Reddit stoppt Token-Projekt „Community Points“

2020 hat Reddit “Community Points” als Token auf Ethereum eingeführt. Nun unterstützt die Plattform die Token nicht mehr. Die meisten betroffenen User reagieren mit Erleichterung.
Eigentlich darf man das nicht. Wer einmal ein Token herausgegeben hat, in das Leute investieren, muss bis zum bitteren Ende dabei bleiben. Doch die Diskussions-Plattform Reddit hat sich entschieden, die Community Points aufzugeben.
Die Community Points sind ERC20-Token auf Ethereum, die Reddit im Mai 2020 eingeführt hat, um User bestimmter Subforen für ihre Aktivität zu belohnen. Gehandelt wurden die Community Points auch außerhalb von Reddit, zum Teil für gar nicht so wenig Geld.
Dreieinhalb Jahre später zeigt sich, dass das Projekt offenbar ein Flop war. Man habe sich entschieden, erklärt ein Reddit-Mitarbeiter, die Community Points am 8. November auszusetzen. Zwar existieren sie weiterhin als Token auf Ethereum, doch sind sie weder im „Reddit Vault“ zu sehen noch beteiligt sich Reddit an der Ausschüttung an die User. Man erkenne zwar einige künftige Potenziale der Token, „aber es gab keinen Weg, das Modell breit auf die ganze Plattform zu skalieren.“
Einerseits wurde das regulatorische Klima frostiger. Andererseits arbeitet Reddit an anderen Projekten, die dasselbe Ziel effizienter und besser skalierbar erreichen, etwa das „Contributor Program“, das gesammeltes Karma unmittelbar in Geld übersetzt.
Die Folgen haben manche User unmittelbar in den Wallets gespürt: Die Preise aller Community-Token fielen massiv. Die „Moon Token“ vom Subred r/cryptocurrency von 22 auf 2,5 Cent, die „Bricks“ des Fortnite-Subforums von 9,6 auf 2,8 Cent, und die „Donuts“ von r/ethtrader von 1,3 auf 0,4 Cent.
Zugegeben: Jedes dieser Token hat schon tiefere Preise und extreme Spitzen gesehen. Die Moon-Token kosteten im September noch 44 Cent, während die Bricks im Mai gerade mal 2 Cent gekostet haben (nur um im August auf mehr als 30 Cent zu steigen).
Die Erfahrung, die man aus der Tokenisierung der Aktivität in Foren zieht, dürfte eher resignierend ausfallen. Zumindest reagieren die betroffenen Communitys auf Reddits Ankündigung des Todes der Community Points weniger mit Trauer als mit Erleichterung.
„Auf Nimmerwiedersehen“, schreibt ein User von r/cryptocurrency, „Votes zu monetarisieren hat nichts erreicht außer einen Anreiz für Spam/Bot/minderwertigen Content abzugeben, so wie es so gut wie jeder prophezeit hat. Ich denke, es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass 90 Prozent des Subs entweder aus Bots bestand oder aus Leuten, die sich so wenig Mühe gegeben haben, dass sie auch Bots sein könnten.“ Ein anderer jubelt: „Ich bin begeistert, dass die Moons verschwinden, und hoffe, dass die Qualität dieses Subs wieder langsam zunimmt, wenn das Shitcoin-Farming verschwindet.“ Die Mods würden das Projekt zwar gerne fortführen, stoßen aber auf eher verhaltenes Interesse.
Ähnliche Reaktionen findet die Ankündigung auf r/FortNiteBR. „Obwohl ich 20.000 Bricks habe, ist das eine gute Nachricht. Endlich weniger Spam Bots“, schreib einer, „Auf Nimmerwiedersehen, ich habe die Brick Farm Posts so satt“ ein anderer. Schon vor zwei Jahren hat in diesem Subforum jemand beklagt, dass die Bricks es „ruiniert haben.“ Der Subredd sei „eine leere Hülle seines früheren Selbst. Er erreicht kaum mehr als 3.000 aktive User, und ich denke, die Bricks sind die wichtigste Ursache dafür […] So gut wie jedes Stückchen Content hier sind unlustige und lieblose Memes, die täglich gepostet werden, um so viel Karma wie möglich einzusammeln, welches dann in Bricks konvertiert wird …“
Anders sieht es jedoch bei r/ethtrader aus. Hier überwiegt die Enttäuschung – und zugleich die Hoffnung. Die Community in diesem Sub hält weiter an den Donuts fest, wird sie manuell weiterhin verteilen und versuchen, sie zu integrieren. Zum Teil geht dies einher mit Plänen, die Community über Reddit hinaus zu dezentralisieren, und die Donus zur Basis eines weiteren, dezentralen Community-Netzwerks zu machen.
