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Bitcoinpreis fällt um mehr als 10 Prozent – aber warum nur?

Foto von Airwolfhound via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Für Investoren in Bitcoin und andere Kryptowährungen war die vergangene Woche alles andere als angenehm. Die Kurse gaben deutlich über 10 Prozent nach. Die interessante Frage, weshalb, war selten so schwierig zu beantworten.

In der letzten Woche schien die Sonne, die Temperaturen kletterten auf mehr als 30 Grad, und wer hinausging, sah überall strahlende Gesichter. Zumindest fast. Denn den einen oder anderen Krypto-Investoren war gar nicht nach Sonne und Sommer zumute, während sie mit mürrischem Blick darüber nachdachten, wie sie die Löcher ausgleichen können, die diese Woche in ihr Portfolio gerissen hatte.

Zur Eskalation kam es in der Nacht vom 17. auf den 18. August. Der Bitcoin-Kurs stürzte in weniger als 30 Minuten radikal ab, von 25.500 Euro auf 24.080 Euro.

Bitcoin zu Euro im 1-Wochen-Chart nach coinmarketcap.com

Im selben Zeitraum sackte die gesamte Krypto-Marktkapitalisierung von 1.011 Milliarden auf 957 Milliarden Euro ab. So schnell können mehr als 50 Milliarden Euro verbrennen. Man hat es förmlich knistern gehört.

Gesamte Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen im 1-Wochen-Chart nach coinmarketcap.

Laut einem Redakteur von BTC-Echo wurden Margin Trades im Wert von fast 800 Millionen Dollar in diesen Minuten liquidiert. Das sind 180 Millionen Dollar mehr als beim FTX-Crash im Herbst 2022. Es handelt sich also um ein Ausnahmeereignis.

Auf eine Woche gesehen brach der Bitcoin-Preis von 27.100 auf teilweise weniger als 23.700 Euro ein, und die gesamte Marktkapitalisierung von 1.088 auf 955 Milliarden. Beides entspricht etwa einem Verlust von 13 Prozent.

Der harte Crash in der Nacht vom 17. auf den 18. August war also nur die kurze Eskalation eines Trends nach Unten, der sich schon die ganze Woche hinzog. Am deutlichsten sieht man das wohl im 1-Monats-Chart: Der Kurs kommt ins schlingern, was zuerst wie eine Schwankung im üblichen Kursverlauf aussieht, sich dann aber einer Klippe nähert, ins Straucheln kommt – und abstürzt. Etwa besorgniserregend ist dabei, dass es keine Spur von einem Abprall gibt.

Einen Einsturz in einer solchen Größenordnung gab es zuletzt im Herbst 2022. Damals war aber allen klar, woran es lag: FTX ging pleite. So wie man in der Regel bei jedem starken Crash weiß, weshalb er geschah. Märkte stehen niemals still, aber wenn sie springen oder stürzen hat es einen Grund.

1-Jahres-Chart des Bitcoin-Preises in Euro nach Bitcoin.de

Dieses Mal liegt dieser Grund aber nicht offen vor Augen. Das macht den Crash merkwürdig und auch spannend. Anstatt einer klaren Erklärung konkurrieren mehrere Hypothesen, von denen keine vollständig überzeugt.

Vier Hypothesen, warum

Im Folgenden haben wir vier Theorien, die de Kurseinbruch erklären können.

  1. Checkout.com kündigt das Bankkonto von Binance, der größten Kryptobörse der Welt. Der Londoner Zahlungsdienstleister hat für Binance Milliarden an Dollar prozessiert, beendet nun aber die Zusammenarbeit mit seinem größten Kunden wegen regulatorischer Probleme und Sorgen vor Geldwäsche. Wegen zahlreicher Ermittlungen von Aufsehern wenden sich immer mehr Banken und Zahlungsdienstleister von der Börse ab, zuletzt PaySafe im Juni. Die Wege, Dollar, Euro, Pfund und so weiter zu Binance zu bringen, verstopfen, womit das Fiatgeld im Orderbuch knapp wird.
  2. Wir bleiben bei Binance. Eine zweite Theorie besagt, dass Chengpeng Zhao die Bitcoin-Reserven seiner Börse nutzt, um den eigenen Coin BNB zu stützen, der, wie alle Kryptowährungen, im Lauf der letzten Woche einbrach.

