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Eine Bitcoin-Transaktion verbraucht so viel Wasser wie in ein Schwimmbecken passen – echt?

Ein Pool in Chile. Bild von Tjeerd Wiersma via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Derzeit beklagen viele Medien den hohen Wasserverbrauch von Bitcoin, während Bitcoiner dies als eine weitere Runde Misinformation abtun. Wir schauen uns an, wie die Schätzung entstand und mit welchen Gründen sie kritisiert wird.

Eine Bitcoin-Transaktion verbrauche, berichten derzeit einige Medien aufgeregt, soviel Wasser wie in einen Swimmingpool passt. Also viel zu viel, und das ist natürlich ein Skandal.

Schlagzeile der BBC

Bitcoiner widersprechen dem energisch. Solche Berichte seien unwissenschaftlich und verleumderisch; eine Misinformation und ein Angriff, wie bestellt zur Rally, weil die hohen Institutionen das Muffensausen bekommen.

Bevor man sich zu schnell auf die eine oder andere Seite schlägt, auf der man sich instinktiv wohler fühlt, schauen wir uns die Quellen an. Was spricht für, was spricht gegen die Wasser-These?

2.237 Millionen Liter fürs Mining

Der Hintergrund ist ein Paper, das Alex de Vries vor einigen Tagen in Cell Reports Sustainability veröffentlicht hat. Dieses Paper beschreibt „Bitcoins wachsenden Wasser-Fußabdruck“ mit relativ dramatischen Worten.

De Vries, sollte man wissen, betreibt das Portal Digiconomist, auf dem er seit langem den Energieverbrauch von Bitcoin abschätzt. Seine Zahlen fallen in der Regel höher aus als andere, etwa der Bitcoin Energy Consumption Index der Universität Cambridge. Da de Vries als Datenanalyst bei der niederländischen Zentralbank arbeitet, gilt er als stark voreingenommen.

Dennoch sollte man de Vries Studie unabhängig von seiner Person betrachtet. Darum geht es ja bei der Wissenschaft. Er behauptet also, Bitcoins Wasserverbrauch sei seit 2020 „eskaliert“: Er sei von 591 Gigaliter (GL) – also 591 Millionen Liter – auf 2.237 GL im Jahr 2023 gestiegen.

Wie kommt er darauf? Das ist die entscheidende Frage hier.

Wie man den Wasser-Fußabdruck des Minigs bestimmt

Zunächst einmal klingen gut 2,2 Milliarden Liter Wasser nicht dramatisch viel. In Deutschland verbraucht man pro Kopf 125 Liter Wasser am Tag, wodurch allein die privaten Haushalte in Deutschland 3,6 Billionen Liter verkonsumieren. Das Bitcoin-Mining wäre in der Relation noch nicht mal ein Brösel.

Allerdings fließt das Wasser, das wir fürs Duschen, Händewaschen und Kochen verwenden, wieder zum allergrößten Teil zurück in die Leitung. Es bleibt also im bodennahen Wassersystem. Wenn Wasser dagegen verdampft oder verdunstet, steigt es in die Atmosphäre auf, was den Kreislauf stärker durcheinanderbringt. Und um diese Art des Wasserverbrauchs geht es de Vries.

Beim Mining verdunstet Wasser aus zwei Gründen: Direkt, um die Miner zu kühlen, und indirekt durch den konsumierten Strom. Kohle-, Gas- und Atomkraft benötigen große Mengen Wasser zur Kühlung.

Um den indirekten Verbrauch zu messen, setzt de Vries beim Stromverbrauch und der geographischen Verteilung des Minings an. Als Quelle hierfür dient ihm das Cambridge Center for Alternative Finance, das diese Werte seit langem erhebt. Diese Daten kombiniert er mit der Wasserintensität der Stromerzeugung am jeweiligen Standort, die in Liter je Kilowattstunde angegeben wird und vom örtlichen Strommix abhängt.

Weltkarte des Minings nach Cambridge

Seit 2020 stieg die Wasserintensität des Stroms der Miner enorm an. Denn nach dem Verbot in China sind viele Miner nach Kasachstan gezogen, weg von den Staudämmen, hin zu den Kohle- und Gaskraftwerken. Mit diesem Zug erhöhte sich nicht nur der CO2-Abdruck, sondern auch der Wasserverbrauch je Kilowattstunde von 8,63 auf 15,76 Liter Ende 2021.

