Die Ether brennen und die Märkte lieben es

Seit EIP1559 aktiviert wurde, verbrennt Ethereum zwischen 5.000 und 12.000 Ether am Tag. Die Inflationsrate ist zwar weiterhin höher als bei Bitcoin – doch manche Blöcke sind tatsächlich bereits deflationär. Der ETH-Preis scheint den fiskalpolitischen Eingriff zu belohnen.
Mittlerweile kann man kaum mehr sagen, Ethereum sei ein Experiment. Die Blockchain bringt mit ihren nativen Token Ether eine Marktkapitalisierung von mehr als 400 Milliarden Dollar auf; mit den vielen anderen Token, Stablecoins, Smart Contracts und so weiter dürfte es deutlich mehr als eine halbe Billion sein.
Dennoch durchläuft Ethereum gerade eines der spektakulärsten fiskalpolitischen Experimente. Mit EIP1559 haben die Ethereum-Entwickler bestimmt, dass die Gebühren, die die User bezahlen, nicht mehr vollständig an die Miner gehen, wie bisher, sondern zu großen Teilen verbrannt werden. Man stelle sich vor, die EZB ordnet an, dass Transaktionsgebühren oder -Zinsen dazu führen, dass Euro aus dem Umlauf gezogen werden.
Unvorstellbar? Genau das passiert derzeit bei Ethereum. Die Absicht, dadurch den ETH-Preis zu steigern, wird nur dürftig von dem Vorwand verhüllt, dadurch die Transaktionsgebühren berechenbarer zu machen, indem man die Anreize für Miner ändert. Sollte dies der Plan gewesen sein, ist er krachend gescheitert: Die Gebühren bei Ethereum sind weiterhin hoch und unberechenbar.
Inflation teilweise schon negativ
EIP1559 war jedoch gut darin, die Schöpfungsrate neuer Ether zu senken. Seit der Aktivierung des Upgrades wurden beinah 170.000 Ether verbrannt.

Screenshot der den verbrannten Ether gewidmeten Webseite ultrasound.money
Im Normalbetrieb vor dem Upgrade betrug die Inflationsrate – hier verstanden als das Wachstum der Geldmenge – rund 5 Prozent im Jahr. Mittlerweile ist sie auf gut zwei Prozent gefallen, je nach Tagesform zwischen 1,5 und 2,5 Prozent. An manchen Tagen ist das weniger als bei Bitcoin, wo die Inflation derzeit etwa bei 1,9 Prozent liegt, im Durchschnitt ist es aber noch signifikant mehr.
Oft kommt es allerdings auch vor, dass die Ethereum-Miner einen deflationären Block produzieren. Deflation bedeutet hier, dass die Geldmenge sinkt. Denn die Belohnung je Block beträgt 2,5 Ether. So viele Ether entstehen etwa alle 15 Sekunden. Wenn ein Block nun an Gebühren mehr als 2,5 Ether verbrennt, entzieht er dem System Ether, anstatt welche hinzuzufügen.
Solche Blöcke geben einen Ausblick auf das, was passieren könnte. In Phasen extremen Transaktionsaufkommen, wenn die Basisgebühr sprunghaft ansteigt, kommt es vor, dass Ether zeitweise deutlich deflationär wird. Beispielsweise gab es am 30. August eine Stunde, in der 531 Ether geschaffen, aber beinah 2.000 Ether verbrannt wurden. Aufs Jahr gerechnet ergäbe dies eine Deflation von 10 Prozent.
1,959.8324 $ETH burned 🔥🔥🔥🔥 last hour.
Issuance: 531.0000 ETH
Net Change: -1,428.8324 ETH
Annualized: -10.70% 📉2021-08-30 20:00-21:00 UTC
Last Block: 13129151Cumulative 🔥: 141,004.6458 ETH
— ETH Burn 🔥 Bot 🦇🔊 (@ethburnbot) August 30, 2021
Eine Feedback-Schleife
Das Verbrennen der Gebühren setzt eine interessante Feedback-Schleife in Gang. Wenn die Anzahl der Ether sinkt – oder langsamer steigt – erhöht sich der Preis je Ether. Dies liegt nicht zwingend daran, dass die Miner weniger Ether auf den Börsen verkaufen, sondern kann auch psychologisch bedingt sein: Das Wissen, dass die Inflation von Ethereum abnimmt, reicht bereits, um den Preis zu heben.

Ether-Preisentwicklung in Euro bei Bitcoin.de
In der Krypto-Welt sind Zeitabschnitte steigender Preise auch Zeitabschnitte steigender Betriebsamkeit. Der Preis geht hoch, und mit ihm die Anzahl der Transaktionen. Wenn es aber mehr Transaktionen gibt, dann steigen auch die Gebühren, und wenn die Gebühren steigen, werden mehr Ether verbrannt. Und je mehr Ether verbrannt werden, desto höher der Wert der einzelnen Ether. Und so weiter.