    BNB-Preis in Bitcoin nach Coinmarketcap

    Doch der Sturz von BNB erreichte schon früher am 17. August den Boden. In eben jenem Intervall, in dem Bitcoin rasant einstürzte, explodierte der BNB-Kurs in Bitcoin förmlich. Da die BNB-Token einen erheblichen Teil der liquiden Reserven von Binance ausmachen, dürfte es für die Börse enorm wichtig sein, den Wert des Tokens vor dem Verfall zu schützen. Wenn daher die tiefen Bitcoin-Wallets von Binance in den Verkaufsmodus gehen, sackt der Preis naheliegenderweise ab. Eine mögliche Pleite der Börse würde die Kurse noch tiefer schicken, weshalb schon alleine die Idee dafür geeignet ist, einen Crash zu verursachen.

  3. Das Wall Street Journal berichtet vergangene Woche, dass Elon Musks SpaceX seine gesamten Bitcoin-Bestände im Wert von 373 Millionen Dollar verkauft haben. Dies spielt zwar gewiss keine unmittelbare Rolle: 373 Millionen Dollar sind verhältnismäßig wenig, und der Verkauf dürfte auch einige Monate her sein.
    Indirekt aber kann die Nachricht eine führende Rolle spielen: Selbst Elon Musk, der sich vor einiger Zeit noch seiner „diamantenen Hände“ rühmte, gibt Bitcoin auf; das Projekt, Bitcoin als liquide Reserve in die Bilanzen von Unternehmen einzuführen, läuft schlechter, als man sich vor gut zwei Jahren ausgemalt hat. MicroStrategy ist weiterhin das einzige Unternehmen außerhalb der Kryptobranche, das nennenswerte Anteile seiner Reserven in Bitcoin oder anderen Kryptowährungen hält. Damit verflüchtigt sich eine Hoffnung, auf die viele Investoren der letzten beiden Jahre gesetzt hatten.
  4. Schließlich ging Evergrande, der zweitgrößte chinesische Immobilienentwickler, offiziell pleite. Das bahnte sich sich schon eine Weile an, da das Unternehmen seit 2021 seine Gläubiger nicht mehr vollständig bedienen kann. Mit geschätzten 300 Milliarden Dollar ist Evergrande der weltweit am höchsten verschuldete Immobilienentwickler. Nun hat das Unternehmen in den USA Konkurs angemeldet. Es habe im Lauf der vergangenen zwei Jahre Verluste von 80 Milliarden Dollar gemacht. Auch bei anderen chinesischen Immobilienentwicklern, etwa Country Garden, sieht es nicht eben rosig aus.
    Zusammen mit Nachrichten der anhaltend fallenden Exporte deutet dies darauf hin, dass China, dem Motor der Weltwirtschaft, der Treibstoff ausgeht. Es droht eine Wiederholung der Finanzkrise von 2008 und eine globale Rezession. Diese Aussicht belastet alle Finanzmärkte – auch der Dax fiel – aber riskantere Investments wie Bitcoin und Kryptowährungen besonders.
    Darüber hinaus gibt es seit langem Gerüchte, dass der US-Stablecoin Tether kietief in kurzfristige Schuldpapiere von Evergrande und anderen chinesischen Immobilienentwicklern investiert ist. Da Tether für den Kryptomarkt eine existenziell wichtige Rolle spielt, sorgt auch dies für Beunruhigung.

Leisten vier Theorien, was eine nicht vermag?

Wir haben also mehrere Theorien, weshalb der Preis gefallen sein könnte. Keine davon ist allerdings so zufriedenstellend, wie es der Einsturz von FTX im Herbst 2022 war. Unter Umständen hat keines der Ereignisse für sich selbst den Einsturz verursacht, sondern sie alle zusammen, und dies auch nur, weil die Kurse ohnehin dabei waren, abzusacken, und die Märkte im Begriff standen, die Hoffnung fahren zu lassen, in naher Zukunft in einen Bullenmarkt einzutreten.

