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Alles überhypt außer IOTA

Alle Welt sucht bei Google nach Ethereum - nur nicht Deutschland, das sucht nach IOTA. Crypto World Map des Blockchaincenter.net

Die Software AG ist das drittgrößte Softwareunternehmen Deutschlands. Auf seinem Techradar hat es nun auch Blockchain verordnet – mit recht ernüchternden Ergebnissen. Nur in IOTA scheint das Unternehmen ein Potenzial zu sehen.

In der Regel springen große deutsche Unternehmen nicht so schnell auf einen Hype auf, sondern warten und beobachten, bevor sie sich einer neuen Technologie zuwenden.

Keine Ausnahme bildet in dieser Beziehung die Software AG. Während so gut wie jede IT-Firma schon ein Blockchain-Projekt am Laufen hat, veröffentlicht das drittgrößte Softwareunternehmen Deutschlands erst jetzt eine Evaluation der Blockchain-Technologie und ordnen sie in ihren Tech-Radar ein.

Wie viele Tech-Unternehmen fasst die Software AG Blockchains und verwandte Systeme unter dem Schlagwort DLT zusammen: Distributed Ledger Technologie, die Technologie, um ein verteiltes Kontobuch zu führen. DLTs die “Transaktionen in Blöcken validieren, speichern und verlinken werden Blockchains genannt, aber es gibt noch andere, etwa IOTA, die Transaktionen in anderen Formaten speichern.”

Einige DLTs wie Bitcoin unterstützten lediglich das Bewegen von Krypto-Token durch Transaktionen. Andere, wie Ethereum – und erneut: IOTA – ermöglichten dagegen “die Ausführung von komplexen Programmen” durch sogenannte Smart Contracts. Im Falle von IOTA ist diese Aussage im bestenfall eine sehr optimistische Vorwegnahme künftiger Entwicklungen und im schlechtesten Fall blanke Misinformation. Warum die Software AG sich berufen fühlt, dies in ihren Tech-Radar aufzunehmen, werden wir gleich sehen.

Grundsätzlich kann sich das Unternehmen dem Charme der Blockchain-Technologie nicht entziehen. Sie sei “ein wundervolles Beispiel dafür, wie die geniale Kombination mehrerer bekannter Technologien einen vollkommen neuen Ansatz für ein sehr altes Problem entdeckt”. Und zwar dafür, wie man “zuverlässig einen Status reproduziert in einer unzuverlässigen oder sogar feindseligen Umgebung.” Kryptowährungen und Smart Contracts gingen jedoch weit über Datenbank-Paradigmen hinaus.

Heute existierten viele verschiedene DLTs, die auf verschiedene Anforderungen reagieren. Allerdings sei es bisher keiner gelungen, das sogenannte “Blockchain-Trilemma” zu lösen – nämlich gleichzeitig Skalierbarkeit, Sicherheit und Dezentralität zu bieten.

Deutlich negativer fällt die Einschätzung des Marktes für Blockchains aus. Diese stellten “weiterhin eine deutlich überhypte Technologie dar,” die weiterhin “auf der Suche nach unternehmerischen Problemen ist, die sie besser löst als die existierenden Alternativen.” Trotz der vielen Behauptungen existiere bis heute so gut wie kein produktiver Geschäftsfall abgesehen von Krypto-Börsen. Die meisten, wenn nicht alle Lösungen, über die berichtet werde, seien sehr kleine Pilot- oder Testprojekte ohne ökonomische Bedeutung.

Dennoch erkennt die Software AG an, dass DLTs das Potenzial haben, ein “echter Gamechanger” zu werden, wenn die Nischen, in denen die Technologie wettbewerbsfähig ist, identifiziert sind. Für das Unternehmen sind dies etwa von der Regierung herausgegebene bzw. legitimierte Kryptowährungen (etwa ein digitaler Euro), Wertpapiere oder andere Token, etwa im Zusammenhang einer dezentralen Identität. Die Software AG schätzt, dass unternehmerische Chancen in diesem Bereich in drei bis acht Jahren entstehen werden.

