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Vitalik Buterin aktualisiert Roadmap für Ethereum

So ein T-Shirt kann nicht jeder tragen. Bild von TechCrunch via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Vitalik Buterin hat eine aktualisierte Roadmap für Ethereum veröffentlicht. Weil das wichtig ist, aber in den meisten Ohren nach reinstem Bahnhof klingt, versuchen wir, sie zu erklären. Es wird technisch!

Vorab, weil es gerne falsch verstanden wird: Die Ethereum-Roadmap ist nicht von Vitalik selbst, sondern die aktualisierte Essenz von dem, was eine große Gruppe von Entwicklern seit Jahren diskutiert.

Die Roadmap ist auch nicht in Stein gemeißelt. Sie zeigt den aktuellen Konsens über den Weg vorwärts, der Ethereum in den Augen der Entwickler perfektionieren soll. Weder die Entwickler, noch die Börsen noch die Blockproduzenten sind an sie gebunden.

Die Roadmap besteht aus sechs Phasen mit klingenden englischen Titeln:

    1. The Merge (die Verschmelzung)
    2. The Surge (die Welle)
    3. The Scourge (die Geißel)
    4. The Verge (der Rand)
    5. The Purge (die Säuberung)
    6. The Splurge (die Prasserei)

Insgesamt besticht die Roadmap durch dieselbe monströse Komplexität, die auch Ethereum selbst anhaftet. Die Kryptowährung versteht sich als dezentrale Plattform für alles und jeden und hat, anders als Bitcoin, nicht den Anspruch, das Protokoll zu versteinern. Das macht die enorme Komplexität unter der Motorhaube sowie ein ewiges Herumschrauben fast unvermeidbar.

Man könnte es mit einer menschlichen Zelle vergleichen: Als Teil des Gewebes erfüllt sie eine für den „Nutzer“ relativ simple Funktion. Doch in sich ist sie ein unendlich komplexes Gefüge, das bis hinein in die Ladung einzelner Atome orchestriert ist und sich im Lauf endlos vieler Generationen entwickelt hat.

Aber zurück zu Ethereum. Was verbirgt sich hinter den Titeln der Phasen der Roadmap?

Vom Merge zum Spourge

Jede einzelne Phase besteht aus zahlreichen Upgrades, Plänen und Konzepten. Es würde eine Dissertation füllen, auch nur einen Teil davon ausführlich zu erklären. Daher können wir sie hier nur anreißen.

Der Merge meint den Übergang zu einem „idealen, einfachen, robusten und dezentralen Proof-of-Stake Konsens.“ Dies wurde im September 2022 mit „DEM Merge“ bereits geleistet, als die Miner durch Staker ersetzt wurden. Es fehlen allerdings noch einige Details, um den Mechanismus „ideal“ und „robust“ zu machen.

Beim Surge geht es dagegen um Skalierbarkeit. Das Ziel ist es, mehr als 100.000 Transaktionen je Sekunde auf der Mainchain und, vor allem, den Rollups und anderen Layer-2, zu erreichen. Auch dieser Weg wurde bereits beschritten.

Der Scourge soll Probleme bereinigen, die auf dem Weg bis hierhin entstanden sind. Er bezieht sich vor allem auch Tendenzen zur Zentralisierung, etwa durch Staking Pools und MEV (mehr dazu weiter unten).

Mit dem Verge möchten die Entwickler die Verifizierung von Blöcken vereinfachen. Technisch ist das die vielleicht interessanteste Phase; es sind bekannte und neue kryptographische Technologien eingeplant.

Der Purge schließlich soll mit dem Ballast aufräumen, der bis hierhin entstanden ist. Der Fachbegriff dafür ist „technical debt“, frei übersetzt „technische Last“.

Der Splurge schließlich soll „alles andere fixen“, Ethereum also quasi vollenden. Falls das jemals möglich ist, im technischen, aber auch sozialpsychologischen Sinn.

Seid ihr noch dabei? Denn wir kommen jetzt zu dem Punkt, um den es Vitalik eigentlich ging: Was sich seit der letzten Fassung der Roadmap verändert hat.

Die neue Roadmap

Die letzte Fassung der Roadmap für Ethereum stammt vom November 2022. Um die Änderungen zu erkennen, muss man schon sehr genau hinschauen. „Ethereum technischer Pfad vorwärts verfestigt sich weiter,“ erklärt Vitalik, „daher hat sich relativ wenig geändert.“

Andererseits sind es keine Kleinigkeiten, die in die Roadmap aufgenommen wurden. Vielmehr handelt es sich um essenzielle Lehren seit dem Umstieg auf Proof of Stake, auf die sich die Ethereum-Entwicklung in naher und mittlerer Zukunft fokussieren wird. Daher verdienen sie es, hier erklärt zu werden.