Die Ereignisse um Binance, SpaceX und Evergrande wären in dieser Lesart lediglich eine Ausrede dafür, dass die Märkte das taten, wonach sie sowieso gedürstet haben. Ab einem gewissen Zeitpunkt, in der Nacht auf den 18. August, traf alles zusammen, und eine einzige außergewöhnliche Order reichte aus, um einen enormen Crash auszulösen.

Oder es gibt etwas, das wir nicht wissen … was wohl die beunruhigendere Version wäre.

Ethereum schert aus

Zur gleichen Zeit war aber noch etwas anderes zu beobachten, das fast noch merkwürdiger war: Ethereum und andere Altcoins gewannen gegenüber Bitcoin wieder an Boden.

Ethereum-Preis in Bitcoin nach Coinmarketcap

Das widerspricht allen Erfahrungen. Denn in der Regel gilt, dass ein Crash Altcoins stärker trifft als Bitcoin. Wenn Bitcoin eine Grippe hat, sagt man, liegen Altcoins mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus.

In diesem Fall ist die Erklärung erfrischend einfach: Laut gut informierten Berichten ist die SEC dafür offen, grünes Licht für Ethereum-ETFs zu geben.

Damit zeigt sich immer stärker, dass eine regulatorische Ungleichbehandlung von Bitcoin und Ethereum unwahrscheinlich wird. Das drohende Szenario einer Regulierung von Ethereum als Security ist vermutlich vom Tisch, was wohl ein Hindernis beseitigt, das manchen Ethereum-Investments noch im Wege stand.

Angesichts des Crashs ist dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auch Ethereum hat im Lauf der letzten Woche rund 150 Euro – etwa 10 Prozent – nachgegeben.

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10 Kommentare zu Bitcoinpreis fällt um mehr als 10 Prozent – aber warum nur?

  1. weil das ding komplett gesteuert ist, genau von den leuten die auch das fiat steuern.

  2. BTC hängt gerade an dem Prozess COPA – CW Anfang 2024. Wenn da CW gewinnt, gibt es BSV ETFs 🙂

  3. Ich habe eine einfachere Theorie. Der Kryptomarkt ist nichts anderes als ein Pokerspiel. Während der langen Seitwärtsphase haben sich zu viele Long Positionen aufgebaut. Die Market Maker werden die kleinen Händler niemals gewinnen lassen. Sie fegen alles vom Tisch, indem sie auf die Jagd nach den Liquiditätspools gehen. Erst wenn sie die Retail Anleger ausgeschaltet haben, kann es weiter nach oben gehen. Der Grund, warum diese Crashs mit negativen Schlagzeilen korrelieren, liegt darin, dass die Market Maker darauf warten, um die Preise mit geringerer eigener “Energie” in die gewünschte Richtung zu bewegen.

  4. Also dann steuere ich auch noch eine Theorie bei. 🙂
    In Anbetracht einer eventuell angestandenen SEC-Entscheidung bzgl. eines Bitcoin-ETFs (ARK u.a.), haben große Finanzakteure ein Interesse daran, die Volatilität Bitcoins möglichst gering zu halten. Das würde das Argument der SEC bezüglich eventueller Marktmanipulationen abschwächen. Verkaufsorders wurden von den betreffenden Finanzakteuren aufgekauft, wodurch man sich eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Genehmigung der ETFs erhoffte. Gleichzeitig würde bei Genehmigung der ETFs Bitcoin haussieren und man einen Trading-Gewinn einfahren. Leider zeichnete sich nun ab, dass es bis zur Genehmigung doch noch etwas dauern wird. Der Abwärtsdruck wurde zu groß und man möchte auch nicht zu viel Liquidität in BTC binden. Deshalb setzte man die Aufkäufe aus, um Bitcoin ein neues “Gleichgewicht” finden zu lassen. Evtl. wird man nun um 24.000 € wieder entsprechende Käufe/Verkäufe tätigen, um die Volatilität weiterhin niedrig zu halten.
    Nach dieser Theorie wird sich Bitcoin also weiterhin wie ein “Stable-Coin” verhalten (von wenigen signifikanten Kurssprüngen abgesehen), zumindest solange wie eine Entscheidung bezüglich der ETFs noch im Raum steht. Sind natürlich alles nur Vermutungen und Spekulationen. Aber gerade das ist es ja, was den Spaß an der Marktwirtschaft ausmacht 😉

