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Lightning treibt Bitcoiner zu Treuhändern zurück

Von wegen Autonomie! Die beliebtesten Wallets fürs Lightning Netzwerk sind Treuhand-Wallets, bei denen die User gar nicht in der Lage sind, ihre Schlüssel selbst zu verwalten. Das ist kein Zufall, sondern Folge des Designs. Untergräbt Lightning damit das Versprechen von Bitcoin?

Not Your Keys, Not Your Coins – nicht deine Schlüssel, nicht deine Coins. Das ist das große Mantra in der Bitcoin-Szene: Bitcoin gibt den Menschen die Gelegenheit, die Schlüssel und damit das elektronische Geld selbst zu verwahren – und damit zum ersten Mal überhaupt auch selbst zu BESITZEN. Diese Befreiung aus der Abhängigkeit von Mittelsmännern und Treuhändern ist die große humanitäre Leistung von Bitcoin.

Dieselbe Szene, die so sehr auf die eigene Verwahrung der Schlüssel setzt, wirbt gerne für das Lightning-Netzwerk, jene Offchain-Lösung, welche Bitcoin zu einem globalen, alltäglichen Zahlungsmittel skalieren soll. Lightning kann dank einiger brillanter Mechanismen tatsächlich jene Autonomie auf eine Offchain-Schicht übertragen und damit grenzenlos skalieren – in der Theorie. In der Realität zeigt sich nun, nach bald fünf Jahren, aber eine bittere Ironie: Lightning treibt die Mehrheit der User zurück zu „Banken“ – zu treuhänderischen Mittelsmännern, die anstelle der User die Schlüssel verwahren. So wie früher bei der Bank geben Bitcoiner ihr Eigentumsrecht auf – und erhalten dafür ein Versprechen einer dritten Partei.

Dies zeigt eine Recherche, die das Bitcoinblog.de durchgeführt hat. Wir haben im Google Playstore nach Lightning-Apps gesucht und danach sortiert, welche treuhänderisch sind und welche es den Usern erlauben, ihre Schlüssel selbst zu verwalten. Der Playstore zeigt für die Apps grobe Download-Zahlen an sowie die Anzahl der Reviews. Dabei kamen wir auf dieses Ranking für die zwölf laut Playstore relevantesten Lightning-Wallets:

Name Downloads Rezensionen Treuhand
Chivo >1m 29300 ja
BlueWallet >100.000 2820 ja
Wallet of Satoshi >100.000 1305 ja
Muun >100.000 1190 nein
Bitcoin Beach Wallet >100.000 394 ja
Phoenix >10.000 389 nein*
Eclair >10.000 383 nein
Breez >10.000 ? nein
Zeus >5.000 102 nein
Zap >5.000 102 nein
Pouch >5.000 ? nein
Spark >1.000 ? nein

Natürlich sind die Zahlen etwas vage. Aber sie reichen aus, um ein grobes Ranking zu gewinnen. Die mit weitem Abstand am häufigsten heruntergeladene ist Chivo, die treuhänderische Wallet der Regierung von El Salvador. Sie wurde als einzige Wallet öfter als eine Million Mal installiert. Dies weist aber nicht zwingend auf eine ebenso häufige Nutzung hin, da viele wohl nur das Geschenk von 20 Dollar abholen wollten.

Die zweite Kategorie mit mehr als 100.000 Downloads umfasst vier Wallets: BlueWallet, Wallet of Satoshi, Muun und Bitcoin Beach. Von diesen erlaubt allein Muun, die Schlüssel selbst zu verwalten. Zwar herrscht kein Mangel an weiteren nicht-treuhänderischen Wallets. Doch sie verzeichnen alle sehr viel weniger Downloads und Rezensionen und landen in der Kategorie mit mehr als 10.000 Downloads.

Das Ergebnis ist eindeutig: Treuhänderische Wallets werden häufiger benutzt. Aber woran liegt das?

Technische Komplexität

Ein Grund könnte in der Komplexität liegen. Lightning ist komplex. Das bestätigen selbst die größten Fans. Das Whitepaper ist ungefähr 90 Seiten lang, und allein schon die Erklärung, wie man die Smart Contracts für einen Payment Channel aufbaut, ist länger als das Bitcoin-Whitepaper.

