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Feuern US-Sanktionen die Bitcoin-Nutzung in Kuba an?

Straßenszene in Kubas Hauptstadt Havanna. Bild von Peter Szekely via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der Zahlungsdienstleister Western Union verlässt wegen neuer US-Sanktionen Kuba. Damit fällt eine Kerninfrastruktur für die Rücküberweisungen von Gastarbeitern weg. Beobachter spekulieren darüber, dass die Kubaner die Lücke mit Bitcoin füllen werden. Ist da etwas dran?

Noch ist Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Während sich Joe Biden darauf vorbereitet, das Amt zu übernehmen, bekommt man auf Kuba eine der jüngeren Amtshandlungen des noch amtierenden Präsidenten zu spüren.

Kurz vor der Wahl Anfang November hat Donald Trump die Sanktionen gegen den realsozialistischen Inselstaat verschärft. Neben Menschenrechtsverletzungen und Demokratiedefiziten stößt sich die US-Regierung vor allem an der Zusammenarbeit mit Venezuela, dem erklärten Feind der USA auf dem amerikanischen Kontinent.

Eine der Sanktionen trifft nun die Bank Fincimex. Diese ist mit dem kubanischen Millitär verbunden, welchem die USA vorwirft, Venezuela zu unterstützen und systematisch Menschenrechte zu verletzen. Das Staatsunternehmen ist eine der tragenden Säulen des kubanischen Finanzwesens. Es dient unter anderem dem Remittance-Dienstleister Western Union als exklusiven Partner, um Geldüberweisungen aus dem Ausland auf die Insel zu bringen.

Die Folgen liegen auf der Hand: Western Union darf keine Geschäfte mit Fincimex machen. Da die kubanische Regierung keine Alternative zu der staatlichen Bank zulässt, kann Western Union kein Geld mehr nach Kuba senden und schließt seine 407 Filialen auf der Insel.

Für die Kubaner ist dies mehr als nur ärgerlich. Das sozialistische Land ist es zwar gewohnt, auf den kapitalistischen Teufel der USA zu schimpfen, führt aber einen nicht zu vernachlässigenden Teil des Bruttoinlandprodukts von dem mächtigen Nachbarn ein. Konkrete Zahlen sind schwer auszumachen, doch schätzungsweise generieren die Zahlungen von kubanischen Gastarbeitern an ihre Familien drei bis fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts der Insel. Allein die Hälfte davon kommt aus den USA.

Die Sanktion der Regierung Trump ist also eine wohlüberlegte, gut platzierte Gemeinheit — das türkische Außenministerium prangert sie, warum auch immer, als Zynismus an – die viele Kubaner scharf trifft. Es wird plötzlich schwieriger, Geld auf die Insel zu schaffen. Gut 20 Prozent der gesamten Rücküberweisungen (so “Remittance” auf Deutsch) laufen nämlich durch den Zahungsanbieter Western Union.

Laut Experten gibt es natürlich noch andere Wege: andere Banken, Agenturen, kleine, informelle Unternehmen, Besucher, die Geld mitbringen. Dennoch fällt mit Western Union ein vertrauter, sicherer und zuverlässiger Anbieter weg, was es für viele Kubaner schwierig macht, Geld zu empfangen.

Als Lösung bieten sich hierfür, natürlich, Bitcoin und andere Kryptowährungen an. Erste Beobachter vergleichen Kuba bereits mit Venezuela, dem ebenfalls sozialistischen Land, in dem unter dem Druck von Inflation und Finanzsanktionen Bitcoin bereits beim Militär angekommen ist. Cryptopolitan zitiert den kubanischen Datenanalysten Boaz Sobrado, dem zufolge Kuba unter einer sanktionsgetriebenen Inflation leidet. Die üblichen Wege, über die das Land Devisen – also Dollar – einfuhr, wie der Tourismus und die Rücküberweisungen von Gastarbeitern, seien durch Covid und die Sanktionen stark beeinträchtigt.

Laut Sobrado stieg das Voluem des informellen P2P-Handel, etwa über Telegram, deutlich an im Vergleich zum Vorjahr. Auch lokale Remittance-Läden führen den Bitcoin-Handel ein, während Unternehmen wie Bitremitasas exklusiv auf Bitcoin setzen, um Geld nach Kuba zu führen.

Bitremitasas wurde ausdrücklich vor dem Hintergrund der immer stärker werdenden Finanzsanktionen durch die USA gegründet. Eric Garcia, einer der Gründer der Plattform, erklärte Europeworldnews.com, dass es mit Kryptowährungen “keine sanktionierbare Bank” gebe, “keine anwendbaren juristischen Hebel, kein steuerliche Regulierung, sondern nur vollständige finnazielle Freiheit.”

Im November erzählt Garcia dem Magazin Cointelegraph davon, dass die Plattform das ganze Jahr über stark gewachsen sei. Mittlerweile steige die Anzah der Nutzer jeden Monat um 200 Prozent. Mario Mazzola, Gründer der kubanischen Bitcoin-Börse Qbita, sagte, die Nutzung und das Handelsvolumen würden derzeit explodieren.

