Transparenz ist gefährlich: Russischer Geheimdienst verhaftet Bürger wegen Krypto-Spende an die Ukraine

In Russland verhaftet der Geheimdienst einen Bürger, weil er mit Kryptowährungen an die Armee der Ukraine gespendet hat. Derweil explodiert das Volumen eines Krypto-Handelspaares während des Wagner-Putsches.
Der russische Geheimdienst FSB hat einen Einwohner der Region Chabarowsk festgenommen, im fernen Osten Russlands, nahe der Grenze zu China.
Dem Festgenommenen wird vorgeworfen, Kryptowährungen an die Armee der Ukrane gespendet zu haben, damit diese sich Drohnen, Nachtsichtgeräte, Munition und Medizin kaufen kann. Die Spende ging nicht direkt an die Armee, sondern über eine dritte Partei, die in der Ukraine lebt.
Der FSP versteht die Geldspende als Landesverrat. Der Geheimdienst veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie der Beschuldigte verhaftet und vom Gericht vorläufig schuldig gesprochen wird. Es handelt sich bei dem Verhafteten um Alexander Vecherko, geboren 1968 in der westukrainischen Stadt Winnyzja. Er ist nun in Moskau in Untersuchungshaft.
Vecherko ist nicht der erste Einwohner der Region, der für eine Spende an die Ukraine mit dem Preis seiner Freiheit bezahlen muss. Schon im März dieses Jahres nahm der FSB einen Aktivisten der “I / We are Furgal”-Bewegung fest, welche gegen die Vorwürfe des Moskau-untreuen ehemaligen Governeuers Sergej Furgal protestiert. Der namentlich nicht genannte Aktivist habe, so der FSP, aus “politischem Hass” Geld an die Ukraine geschickt. Der Region an der Grenze zu China scheint es generell an Patriotismus gegenüber dem Kreml zu fehlen.
Der Fall gibt uns einen kleinen Ausschnitt darauf, wie Kryptowährungen unter den extremen Bedingungen des finanziellen Widerstands gegen eine Diktatur funktionieren – noch nicht so gut. Er erinnert auch daran, dass alle Maßnahmen, mit denen Anonymität bei Kryptowährungen im liberalen Westen unterwandert wird, auch denen schadet, die sich durch sie vor der monetären Repression einer Tyrannei schützen wollen.
Welche Kryptowährung Alexander Vecherko nutzte, ist nicht bekannt. Man darf aber annehmen, dass es kein Privacycoin wie Monero war und keine Transaktion über Lightning. Beides hätte sehr wahrscheinlich verhindert, dass er vom FSP verhaftet worden wäre. Privatsphäre war hier die Voraussetzung für Freiheit.
Man könnte darauf tippen, dass er Tether-Dollar verwendet hat. Der Stablecoin scheint in Russland mittlerweile eine wachsende Rolle zu spielen. Darauf deuten die Daten zum Handelsvolumen hin. Als am vergangenen Wochenende Jewgenij Prigoschin seinen Putsch aufführte (oder was auch immer), gab es plötzlich eine Volumenspitze bei einem Handelspaar: Rubel gegen Tether auf Binance. Das Handelsvolumen stieg von 2 auf 8,5 Millionen Dollar, sackte dann aber wieder so schnell ab, wie der „Putsch“ vorbei war.
Erstaunlicherweise ist beim Währungspaar Rubel-Bitcoin keine solche Spitze zu sehen. Eventuelle Ängste, dass der Marsch des Söldnerführers auf Moskau zu einem Verfall des Rubels oder einem Kollaps der russischen Wirtschaft führen, treiben russische Bürger also eher zu Tether als zu Bitcoin.
Selbstverständlich sind die zur Verfügung stehenden Daten extrem dünn. Der Krypto-Handel in Russland war schon immer sehr informell, verschwand aber seit dem unprovozierten Angriffskrieg gegen die Ukraine fast vollständig im Underground. Das Klima in Russland wird repressiver, und alle Börsen, die mit den um Welten wichtigeren westlichen Märkten kompatibel bleiben wollen, entfernen den Rubel. Die Sanktionen wirken.
Trotz der schwachen Datenbasis ist es plausibel, dass die USDT in Russland seit Kriegsbeginn an Bedeutung zunehmen. Schon vorher gab es Belege, dass Tether im grauen chinesisch-russischen Grenzhandel eine Rolle spielen; seitdem gibt es wiederholt Hinweise, dass Russen Tether benutzen, um Sanktionen zu unterlaufen. Im Falle eines Kollapses der russischen Wirtschaft und einer Hyperinflation des Rubels – für die es derzeit keine Hinweise gibt – könnte der Dollar durch Tether vorübergehend und ohne grünes Licht der US-Zentralbank zu einer brauchbaren Ersatzwährung werden. Das ist sehr hypothetisch, könnte aber ausreichen, um die Volumenspitze während des „Putsches“ zu erklären.
Ob nun Tether auf Ethereum oder Bitcoin direkt, spielt eine untergeordnete Rolle. Beide Netzwerke sollten sich irgendwann klarmachen, dass es ohne standardmäßige Privatsphäre für alle Transaktionen mit finanzieller Freiheit nicht weiter geht. Selbst das von mir verhasste und gemiedene PayPal hat bessere Privatsphäre und bei einer Transaktion weiß nur PayPal (und seine Partnerunternehmen) davon, nicht aber die ganze Welt. Klar gibt es mittlerweile mehr oder weniger gute Tools dagegen, ob CoinJoin oder Lightning, aber ersteres bläht die Blockchain extrem auf, was ich noch nichtmal als Problem sehen würde, aber bei einem harten Limit doch, zweiteres ist allenfalls für Micropayments nutzbar, selbst nach etlichen Jahren und selbst Hardcore Self-Custody Maxis landen doch bei fremdverwalteten Wallets:
https://twitter.com/janowitz/status/1673873225208430592
Bei Ethereum sieht man zumindest Bemühungen, mehr Privatsphäre aufs Protokoll zu bringen und diskuttiert Zero Knowledge Proofs, man macht sich Gedanken zum Scaling (auch wenn ich jetzt kein großer Fan von PoS bin), bei Bitcoin verharrt man auf Designentscheidungen von vor zwei Dekaden und feiert sich dafür. Das kann noch ein paar Jahre gut gehen, spätestens aber bei 2-3 Halvings kaum noch vorstellbar.
Deswegen sticht für mich Monero auch so hervor… Kontinuierliche Verbesserung des Protokolls und selbst wenn man unangefochtener “Privacy” Coin ist, strebt man nach mehr und denkt schon über das nächste “Seraphis” Update weiter an “Full Membership Proofs”, die Ringsignaturen als schwächstes Glied der Privatsphäre endlich obsolet machen sollen und jede Transaktion die gesamte Blockchain als anonymity Set haben, ähnlich zu Zcash, welches aber “nur” den jeweiligen privaten Pool hat, welcher nicht allzu frequent genutzt wird. Auch zur Skalierbarkeit macht man sich ständig gedanken, obwohl Dank dynamischer Block Size und dynamischen Fees eine Skalierung von Stand heute auf 100x oder sogar 1.000x ohne Protokolländerung machbar sein sollte.
Ich würde mich sogar gerne wieder mehr für Bitcoin einsetzen, wenn nicht NgU das wesentliche Thema wäre und Verbesserungen auf offene Ohren treffen würden.