Das aber ist an sich kein Problem. Technische Komplexität war noch niemals ein Fehler. So gut wie jede Technologie ist komplex. Wenn wir uns beispielsweise ein Smartphone anschauen, haben wir so viele monströs-komplexe Elemente, von der Elektrizität und dem Prozessor über Kamera, Bildschirm und Lautsprecher zum Betriebssystem und der künstlichen Intelligenz, die in der Eingabevervollständigung steckt. Nur ein winziger Anteil der Menschheit kann all das vollständig verstehen. Wenn überhaupt.

Und doch sind Smartphones durch die Welt marschiert und erreichen Menschen aller Kontinente und aller Bildungsgrade. Denn die operative Komplexität ist extrem gering. Es ist unglaublich einfach, ein Smartphone zu bedienen. Die enorme technische Komplexität erfüllt genau diesen Zweck: Sie reduziert die operative Komplexität. Dasselbe Prinzip finden wir beim Navigationssystem, das mit einer ungeheuren technischen Komplexität – Satelliten, GPS, Bildschirm, Prozessor, Akku – die operative Komplexität des Autofahrens reduziert, und im Grunde bei jeder einzelnen Technologie, die sich auf dem Verbrauchermarkt durchsetzt.

Die Operative Komplexität bei Lightning

Das Problem bei Lightning liegt nicht in der enormen technischen Komplexität – sondern in der operativen Komplexität. Diese explodiert mit Lightning förmlich. Es erfordert eine Menge Wissen und Mühe, um seine Channels selbst zu verwalten und zu sichern und um für ausreichend Liquidität zu sorgen.

Diese operative Komplexität hat zwei Folgen: Erstens verläuft die Marktdurchdringung von Lightning schleppend. Beliebte Bitcoin- oder Kryptowallets im Playstore haben oft mehr als 5 oder auch 10 Millionen Downloads, was selbst die erfolgreichen Lightning-Apps in eine Nische verschiebt. Auch bei relevanten Börsen ist Lightning kaum vertreten, und Händler, die Lightning akzeptieren, etwa CoinCards, berichten von einem geringen Anteil von Lightning-Zahlungen, etwa zwei Prozent.

Die zweite Folge ist, dass User, wenn sie denn Lightning verwenden, selten ihre privaten Schlüssel verwalten. Das ist der Zusammenhang zwischen operativer Komplexität und der demokratisierenden Kraft einer Technologie: Um die Handlungsmacht der Individuen weitläufig zu stärken, muss eine Technologie eine bestimmte Aktion einfacher machen. Da Lightning die operative Komplexität nicht reduziert, sondern erheblich erhöht, treibt sie User bei der Verwaltung elektronischen Geldes zurück zu einem Mittelsmann wie einer Bank.

Dabei arbeiten Lightning-Treuhänder weitgehend intransparent. Keine der drei großen Treuhandwallets ist reguliert, und es gibt keine Möglichkeit, die onchain-Guthaben, also echte Bitcoins, mit den Guthaben der User zu vergleichen. Lightning-Treuhänder können problemlos mit Teilreserve arbeiten, also Papier-Bitcoins erzeugen, ohne dass jemand dies merkt.

Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
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7 Kommentare zu Lightning treibt Bitcoiner zu Treuhändern zurück

  1. Das Problem das ich bei der Nutzung von Lightning wahrgenommen habe, sind die relativ hohen Kosten die an irgendeiner Stelle (Channel-Erstellung, Überweisung, …) bei allen non-custodial Wallets eingebaut sind. Das macht bei regelmäßiger Nutzung viel aus. Es ist vermutlich dadurch bedingt, dass die Channel-Liquidität zum Teil von den Wallet-Anbietern bereitgestellt werden muss und diese Liquidität ist nicht billig (man verpasst Zinsen) und risikobehaftet (die Bitcoin schwanken stark).

    Bei den custodial Wallets ist das genau andersherum. Die bekommen Liquidität zugesandt und können diese verwenden, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. Daher hat z.B. das „Wallet of Sathoshi“ extrem niedrige Gebühren. Zudem sind die UI natürlich auch viel einfacher.

