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Nach Samourai-Verhaftung verlassen auch Wasabi und Phoenix den US-Markt

Bild von eXploration Etoile via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die vergangene Woche endete mit einem harten Schlag gegen die Privatsphäre von Bitcoin-Usern: Die beiden Gründer der Privacy-Wallet Samourai wurden in den USA verhaftet. Weil die Klage auch neu sortiert, was Bitcoin-Wallets dürfen, wenden andere Wallet schon jetzt dem „Land der Freiheit“ den Rücken zu.

Am 25. Mai verkündigte die Generalstaatsanwaltschaft von New York die Festnahme von Keonne Rodriguez (35) und William Lonergan Hill (65). Die beiden US-Bürger haben die Wallet Samourai gegründet. Sie werden nun angeklagt, einen nicht-lizensierten „Money Transmitter“ betrieben und die Geldwäsche von mehr als 100 Millionen Dollar orchestriert zu haben.

Jedem, der sich mit Bitcoin und Privatsphäre beschäftigt, dürfte Samourai ein Begriff sein. Die 2015 gegründete Wallet soll explizit die Privatsphäre von Bitcoin-Nutzern verbessern. Dafür haben die Entwickler zwei Features integriert, Richochet 2017 und Whirlpool 2019. Vor allem wegen dieser beiden Werkzeuge droht ihnen nun eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren wegen Anstiftung und Beihilfe zur Geldwäsche.

Explosiver könnte jedoch ein weiterer Klagepunkt sein: Hill und Rodriguez wird vorgeworfen, ohne Lizenz als „Money Transmitter“ tätig gewesen zu sein. Mit diesem Punkt definiert die Anklage den „Money Transmitter“, also ein Unternehmen, das im Auftrag seiner Kunden Geld empfängt und ausgibt, auf eine beunruhigende Weise neu – und dies wird Folgen haben, die weit über Samourai und andere Privacy Wallets hinaus reichen.

Aber beginnen wir mit den näherliegenden Fakten, bevor wir darauf zurückkommen.

Ricochet und Whirlpool – an sich nicht illegal

Samourai gibt den Usern zwei Werkzeuge zur Hand, um ihre Privatsphäre zu verbessern: Ricochet erlaubt es, zusätzliche Transaktions-Sprünge einzufügen, was es etwa für Börsen schwieriger macht, beweisbar nachzuvollziehen, aus welchen Quellen Bitcoins stammen.

Whirlpool hingegen ist ein dezentraler Mixer. Die User können die Bitcoins in ihrer Samourai-Wallet in einen Pool hinein legen und aus diesem entnehmen. Ein externer Beobachter kann im Idealfall Einlage und Ausgabe nicht verbinden, und wenn, dann nur mühsam und mit hoher Ungewissheit.

Zunächst sollte daran nichts illegal sein. Eine Software zu entwickeln und zu verwalten, ist nach den gängigen Gesetzen und Vorschriften weder in der EU noch in den USA illegal. Daher fallen weder die Hersteller von Hardware-Wallets noch die Entwickler von Software-Wallets unter ein regulatorisches Regime, und es herrscht ein relativ weitreichender Konsens, dass dem so bleiben sollte.

Ohne weitergehende Vorwürfe dürfte die Anklage also ziemlich fragil sein.

Mit einem Server bewusst Geldwäsche zugelassen

Die Samourai-Entwickler haben offenbar die Grenze zwischen Software und Dienstleistung nicht klar genug gezogen. Sowohl bei Whirlpool als auch Ricochet war ein zentraler Server involviert. Bei Whirlpool verwaltete er den Liquiditätspool, bei Ricochet komponierte er Transaktionsketten.

Beide Server wurden vom Samourai-Team betrieben, aus beiden haben die Entwickler Gebühren bezogen, von Whirlpool insgesamt drei, von Ricochet eine Million Dollar. Teile der Einnahmen der Entwickler liegen als Liquidität in Whirlpool, wo sie aus Gebühren weitere Einnahmen erwirtschaften.

Indem Samourai also einen Server betrieb, wurde es zum aktiven Teilnehmer der Transaktionsverschleierung. Indem es zudem Gebühren vereinnahmte, machte es dies in unternehmerischer Absicht.

