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Der Exit-Scam von SushiSwap, der gar keiner war

Für Bilder ist SushiSwap ein dankbares Thema ... Bild von Harald Groven via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Eine neue DeFi-App namens SushiSwap holt in 12 Tagen mehr als 1,2 Milliarden Dollar Liquidität ein und macht UniSwap Konkurrenz, indem User mehr als 1.000 Prozent Zinsen auf Einlagen bekommen. Dann verkauft der Gründer seine Token, und die Rede geht um vom „Exit Scam“. Hat DeFi damit den Höhepunkt erreicht? Oder zeigt sich hier nur die brutal-geniale Effizient der dezentralen Finanzen?

DeFi bewegt sich so rasant, dass es schwierig ist, den Überblick zu behalten. Die Dezentralen Finanzen (DeFi) auf Basis von Smart Contracts der Ethereum-Blockchain sind in den letzten Monaten DER Trend in der Kryptowelt. Wo vorher „nur“ das Geld dezentralisiert wurde, greift DeFi nach den den Finanzdienstleistern, nach Banken und Börsen.

Ethereum-User, die DeFi verstehen, handeln mit Smart Contracts und verleihen Token, um noch mehr Token zu staken. Banker, die DeFi ebenfalls verstehen, dürften DeFi derzeit mit Schrecken beobachten, während Bitcoiner „Betrug!“ brüllen und der Großteil der Menschen, einschließlich der Krypto-User, keine Ahnung hat, was hier gerade vorgeht.

Das Top-Thema am Wochenende war SushiSwap und der angebliche „Exit Scam“ des Chefentwicklers Chief Nomi. Gleichzeitig begannen die generellen Märkte, wieder gen Süden zu stürzen: Bitcoin fiel kurzzeitig wieder unter die 10.000 Dollar, Ethereum ist wieder weniger wert als 300 Euro, und so weiter. Es scheint, als sei die Blase, die sich da aufgebaut hat, geplatzt, noch bevor sie sich voll entfalten konnte.

Da der Aufwind der letzten beiden Monate eng im Zusammenhang mit dem DeFi-Trend stand oder steht, liegt die Frage nahe, ob der Absturz der Kryptomärkte am Wochenende mit dem Exit Scam von SushiSwap zusammenhängt. Hat der DeFi-Hype, um es so zu formulieren, mit SushiSwap seinen Höhepunkt erreicht? Und kehrt nun wieder Nüchternheit zurück?

Wir versuchen, das Thema vom Anfang her aufzurollen. Dank der Komplexität von SushiSwap ist das gar nicht so einfach.

Der UniSwap-Killer mit dem Vampir-Vertrag

Also: SushiSwap ist ein Bündel an Smart Contracts, das UniSwap Konkurrenz machen soll.

Für diejenigen, die UniSwap nicht kennen: Das ist eine dezentrale Wechselstube auf Ethereum, auf der man durch Transaktionen mit Smart Contracts mehr oder weniger alle Token, die auf Ethereum laufen, tauschen kann. Die geniale Innovation von UniSwap war es, die User mit Zinsen dafür zu belohnen, dass sie Liquidität für den Wechsel bereitstellen: Man schießt eine gewisse Menge ETH oder WBTC oder USDC zu, und erhält dafür eine bestimmte Verzinsung. UniSwap wurde damit also zur dezentralen Organisation.

Die DeFi-Wechselstube lief so gut, dass sie mittlerweile eine der größten Börse in der Kryptowelt ist und ein ähnliches Handelsvolumen erreicht hat wie etwa die Börse Stuttgart. Jede zentralisierte Börse sollte beginnen, sich zu fürchten, denn UniSwap demonstriert, dass eine Börse auch ohne zentralen Mittelsmann möglich ist. Dieser schlagende Erfolg von UniSwap lockt natürlich Nachahmer und Konkurrenten an. Beispielsweise SushiSwap.

SushiSwap kopiert dabei einfach das UniSwap-Protokoll und erweitert es. Laut eigener Beschreibung ist dies „der nächste Schritt vorwärts in der Evolution des UniSwap Protokolls“: Man nehme das „elegante Kerndesign“, und füge „Community-orientierte Features“ hinzu. So funktioniert SushiSwap im Grundsatz genauso wie UniSwap: Man kann Tokens tauschen und verdienen, indem man Liquidität zuschießt.

Die maßgebliche Erweiterung ist das, was schon andere DeFi-Projekte wie Compound ausgezeichnet hat und was aus der derzeitigen DeFi-Welle nicht mehr wegzudenken ist: Es gibt ein eigenes Token, SUSHI. Von diesem Token werden jeden ETH-Block, also etwa alle 15 Sekunden, 100 Einheiten erzeugt und unter denen ausgeschüttet, die Liquidität beisteuern. Das SUSHI-Token berechtigt dazu, SushiSwap zu regieren, also beispielsweise darüber abzustimmen, welche Änderungen ins Protokoll gehen. Damit wird SushiSwap tatsächlich „community-orientierter“ als UniSwap, wo die Entwicklung des Protokolls einem zentralen Startup unterliegt, das mittlerweile Kapital von Investoren erhalten hat.

