Taro verspricht anonyme Token-Transaktionen mit Bitcoin und Lightning

Ein Lightning-Entwickler schlägt mit Taro ein Protokoll vor, das Token auf Bitcoin und Lightning ermöglicht. Taro ist ausgefeilt und hat mehrere Vorteile gegenüber den Token-Standards auf Ethereum – aber auch Nachteile.
Olaoluwa Osuntokun von Lightning Labs schlägt mit “Taro” ein Protokoll vor, um verschiedene Arten von Token in Bitcoin auf eine Weise zu integrieren, die sowohl privat als auch Lightning-fähig ist.
Auf den ersten Blick könnte dies ein großer Wurf werden. Es gilt seit langem als ein hohes Ziel, sogar als eine Art heiligen Gral, Token wie Dollar-Stablecoin auf Lightning zu bringen. Bisher war das RGB-Protokoll ein heißer Kandidat dafür, auch wenn es noch kaum über das Stadium des Entwurfs herausgekommen ist.
Taro (kurz für Taproot Asset Representation Overlay) wirkt etwas fortschrittlicher als RGB, nicht zuletzt, weil das Protokoll Taproot benutzt. Es ist in gewisser Weise eine nicht geplante Frucht dieses Upgrades. Wenn man die Wahl hätte, wäre Taro vermutlich die wünschenswertere Variante.
Die technischen Details sind relativ komplex. Um sie zu verstehen, muss man wissen, wie das Lightning Netzwerk funktioniert und was sich hinter dem Taproot-Upgrade verbirgt. Ich versuche hier, Taro so einfach wie möglich zu beschreiben, um es in Grundzügen verständlich zu machen und herauszuarbeiten, was es für Nutzer bedeuten kann.
Bewusst oberflächlich
Zunächst einmal verwendet Taro den Script-Baum, der durch Taproot in Bitcoin eingeführt wurde. Ein solcher Scriptbaum enthält in seinen “Blättern” verschiedene Ausgabebedingungen bzw. deren Hash.
Taro verwendet eine leichte Abwandlung dieses Hashbaums. Olaoluwa nennt ihn “Merkle Sum Spare Merkle Tree (MS-SMT)”. Ohne zu tief in die Details zu gehen: Dieser MS-SMT erlaube es, die Token auf verifizierbare Weise als ein Blatt des Baumes zu integrieren und sie zu versenden, sowohl onchain als auch offchain durch Lightning.
Wir bleiben an dieser Stelle bewusst oberflächlich. Wer sich in die technischen Details einlesen will, kann die Mail von Olaoluwa oder den Übersichtsartikel auf GitHub als Ausgangsbasis verwenden. Auch ein Artikel im Bitcoin Magazine ist ein guter Anlaufpunkt.
Uns geht es hier aber nicht darum, wie Taro technisch fuktioniert. Wir wollen vielmehr erkunden, welche Folgen Taro für euch als User haben kann.
Ab wann wird es Token im Lightning-Netzwerk geben? Wie einfach wird es, diese zu benutzen? Wann schlagen Taro-Token auf Börsen auf? Wie unterscheiden sie sich von den vertrauen Token auf Ethereum? Und hat Taro eine Chance, die Token-Ökosysteme von Ethereum zu gewinnen?
Fast perfekt privat
Zunächst einmal basiert Taro auf dem, was als stärksten Vorteil von Taproot gilt. Taproot bringt die Ausgabebedingungen für eine Transaktion wie erwähnt in den Blättern eines Hashbaumes unter. Dieser Hashbaum – bzw. dessen “Wurzel” – fließt dann in die Bitcoin-Adresse ein, durch die man Coins empfängt.
Das hat mehrere Vorteile für die Prviatsphäre: Jede Adresse sieht grundsätzlich gleich aus, egal, welche Ausgabebedingungen sie enthält. Erst wenn man die empfangenen Coins ausgibt, enthüllt man die beanspruchte Ausgabebedingung – aber nur diese. Alle anderen bleiben unsichtbar.
Für Taro bedeutet dies, dass die Token in den Blättern des Hashbaumes verborgen bleiben. Eine Adresse, mit der man Taro-Token empfängt, sieht aus wie jede andere, und eine Transaktion, mit der man sie ausgibt, enthüllt nicht die Blätter, in denen die Token verborgen sind. Nur Sender und Empfänger wissen, dass es die Token überhaupt gibt.