Nach 2021 stieg die Bitcoin-Hashrate – und mit ihr der Stromverbrauch um geschätzt 35 Prozent. Da die Geographie des Minings weitgehend stabil blieb, geht de Vries davon aus, dass der Wasserverbrauch im selben Ausmaß gestiegen ist. 2022 habe er, so seine Kalkulation, insgesamt 2.237 Gigaliter erreichte. Auf Transaktionen umgeschlagen ergab dies schon 2021 16.279 Liter – also etwa ein Gartenpool mit 16 Kubikmeter.

Kasachstan. Bild von t_y_l via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Um den direkt Verbrauch durch die Kühlung der Miner zu schätzen, konsultiert de Vries Studien zum Wasserkonsum von Rechencentern in verschiedenen Klimazonen der USA. Diese schlägt er dann auf die US-Miner um und rechnet den Wert anschließend global hoch. Mit dieser etwas vagen Methode landet er bei einer Schätzung von insgesamt 84,9 Gigaliter. Im Gesamtbild ist das eher vernachlässigbar.

Den insgesamt hohen Wasserverbrauch der Miner betrachtet de Vries angesichts einer global drohenden Wasserknappheit mit Sorge. Er macht aber auch Vorschläge, wie die Miner ihn reduzieren können: Sie können sich an Standorten niederlassen, wo das Mining weniger Wasser benötigt – etwa in kalten Regionen mit erneuerbaren Energien -, und sie können anstatt mit Wasser mit einem Immersionsöl kühlen.

In der Bitcoin-Community dürfte man aber meistens gar nicht zu diesem Punkt kommen. Sie reagiert schon an früherer Stelle mit einem Abwehrreflex.

„Um mindestens den Faktor 1.000 zu hoch“

Eine vehemente Kritik übt etwa Daniel Batten. Batten ist sozusagen der Gegenpol zu de Vries. Wo der den ökologischen Schaden des Minings im Zweifel zu hoch ansetzt, scheut sich Batten nicht, Bitcoin zu einer klimafreundlichen Technologie umzudeuten.

Auf Batcoinz veröffentlicht Batten regelmäßig Artikel, die zwar einen erheblichen Duft von „Greenwashing“ verströmen, aber in der Sache durchaus einen Beitrag leisten. Auf die Studie von de Vries reagiert er mit Empörung: Es sei eine Misinformation und ein Angriff; die Zahlen seien um den Faktor 1.000, wenn nicht 100 Millionen, zu hoch. Diese Zahlen schreibt er sogar in fetten Buchstaben.

Aber wie kommt er darauf?

Zum einen beklagt Batten, dass de Vries eine unpassende Metrik verwendet. Den Verbrauch von Strom oder Wasser auf Transaktionen umzulegen, ist tatsächlich Unsinn, der allein den Zweck hat, provozierende Überschriften zu schmieden.

Denn das Mining und die Anzahl von Transaktionen sind an sich voneinander unabhängig. Sinnvoller wäre es gewesen, es auf einen Dollar Marktkapitalisierung umzuschlagen, weil diese beiden Werte logisch zusammenhängen, womit sich zeigen würde, dass Bitcoin im Vergleich zu Aktien oder Gold relativ umweltfreundlich ist.

Wasserdampfsäule über dem Kernkraftwerk Gundremmingen. Bild von Gabriel Haas via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Batten beklagt aber vor allem, dass die Metrik die offchain-Transaktionen ignoriert, etwa durch Lightning. Hinter jeder Bitcoin-Transaktion können potenziell Millionen von Lightning-Transaktionen stecken.

So unsinnig die Metrik „Liter je Transaktion“ ist, so ungeordnet ist ihre Rolle im Paper von de Vries. Er erwähnt sie nur ein einziges Mal, während er sich ansonsten darauf fokussiert, den globalen Verbrauch zu schätzen. Eine Kritik, die sich an diesem Wert aufhängt, mag wohlfeil klingen, geht aber am Kern der Sache weit vorbei.