SushiSwap versucht nun aggressiv, die Liquidität von UniSwap abzusaugen. So wie bei UniSwap fallen bei jedem Tausch Gebühren an, die an die Liquiditätsprovider gehen. Aber auch hier gibt es einige kleine Unterschiede: So gehen 0,25 Prozent des Handelsvolumen an die Liquiditätsprovider, aber 0,05 Prozent werden automatisch in SUSHI gewechselt und an die Besitzer der Token verteilt. SUSHI Token gewähren ihren Besitzern also eine fortwährende Verzinsung.

Aber das ist noch nicht alles. User, die Uniswap V2 LP Token in SushiSwap deponieren, erhalten während der ersten beiden Wochen von SushiSwap eine zehnmal so große Belohnung. Mit diesem ganz und gar nicht unwichtigen Teil dürfte die Verwirrung komplett sein. Was ist ein LP Token? Es handelt sich um die Art von Token, die User bei UniSwap erhalten, wenn sie Liquidität deponieren. Diese LP Token berechtigen allerdings nicht zu Abstimmungen oder gewähren eine Verzinsung, sondern bezeugen lediglich, dass man ein Liquiditätsprovider ist. Sie werden – vermute ich – benötigt, um die Token wieder auszuzahlen.

SushiSwap ermöglicht es nun, die LP Token zu deponieren, was bedeutet, dass die User versprechen, die Liquidität von UniSwap zu SushiSwap abzuziehen. Dafür bietet SushiSwap derzeit irrsinnige Zinsen von teils mehr als 1.000 Prozent im Jahr. Es ist klar, dass das nicht nachhaltig sein wird, aber jeder, der derzeit seine UniSwap-Liquidität an SushiSwap verspricht, erhält dafür enorme tägliche Zinsen in SUSHI-Token.

Die skrupellose Effizient von DeFi

Das Konzept ist komplex und skrupellos, aber auch genial. DeFi ist ein Dschungel, der in wenigen Tagen ein Monster ausbrüten kann.

SushiSwap hat das Protokoll am 26. August in einem Blogpost beschrieben. Heute, 12 Tage später, hat das SUSHI-Token eine Marktkapitalisierung von 200 Millionen Dollar, noch bevor die meisten großen Börsen überhaupt in der Lage waren, die Token auf den Handel zu bringen. Gekauft werden die Sushi-Token ironischerweise vor allem auf UniSwap. Die neue Börse selbst läuft noch gar nicht. Erst am 10. September endet die Phase der Liquidität-Akkumulierung und man wird über SushiSwap wechseln können.

Derweil sind die Zinsen, die User erhalten, wenn sie ihre UniSwap LP-Token zu SushiSwap transportieren, enorm: Bis zu 1.500 Prozent im Jahr, also schon allein mehrere Prozent am Tag. Natürlich zieht das, und selbst die hohen Gebühren von Ethereum schrecken nicht, wenn man in so kurzer Zeit so viel Gewinn machen kann.

Ist klar, mehr als 1.000 Prozent Zinsen bei SushiSwap.

Laut der Seite SushiBoard hat SushiSwap bereits jetzt mehr als 1,25 Milliarden Dollar an Liquidität eingeholt. Das sind etwa 75,5 Prozent der Liquidität von UniSwap. So schnell kann es gehen: Das, wofür UniSwap mehrere Jahre gekämpft hat, holt sich ein neues Projekt in wenigen Tagen.

Allein schon das ist so verrückt wie großartig und erschreckend: Ein Team anonymer Entwickler kopiert das Kernprotokoll einer dezentralen Börse, fügt dem weitere Protokolle hinzu, etwa für ein Governance-Token, modifiziert diese, verbindet das System mit aggressiven Anreizen – und holt sich innerhalb weniger Tage 75,5 Prozent der Liquidität von UniSwap, mit der Aussicht, in so kurzer Zeit eine Marktmacht aufzubauen, die sich etablierte Börsen der echten Welt über Jahrzehnte erarbeitet haben. Das ist die brutale Effizienz der Dezentralisierung.

Aber nicht das ist der Skandal, der am Wochenende durch die Kryptowelt ging.

Der Exist Scam, der keiner ist

SushiSwap hat einen Teil der SUSHI-Token als „Devshare“ an die Entwickler gegeben, vor allem an Chief Nomi, den anonymen CTO von SushiSwap. Chief Nomi hat nun am Samstag mehr als 2,5 Millionen SUSHI-Token gegen etwa 18.000 Ether getauscht. Das sind etwa 5,3 Millionen Euro – ein satter Lohn für ein Projekt, das nicht einmal zwei Wochen existiert. So schnell kann man ein Vermögen verdienen, wenn man einige Smart Contracts richtig kombiniert,

Für viele Beobachter war das natürlich ein Skandal: Der anonyme CTO macht den Exit Scam! Alles war nur Betrug, eine Masche, um den Preis eines Tokens hochzutreiben und dann alles brutal zu verkaufen. Ist das so?

