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Der Franken als Stablecoin: Utility für die Bitcoin-Technologie

Ralf Zellweger von Centi. Bildrechte bei Ralf, für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.

Centi aus der Schweiz gibt einen digitalen Franken heraus, der durch die Schweizer Bankgarantie gedeckt ist. Das Startup bietet nun auch einen „Stablecoin as a Service“ an, wodurch andere Anbieter seine Plattform nutzen können. Bei der Technologie hat es eine ungewöhnliche Entscheidung getroffen, die nicht jedem schmecken dürfte.

Für Ralf Zellweger ist der „Utility Approach“ alles. Er verwendet diesen Begriff oft, während wir skypen. Der Schweizer sitzt in einem Campingwagen in der Oberpfalz, nahe des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr, und erzählt begeistert von seinem Startup Centi, während irgendwo hinter ihm ein NATO-Manöver donnert.

Centi soll, so die große Ambition, die Bitcoin-Technologie endlich nützlich für „den Average Joe und die Average Jane“ machen, indem es einen Stablecoin herausgibt. Bisher gibt es 200.000 Centi-Franken, und Centi ist auf dem Weg, die Plattform auch für andere Herausgeber zu öffnen. „Stablecoins as a Service“, wie Ralf sagt: vollständig konform mit den Regularien und gedeckt durch die Schweizer Bankgarantie.

Der Schweizer ist seit mehr als 10 Jahren im Bitcoin-Space. Mit Centi möchte er endlich den Utility Approach einlösen, den er in der Bitcoin-Technologie schon so früh erkannt hat. Bei der Frage, wo man den Smart Contract anschauen kann – oder zumindest die Adresse, auf der die Token liegen – und welche Blockchain Centi benutzt, zögert Ralf. Er argumentiert über Ecken, druckst etwas herum, so dass mir die Antwort längst klar ist, bevor er sie aussprechen muss.

Aber beginnen wir von vorne.

Wie für Krypto gemacht

Ralf Zellweger ist eine der Personen, von denen man meinen sollte, sie seien für Krypto gemacht. Er hat im Kreditkartengeschäft gearbeitet und ist in diesem Zusammenhang 2013 auf Bitcoin gestoßen.

„Ich war und bin von der Möglichkeit begeistert, Zahlungen direkt zwischen Käufer und Verkäufer zu finalisieren. Cut out the Middlemen, entferne die Mittelsmänner aus Transaktionen, das ist für mich DIE Real World Application von Bitcoin.“ Damals, 2013, war das noch Common Sense in der Krypto-Welt, die damals im Prinzip eine Bitcoin-Welt mit einer Handvoll Altcoins war, in der jeder daraufhin fieberte, bei Amazon und Aldi mit Bitcoin zu bezahlen.

Ralf konnte seinen damaligen Arbeitgeber überzeugen, Bitcoin-Zahlungen in Terminals zu bringen. Aber das Projekt versandete, als der Arbeitgeber von DDOS-Angreifern für ein Lösegeld in Bitcoin erpresst wurde. Das war nicht der “Utility Approach”, der Sympathien bei gesetzestreuen Unternehmen schuf.

2016 und 2017 hat Ralf dann mit KYC und ICOs gearbeitet, ohne aber das Ziel einer „Payment Application“ aus den Augen zu verlieren. „Die Erfahrung mit ICOs war auch ernüchternd. Aus den meisten Projekten wurde niemals etwas, und der Return of Investment war katastrophal.“ Also besann er sich wieder darauf, Krypto oder Bitcoin für etwas Nützliches einzusetzen anstatt für die reine Spekulation. So entstand schließlich Centi.

„Nicht das Gelbe vom Ei“

So richtig zufrieden ist Ralf nicht mit der Situation von Bitcoin im Zahlungswesen im Jahr 2023. „Klar, wir haben viel mehr Akzeptanzstellen, die Bitcoin akzeptieren, als vor zehn Jahren. Aber die Perspektive hat sich maßgeblich verändert, vom Utility Approach zum Store of Value. Warum sollte man mit etwas bezahlen, das man als Wertspeicher betrachtet?“

Darüber hinaus bezweifelt Ralf, dass „der oder die Average Joe oder Jane einen Preis in Satoshis oder Bitcoins berechnen. Die denken in Euro, und das macht die Utility so schwierig. Das wird sich kurzfristig nicht ändern.“

Und schließlich habe Bitcoin das Problem der restriktiven Layer-1 mit der geringen Blocksize. „Man muss den Tatsachen ins Auge schauen: mit den paar Transaktionen wird man keinen Real World Approach hinbekommen. Von L2-Lösungen, vor allem Lightning, bin ich bisher nicht überzeugt. Das wirkt nicht wie das Gelbe vom Ei.“

Die schwache Performance von Bitcoin im alltäglichen Zahlungswesen gibt ihm recht. Bitcoin hat vieles erreicht, hat den Weg in viele Portfolios gefunden, ist ein weltweit stehender Begriff geworden – doch wenn man fragt, wo und wie er genutzt wird, stößt man auf Enttäuschungen.

