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EZB möchte mehr Helikoptergeld für Vermögende

Helikoptergeld, leider nicht für alle, sondern nur für die, die schon genug haben. Bild von Petra Wessman via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigt eine neue Geldpolitik an. Für Sparer sollte dies das letzte Signal sein, aus dem Euro zu flüchten. Denn das Geldsystem, zu dem Bitcoin die Alternative ist, entblößt sich immer stärker selbst.

Derzeit sorgt Christine Lagarde mit Andeutungen über die künftige Geldpolitik für Unruhe. Die Augsburger Allgemeine unterstellt der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) „ein gefährliches Spiel“ mit dem Euro zu treiben; die WELT wirft ihr vor, die Zentralbank freiwillig der Politik zu unterwerfen.

Worum genau geht es? Und was droht, mit dem Euro zu passieren?

Anlass ist eine Rede in Frankfurt Anfang Oktober. In ihr hatte Lagarde einige Überlegungen zu einem Kurswechsel der geldpolitischen Strategie der EZB geäußert.

Preisstabilität gefährdet Preisstabilität

Lagarde stellt in ihrer Rede fest, dass die Strategie der EZB, wie sie 2003 formuliert wurde, mittlerweile von mehreren Seiten herausgefordert wird.

Das primäre Ziel der EZB ist es, die Preisstabilität in der Euro-Zone zu erhalten. Was das aber konkret bedeutet, hängt davon ab, wie man Preisstabilität definiert. Mit der 2003 geprägten Formulierung gilt sie als eine Inflation von „weniger als, aber nahe bei zwei Prozent“. Die Absicht dieser Formulierung war, Inflation zu vermeiden, aber gleichzeitig einen ausreichenden Puffer über der Nullzone zu erhalten, damit die geldpolitischen Instrumente der EZB scharf bleiben.

Das jedoch ist, so Lagarde, heute nicht mehr angemessen. In der Eurozone sei die jährliche Inflation von durchschnittlich 2,3 Prozent von 1999 bis 2008 auf 1,2 Prozent im letzten Jahrzehnt gefallen. Nicht länger die Inflation ist das Problem – sondern der Mangel derselben. Es werde zunehmend wichtig, für einen ausreichenden Abstand zur Nullmarke zu sorgen, um „die konventionelle Geldpolitik wieder zu stärken.“

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB). Bild von Valsts kanceleja/ State Chancellery via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Darüber hinaus möchte Lagarde über den Zeithorizont nachdenken, über den Preisstabilität zu erreichen ist. In einer unschuldig-akademisch klingenden Formulierung serviert sie dann die Bombe, über die sich unter anderem die Augsburger Allgemeine beunruhigt: Man diskutiere derzeit, ein in die Vergangenheit blickendes Element „in den Horizont der Politik aufzunehmen, um auf die Umstände niedriger Inflation zu reagieren.“ Zentralbanken könnten sich dazu verpflichten, „Inflation auszugleichen, wenn sie für einige Zeit unter ihren Inflationszielen verblieben sind.“

Erst im September hatte die US-Zentralbank FED exakt diesen Politikwechsel angekündigt: Wenn die Inflation einige Jahre unter zwei Prozent war, soll sie für die kommenden Jahre über dieser Marke liegen. Eine solche Strategie, meint Lagarde, könne „die Kapazität der Geldpolitik stärken, die Wirtschaft zu stärken“, wobei sie auf ein Paper der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BiZ) verweist, das den Einfluss eines „durchschnittlichen Inflationsziels“ auf die makroökonomische Stabilität und den gesellschaftlichen Wohlstand“ untersucht.