Chief Nomi rechtfertigt sich auf Twitter: „Ich habe das getan, weil ich mich um die Community sorge. Ich mache das für euch. Aber alles, was ich zurück bekomme, sind Vorwürfe und FUD. Das ist geschehen: Der Devshare Teil gehört mir, und ich habe ihn gegen ETH gewechselt. Ich höre damit auf, mich um den Preis zu sorgen und werde mich auf die Technik der Migration fokusieren.“

Leute hätten gefragt, ob er den „Exit Scam“ gemacht habe. „Das habe ich nicht. Ich bin immer noch hier. Ich werde weiterhin an der Diskussion teilnehmen und ich werde mit der Technologie helfen. Ich werde dafür sorgen, dass wir eine erfolgreiche Migration haben.“

Grundsätzlich dürfte er recht haben. Es ist sein Reward, das war von Anfang an transparent, und er kann damit machen, was er möchte. Dass er sich die 5,3 Millionen Euro sofort auszahlt, könnte natürlich die Anreize, weiter an dem Projekt zu arbeiten, zunichte machen. Aber auch das ist seine eigene Entscheidung. 5,3 Millionen Euro sind viel, aber am Ende doch auch überschaubar – und dass die Token nun verkauft sind, dürfte SushiSwap stärker dezentralisieren und langfristige Probleme wegen einer zu starken Zentralisierung der Token im Keim ersticken.

Von einem „Exit Scam“ zu reden ist so gesehen schlichtweg falsch. Chief Nomi hat keine User-Guthaben gestohlen, sondern lediglich das, was ihm gehörte, verkauft. Und der Markt hat es offensichtlich ganz gut verkraftet – der Preis der SUSHI-Token ist nur geringfügig gefallen und hat sich jetzt wieder stabilisiert, sofern man das bei einem so jungen Token sagen kann.

Hat der Vorfall, um die letzte Frage zu thematisieren, etwas mit dem Einsturz der Preise am Wochenende zu tun? Vermutlich eher nicht. Der Exist Scam von SushiSwap ist im Grunde kein Exit Scam, und SushiSwap ist auch nicht geplatzt, wie man vielleicht denken könnte, sondern ein recht vielversprechendes Projekt. SushiSwap zeigt nicht, wie man auf den ersten Blick meinen konnte, das Scheitern von DeFi an – sondern, ganz im Gegenteil, es zeigt die enorme Dynamik und brutale Effizient von DeFi. Falls es überhaupt einen Zusammenhang zum Preis gibt, dann sind die Märkte trotz und nicht wegen SushiSwap eingestürzt.

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8 Kommentare zu Der Exit-Scam von SushiSwap, der gar keiner war

  1. Schön die Hintergründe dieser Sushi Aktion zu erfahren.
    Wenn das so ist, werde ich mir gleich etwas Sushi genehmigen 🙂
    Bin schon neugierig was der Paul von diesem Hexenwerk hält! 😀
    Ich finde es einfach nur super was hier z.Z. gerade so passiert.
    Also ab in die Zunkunft!

    • Paul hat hierzu keine fundierte Meinung, ich bin wahrscheinlich schon zu alt für solches Hexenwerk und lasse meine Finger davon.

      Pi mal Daumen gehe ich davon aus, dass alles, was Renditen von 10%+ verspricht eher im Bereich Scam zu verorten ist. Es ist halt Gambling, ein paar Menschen, die in eine Spielhölle gehen, gewinnen auch. Klar hätte man aus den etlichen ICOs wie EOS eine goldene Nase verdienen können wenn man schnell eingestiegen und beim Hype ausgestiegen ist, aber auch da war ich immer konservativ und habe gewarnt, weil es eben Gambling ist. DeFi ist durchaus seriös machbar, der aktuelle Hype ist aber alles andere als seriös. Denkbar sind Kredite mit Krypto-Collateral und ähnliche Konstellationen. Davon ist aber das aktuelle DeFi noch weit entfernt… Nennt mich „Spießer-Paul“!

  2. ich glaube nicht an wundersame Geldvermehrung,
    wer zahlt die 1000-1500% auch wenn es nur für 2 Wochen ist? Macht bei aquirierten 1,25 Mrd doch um die 500 Mio.

    • Vielleicht diejenigen, die später SUSHI halten, um einen Anteil an den Handelsgebühren zu bekommen.

      Wenn’s blöd läuft natürlich die, die jetzt SUSHI kaufen und zuschauen, wie deren Wert zerfällt.

      • das stand dann aber sicher so nicht im Whitepaper.
        Die bisherigen SUSIs haben ja gerade ein Marketcap von 200 Mio. Also wurden schon mal die Handelsgebühren der nächstem Jahre verteilt?
        Und dann kommt die HOTDOG-Fork mit 10000% für die ersten Liquiditätbringen mit der Aussicht auf 100 Jahre Gebühreneinnahmen ???
        was für eine irre Absurdität !

  3. Danke für den interessanten Bericht 🙂

  4. Ein großartiger Artikel, danke!

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