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Coil bringt Mikro-Zahlungsströme zu immer mehr Internetmedien

Motiv auf der Webseite von Coil.com

Die zum Teil zu Ripple gehörende Plattform Coil hat es geschafft, ihr Modell der Web-Monetarisierung zu Wired, Hackernoon und anderen Webseiten zu bringen. Eine mögliche Partnerschaft mit dem Mediengigant Condé Nast verspricht großes, ein WordPress-Plugin erlaubt es fast jedem, auch an einem Geldschauern durch Coil teilzuhaben. Wir schauen uns an, wie die Plattform funktioniert – und welche Technologie dahintersteckt.

Wenn der andere nicht will, dann kauft man ihn halt. Diese Methode ist bei vielen Kryptowährungen beliebt, etwa wenn Justin Suns Tron-Foundation erst BitTorrent und dann die Publishing-Plattform Steemit kauft. Aber kaum eine Firma treibt sie so weit wie Ripple, das Unternehmen im Zentrum der Kryptowährung XPR (ehemals Ripple).

Ripple hat zunächst tief in den Zahlungsdienstleister MoneyGram investiert, woraufhin MoneyGram begonnen hat, die “XRP-Ledger” als unterliegende Technologie für internationale Bezahlungen zu verwenden. Ein weiterer Streich war das Investment in den von einem ehemaligen Ripple-CTO Stephan Thomas gegründeten Mikropayment-Dienst Coil. Mit insgesamt einer Milliarde XRP (etwa 260 Millionen Dollar) stellte Ripple sicher, dass Coil für alle Zeiten auf XRP baut.

Coil ist eine Plattform, die Mikropayments für Publisher “streamt”: Webseiten können ein Stückchen Code von Coil einarbeiten, und wenn ein User von Coil dann auf der Webseite surft, bekommt diese je Stunde Aufenthalt einen gewissen Betrag, derzeit 0,36 Dollar. Mithilfe eines Plugins für WordPress können auch Blogger bequem Coil benutzen.

Vor kurzem hat Coil demonstriert, dass sie von der Strategie des Mutterunternehmens Ripple gelernt haben: Hackernoon kündigte am 10. Juni an, dass die “Plattform für Publishing rund um Technologie” ein “strategisches Investment über eine Million Dollar” von Coil erhalten habe. Wenn der andere nicht will, kauft man ihn halt. Hackernoon wird es seinen Autoren in Zukunft erlauben, ein “web monetization tag” an ihre Artikel anzuhängen. Wenn dann ein User von Coil auf der Seite ist, bekommt der Autor Geld für jede Stunde Aufenthalt. Auch DEV, eine Community-Plattform für Software-Entwickler, hat vor kurzem die Web Monetization von Coil integriert. Hier ging ebenfalls eine Spende von Coil voraus, das einen “Grant” für einen von DEV ausgerichteten Hackathon mitfinanziert.

Was aber Coil-Fans wirklich frohlocken lässt, ist eine andere Entdeckung: Kürzlich fand ein Coil-User heraus, dass das legendäre Tech-Magazin Wired auch bereits die Web Monitization von Coil integriert hat. Und noch besser ist, dass der “Payment-Pointer” im Source Code von Wired nicht auf Wired selbst gerichtet ist, sondern auf das Mutterunternehmen Condé Nast. Das ist eine traditionelle und riesige Mediengesellschaft, zu der neben Wired auch Publikationen wie Vogue, The New Yorker, Gentlemen’s Q, Glamour, Vanity Fair, Bon Appetit und viele weitere gehören. Der Konzern zieht mit seinen Printmedien etwa 84 Millionen Leser an, mit seinen digitalen Medien sogar 366 Millionen, und mit seinen sozialen Plattformen 384 Millionen. Es handelt sich also definitiv um ein sehr großes Tier, und wenn die Integration bei Wired tatsächlich ein Testlauf für den Rest der Medien ist, könnte uns hier Großes erwarten.

Zeit also, einen genaueren Blick auf Coil zu werfen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als versuche Coil, zum Netflix für Online-Content zu werden. Es geht auch um Magazine – aber um viel mehr.

Als User kann man sich bei der Plattform einen Account erstellen. Um danach die Mitgliedschaft freizuschalten, muss man 5 Dollar im Monat bezahlen. Als ein Mitglied erhält man auf manchen Seiten Extra-Content, kann auf anderen ohne Werbung surfen und findet in seinem Account Content-Empfehlungen. Bislang finde ich das Angebot noch nicht wirklich attraktiv, aber das kann sich ändern.

Aufladen kann man seinen Account allerdings weder mit Ripple noch mit einer anderen Kryptowährung, sondern nur mit Kreditkarten. Dabei geht es wohl darum, dass Coil einen zu einem Abonnement bringen will, so dass der Betrag automatisch jeden Monat abgebucht wird. Dennoch fällt es (mir) negativ auf, dass man nur mit Kreditkarten bezahlen kann.