Eine Geldentwertung mit Ansage

Die Botschaft von Lagarde ist ziemlich eindeutig: Die EZB sieht derzeit die größte Gefahr für die Preisstabilität in – zu stabilen Preisen. Die EZB war zu gut darin, Inflation zu verhindern – wenn man ihrer Messung der Preissteigerung Glauben schenkt – so dass der Mangel an Inflation zu einem Problem für die Realwirtschaft war. Daher soll die EZB ihre Definition von Preisstabilität dementsprechend ändern, dass es zu ihrem offiziellen Ziel wird, die Inflation anzutreiben – also das Geld zu destabilisieren.

Keiner kann sagen, die EZB hätte dieses Ziel verschleiert; jeder sollte wissen, dass die Zentralbank offiziell plant, dafür zu sorgen, dass das Geld, das man heute verdient, in einem Jahr weniger wert ist.

Die Folgen sind längst bekannt und dürften niemanden mehr überraschen: Je lockerer die Geldpolitik der Zentralbank, desto stärker steigen die Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Gold und Kryptowährungen. Schon jetzt, mit einer – angeblich – nicht-existenten Inflation schießen die Vermögenswerte immer weiter nach oben und vertiefen die Kluft zwischen den Vermögenden und den Nicht-Vermögenden. Dieser Prozess wird sich noch verstärken, wenn die EZB tatsächlich auf Teufel komm‘ raus versuchen wird, die Inflation auf drei Prozent zu prügeln. Die einen bekommen Freigeld, die anderen nicht.

Vielleicht möchte die Zentralbank tatsächlich eine Politik für Wohlstand und Beschäftigung machen – auch wenn dies nicht ihr Mandat ist. Ihr sollte aber klar sein, dass ihre Geldpolitik droht, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zerreissen und uns in eine Reichtumsverteilung zurückzuführen, wie man sie aus der Vormoderne kannte.

Als Einzelner kann man nicht viel dagegen machen. Man kann, wie nun sogar schon die Augsburger Zeitung, empörte Artikel schreiben, und man kann sich dafür einsetzen, dass Bitcoin oder eine andere Kryptowährung mit algorithmisch definierter Geldmenge das Fiatgeld ablöst.

Bis es soweit ist, sollte jeder das machen, was vermutlich alle Mitarbeiter der EZB tun: Dafür sorgen, dass das persönliche Vermögen in Zukunft nicht am Euro hängt. Denn das Medium, in dem man spart – Geld oder Vermögenswert – wird darüber entscheiden, auf welcher Seite man in Zukunft steht. So bitter es sein mag, aber so läuft das Spiel des Fiatgeldes.

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7 Kommentare zu EZB möchte mehr Helikoptergeld für Vermögende

  1. Sehr gut analysiert.
    Die Inflationsberechnung wird hier noch nicht einmal kritisiert, dabei gibt es viele Gründe anzunehmen, dass die tatsächliche Inflation deutlich höher ist. Man kann, so finde ich, Gold als realen Wert ohne Inflation ansehen (das ist zumindest eine gute Annäherung). Man stellt fest, dass der Euro seit seiner Einführung (1999) ca. 80% gegenüber dem Gold verloren hat.
    Weiterhin gilt: Die EZB gibt doch offen zu, dass sie auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte die Zinsen deutlich unterhalb der Inflation belassen will (und hier geht es auch um den Schutz der Schuldner) und das heisst ja ganz klar: Wer den Euro langfristig hält kann nur verlieren. Und daran gibt es dann tatsächlich nichts zu diskutieren.

  2. Paul Janowitz // 13. Oktober 2020 um 11:33 // Antworten

    Danke für die interessante Meinung, von der meine in Teilen, sogar gleich im Titel abweicht…

    Keiner kann sagen, die EZB hätte dieses Ziel verschleiert; jeder sollte wissen, dass die Zentralbank offiziell plant, dafür zu sorgen, dass das Geld, das man heute verdient, in einem Jahr weniger wert ist.