  2. Ich finde das Channel Management noch nicht wirklich bequem genug und Geräte wie der Nodl werden dafür noch viel Arbeit an der Software brauchen.
    LNDG , BOS und Co müssen mit RTL und anderen Oberflächen verschmelzen damit Rebalancing sich vernünftig automatisieren lässt.
    Man möchte nicht stunden damit zubringen müssen.
    Hier und da mal ein paar Kandidaten reinwerfen für neue Channels, hier und da etwas spielen und optimieren aber die Basis sollte relativ autonom funktionieren.

    Gemeinsames Eröffnen von Channeln die automatisch ausgeglichen sind, Route Blinding, Nutzen von Taproot zur Eröffnung von Channeln, eventuell aus einem PayJoin oder Mixer wie Wabisabi&Whirlpool heraus, da kommt sicher noch einiges bevor man Lightning schön nutzen kann.

  3. Gunnar Eberlein // 1. Februar 2023 um 16:43 // Antworten

    Nehmen wir einmal optimistisch an, in einigen Jahren benutzen eine Milliarde Menschen LN. Nehmen wir weiter an, dass jeder zwei Kanäle auf seinem Smartphone hat, die im Mittel einmal im Jahr neu gestartet werden. Das ergibt vier Milliarden Layer-1-Operationen. Die Bitcoin Blockchain verkraftet aber nur 200 Millionen Transaktionen im Jahr.

    Daneben gibt es weitere Unannehmlichkeiten: Liquiditätsprobleme, permanente Kanal-Überwachung, Key-Management. Als das wird vom Treuhänder professionell erledigt. Da LN hauptsächlich für kleinere Zahlungen verwendet werden wird, sollte man sich hier keine Sorgen machen. Für größere Geldbewegungen und Store-of-Value dient ja weiterhin die Blockchain.

    • Daneben gibt es weitere Unannehmlichkeiten: Liquiditätsprobleme, permanente Kanal-Überwachung, Key-Management.

      Aufgrund des „traveling salesman problems“ würde ich bei Lightning langfristig noch die Möglichkeit zunehmender „Zentralisierung“ in die Liste mit aufnhemen.

  4. Ich denke wir haben auch die Möglichkeit von gemeinschaftlichen Transaktionen die deutlich attraktiver werden wenn wir Cross Input Signature Aggregation mit Taproot umsetzen.
    Dann bekommen wir das Limit durchaus noch ein wenig nach oben.

  5. Sehr guter Artikel, der einmal mehr aufzeigt, dass sich ein Verlassen auf Layer2 nicht nachhaltig auszahlt. Ich persönlich bin kein Fan von Lightning, da es viele Grundprinzipien von Bitcoin auflöst oder zumindest behindert. Das fängt schon bei der Interaktivität an, die bei Bitcoin selbst nicht vorausgesetzt wird, bei Lightning schon. Andererseits müssten wir ohne Lightning Bitcoin bereits als gescheitert deklarieren, denn es ist weiterhin nicht skalierbar. Auch Lightning löst das Problem nur bedingt, denn es braucht ordentlich OnChain Kapazität für die Eröffnung, Schließung und Rebalancing der Channels.

    Ich persönlich bin weiterhin ein Fan von OnChain Skalierung, allerdings nicht unkontrolliert, sondern planbar für Betreiber der Infrastruktur. BSV hat bewiesen, wie es nicht geht, selbst BCH oder Litecoin sehe ich da deutlich sinnvoller… Aber auch die haben keinen nachhaltigen Skalierungsplan.

    • Ich hab mich mal bewusst triggern lassen.

      Ich persönlich bin weiterhin ein Fan von OnChain Skalierung, allerdings nicht unkontrolliert, sondern planbar für Betreiber der Infrastruktur.

      Du bist also für onchain Skalierung und hättest das gerne geplant und kontrolliert?
      Wer plant und kontrolliert das dann?
      Ist das dann Planwirtschaft oder nicht?

      Amazon und Netflix können auch nicht wirklich planen, wie viele Menschen Abends vor dem Fernseher sitzen und streamen. Aber sie haben Daten mit Durchschnitsswerten, Extremwerten und Ausreißern und haben gelernt damit umzugehen.
      Sollte es langfristig mehr Nachfrage nach diesen Services geben, dann erhöht der Markt Aufgrund der finanziellen Anreize normalerweise das Angebot entsprechend. Oder man erhöht als Anbieter die Preise und dadurch sinkt die Nachfrage entsprechend.
      Für gewöhnlich wird aber das Angebot erhöht, weshalb es weltweit bislang eine beständige Zunahme an Servern und Datencentern gibt.
      Das gleiche gilt für etliche andere digitale Unternehmungen.