Erschwerend kommt für Samourai hinzu, dass die Gründer offenbar gewusst haben, dass ihre Software verwendet wird, um kriminelle Gelder zu waschen. Sie haben dies nicht nur wissentlich zugelassen, sondern ausdrücklich befördert. Mal haben sie auf Twitter neue russische Oligarchen begrüßt, nachdem die EU und die USA Sanktionen verhängt haben; ein andermal hat ein Samurai-Entwickler in einem privaten Chat erklärt, dass man sich auf schwarzen und grauen Märkten konzentriere; dann fordern sie Nazis auf, ihre Wallet zu verwenden, brüsten sich in Werbematerialien damit, Einnahmen aus der Geldwäsche von schwarzen und grauen Märkten zu beziehen, und so weiter.

Die Klageschrift wirft den beiden vor, es versäumt zu haben, trotz dieses Wissens um den Missbrauch keine Maßnahmen gegen ihn eingeleitet zu haben. Die Entwicklung von Software, könnte man vermuten, ist an sich nicht strafbar, kann es aber werden, wenn man als Entwickler bewusst hinnimmt, dass sie für kriminelle Handlungen missbraucht wird.

Maßgeblich jedoch dürfte das Betreiben eines zentralisierten Services sowie die Einnahme von Gebühren aus der Geldwäsche entscheiden. Wer aktive Dienstleistungen erbringt, durch die Geld gewaschen wird, und wer zudem von diesen Dienstleistungen profitiert – der betreibt Geldwäsche.

Beide Grenzziehungen sind aber schwammig, und man kann nur hoffen, dass der Gerichtsprozess sie möglichst klar zieht. Ansonsten droht eine massive Verunsicherung.

Kein Treuhänder, aber dennoch Money Transmitter

Wirklich explosiv wird die Klage aber eher durch eine Nebenbaustelle: Sie wirft Samourai auch vor, es versäumt zu haben, sich als „Money Transmitter“ anzumelden. Warum Samourai aber ein solcher Money Transmitter ist, erklärt die Klageschrift nicht.

Bisher herrschte in der Krypto-Branche der starke Glaube, dass man, um Money Transmitter zu werden, die Verfügungsgewalt über das Geld der Kunden ausüben, also als Treuhänder auftreten müsse. Wenn man jedoch als Wallet keine solche Treuhand wahrnimmt, weil die User die privaten Schlüssel selbst speichern, sollte man kein Money Transmitter sein und damit auch nicht den Auflagen unterliegen. Auf dieser Faustregel baut das juristische Selbstverständnis weiter Teile der Kryptobranche auf.

Die Klage gegen Samourai greift dieses Selbstverständnis an: Samourai hatte zu keinem Moment einen Zugriff auf die Bitcoins der Nutzer – gilt der Justiz aber doch als Money Transmitter. Warum genau, ist wie gesagt unklar, und man kann auch hier nur hoffen, dass ein Gerichtsprozess mehr Klarheit erzwingt.

Der enge Verwandte türmt bereits

Andere Bitcoin-Startups haben die Nachricht jedoch schon jetzt sehr wohl verstanden. So hat die Wasabi Wallet, die sich wie Samourai der Privatsphäre verpflichtet fühlt, angekündigt, Bürger und Einwohner USA zu blocken. US-Amerikaner können die Webseite nicht länger aufrufen und die Wallet weder herunterladen noch benutzen. Auch alle damit verbundenen Produkte und Dienstleistungen, etwa die API und RPC-Zugänge, werden blockiert. Als Erklärung dafür nennt Wasabi relativ knapp „neue Ankündigungen von US-Behörden“.

Wasabi hat starke Ähnlichkeiten mit Samurai: Es ist eine Wallet, die einen Mixer integriert hat, der über das eigentlich dezentrale CoinJoin-Verfahren läuft, aber einen zentralen Koordinator enthält, der eine Gebühr verdient und – so vermute ich – von Wasabi selbst betrieben wird. Man kann gut verstehen, dass Wasabi angesichts der Klage gegen Samourai kalte Füße bekommt.

Phoenix hat auf den ersten Fall nichts mit Samourai gemeinsam

Ein anderer Fall ist dagegen die Phoenix Wallet. Es handelt sich hierbei um eine Lightning Wallet, die als ausgesprochen nutzerfreundlich gilt. Phoenix erlaubt es seinen Usern, per Lightning Geld empfangen kann, ohne bereits einen Lightning Payment Channel zu haben. Dies geschieht durch eine Art simulierten Channel vom Knoten von Phoenix.