Auf dem Tech-Radar finden Blockchains dementsprechend eine eher negative Platzierung mit der Nummer 12 (dunkellila): Sie sind für das Unternehmen im Status des “Bewertens” (“Assess”); ein Einsatz (“Adopt”) ist noch nicht vorgesehen, noch nicht mal ein Versuch (“trial”). Ihre allgemeine Relevanz ist gerade so “begrenzt”, nur knapp über der “Randständigkeit”. Noch nicht marktreif, aber auch wirklich wichtig – so könnte man das Urteil zusammenfassen.

Der Tech Radar der Software AG. Blockchains sind die Nummer 12, in dunkellila.

Verwirrend ist unter diesen Umständen die Stellung des Unternehmens zu IOTA. Christoph Strnadl, einer der Autoren des Tech-Radars, ist für sein Unternehmen im Lenkungsausschuss der Tangle EE Working Group, die von der Software AG mitgegründet wurde. Die Software AG beschäftigt sich schon seit ein bis zwei Jahren intensiv mit IOTA. Dies könnte schon mal erklären, weshalb IOTA die einzige Kryptowährung ist, die neben Bitcoin und Ethereum im Artikel des Tech-Radars vorkommt und weshalb dieser IOTA Smart Contracts unterjubelt, die es (noch) gar nicht für den Tangle gibt. Die Software AG und speziell Strnadl ist einfach näher an IOTA dran, ohne dass das böse gemeint sein muss.

Für viele in der IOTA-Szene war aber vor allem irritierend, dass die als Verbündete wahrgenommene Software AG ein so schlechtes Licht auf DLTs wirft, zu denen sie offensichtlich auch IOTA zählt. Daher wurde Strnadl auf Twitter gefragt, ob auch IOTA und die Arbeit mit der Tangle EE Gruppe im Stadium des “Assessments” sein. Strnadl antwortet darauf gerne:

Dies sei ein “exzellenter Einwurf”. DLT und Blockchains im Generellen seien in der Bewertungs-Phase, da sie noch technisch unausgereift seien und es einen Mangel an überzeugenden Anwendungen für sie gebe.  Er, Strnadl, sei derzeit dabei, einen Artikel für den Tech-Radar über IOTA zu schreiben, das “definitiv viel weiter auf der rechten Seite der Adoption-Skala und viel höher auf der Relevanz-Skala liegen wird. Ich schätze, nahe bei ‘Open Telemetry’. Aber das ist eine Einschätzung des Teams.”

Open Telemetry ist die Nummer 21 auf dem Radar, in lila, mit limitierter, aber beinah signifikanter Bedeutung, und im Stadium des Versuchs, beinah schon der Anwendung. Das ist keine Spitzenposition, aber es ist deutlich besser als Blockchains.

Alles Hype also, nur nicht IOTA, so die Haltung von Strnadl und vielleicht auch der Software AG. Und das ist, wie die Karte oben zeigt, typisch deutsch.

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2 Kommentare zu Alles überhypt außer IOTA

  1. Paul Janowitz // 1. Oktober 2020 um 18:36 // Antworten

    Deutlich negativer fällt die Einschätzung des Marktes für Blockchains aus. Diese stellten “weiterhin eine deutlich überhypte Technologie dar,” die weiterhin “auf der Suche nach unternehmerischen Problemen ist, die sie besser löst als die existierenden Alternativen.” Trotz der vielen Behauptungen existiere bis heute so gut wie kein produktiver Geschäftsfall abgesehen von Krypto-Börsen.

    Krypto-Börsen basieren zum allergrößten Teil auf herkömmlichen Datenbanken, wo eingezahlte Guthaben wie bei Banken verwaltet werden, das ist also eher ein Edge-Case bei dezentralen Börsen mit Atomic Swaps und Co.
    Dabei stimme ich der Software AG in diesem Punkt zu, denn die meisten angepriesenen Anwendungen sind sinnvoller als Datenbank darstellbar.