      BSV hat bewiesen, wie es nicht geht, selbst BCH oder Litecoin sehe ich da deutlich sinnvoller…

      Diese Aussage ist de facto falsch. BSV hat bislang bewiesen, dass z.B. 1GB Blöcke durchaus möglich sind und auch noch mehr geht. Wie viel am Ende durchschnittlich möglich ist und wo der Peak liegt, wird die Zukunft zeigen.

      Inwiefern ist BCH mit einem 32MB Block Limit sinnvoller als eine Blockchain mit theoretisch endlos großen Blöcken?

      Hätte ich die Wahl zwischen zwei Computersystemen, eines mit 1 Megahertz (BTC), eines mit 32 Megahertz (BCH) und ein anderes mit 1 Gigahertz Prozesor (BSV), dann würde ich mich für das 1 Gigahertz System entscheiden.
      Denn während ich mit dem 1GHz System auch die Anforderungen von 32Mhz und 1MHz abdecke, geht das umgekehrt nicht.
      Natürlich gäbe es Anwendungsgebiete für solche „langsamen“ Systeme, vor allem wenn man nur simple Prozesse steuern möchte (Uhr, Bewässerungssystem, Jalousien,…).
      Aber ich als Entwickler hätte wenig Lust, Tage oder Monate zu warten, bis mein Code kompiliert, nur weil jemand in der Vergangenheit die Prozessorgeschwindigkeit willkürlich auf maximal 32 Megahertz festgelegt hat (RAM und Storage wären auch auf entsprechend niedrigem Niveau; in dem Fall wäre dann vermutlich auch die Softwareentwicklung „stagniert“ und man würde keinen Code schreiben, der so lange kompilieren müsste; hätte vermutlich den Vorteil, dass Software effizienter wäre).

      Das es für beide Systeme unterschiedliche Anwendungsgebiete gibt, lasse ich mir eingehen. Aber wie man so absolut und verallgemeinernd 32MHz (BCH) über 1GHz (BSV) stellen kann erschließt sich mir nicht.

      Was am Ende das sinnvollste ist, wird langfristig der freie Markt und der Wettbewerb entscheiden.

      Um noch auf das oben erwähnte Beispiel von Netflix zurückzukommen: die haben z.B. hohe Investitionen getätigt und haben deshalb viele Schulden. Ob sich das langfristig rechnet wird sich zeigen. Ich persönlich würde da im Augenblick keinerlei Prognose abgeben, weder dafür, noch dagegen.
      Ob sich das bei BSV Nodes irgendwann rechnet wird sich auch zeigen. Aber eine Unternehmung die in den ersten Jahren ein Verlustgeschäft ist, ist nicht unbedingt eine Seltenheit.

      Aber auch die haben keinen nachhaltigen Skalierungsplan.

      Was ist denn ein „nachhaltiger“ Skalierungsplan?
      Wer bestimmt welcher Plan „nachhaltig“ ist, wenn nicht der freie Markt und der Wettbewerb?

      Und damit der freie Markt das kann, muss man zwangsläufig unterschiedliche Skalierungsmethoden langfristig ausprobieren.

      Zudem hat der freie Markt im technischen Sektor bislang durch exponentielles Wachstum bei Rechengeschwindigkeit, Speicherkapazität und Datenübertragung ziemlich Eindrucksvoll gezeigt, wie man skaliert.

      *********

      Kann es sein, dass du aus persönlichen Gründen etwas gegen BSV und große Blöcke hast?
      Und auch gegen den Versuch herauszufinden, wo da die Grenzen liegen?
      Denn mir erschließt sich der Sinn nicht so wirklich, wie man noch nicht einmal Interesse daran haben kann, herauszufinden wo die technischen Limitierungen liegen?!
      Vor allem wenn du das nicht finanzieren musst.

      Ich bin z.B. auch kein großer Fan von BTC+Lightning, aber wenn Mastercard, AXA & Co bereit sind das Experiment zu finanzieren, meinetwegen. Da kann man so oder so etwas daraus lernen und vermutlich gibt es auch für Lightning irgendwo Anwendungsgebiete. Vielleicht sogar für 1 MB Blöcke, wer weis…

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