Durchschnittliche Gaspreise bei Ethereum nach Etherscan
Kurzum: EIP1559 hat den Effekt, dass eine steigende Nutzung von Ethereum, egal wofür, ob nun DeFi, Token oder NFTs, sich auch in steigenden Ether-Preisen niederschlagen.
Diese Feedback-Schleife ist derzeit noch eher Theorie als bewiesene Praxis. Aber es gibt bereits Hinweise darauf, dass sie in Kraft tritt. So sind die Gaspreise nach der Aktivierung von EIP1559 zwar für einige Tage stagniert, während der Preis je Ether anstieg. Seit dem 23. August etwa explodieren die Gaspreise wieder förmlich, vielleicht, weil das Transaktionsaufkommen dem Preis folgt. Der wiederum begann erst Ende des Monats wieder deutlich zu steigen. Man könnte meinen, dass wie in einem Tanz eine Bewegung auf die andere folgt.

Anzahl täglich verbrannter Ether nach Etherscan.io.
Derzeit synchronisieren sich jedoch steigende Gaspreise und Ether-Preise. Das allerdings hat zur Folge, dass immer mehr Ether für Gebühren verbrannt werden. Mit rund 11.500 verbrannten Ether verzeichnete der 1. September bisher einen Rekord. Da am Tag zwischen 12.500 und 13.000 Ether geschaffen werden, läuft dieser Trend ziemlich konsequent auf eine tatsächliche und dauerhafte Deflation zu.
Ethereum mit Kurs auf Allzeithoch
Mit einem Kurs von heute rund 3.100 Euro ist Ether nicht mehr sehr weit vom Höchststand im April bei rund 3.300 bis 3.500 Euro entfernt. In Dollar kostet ein Ether heute etwa 3.750 Dollar, und das Allzeithoch lag bei etwa 4.250 Dollar.
Ethereum ist damit nur noch 10-12 Prozent vom Allzeithoch entfernt und hat sich damit seit dem Einsturz auf den Tiefpunkt von 1.800 Dollar bzw. etwa 1.500 Euro auf vorbildliche Weise erholt.
Bitcoin hingegen hat sich mit einem Preis von rund 50.000 Dollar ebenfalls phantastisch erholt. Doch zum Höchststand von 65.000 Dollar im April fehlen noch 25-30 Prozent, also etwa das Doppelte wie Ethereum.

Bitcoin-Preis in Euro nach Bitcoin.de
Man könnte das jetzt auf EIP1559 zurückführen und konstatieren, dass Ethereum es dank des Upgrades gelungen ist, sich rascher als Bitcoin zu erholen und gegenüber der weiterhin wichtigsten Kryptowährung Boden zu gewinnen.

Der “Bitcoin Dominance Chart” für 2021 nach Coinmarketcap.
Das zeigt sich auch im Dominanz-Chart, der für die wichtigsten Kryptowährung illustriert, wie hoch deren Anteil am gesamten Markt ist. Man kann diesem Chart mit gutem Grund kritisch gegenüberstehen – doch er verdeutlich, dass Ethereum aufholt.

Preis von Cardano (ADA) in Dollar nach Coinmarketcap
Allerdings muss diese Entwicklung nicht zwingend an EIP1559 liegen. Das zeigt ein Blick auf weitere Kryptowährungen. So hat Cardano (ADA) mit heute drei Dollar ein absolutes Allzeithoch erreicht und den Höhepunkt im Frühjahr um 20-30 Prozent übertrumpft. Auch Solana (SOL) sitzt mit 115 Dollar auf einem Allzeithoch; der Coin hat das vorhergegangene Hoch aus dem Mai von 42 Dollar beinah verdreifacht.

Kursentwicklung von Solana, ebenfalls nach Coinmarketcap.
Smart-Contract-Plattformen scheinen generell im Trend zu liegen. Der Markt ist optimistisch, dass sie ihr Potenzial noch lange nicht ausgereizt haben. Allerdings trifft das so nicht auf alle „Ethereum-Killer“ zu: Sowohl Polkadot als auch Smart Contract laufen noch unter dem Allzeithoch aus dem Frühjahr.
Insgesamt kann EIP1559 eine Rolle dabei spielen, die Erholung von Ethereum zu beschleunigen. Unter Umständen kann Ethereum dabei auch seine „Killer“ wie Cardano und Solana mit sich ziehen, und unter Umständen hat das Upgrade auch seinen Beitrag dazu geleistet, dass die Krypto-Märke wieder in eine bullische Stimmung verfallen sind.
Denn eines scheint außer Frage zu stehen: Es war verfrüht, nach dem Crash im Frühjahr den Bärenmarkt auszurufen.
laut watchtheburn.com wurden seit dem EIP-1559-Launch bereits über 45% aller ETH-Rewards wieder verbrannt. Und dieser Prozentsatz klettert die letzten Tage langsam aber stetig weiter nach oben. Einfach nur geil. Habe in Sachen “Crypto” so einiges falsch gemacht, aber 2016 ETH zu minen zählt nicht dazu! 😄