sein werden. Aber es wird immer klarer, dass sie kommen, und es zeigt sich auch, dass jede Krise der Entwicklung einen Schub verpasst. Die Würfel sind, um es so zu sagen, schon gefallen, auch wenn der Rubikon noch nicht überquert ist. Für diejenigen, die an einer Freiheit des Geldes interessiert sind, und die sich wünschen, dass die Bürger auch in Zukunft ein Instrument haben, um mit ihrem Geld gegen die Geldpolitik der Zentralbank zu stimmen – für diejenigen war es noch niemals so kostbar wie heute, dass es Bitcoin und andere freie Kryptowährungen gibt.

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