Ein Stablecoin für Average Jane

Mit Bernard Müller fand Ralf einen Gleichgesinnten. Bernhard ist ein Urgestein der Schweizer Bitcoin-Szene, er ist „seit 2011 auf allen Meetups, einer der Leute, die das Fundament geschaffen haben, von dem, was später als Krypto Valley bekannt wurde.“ Auch ihm ging es um den Utility Approach. Die beiden waren auf einer Wellenlänge, und nach dem Austausch von Ideen entstand ab 2019 Centi.

Mit Centi wollen Ralf Zellwenger und Bernhard Müller „das Produkt hinstellen, das auch für Average Joe oder Jane attraktiv ist“: Ein Stablecoin, der nicht von einem engen Blocksize-Limit begrenzt wird. Dieses Produkt ist nun „up und running.“

Mehr als 1.000 Leute nutzen die Apps regelmäßig, die 200.000 Centi-Franken, die bisher herausgegeben sind, sind über eine Bankgarantie gesichert. Das hat den schönen Vorteil, dass die hinterlegten Franken nicht Teil der Liquidationsmasse sind. Wenn Centi pleite gehen würde, könnten die Kunden weiterhin ihre Token bei der Bank gegen Franken eintauschen. Eine solche Sicherheit kann bisher kein anderer Anbieter eines solchen Stablecoins gewähren.

„Wir haben mittlerweile auch Anfragen von anderen Firmen, die an Stablecoin-as-a-service“ interessiert sind. Wir bieten das Out of the Box an, regulatorisch vollkommen compliant und mit Bankgarantien für 14 Währungen.“

Für ein Startup, das erst im März live ging, ist das kein schlechter Anfang.

Um den Brei herum …

Was die Infrastruktur angeht, haben Ralf und Bernhard eine Entscheidung getroffen, die viele vermutlich ungewöhnlich finden. Um es höflich auszudrücken. Weder setzen sie auf Bitcoin-Token wie Ordinals, auf Ethereum wie USDC oder auf verschiedene Blockchains wie Tether.

„Wir sind blockchain-agnostisch und haben uns für die Blockchain entschieden, die für uns geeignet ist, sowohl regulatorisch als auch in der Performance,“ erzählt Ralf. „Uns war es wichtig, dass unsere Token nicht auf einer Security Blockchain laufen, sondern auf einer Commodity Blockchain,“ also auf einer Blockchain, die nicht Gefahr läuft, mitsamt ihrer Token als Wertpapier reguliert zu werden.

„Unsere Überlegung war dann, dass wir dafür ein Oldschool Proof-of-Work-Protokoll brauchen,“ also eine Kryptowährung, die durch Miner validiert und geschaffen wird. Er begründet das mit der “Seperation of Ownership and Control“, der Trennung von Besitz und Kontrolle, die im Finanzwesen üblich ist, aber bei Proof of Stake verschwindet. Wenn diejenigen, die Token halten, auch Transaktionen bestätigen, droht eine Blockchain zur Security-Plattform zu werden.

Nach dieser Grundsatzentscheidung mussten Ralf und Bernhard also eine Blockchain auswählen, die ihre Ansprüche erfüllt. „Die wichtige Frage war hier, wie gut eine Blockchain skaliert. Ich kann verstehen, dass manche Leute Vorbehalte gegen individuelle Akteure haben, aber …“ – Ralf beginnt an der Stelle, um den heißen Brei herumzureden, er verwendet noch mehr Anglizismen, und er tanzt solange um den Punkt herum, bis es aus mir herausplatzt: „Ihr benutzt Bitcoin SV, richtig?“

Ja, nickt Ralf. 2019, als man die Entscheidung getroffen habe, sah die Welt noch anders aus, heute, 2023, würde man es sich vielleicht anders überlegen, aber nun baue man auf der Technologie auf und sie leiste, was sie leisten soll, sie skaliere gut, die Gebühren sind gering, mit dem “Direct Payment Protocol” habe man eine Technologie, um Transaktionen in Echtzeit zu bestätigen, mit STAS ein brauchbares Token-Protokoll.

Daher bleibe man erstmal da, trotz der Bedenken gegen einzelne Akteure, die er ja gut nachvollziehen könne …

Wie nützt eine Blockchain, wenn die Dezentralisierung leidet?