    Dennoch erkennt die Software AG an, dass DLTs das Potenzial haben, ein “echter Gamechanger” zu werden, wenn die Nischen, in denen die Technologie wettbewerbsfähig ist, identifiziert sind. Für das Unternehmen sind dies etwa von der Regierung herausgegebene bzw. legitimierte Kryptowährungen (etwa ein digitaler Euro), Wertpapiere oder andere Token, etwa im Zusammenhang einer dezentralen Identität.

    Ich würde behaupten, die Software AG hat zumindest in ihrem Statement klar offenbart, dass sie gar keine Ahnung vom DLT Thema hat. Eine von der Regierung ausgegebene “Krypto”währung braucht keine Blockchain, das ist deutlich effizienter abbildbar wie es Banken, VISA/MC, PayPal und etliche andere seit Jahren vormachen. Zumal ein Audit der Geldmenge für Regierungen keinen Vorteil bringt, da die Währung auf dem Vertrauen zur jeweiligen Zentralbank aufbaut. Der Overhead eines DLT ist einfach unnütz.
    Der Wertpapierhandel und auch andere private Assets wie Immobilien könnten durchaus auf einer Blockchain eine gute Berechtigung haben, denn diese sind in der Regel begrenzt und der Vorteil einer Blockchain könnte dabei ausgespielt werden. Man bräuchte meiner Meinung nach allerdings trotzdem irgendeine Art von Multisig, denn ein privater Schlüssel ist schneller kompromittiert als man denkt und dieser sollte dann nicht den Verlust des Eigenheims bedeuten.
    Bei der dezentralen Identität wäre ich noch vorsichtiger, zum einen weil die Erfahrung mit diversen Banken und Kryptobörsen zeigt, dass KYC-Rohdaten geleakt werden und z.B. im Darknet angeboten werden, zum anderen eben die Problematik kompromittierter Schlüssel, die der durchschnittliche Bürger nicht sicher verwalten kann. Eine persönliche Identifizierung und Abgleich mit einem Ausweisdokument (ohne Kopie, maximal analog irgendwo abgeheftet) bleibt um Längen sicherer und ich sträube mich jedes Mal, wenn ich einer Kryptobörse einen Scan schicken soll.

    Dies könnte schon mal erklären, weshalb IOTA die einzige Kryptowährung ist, die neben Bitcoin und Ethereum im Artikel des Tech-Radars vorkommt und weshalb dieser IOTA Smart Contracts unterjubelt, die es (noch) gar nicht für den Tangle gibt. Die Software AG und speziell Strnadl ist einfach näher an IOTA dran, ohne dass das böse gemeint sein muss.

    Erklären würde das den später im Artikel erwähnten Ausblick in 3-8 Jahren, welcher für Smart Contracts auf IOTA sehr optimistisch sein dürfte, wenn man die “Entwicklung” der letzten vier Jahre ansieht, wonach das Projekt seit dreien dezentralisiert sein sollte, was aktuell auf 2021 verschoben wurde. Dabei soll das auch nicht böse sein, ich schätze jegliche Forschung an dezentralen Systemen, aber IOTA scheint von dezentralen Smart Contracts in etwa so weit entfernt zu sein wie Chipentwicklung von praktikablem Quanten Computing. IOTA scheint ein Sales-getriebener Laden zu sein und das Marketing bei Firmen vor Ort, die erstmal mit Blockchain & Co. überfordert sind scheint gut zu laufen, wenn sie die einfach an der Hand nehmen und etablierte Blockchain-Projekte rechts überholen zu scheinen und ihre Vision vorstellen.

  2. “Unstoppable Domains” ist zum Beispiel eine echte sinnvolle Anwendung.

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