Insgesamt aber kann man feststellen, dass der Versuch von Reddit, Aktivität durch Token zu monetarisieren, krachend gescheitert ist. Vielleicht waren ERC-Token der falsche Weg dafür – vielleicht aber ist bereits die Grundidee die falsche.
Die Grundidee war die falsche, wenn Token aus dem Nichts geschöpft werden. Ich habe über 10 Jahre eine Millionencommunity betrieben und behaupte, zu wissen, wovon ich spreche, wenn es um Anreize geht.
Klappen könnte es etwa (abstrakt der Regulierung, die sich ständig ändert):
– Wenn die User sich selbst monetär betätigen, etwa wie bei Stacker news (auch wenn ich die Community bis auf wenige Ausnahmen für zu stark maximalistisch sehe). Problem dabei ist, dass sich in “random” Foren eher Minderjährige herumtummeln, die eher nicht bereit sind auch nur einen Euro im Monat dafür auszugeben, dennnoch können gerade unter ihnen auch solche sein, die viel Zeit haben und sehr guten Content beisteuern. Die Einstiegshürde sollte je nach Themengebiet auf jeden Fall nicht zu hoch sein.
– Den ersten Punkt kann man “erzwingen”, wenn man guten Content hat, etwa eine Art stackexchange, quora, frageinenanwalt, fivver – möglich wären z.B. Antworten von qualifizierten Personen bei Problemen mit der Waschmaschine, dem Auto oder PC. Ein Teaser der Antwort kann eingeblendet werden und die volle Antwort nur nach Bezahlung, die Reputation muss sich schließlich erarbeitet werden. Fragen könnten bereits einen geringen Betrag kosten (wie bei Stacker.news) und Token könnten auch für Likes oder Ergänzungen / Nachfragen genutzt werden zwecks Reputation.
– Wenn der User eine Art anderer nachweisbarer Leistung erbringt, denkbar wäre etwa PoW, was prinzipiell heute mit Monero und RandomX bewerkstelligt werden könnte. Der Betreiber müsste einen Pool aufsetzen, könnte diesen aufgrund der anfangs zu erwartenden geringen Hashrate an p2pool andocken, könnte aber auf seinem Pool die Hashes jedes Users eindeutig identifizieren. Problem: Moderne Browser killen Browserscripte, die über längere Zeit Unmengen der CPU beanspruchen und der User müsste sich eine Software herunterladen, was eine ziemlich große Hürde ist. Bei Mobile ist die Akkulaufzeit und unter Umständen die Hitzeentwicklung ein Problem. Hiermit kann man aber gut auch selbst zusätzliche Anreize für guten Content schaffen, indem man die besten X Beiträge zusätzlich vergütet, um guten Content zu belohnen und Spam im Keim zu ersticken.
– Oder man identifiziert die User eindeutig als echte Menschen, wo wir entweder bei irgendwelchen sketchy Ident Verfahren per Ausweis sind oder einem System wie bei WorldCoin. Generation Z ist wahrscheinlich geneigter dazu als wir “ältere Herren”… Wenn man die Hürde genommen hat, kann man entweder airdroppen oder wie bei Reddit über Likes & Co., nur werden sich da auch schnell Gruppen bilden, die ihren Spam gegenseitig pushen, wahrscheinlich ist das die schlechteste Lösung.
So eine Expertencommunity wie ich im zweiten Punkt als Beispiel genannt habe, kann man auch als eine Art Crowdfunding aufsetzen, siehe: https://bounties.monero.social/
Nur ist das sehr speziell auf bestimmte Bereiche denkbar, etwa ein Script, welches vielen anderen Usern das leben erleichtern würde oder ein allgemeines Problem, welches noch nicht ausreichend ausgearbeitet wurde. Wäre dann auch denkbar, dass man einen Contest wie bei 99designs erstellt und diejenigen, die zum Bounty beigetragen haben, am Ende auch über den Gewinner abstimmen, Gewichtet nach beigetragenem Betrag.
Ich bin jedenfalls froh, dass ich keine Community verantworten und unter Umständen als Mithafter für Userbeiträge ständig unter Druck stehen muss. Als Zensurgegner ist man täglich mit Beiträgen beschäftigt, die die Moderatoren an einen weiterreichen, ob das noch im rechtlichen/moralischen Rahmen liegt oder bereits problematisch ist, keine schöne Position, wenn man unter Umständen privat dafür zur Haftung genommen wird. Am Ende sind es dann eher absurde Sachen, wogegen tatsächlich ermittelt wird und man als Zeuge mitten drin ist.