  5. Diese Woche tagen die BRICS-Staaten. Es werden wegweisende Beschlüsse erwartet. Vorab wollten die Marktteilnehmer Risiken reduzieren. Das trifft sowohl die Aktien- als auch die Kryptomärkte.

  6. Paul Janowitz // 22. August 2023 um 9:02 // Antworten

    Interessant dabei finde ich, dass Monero viel schneller eine Rebounce hatte und mittlerweile im Vergleich mit BTC und ETH deutlich weniger im Minus steht (ca. 6%). Überrascht hat mich eher, dass der Absturz fast zeitgleich stattgefunden hat, obwohl gerade bei XMR dezentrale Börsen immer mehr an Gewicht gewinnen, bei denen nicht irgendwelche Fantasiepositionen mal eben liquidiert werden können. Wahrscheinlich hat das auch Arbitrage Möglichkeiten eröffnet und daher der Rebounce auch auf den zentralisierten Börsen…

    Insgesamt ist Monero mittlerweile weniger volatil als Bitcoin oder Ethereum, wenn man sich die letzten 12 Monate anschaut und ich hoffe, dass es sich irgendwann abseits der Spekulation als genutztes Geld etablieren wird, ein globales digitales Bargeld ohne Zensur. Spekulanten sollen ruhig in ihrem KYC/AML Casino mit all den Perversionen der klassischen Finanzwelt bleiben 😉

    • Insgesamt ist Monero mittlerweile weniger volatil als Bitcoin oder Ethereum, wenn man sich die letzten 12 Monate anschaut

      Also vom Bauchgefühl her würde ich das schon mal nicht bestätigen. Wenn ich mir dann noch auf Onvista die Volatilität für einen Monat anschaue, ist Monero sogar schlechter als BTC oder ETH (29,1% vs. 26,2%/24,7%). Auf Jahressicht, wie von dir beschrieben, ist lediglich Ethereum schlechter (51,7%). Bitcoin ist identisch mit Monero (41,2%). Aber gerade was in Bezug auf Smart Contracts und NFTs in den letzten 12 Monaten abgegangen ist, würde ich ETH ohnehin nicht direkt mit XMR in Relation setzen wollen.

      • Paul Janowitz // 22. August 2023 um 10:19 //

        Guter Einwand, eher wie ein “Stablecoin”, 1-Jahres Tief $116, Hoch $188, maximale Differenz bei 62%. Bitcoin dagegen Tief $15.479, Hoch $31.818, maximale Differenz 106%.

        Wahrscheinlich wird die Volatilität bei OnVista mit jeweiligen Tagesschwankungen berechnet…

      • Kranich // 22. August 2023 um 10:44 //

        Wahrscheinlich wird die Volatilität bei OnVista mit jeweiligen Tagesschwankungen berechnet…

        Klar, das gehört dazu, sonst kann man nicht von Volatilität sprechen. Die von dir aufgeführte maximale Differenz fällt bei Bitcoin auch deshalb höher aus, weil BTC über ein Jahr hinweg einen ziemlichen Aufwärtstrend gesehen hat. Diese Trends, oder auch einmalige heftige Kurskorrekturen, sind bei der Volatilität “heraus zu rechnen”. Würde z.B. ein Coin jeden Tag konstant um exakt 1% zulegen, wäre seine Volatilität relativ gering, aber seine Differenz Max zu Min über 1 Jahr trotzdem recht hoch.

  7. Leute, welche bis ein Jahr nach dem Halving (2025) warten können, erwerben jetzt Bitcoin. Unter der Annahme, dass binance nicht pleite geht. Das mit den Ordinals hat sich normalisiert

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