    Klingt ziemlich stark nach dem Wörgler Freigeld, vielleicht hat Lagarde und ihre Truppe in die Geschichtsbücher geschaut oder „Das Wunder von Wörgl“ angeschaut und möchte das auf die ganze EU ausrollen um auch in die Geschichtsbücher zu kommen? 😀

    Je lockerer die Geldpolitik der Zentralbank, desto stärker steigen die Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Gold und Kryptowährungen. Schon jetzt, mit einer – angeblich – nicht-existenten Inflation schießen die Vermögenswerte immer weiter nach oben und vertiefen die Kluft zwischen den Vermögenden und den Nicht-Vermögenden. Dieser Prozess wird sich noch verstärken, wenn die EZB tatsächlich auf Teufel komm‘ raus versuchen wird, die Inflation auf drei Prozent zu prügeln. Die einen bekommen Freigeld, die anderen nicht.

    Da Aktien in der Regel von Banken / Finanzdienstleistern gehalten werden, ist der Zugriff zur Besteuerung dieser ziemlich trivial, ähnlich sieht es mit Immobilien aus, da sie eben nicht beweglich sind und über die Grundsteuer gibt es in den meisten Ländern bereits ein Instrument, welches man dafür nutzen kann. Bei Gold sieht das freilich etwas anders aus, aber dieses kann es nur bei direkten Treffen gehandelt werden und es ist im Alltag nicht praxistauglich, selbst wenn es nicht um den Kaffee geht. Bei größeren Geschäften kann man Händlern entsprechende Regeln auferlegen und als letzten Ausweg sogar das Horten außerhalb von Banken ganz untersagen. Nicht möglich? https://de.wikipedia.org/wiki/Executive_Order_6102

    Es geht um die Geldsouveränität des Staates, die man mit allen Mitteln aufrecht erhalten will, falls einzelne dadurch stärker profitieren als andere, ist das eher ein Nebenprodukt, auf welches man wie oben geschildert mit Steuern wieder im Zweifel Zugriff hat.

    Bargeld ist dabei ein Dorn im Auge des Staates, da es abseits der Inflation nicht direkt besteuert werden kann, die meisten Staaten würden es am liebsten abschaffen und viele haben bereits Restriktionen für Bargeldzahlungen eingeführt, teilweise ziemlich drastische alleine im EU-Vergleich.

    Kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Blogs… Kryptowährungen.
    Bisher hat man sich darauf konzentriert, die Fiat On- und Off-Ramps, also Börsen zu KYC/AML zu zwingen und macht in den USA jetzt auch Nägel mit Köpfen, wie der aktuelle Bitmex Fall zeigt, in dem man nicht das Gambling mit gehebeltem Trading angegriffen hat, sondern eine Strafsache mit Verstößen gegen eben diese Regelungen gemacht hat. Mit der Zeit stellt sich jedoch heraus, dass die einzig angenommene Anwendung, die Spekulation und Trading von Börse zu Börse doch nicht die einzige ist, sondern auch tatsächlich Geschäfte außerhalb der Börsen damit gemacht werden, dazu noch zunehmend in Fiat denominierten Stablecoins, über deren Geldbewegungen man keinerlei Handhabe hat, maximal kann man sie per Blockchain Analyse nachverfolgen, verpflichtende Meldungen von Banken bleiben allerdings aus. Ein erster Vorgeschmack kann – gerade in der Schweiz – beobachtet werden, wo die „Travel Rule“ der FATF so ausgelegt wurde, dass alle (non-Custodial) Adressen, von denen Einzahlungen auf eine Börse erfolgen als eigene verpflichtend deklariert werden müssen. Das Justizministerium der Vereinigten Staaten hat die letzten Tage zwei sehr interessante Veröffentlichungen herausgegeben.
    1. Ende-zu-Ende Verschlüsselung und öffentliche Sicherheit, welches darauf hinzielt, dass diese unterbunden wird und Anbieter Hintertüren einbauen müssen…
    https://www.justice.gov/opa/pr/international-statement-end-end-encryption-and-public-safety
    2. Das „Cryptocurrency Enforcement Framework“, welches gleich mehrere interessante Ansichten offenbart. Zum einen werden Coins ohne ähnlich transparenten Ledger wie bei Bitcoin der Fall als „Anonymity Enhanced Currencies“ oder kurz „AEC“ bezeichnet, womit man wohl die Privatsphäre aus „Privacy Coins“ raushauen will und im Falle Moneros den Fakten widerspricht, denn Monero bietet tatsächlich bessere Privatsphäre, aber nicht unbedingt Anonymität, letzteres ist mit Key Images und View Keys bei Bedarf sogar besser auditierbar als Bitcoin, aber das Thema ist für die Kommentarspalte zu komplex. Interessant ist aber, dass US-Behörden beschlagnahmte AEC in der Regel nicht verkaufen wie sie es mit Bitcoin tun, sondern behalten, um sie nicht dem illegalen Markt zur Verfügung zu stellen. Bei einem Asset, das beliebig teilbar ist, eine ziemlich fragwürdige Aussage, denn jede Verknappung schlägt sich am Ende in höheren Kursen nieder. Vielleicht braucht man sie ja doch für eigene Zwecke?
    https://www.justice.gov/ag/page/file/1326061/download