Das hat ohne Zweifel enorme Vorteile für die Privatsphäre. Sogar so große Vorteile, dass es fast zwingend nötig wird, Bitcoins irgendwann selbst als Taro-Token abzubilden. Taro bringt eine bisher beispiellose Anonymität zu Bitcoin.
Allerdings geht es mit einem nicht geringen Nachteil für die Nutzererfahrung einher: Man kann nicht einfach so per Taro Assets an eine Adresse senden, wie man es von Ethereum gewohnt ist. Stattdessen muss diese vom Empfänger speziell für diesen Anlass generiert werden. Sie muss sowohl die Token als auch den angeforderten Betrag enthalten.
Suboptimale Nutzererfahrung, starke Skalierbarkeit
Dieses Verfahren ist umständlich, schafft aber etwas, das bei Bitcoin bisher unmöglich war. Bisherige Token-Verfahren, etwa Colored Coins, haben den Token-Transfer nicht mit dem Konsens von Bitcoin gesichert. Stattdessen gibt es einen externen Konsens, entweder durch Vereinbarung oder eine weitere Blockchain.
Bei Taro hingegen enthält die empfangende Adresse sämtliche Bedingungen. Daher ist sofort zu erkennen, ob eine Transaktion diese erfüllt. Token-Transfers durch Taro sind durch den von den Minern geschaffenen Konsens gedeckt. So wie Bitcoin-Transaktionen benötigen sie keine externe Quelle des Vertrauens. Damit gleicht Taro den vielleicht stärksten Nachteil von Token auf Bitcoin gegenüber Token auf Ethereum aus.
Ein weiterer Vorteil betrifft die Skalierbarkeit: Da weder Adressen noch Transaktionen zeigen, dass sie ein Token enthalten, nötigen sie der Blockchain auch keine weiteren Daten auf. Ja, man kann sogar mehrere Token in eine Transaktion integrieren. Es wäre etwa möglich, Bitcoins, Dollar-Stablecoins, ein Security Token sowie mehrere NFTs mit einer einzelnen Transaktion zu übertragen, ohne dass diese mehr Platz braucht als eine Standard-Transaktion (sofern ich diesen Teil richtig verstanden habe; eventuell wird das Ausgeben der Token etwas haarsträubend).
Da die Asset-Transaktion also denselben Regel unterliegt wie eine Bitcoin-Transaktion, ist sie auch den Operationen von Bitcoins Scriptsprache zugänglich. Daher kann man die Token auch über das Lighning-Netzwerk versenden, was für Olaoluwa Osuntokun natürlich das hauptsächliche Vehikel für die Token sein soll:
“Alle Assets, die transferiert werden, nutzen das Bitcoin-Rückgrat des Lightning-Netzwerks, was bedeutet, dass die internen Router nur den normalen Bitcoin-Transfer sehen, und nicht wissen, dass ein Assets untergebracht ist,” schreibt Olaoluwa. “Daraus wird eine erhöhte Nachfrage nach Transfers solcher Assets (wie etwa einen USD-Stablecoin) entstehen, was wiederum einen erhöhten Bedarf nach LN-Kapazität verursachen wird, und den Bitcoin-Knoten mehr Transfers und somit auch mehr Routing-Einnahmen einbringen wird.”
Dollar-Token, anonym und in Echtzeit mit minimalen Gebühren über Lightning – wer will bestreiten, dass dies eine scharfe App ist?
Kann Taro das Token-Ökosystem zu Bitcoin bringen?
All das klingt nach einem Protokoll, welches mehrere technisch wünschenswerte Eigenschaften realisiert: Es bringt Token – fungible und nicht-fungible – zu Bitcoin, und das auf eine private und hervorragend skalierbare Weise. Im Grunde genommen wären Dollar-Transfers mit Taro perfekt anonym und grenzenlos skalierbar.
Damit hoffen Olaoluwa Osuntokun und andere Bitcoiner, Ethereum den Rang abzulaufen. Denn die Ethereum Virtual Machine (EVM), sei es auf Ethereum, sei es auf anderen Blockchains wie BNB oder Solana, wurde zum de-Fakto-Standard für alle Arten von Token und zum Motor eines wildblühenden Ökosystems.