Dieser Mechanismus bringt den Betreiber der Wallet, das französische Startup Acinq, in eine ähnliche Situation wie Samourai und Wasabi: Die Wallet hält keine Bitcoins für ihre Kunden und hat niemals Zugriff auf deren private Schlüssel – aber sie leistet einen aktiven Beitrag dazu, Transaktionen zu bilden und auszuführen.

Mit diesem an sich nicht-treuhänderischen Service geht Phoenix ein Stück über das hinaus, was andere Wallets, einschließlich Hardware-Wallets, anbieten. Der Server fragt nicht nur Guthaben ab und leitet Transaktionen weiter – er wirkt aktiv mit, Transaktionen zu bilden.

In jedem Fall scheint man auch bei Acinq die Botschaft aus den USA verstanden zu haben. Kurz nach der Verhaftung der Samurai-Entwickler kündigt Phoenix an, die Wallet aus den App Stores in den USA zu nehmen und empfiehlt allen US-Amerikanern, die Wallet vollständig zu leeren.

Die Spielregeln, wann eine Wallet in den USA reguliert wird, ändern sich derzeit offenbar. Die Samourai-Wallet war wegen ihrer offensichtlichen Bereitschaft, Geldwäsche zu befördern, ein leichtest erstes Ziel. Aber sehr wahrscheinlich nicht das letzte.


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9 Kommentare zu Nach Samourai-Verhaftung verlassen auch Wasabi und Phoenix den US-Markt

  1. Wolfgang Lohmann // 29. April 2024 um 15:39 // Antworten

    Money Transmitter Definition: https://www.ecfr.gov/current/title-31/subtitle-B/chapter-X/part-1010/subpart-A/section-1010.100#p-1010.100(ff)(5)

    Ich bin seit Jahren der Meinung, dass Lightning Nodes darunter fallen oder sie zumindest sie einer gewissen Gefahr ausgesetzt sind, als solche angesehen zu werden.
    Aber ich bin kein Jurist, und bisher hat man mir recht oft widersprochen. 🙂

    • Danke für den Link. Interessant, dass sich der klassische Fiat Markt gleich ein paar Ausnahmen hat hineinschreiben lassen:

      shall not include a person that only … (C) …or otherwise acts as an intermediary solely between BSA regulated institutions …
      Aber gut, die sind ja vielleicht bereits anderweitig ausreichend reguliert.

      Aber nach

      (D) Physically transports currency …

      dürfen die klassischen Methoden der undigitalisierten Mafia, oder Helmut Kohls berühmte gewordener schwarze Koffer voller Bargeld, also weiterhin vollkommen anonym stattfinden. Das wird die alten Herren freuen.

      Und die Politik läuft dann auch so weiter wie geschmiert. Wie schön.

  2. Desweiteren in

    (A) … currency, funds, or other value that substitutes for currency from one person and the transmission of currency, funds, or other value that substitutes for currency

    Hm, heisst das, Bitcoin ist jetzt endgültig in den Stand als currency – oder so was ähnliches – gehoben und keine Commodity mehr?
    Oder müssen sich jetzt auch Händler die sich eine Charge Sand oder eine Tonne Kartoffeln hin und her schieben, als Money Transmitter begreifen und die Travel Rule befolgen?

    IMHO wird – trotz der im Falle Samurai vielleicht nachvollziehbaren Gründe – mit Panzern auf Tante Emma geschossen, und die klassischen Grossen lässt man weiter laufen.

    Und ach ja, alles, was die USA jetzt ausprobieren, gibts demnächst auch im Kino um die Ecke. Sonst ergäbe das alles ja keinen Sinn.

  3. In zwanzig Jahren, wenn Bitcoin für alle unverzicht geworden sein wird, kommt BIP 21.00.00 und mixt mal vorm Hashen innerhalb eines Blocks ordentlich alles durcheinander, oder auch nicht. Und keiner kann mehr was dagegen tun.

  4. MONERO

    Ich war die letzten Tage leider offline, weil ich nicht wusste, wo ich den Feiertag mitten in der Woche anhängen soll, also hab ich das Wochenende davor und danach verlängert 😉

    Trotzdem vielen Dank für den Artikel und die nachfolgenden, die Ereignisse überschlagen sich gerade…

    Samourai Takedown war nur der Anfang, Wasabi hat selbst aufgegeben, wahrscheinlich nach intensiver Beratung mit Rechts“pflegern“. Damit gibt es abseits Joinmarket keinerlei Möglichkeit, Bitcoin Non-Custodial irgendwie anonym zu nutzen. Hart.