Wenn man die Mitgliedsgebühr bezahlt kann, muss man noch ein Plugin für den Browser installieren. Wenn das getan ist, leitet Coil die Mitgliedergebühren automatisch an die Webseiten weiter, auf denen man sich aufhält – sofern diese bei Coil dabei sind. Als Publizist kann man sich ein Plugin für WordPress installieren oder den Code für Coil direkt in den Source Code der Webseite schreiben. Dazu braucht man allerdings einen “Payment Pointer”, den man mit einem Account bei einer von drei zugelassenen Wallets erhält: GateHub XRP, Stronghold und Uphold. Diese Wallets unterstützen die Kryptowährung XRP, scheinen aber auch Auszahlungen in verschiedenen Fiatwährungen wie Euro oder Dollar zuzulassen. Laut Coil-Webseite ist jede Wallet in Ordnung, die das Interledger-Protokoll unterstützt. Von den möglichen Wallets weiß ich zum Teil, dass sie sehr restriktiv sind und beispielsweise Auszahlungen nur nach einer KYC-Prüfung zulassen.

Es ist dabei ein wenig unklar, ob und wie viel Coil mit XRP bzw. Ripple zu tun hat. Coil verweist auf die Dokumentation von Webmonetization, auf PaymentPointers sowie auf die unterliegende Technologie von Interledger. Interledger ist, wie der Name schon sagt, eine Schicht zwischen den Blockchains und Zahlungsprotokollen. Ein Blogpost beschreibt es als ein “spontan enstehendes Netzwerk von Konnektoren, das sind unabhängige Opertoren, die als dezentrale Börsen oder Market Maker für Kryptowährungen, Fiatwährungen und andere tokenisierte Assets agieren. Das Protokoll erlaubt Usern, nativ auf dem Netzwerk ihrer Wahl Werte zu transferieren, ohne dass sie auf eine spezifische Börse oder eine spezifische Blockchain migrieren müssen, um zu handeln.” Mit Interledger könne ein User Bitcoin senden und der Empfänger erhalte automatisch Ether oder jede andere Währung.

Auch wenn der genaue Zusammenhang unklar ist, scheint Ripple stark in Interledger involviert zu sein. Viele der insgesamt eher wenigen Firmen, die Interledger benutzen, haben ein Investment von – klar – Ripple erhalten. Neben Coil etwa StrataLabs sowie der XRP Tip Bot. Zudem scheint der ehemalige Ripple CTO Stephan Thomas einer der Kernarchitekten von Interledger zu sein. Allerdings sei Interledger eine “Community Gruppe” des World Wide Web Consortium (W3C), in der neben Ripple noch zahlreiche weitere Firmen beteiligt sind.

Coil und Interledger sind also technologisch wie auch personell etwas verwirrend. Manchem wäre es sicherlich lieber, eine solche Web Monetization würde über das Lightning Netzwerk stattfinden, über eine Plasma Sidechain bei Ethereum oder über einen MoneyButton auf Bitcoin SV. Aber es geschieht nun mal über Interledger – vielleicht auch über XRP – und so, wie es aussieht, scheint man hier sowohl technisch als auch mit Partnerschaften schon weiter gekommen zu sein als jede Konkurrenz.

P.S.: Nein, das Bitcoinblog.de benutzt kein Coil-Plugin. Wir würden es vielleicht versuchen, können es aber nicht, weil das Blog auf WordPress gehostet ist und nur eine begrenzte Auswahl an Plugins zulässt.

Über Christoph Bergmann (2689 Artikel)
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2 Kommentare zu Coil bringt Mikro-Zahlungsströme zu immer mehr Internetmedien

  1. Peter Neuer // 17. Juni 2020 um 13:47 // Antworten

    Man das ist aber echt sowas von schade. Keine Ethereum und keine BSV Unterstützung. Wie der Zufall es möchte, das sind gerade meine Liebsten.
    Naja, man kann eben nicht alles haben. Was solls , so schlecht ist XRP nun auch wieder nicht.
    Wörgl Geld wäre auch nicht schlecht, da wäre man wenigstens genötigt sein Geld nur so raus zu hauen.

  2. Paul Janowitz // 17. Juni 2020 um 14:47 // Antworten

    Micropayments für Content halte ich für eine sehr gute Anwendung bei Cryptowährungen, aber Coil macht so ziemlich alles falsch, alleine schon die Hürde, es über Kreditkarten zu tun…

    Spiegel+, Morgenpost+ oder auch Bild+ sind nervig genug und wenn ich auch gerne ein paar Euro neben der Zwangsabgabe für GEZ für freie Medien übrig hätte, will ich nicht jedem davon einen (teilweise noch höheren) Beitrag für ein paar Artikel bezahlen. Bei Spiegel Online war eine Zeit lang “Pay Later” eine Option und ein Artikel hat dann 1-2 Euro gekostet, die ich bereit war zu bezahlen, kürzlich hat man es mit einer Flatrate ersetzt und 20 Euro ist mir das nicht wert.

    Steemit war ja ein guter Ansatz von Dan Larimer, bis er sich dann entschlossen hat, lieber Vollzeitscammer zu werden und mit EOS Milliarden ohne ersichtliche Gegenleistung einzusacken.

    Bei Monero war Browsermining noch eine Option, aber das ist seit RandomX auch nicht wirklich möglich bzw. sehr ineffizient. Eine weitere Option ist die eingebaute RPC-Mining Option, dafür muss man allerdings den Daemon gestartet haben und die Verbreitung ist aktuell leider ähnlich schlecht wie der von Dir genannten Möglichkeiten… In Zukunft könnte ich mir aber vorstellen, dass man mit seiner CPU für Teile des Contents bezahlt, den man konsumiert.

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