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Ein geleakter Gesetzesentwurf beschreibt die Pläne der EU für einen digitalen Euro

Europäische Zentralbank. Bild von Kiefer via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Es wird konkret: Die EU-Kommission hat einen ausführlichen Gesetzesentwurf zur Einführung eines digitalen Euro verfasst. Wir haben ihn gelesen – und sind nicht ganz so überzeugt.

Nachdem die Organe der Europäischen Union lange unschlüssig waren, ob ein digitaler Euro eingeführt werden soll, scheint sie sich nun für das Projekt entschieden zu haben. Zumindest zeigt dies ein Gesetzesentwurf, mit dem die EU-Kommission sich an das Parlament und den Rat wendet. Zwar hat der Entwurf noch einen langen Marsch durch die bürokratischen Mühlen der europäischen Gesetzgebung vor sich. Doch der erste Schritt ist getan.

Uns gibt dies die Gelegenheit, einige Merkmale des geplanten digitalen Euros zu erkennen.

1.) Ein rein defensives Projekt

Schon die Präambel des Papiers verrät einen dramatischen Mangel an positiven Visionen und Ideen, wofür ein digitales Bargeld nützlich ist.

Die EU stellt einen Wandel hin zu digitalen Zahlungen in der EU fest und fürchtet, dass dies die „erwünschte Balance zwischen Geld der Zentralbank und privaten digitalen Zahlungsmitteln aus dem Lot bringt.“ Dieser Trend könne sich in Zukunft durch digitale Währungen anderer Zentralbanken (CBDC) sowie Stablecoins intensivieren. Ferner könne das Fehlen eines von der Zentralbank herausgegebenen digitalen Euro das Vertrauen in diese und damit in den Euro unterminieren.

Diesen negativen, defensiven Zielen steht in dem gesamten Papier so gut wie kein positives Ziel gegenüber. Wenn, dann bleibt es vage, wie die Modernisierung des Zahlungswesens, die Innovationsfähigkeit der EU oder den Einsatz in der „Industrie 4.0“, wobei freilich nirgendwo konkretisiert wird, weshalb hier ein Digitaler Euro der Zentralbank vonnöten sei.

2.) Der digitale Euro soll gesetzliches Zahlungsmittel werden

Wie Papiergeld und Münzen soll der digitale Euro ein gesetzliches Zahlungsmittel werden. Es soll eine grundsätzliche Annahmepflicht bestehen, doch es werden Ausnahmen gewährt, etwa für kleine Unternehmen oder die Schuldrückzahlung an Einzelpersonen. Dabei soll der digitale Euro dass bestehende Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen.

3.) Herausgabe nur durch Intermediäre

Die EU plant nicht, dass die Bürger ein direktes Konto für den digitalen Euro haben. Die Europäische Zentralbank ist Herausgeberin des digitalen Euro und führt das Kontobuch der Transaktionen. Doch die User sollen den Weg über Finanzdienstleiter gehen, eine direkte Verbindung zwischen ihnen und dem System der EZB ist explizit ausgeschlossen.

Wenn Finanzdienstleister Konten für den Zahlungsverkehr bereitstellen, sollen sie in der Pflicht stehen, ihren Kunden auf Wunsch auch den digitalen Euro zur Verfügung zu stellen. Andere Finanzdienstleister, etwa Krypto-Unternehmen, sind nicht verpflichtet, aber berechtigt, den digitalen Euro zu führen. Einem reibungslosen Wechseln der Intermediäre sollen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden.

4.) Zahlungen sollen in Echtzeit und auch offline ablaufen

Die Zahlungen mit dem digitalen Euro sollen in Echtzeit bestätigt werden. Das Gesetz betont auch, dass er, so wie Bargeld, auch offline funktionieren soll, wobei die Zahlungen erst finalisiert werden, wenn das Kontobuch später aktualisiert wird, also wenn die Parteien wieder online sind. Wie dies technisch zuverlässig und sicher möglich ist, überlässt der Gesetzesentwurf anderen Experten.

5.) Nicht programmierbar – aber anschlussfähig an programmierbare Schnittstellen

Der digitale Euro soll kein programmierbares Geld sein, sondern funktional schlicht und in seinen Einheiten fungibel bleiben. Dennoch sollen über programmierbare Schnittstellen Zahlungen programmierbar und automatisierbar gemacht werden. Während konditionale Zahlungen also nicht auf der grundlegenden Schicht möglich sind, sollen sie auf der Ebene der Intermediäre machbar sein.

6.) Die Quadratur des Kreises in der Privatsphäre

Besonders rätselhaft sind die Vorstellungen der EU zur Privatsphäre des digitalen Euros. Auf der einen Seite soll das Gebot der Datensparsamkeit gehören. Der digitale Euro nahezu ebenso privat sein wie herkömmliches Bargeld. Sowohl Intermediäre als auch die EZB sollen nur die für eine Zahlung absolut notwendigen Daten erhalten, und es soll sichergestellt werden, „dass Daten nicht direkt durch die EZB oder nationale Zentralbanken mit identifizierten Usern verbunden werden.“

Zugleich sollen aber Betrug, Geldwäsche und Terrorfinanzierung verhindert werden. Eine Unterscheidung macht das Gesetz zwischen Online- und Offline-Transaktionen: Da Offline-Transaktionen nur bei gleichzeitiger Anwesenheit möglich sind, tragen sie ein geringeres Geldwäscherisiko. Daher werden bei ihnen weder die EZB noch die Zahlungsdienstleister Zugang zu persönlichen Daten erlangen. Der Wechsel von online zu offline soll so ähnlich behandelt werden wie die Auszahlung von Bargeld an einem Geldautomaten: es soll Limits geben, und verdächtige Abhebungen sollen den Organen der Finanzüberwachung gemeldet werden.

7.) Kein Wertspeicher

Es ist nicht beabsichtigt, dass Bürger den digitalen Euro als Wertspeicher nutzen. So sollen keine Zinsen auf ihn gezahlt werden, und es ist geplant, das Guthaben von Wallets zu begrenzen. Inwieweit es Innovationen hilft, diese Funktion des Geldes a priori auszuschließen, wird nicht explizit erwähnt.

8.) Verbindung mit der Digital Identity Wallet

Der digitale Euro soll mit der „Digital Identity Wallet“ verbunden werden können. Dies soll aber nicht obligatorisch sein, sondern eher helfen, weitere Funktionen freizuschalten. Die „Digital Identity Wallet“ ist ein Versuch, eine digitale europäische Identität zu schaffen, der bisher aber weitgehend ergebnislos versandet ist und vermutlich einen Platz neben dem Digitalen Führerschein und der DE-Mail hat.

Über Christoph Bergmann (2641 Artikel)
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2 Kommentare zu Ein geleakter Gesetzesentwurf beschreibt die Pläne der EU für einen digitalen Euro

  1. “Nicht obligatorisch”, “Ergänzen, nicht ersetzen”.

    Jaja, mit so einem Blabla beginnen Sie immer…
    nothing is more permanent then a temporary government program

  2. In der Überschrift : “- und sind nicht ganz so überzeugt”
    Von was denn überzeugt ?

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