Der Merge: Single Slot Finality

Eigentlich ist „die Verschmelzung“ mit dem Umstieg auf Proof of Stake im Herbst 2022 abgeschlossen. Aber einige Details fehlen, um das System robuster zu machen. Ein Projekt, das es auf die Wunschliste der Ethereum-Entwickler geschafft hat, ist die „Single Slot Finality (SSF)“.

Es geht dabei um Folgendes: Derzeit benötigt ein Block in Ethereum 64 bis 95 „Slots“, um finalisiert zu sein, was 12 bis 20 Minuten entspricht. Erst dann ist er definitiv nicht mehr veränderbar. Für die meisten User und Anwendungen ist dies zwar relativ egal, aber ganz optimal ist es auch nicht.

Single Slot Finality soll nun das erreichen, was der Name sagt: Finalität nach nur einem Slot, also mehr oder weniger in Echtzeit. Es gibt schon relativ konkrete Pläne, wie man dies erreicht. Doch noch im Dezember erklärt die Ethereum Foundation, dass man noch an der Forschung sei. SSF sei frühestens in einigen Jahren zu erwarten.

Der Surge: Proto-Dunksharding und Cross-Rollup Standards

In der zweiten Phase, dem Surge, geht es um die Skalierbarkeit. Sie soll erreichen, dass eine fast unendliche Anzahl an Transaktionen mit geringsten Gebühren und ohne Einbußen in der Nutzererfahrung möglich sind.

In gewisser Weise läuft der Surge schon. Mit den verschiedenen Rollups skaliert Ethereum bereits weit über die Mainchain hinaus, etwa um den Faktor fünf. Mit einem Rekord von 160 Transaktionen je Sekunde (TPS) ist man aber noch weit von den angestrebten 100.000 TPS entfernt.

Aktivität auf der Mainchain (blaue Linie) und den Rollups nach L2Beat

Rollups erweitern die Kapazität zwar enorm, haben aber dennoch einen Niederschlag auf der Mainchain, der ihr Potenzial begrenzt. Hier kommt das noch für 2024 angekündigte Upgrade EIP-4844 ins Spiel. Es wird das sogenannte „Proto-Danksharding“ einführen, welches den Niederschlag der Rollups auf der Mainchain erheblich senken wird.

Wichtig werden ferner, betont Vitalik, „Cross-Rollup Standards“, also Standards, durch die Token von einem auf das andere Rollup springen können. Dies dürfte für eine reibungslose Nutzererfahrung in einem Netzwerk aus Rollups essenziell sein.

Der Scourge: Zentralisierung im Staking verhindern

Die Phase des Scourge soll Schwächen im Protokoll ausbügeln. Die alte Roadmap hat sich vor allem auf das sogenannte „MEV“ konzentriert. Dies meint „Miner extractable Value“, also den maximalen Wert, den ein Miner oder Staker erwirtschaften kann, wenn er in der Wahl seiner Mittel keine Skrupel kennt. MEV ist ein Synonym für Schwächen im Konsens-Algorithmus, die unehrlichen Akteuren Vorteile verschaffen. Es bricht das System nicht, korrumpiert es aber.

Zu MEV kam nun noch ein zweites Thema: die Zentralisierung durch Staking Pools. Hier geht es wohl vor allem um „Liquid Staking“ wie bei Lido, dessen Marktmacht im vergangenen Jahr immer wieder kritisiert wurde. Auch hierzu werden mehrere Methoden diskutiert, die aber viel zu kompliziert sind, um sie hier auch nur anzureißen.

Der Verge: Große Fortschritt bei Verkle-Trees

Der Verge schließlich ist die technisch vielleicht ambitionierteste und spannendste Phase. Er hat das Ziel, die Verifizierung von Blöcken und Transaktion soweit zu vereinfachen, dass jedermann mit minimaler Ausrüstung in der Lage ist, Transaktionen unabhängig von einer dritten Partei zu verifizieren.

Ein essenzieller Baustein dafür sind die sogenannten „Verkle Trees“. Diese sind eine Abwandlung der in jeder Kryptowährung verwendeten Hashbäume oder „Merkle Trees.“ Verkle Trees sollen es ermöglichen, die notwendigen Beweise zur Prüfung von Blöcken auf ein Minimum zu reduzieren.

Vitalik Buterin notiert einen signifikanten Fortschritt bei der Entwicklung der Verkle Trees. Sie näherten sich dem Zustand, bereit für die Implementierung zu werden. Dies könnte eine der Art von Durchbrüchen sein, denen sich kaum eine Kryptowährung entziehen kann.

Über Christoph Bergmann (2813 Artikel)
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2 Kommentare zu Vitalik Buterin aktualisiert Roadmap für Ethereum

  1. Wer es noch nicht weiß: Der Name „Danksharding“ kommt nach dem deutschen Entwickler Dankrad Feist, der die Methode wesentlich mitentwickelt hat und für die Ethereum Foundation in London arbeitet.

  2. Erinnert mich bisschen an Eric Cartmans Roadmap.

    1. Start up
    2. Cash in
    3. Sell out
    4. Bro down

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