    In Custodial Wallets ist eine Besteuerung dann wiederum trivial und man kann an „seiner“ Geldmenge weiter manipulieren wie man will, denn am Ende sind die Flüchtigen in allen Assets greifbar. Einige sehen wahrscheinlich die beste Option, in genau diese AEC zu flüchten, was sich vielleicht am Monero Kurs der letzten Tage widergespiegelt hat…

    TL;DR
    Der Sprung ist nicht mehr weit, um non-Custodial Wallets ganz zu verbieten und einen Übergang zu durch regulierte Stellen vorgehaltene Wallets zu erzwingen. In diesem Falle würde sich langfristig wohl ein „Clear Market“ und ein „Dark Market“ etablieren, was eine breite Adoption wahrscheinlich komplett abwürgen würde, denn der durchschnittliche User / Händler könnte diese nicht unterscheiden. Ich bin aber noch der Hoffnung, dass dies ausbleibt, aber wenn man Verbote von Verschlüsselung ernsthaft in Erwägung zieht, dann ist mit allem zu rechnen.

  3. @Otto: der Euro hat 80 % gegenüber Gold verloren und Gold hat eine eingebaute Inflation von 2-3% (durch das Mining – jährlich kommen 2-3% neues Gold hinzu). Das lässt schon darauf schließen, wie stark die Inflation des Euro ist.

    • Paul Janowitz // 13. Oktober 2020 um 13:25 // Antworten

      Stimmt, wobei alles wieder relativ ist… Gold hat zwar eine theoretische Inflation von 2-3%, aber das Gold, welches in der Technologie „verbraucht“ wurde, wird zum größten Teil nie wieder in Umlauf kommen. Auch Bargeld hat diese eingebaute Deflation, da Scheine durch verschiedene Naturkatastrophen unwiderruflich zerstört werden.
      Anders sieht das bei Giralgeld aus, das verschwindet weder bei einer insolventen Bank noch sonst und macht den Großteil der Geldmenge aus.

      Übrigens halten wahre Bitcoin Maximalisten die Goldmenge unendlich inflationär, denn Elon Musk wird bald Gold von Asteroiden minen 😉

      • „Übrigens halten wahre Bitcoin Maximalisten die Goldmenge unendlich inflationär, denn Elon Musk wird bald Gold von Asteroiden minen 😉“

        Nicht alle! =)

  4. @Paul: das dauert aber noch 2-3 Jahre 😀

  5. Für mich sieht es hat so aus, dass andere Währungen aufgewerte werden müssen, speziell der chinesische Yuan muss aufgewertet werden, schließlich befinden wir uns schon lange in einem Währungskrieg. Irgendwann werden wir vielleicht auf der Welt immer weniger Währungen haben. Wer wird dann nur die günstige Arbeitskraft beisteuern?

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