    Die US-Justiz macht aktuell aber tatsächlich Nägel mit Köpfen, denn auch die Anschuldigungen gegenüber Roger Ver (auch wenn ich sein Fan war) sehen an den Haaren herbeigezogen aus, zumal er seine Staatsbürgerschaft längst abgelegt hat. Wäre unser Lindner mal so konsequent, dann könnten wir uns den Soli und noch viel mehr ersparen…

    Die Frage ist halt, wie wir mit Code umgehen. Die FSF hat vor zig Jahren erwirkt, dass Code als freie Meinungsäußerung gilt (davor PGP Ban usw.) und das wurde unter Anderem hier besprochen: https://www.youtube.com/watch?v=h-t4lmHcXqw

    Was kann man den Gründern vorwerfen? Ihre Werbung, tatsächlich dumm, nichts hinzuzufügen. Ihre Gebühren? Notwendig für die Entwicklung. Egal, ob ich Transaktionsgebühren nehme oder eine „Dev Tax“ berappe, es ist am Ende das Selbe. Selbst die Spenden bei Monero könnten als Profitgier gelten…

    Was nun? Bitcoin ist als Transaktionslayer für mich gestorben. Ich halte heute 0,0000000 BTC. Ich glaube auch nicht mehr daran, dass Bitcoin die Welt verändern wird. Eine Privacy auf dem Base Layer wird es nicht mehr geben, dagegen stehen mittlerweile die großen Finanzakteure wie ein grenzdebiler Saylor (er ist nicht debil, er sucht nur nach Profit für seine ansonsten abstürzende Firma) und die Wallstreet. Allgemein verwaltet Coinbase (ein US-Unternehmen, natürlich Full-KYC) einen Großteil der Bitcoins…

    Leute, gebt den Kampf nicht kampflos auf!

  5. Es gibt keinen Kampf. Und der wird auch sicher nicht kampflos begonnen werden.

    Der allergrößte Teil der Menschheit kämpft täglich uns überleben. Bring denen mal bei, dass Privatsphäre ein hohes Gut ist. Du lebst in einem großen weggeworfenem Waschmaschinenkarton? Hast aber ein Handy – mit Internet natürlich. Glaubst du tatsächlich, das es dann wichtig ist, dass die Supermächtigen wissen, dass du in einem Fass glücklich leben kannst?

    Mit Bitcoin können die ärmsten der Armen, egal wie gering es auch sein mag, auf ihrem Handy sparen. Sie können sogar mit zwölf gemerkten Wörter ihr allerkleinsten Reichtum sichern. Bitcoin kann das mittlerweile leisten. Monero nicht.

    Unsere Wette läuft.

    • Hans Frosch // 6. Mai 2024 um 16:01 // Antworten

      „Bitcoin kann das mittlerweile leisten.“

      Klares Nein! Wenn du zu den ärmsten der Armen gehörst, wirst du nicht bereit sein, für eine Handvoll Mehl 10 € Transaktionsgebühren zu bezahlen.

    • Da bist Du jetzt aber geschickt zur Seite ausgewichen, Eddi 😉

      Natürlich gibt es z.B. auch hierzulande einen Kampf um Privatspäre. Und nur weil arme Menschen in anderen Teilen der Welt nicht den Fokus darauf oder gar die Mittel dazu haben, ist der Kampf für Privatsphäre ja noch lange nicht sinnlos. Nicht mal für diese armen Menschen aus Deinem Beispiel! Für diese müssen wir den Kampf nur mitkämpfen, da sie es nicht können.

    • Leider trifft all das auf Bitcoin nicht mehr zu. Bitcoin ist nicht mehr für alle verfügbar, denn viele können sich schlichtweg die Kosten nicht leisten. DCA & co. „funktionieren“ nur in Treuhand.

      Ja, es gibt Menschen die unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, ich habe ein bisschen der Welt bereist und tatsächlich auch Menschen gesehen, die keinen Karton hatten. Nichtsdestotrotz habe ich immer versucht, zu helfen und da geht es nicht immer nur um Geld. Wenn wir Privilegierte den Kampf um Privatsphäre aufgeben, dann ist er tatsächlich im Keim erstickt. Diejenigen, die ihn nicht führen können, fordere ich auch nicht dazu auf…

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