Abgesehen davon, dass Bitcoin SV die mit weitem Abstand unbeliebteste Blockchain im Krypto-Raum ist, die 99,99 Prozent der Krypto-User nicht einmal anfassen würden, wenn sie auf einer einsamen Insel keine andere Wahl hätten, gehen mit der Entscheidung für BSV auch einige Konsequenzen für das technische Design einher.

Im Grunde sind wir bei der alten Frage: Wie nützlich kann eine Blockchain sein, wenn sie nicht so richtig dezentral ist? Verspielt man bei einer sich zentralisierenden Blockchain nicht alle Vorteile der Technologie, und wäre es nicht besser, einfach eine Datenbank zu benutzen?

Über die Frage, wie sehr BSV zentralisiert ist oder nicht, könnte man lange diskutieren und streiten. Das Team von Centi möchte ungern über Zentralisierung und Dezentralisierung reden und ist überzeugt, dass Bitcoin SV alle wichtigen Vorteile von Bitcoin verwirklicht. Kritiker von Bitcoin SV sehen das bekanntlich durchgehend anders.

In der Wallet von Centi halten die Kunden zwar die privaten Schlüssel für die Stablecoins, und sie können sogar den Seed exportieren. Doch wenn man nach dem Import fragt, wird es bei Bitcoin SV schwierig. Es funktioniert mit Electrum SV, was laut dem Centi-Team eine verlässliche Wallet ist, auch wenn andere in ihr diverse Probleme erkennen, etwa die ausgedünnte Landschaft der Server.

Über einen Full Node muss man gar nicht erst reden. Der ist bei Bitcoin SV mittlerweile von nChain quasi monopolisiert und so schwerfällig, dass er nicht nur normalen Usern, sondern auch Unternehmen Probleme bereitet. Daher betreibt nicht einmal Centi einen Full Node, sondern verlässt sich auf mehrere Dienstleister, die auch Hashpower bereitstellen. Immerhin gibt es einen LiteClient, der deutlich weniger Ressourcen braucht, und den die Bitcoin (SV) Association auch Börsen empfiehlt.

Wenn man aus dem Kryptoraum kommt, wirkt Centi dennoch eher wie ein klassisches Zahlungssystem als eine Kryptowährung, was aber, versichert Ralf, weniger Folge der Technologie als von Designentscheidungen sei. Vielleicht noch wie ein Zwitter aus beide. Welche Vorteile hat der Stablecoin also noch?

Kosten senken, Konkurrenz stärken

„Bei Kreditkarten und digitalen Zahlungen haben wir die Situation, dass die Anbieter eine enorme Marktmacht haben und die Händler unter den hohen Gebühren leiden. Weil der Händler die Transaktionskosten nicht direkt weitergeben darf, bekommt der Konsument davon nichts mit,“ erklärt Ralf die gegenwärtige Lage.

Ein digitaler Franke könne nun helfen, den Markt zu beleben. „Es wird mehrere digitale Franken und Stablecoins geben, die sich ökonomisch ein Race to the Bottom liefern, weil sie im Wettbewerb stehen. Am Ende werden sich die günstigsten durchsetzen, und das sind nicht Kreditkarten oder PayPal, sondern eine Blockchain mit direktem Settlement.“ Eine Zahlung mit Centi kostet 0,3 Prozent, also zum Teil nur ein Zehntel von dem, was PayPal abgreift, und in jedem Fall deutlich weniger als EC-Karten, Kreditkaren oder andere gängige Verfahren.

Selbst wenn es darüber hinaus keinerlei Vorteil gäbe, wäre schon das ein riesiger Gewinn, egal wie man zu Bitcoin SV steht. Daneben stärkt aber ein Stablecoin selbst in der BSV-Version die Autonomie der User: „Unsere Wallet erlaubt Self Custody. Die Coins gehören ausschließlich dem User, wir können nichts einfrieren.“ Dies ist nicht nur
gut für die User, sondern bringt Centi auch in die regulatorisch komfortable Situation bringt, sehr viel weniger Auflagen beachten zu müssen. Keine Treuhand, weniger Regulierung.

Die Blockchain-Technologie hilft Centi also, die Betriebskosten erheblich zu senken. Das ist nur ein Teil von dem, was viele Bitcoiner wollen – aber es ist ein klarer Schritt nach vorne.