Kann Bitcoin Token von Ethereum zurück holen, indem es privatere und besser skalierbare Transfers anbietet? Hat das Ökosystem nur darauf gewartet, endlich auch Bitcoin verwenden zu können?
Ich würde sagen, eher nicht. Auch wenn Taro tatsächlich viele sehr wünschenswerte Eigenschaften verbindet, geht es doch auch mit Nachteilen einher.
Vor- und Nachteile gegenüber Ethereum
Am augenfälligsten ist der Nachteil, dass man nicht einfach so Token an eine beliebige Adresse überweisen kann, wie man es von Ethereum gewohnt ist. Stattdessen muss man für jede Transaktion eine neue Adresse bilden. Dies verunmöglicht manche Nutzungsfälle und erschwert die Integration in Wallets, Webseiten und bei Börsen.
Dass die Token-Transaktionen nicht nach außen sichtbar sind, ist ein großer Vorteil für die Privatsphäre. Es verschlechtert aber auch die Nutzererfahrung, da man beispielsweise nicht einfach mal in einem Blockexplorer nachprüfen kann, was geschah, oder Zahlungen durch APIs von Blockexplorern auf Webseiten einbinden kann.
Darüber hinaus beschränkt sich das mit Taro Machbare zunächst – und vielleicht für immer – auf reine Transfers, ob offchain oder mit Lightning. Die Ethereum-Token hingegen sind sehr viel funktionaler. Sie sind grenzenlos interoperabel und programmierbar. Taro verzichtet weitgehend auf diese Eigenschaften, die Blockchain-Token erst zu “Geld 2.0” machen und die DeFi- und NFT-Ökosysteme erblühen ließen.
Die ohne Zweifel existierenden Vorteile von Taro dürften nicht ausreichen, um diese erheblichen Nachteile auszugleichen. Ethereum bzw. das EVM-Ökosystem wird sehr wahrscheinlich weiterhin die Herrschaft über die Token behalten.
Allerdings ist durchaus denkbar, dass Bitcoin – vor allem Lightning – durch Taro einen Anteil am Markt für Token gewinnt, und dass wir in Zukunft anonym und unzensierbar Dollar über Lightning versenden.
Das Bitcoinblog wird von Bitcoin.de gesponsort, ist inhaltlich aber unabhängig und gibt die Meinung des Redakteurs Christoph Bergmann wieder
Christoph hat vor kurzem sein zweites Buch veröffentlicht: “Das Bitcoin-Kompendium: Netzwerk und Technologie”. Es ist eine überarbeitete Auslese seiner besten Artikel für dieses Blog. Ihr könnt das Kompendium direkt auf der Webseite Bitcoin-Buch.org bestellen – natürlich auch mit Bitcoin – oder auch per Amazon.
Tipps für Stories sind an christoph.bergmann@mailbox.org immer erwünscht. Für verschlüsselte Nachrichten nutzt bitte meinen PGP-Schlüssel — Auf Telegram! könnt ihr unsere News abonnieren.
Ich hab jetzt folgendes verstanden: Wenn ich anonym via Taro Geld an das ukrainische Verteidigungsministerium schicken möchte, muss ich erst per Mail diese Zahlung ankündigen. Dann sendet mir eine nette Dame von dort eine Transferadresse, die ich dann benutze.
Verstanden habe ich nicht, was daran jetzt ein Vorteil für die Privatsphäre sein soll.
Noch habe ich Taro nicht vollständig verstanden, aber der erste Eindruck ist positiv. Es sind einige schöne Ideen drin (z.B. Sparse Merkle Tree). Vielleicht entscheiden am Ende die Gebühren. Zumindest bei Stable Coin Transfers. Da dürfte das Lightning Network gegenüber Ethereum einen ordentlichen Vorteil bieten.
@ Hartmut
wenn ein Empfänger eine Empfangsadresse öffentlich bekannt gibt, z.B. mit „spende hier 10$“ müsste das doch auch ohne vorherige Kommunikation funktionieren, oder?
Oder könnte nicht z.B. auf der Internetseite eine Auswahl-Box implementiert werden, auf der man seinen Wunschbetrag eingibt und aus der dann eine Invoice erzeugt wird die dann anonym übertragen wird?