Auch Google Trends zeigt einen Anstieg des Interesses der Kubaner an Bitcoin, das sich im Lauf dieses Jahres mindestens verdoppelt, wenn nicht vervierfacht hat. Dies ist ein steilerer Anstieg als die weltweiten Suchanfragen, auch wenn die Charts einen etwas trügerischen Eindruck vermitteln, da Kuba offenbar die Blase Ende 2017 weitgehend verschlafen hat.

Google Trends zum Suchwort “Bitcoin” in Kuba.

Der kubanische Youtuber Erich García Cruz erzählte Coindesk im Sommer, wie Bitcoin ihm hilft, ein Einkommen aus dem Ausland zu erhalten. Er schätzt, dass es auf Kuba ungefähr 50.000 Bitcoiner gebe.

Genaue Angaben sind allerdings schwer zu finden. Dies könnte an der Sprachbarriere zum Spanischen liegen, am bekanntlich eher schlechten Internet auf Kuba, oder auch daran, dass Kryptowährungen in Kuba regulatisch noch ein Niemandsland sind und die Szene möchte, dass dies so bleibt, und daher versucht, wenig Aufsehen zu erregen.

Trotz dieser eher schwachen Informationslage stehen die Chancen gut, dass Bitcoin durch die neuen Maßnahmen in Kuba Raum gewinnt. Schließlich steigen mit der zunehmenden Informalität von Zahlungen – wie durch persönliche Boten – meist Risiken, Dauer und Gebühren. Bitcoin oder andere Kryptowährungen können hier eine schnelle, sichere und günstige Alternative bieten.

Zur gleichen Zeit leidet Kuba wie viele Länder in ähnlichen Situationen an einem Devisenmangel sowie an einer eher schwachen Währung. In dem Land herrscht seit langem eine doppelte Währung mit dem eigentlichen Peso sowie dem “Peso convertivle”, der an den Dollar gebunden ist, während auch der Dollar als informelle Währung kursiert. Die Regierung versucht derzeit, das Zweiwährungssystem aufzugeben, also den Wert des Peso vom Dollar zu lösen, wodurch eine deutliche Abwertung der Währung erwartet wird.

Beides – sowohl die Sanktionen als auch die Währungsprobleme – sind üblicherweise eine Grundlage dafür, dass sich Bitcoin und andere Kryptowährungen in Entwicklungsländern verbreiten. Allerdings muss man auch feststellen, dass die Situation in Kuba trotz einiger Ähnlichkeiten längst nicht so drückend ist wie etwa in Venezuela. Kuba ist, trotz allem, ein im Vergleich zu Nachbarn wie Haiti relativ wohlhabendes Land, dessen Einwohner sogar eine höhere Lebenserwartung genießen als US-Amerikaner – was wiederum ganz andere, aber ziemlich spannende Fragen aufwirft …

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1 Kommentar zu Feuern US-Sanktionen die Bitcoin-Nutzung in Kuba an?

  1. Paul Janowitz // 1. Dezember 2020 um 10:02 // Antworten

    Ich war Ende 2017, auf dem Höhepunkt der letzten Bitcoin Rally in Kuba und habe davon recht wenig mitbekommen, da Internetzugang praktisch kaum möglich war. An den wenigen öffentlichen Wifi Hotspots für ca. $2 pro halbe Stunde waren so viele Menschen eingeloggt, dass selbst E-Mails abfragen zur Qual wurde. 3G wurde damals gerade ausgebaut, zumindest in Havanna, aber als Ausländer konnte man keine Sim Karte erwerben und das Netz wurde nur von den einheimischen Eliten genutzt. Mit einer Deutschen Sim konnte man für ca. 16 Euro / Minute vor Ort und nach Deutschland telefonieren, Internet Roaming wurde gar nicht angeboten. Der gesamte Internetverkehr läuft übrigens über einen Backbone nach Venezuela…

    Die üblichen Wege, über die das Land Devisen – also Dollar – einfuhr, wie der Tourismus und die Rücküberweisungen von Gastarbeitern, seien durch Covid und die Sanktionen stark beeinträchtigt.

    Generell nehmen die Kubaner lieber Euro als Dollar und die Wechselkurse sind meist besser, denn beim lokalen Dollar-Stablecoin CUC gibt es meist noch eine Gebühr von bis zu 10%, hingegen sind die Wechselkurse CUC/EUR vergleichbar mit USD/EUR. Übrigens war es aber auch gut, immer ein wenig CUC in CUP zu tauschen (auch wenn das Ausländern untersagt ist, ging es meist bei Taxifahrern oder kleineren Händlern im Verhältnis 24:1), denn Straßenhändler mit Obst oder ähnlichem verlangen meist den selben preis in CUC wie in CUP…

    Dies ist ein steilerer Anstieg als die weltweiten Suchanfragen, auch wenn die Charts einen etwas trügerischen Eindruck vermitteln, da Kuba offenbar die Blase Ende 2017 weitgehend verschlafen hat.

    Offensichtlich hat sich der Internetzugang wohl verbessert… Damals habe ich etliche Menschen auf Bitcoin angesprochen, aber ich bin in vier Wochen auf keinen einzigen Local gestoßen, der irgendwie etwas damit anfangen konnte. Ich muss dazu sagen, dass ich größtenteils außerhalb des Tourismus Hotspots Varadero unterwegs war.

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