Batten erwähnt darüber hinaus, dass de Vires eine Historie falscher und voreingenommener Schätzungen. So prognostizierte er etwa, Bitcoin würde 2020 allen Strom der Welt verbrauchen, was offensichtlich nicht geschehen ist und um so etwas wie den Faktor 2.500 danebenliegt.

Weitere inhaltliche Argumente nennt Batten nicht. Sein Vorwurf, de Vries liege um den Faktor 1000 bis 100 Millionen zu hoch, gründet offenbar einzig auf der Metrik „je Transaktion“ – und ist selbst da an den Haaren herbeigezogen. Denn nach allem, was man weiß, kommen derzeit nicht 1000 Lightning-Transaktionen auf eine Onchain-Transaktion, sondern eher 10 bis 100 Onchain-Transaktionen auf eine Lightning-Transaktion.

Batten scheitert also daran, die Methodik von de Vries und dessen essenzielle Ergebnisse anzugreifen. Er arbeitet sich stattdessen an dessen Person sowie einer in der Sache nebensächlichen Metrik ab.

Bitcoin löst das Problem der Wasserknappheit – theoretisch

In einem weiteren Post versucht Batten, aufzuzeigen, dass Bitcoin das Problem der Wasserknappheit nicht nur nicht verschärft – sondern sogar lösen kann. Mining helfe, erneuerbare Energien zügiger auszubauen, wodurch man mehr energieintensive Anlagen zur Meerentsalzung bauen kann – ein gutes Argument gerade für die arabischen und nordafrikanischen Ländern, die mit am stärksten von Wasserknappheit bedroht sind.

Darüber hinaus könne die Abwärme, die beim Mining entsteht, an die Entsalzungsanlagen weitergegeben werden, durch welche deren Betrieb günstiger wird. So könnten Entsalzungsanlagen, Photovoltaik-Zellen und Bitcoin-Miner an den Küsten zusammenwirken, um nicht nur Trinkwasser, sondern auch Geld zu erzeugen.

Das Argument mag in der Theorie plausibel sein. In der Praxis wurde es aber bisher nicht über einzelne Pilotprojekte eingelöst. Den Wasserabdruck, den de Vries abschätzt, mindern sie in keinster Weise.

Es wäre also besser, die Miner würden an dieser Stelle auf de Vries hören und Maßnahmen ergreifen, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Da dies gleichzeitig Maßnahmen sind, um das Mining zu dekarbonisieren, ist dies ohnehin nötig.

Über Christoph Bergmann (2813 Artikel)
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2 Kommentare zu Eine Bitcoin-Transaktion verbraucht so viel Wasser wie in ein Schwimmbecken passen – echt?

  1. Wolfgang Lohmann // 5. Dezember 2023 um 12:32 // Antworten

    Man kann die Arbeit von Alex nicht ganz von seiner Person trennen, denn er setzt sich mit Gegenargumenten nicht immer wissenschaftlich auseinander, war nicht sonderlich interessiert an Kontakten zu Experten aus diesem Feld. Alex führt schon lange einen Kampf gegen Bitcoin. Batten verfolge ich auch seit einige Zeit, wie oben geschrieben hat er auch einen Hang zur Bestätigung.

    Ein generelles Problem in diesen Diskussionen ist, dass man sich meist auf direkte Effekte konzentriert. In der Nachhaltigkeitsforschung kennt man aber auch indirekte, und vor allem systemische Effekte, die wesentlich bedeutsamer sind. Alex bezieht seit geraumer Zeit zumindest E-Waste mit ein.
    Was eine Gesellschaft bereit ist zu akzeptieren in Bezug auf negative Einflüsse ist abhängig von dem Nutzen, der dagegen steht. Nachhaltigkeit ist viel mehr als Umwelt ist viel mehr als Klimaschutz ist viel mehr als elektrische Energie, ohne den Klimawandel kleinreden zu wollen. Aber das ist für öffentliche Diskussionen zu kompliziert.

  2. Hallo,
    ein Gigaliter ist eine Milliarde Liter und nicht eine Million Liter. Das wären Megaliter. Hast Du hier versehentlich um den Faktor 1000 verharmlost?

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