Der schwierige Teil des Geschäfts

Natürlich könnte man an der Stelle manche Fragen diskutieren: Was passiert, wenn die Miner, mit denen Centi kooperiert, aufgeben oder die Gebühren erhöhen? Dann würde man vielleicht selbst minen. Und was, wenn die Blockchain kaputt geht, weil niemand mehr einen Node betreiben kann, beispielsweise weil die 51-Prozent-Angriffe die Datenbank zerfetzen? Hier zögert Ralf. Das Risiko ist gering, und einfache 51-Prozent-Angriffe und Double Spends ein viel geringeres Problem als viele denken, auch dank des “Direct Payment Protocols”, das Centi nutzt. Doch ein vollständiger Ausfall der Blockchain könnte es tatsächlich schwierig machen, die Token auch wieder einzulösen.

Aber derzeit scheint BSV, im Rahmen seiner Möglichkeiten, stabil zu laufen. Ralf und Bernhard halten sich über andere Blockchains auf dem Laufenden und sind auch mit Anbietern im Gespräch. Derzeit jedoch liegt der Fokus eher darauf, das Geschäft mit den Stablecoins auszuweiten und Zielgruppen wie diejenigen zu gewinnen, die kein Bankkonto in der Schweiz bekommen. So können etwa Flüchtlinge in der Post Bargeld einzahlen, um dann Centi-Franken in der Wallet zu erhalten. So unkompliziert funktionieren wenige andere digitale Zahlungsmittel.

Die Technologie, um die in der Krypto-Szene gerne ein Kult veranstaltet wird, ist eben nur der kleinste Teil der Gleichung. Die tatsächliche Arbeit eines Krypto-Startups wie Centi liegt darin, einen Markt zu schaffen und zu gewinnen. Und diese Arbeit hat erst begonnen.

Über Christoph Bergmann (2637 Artikel)
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3 Kommentare zu Der Franken als Stablecoin: Utility für die Bitcoin-Technologie

  1. Wolfgang Lohmann // 19. Juli 2023 um 19:24 // Antworten

    Über einen Full Node muss man gar nicht erst reden. Der ist bei Bitcoin SV mittlerweile von nChain quasi monopolisiert und so schwerfällig, dass er nicht nur normalen Usern, sondern auch Unternehmen Probleme bereitet. Daher betreibt nicht einmal Centi einen Full Node, sondern verlässt sich auf mehrere Dienstleister, die auch Hashpower bereitstellen. Immerhin gibt es einen LiteClient, der deutlich weniger Ressourcen braucht, und den die Bitcoin (SV) Association auch Börsen empfiehlt.

    FYI:
    “The current system where every user is a network node is not the intended configuration for large scale. That would be like every Usenet user runs their own NNTP server. The design supports letting users just be users. The more burden it is to run a node, the fewer nodes there will be. Those few nodes will be big server farms. The rest will be client nodes that only do transactions and don’t generate.” Satoshi Nakamoto, https://satoshi.nakamotoinstitute.org/posts/bitcointalk/287/

    “Long before the network gets anywhere near as large as that, it would be safe for users to use Simplified Payment Verification (section 8) to check for double spending, which only requires having the chain of block headers, or about 12KB per day. Only people trying to create new coins would need to run network nodes.” Satoshi Nakamoto, https://satoshi.nakamotoinstitute.org/emails/cryptography/2/#selection-81.0-81.319

    Ich weiß, es ist nicht so einfach 🙂
    Es gibt dafür auch das Konzept der Overlay Netzwerke. Und als technologieagnostisches Projekt könnte man die Ansprüche auf CHF sicher auf andere Ketten transferieren.

  2. noCraigWright // 20. Juli 2023 um 13:23 // Antworten

    Läuft auf der Craig Wright Bitcoin SV Blockchain.
    Finger weg!

  3. >”Das Risiko ist gering, und einfache 51-Prozent-Angriffe und Double Spends
    > ein viel geringeres Problem als viele denken”

    Die Wahrheit ist, das Risiko liegt bei 0 (in Worten “Null”).

    Im Bitcoin System gibt es schlicht und ergreifend keine sogenannte 51% Attacke und auch keine double spends. Was es gibt sind Blöcke, die ungültig werden oder verwaisen können und eine Neuorganisation der Kette.
    So funktioniert Bitcoin, by design.
    Das ist nichts, was die Blockchain “zerstört”, im Gegenteil dieser Mechanismus macht die Blockchain flexibel, erst dadurch kann sie ungehindert weiter wachsen. Im Alltag bekommen die Anwender davon nichts mit, so soll es auch sein.

    Ansonsten guter Artikel. Es zeigt wie sich Bitcoin (=BSV) aller Unkenrufe zum Trotz weiter ausbreitet und Verwendung findet. Einfach weil es funktioniert. Nicht als Spekulationsobjekt sondern als cash System.

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