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Fungibel oder nicht-fungibel? Beides!

Fliegen weiße Vögel nach rechts oder schwarze nach links? Oder ist das nur ein Schachbrett? Das Bild von M. C. Escher wurde von Pedro Ribeiro Simões auf flickr.com geteilt. Lizenz: Creative Commons

Es gibt einen neuen Tokenstandard auf Ethereum: ERC-404. Wir erklären, was es mit diesem neuen Standard auf sich hat, welche Potenziale und Risiken darin liegen und wie er bisher auf dem Markt ankommt.

Wer stehen bleibt, der fällt zurück. Das gilt kaum wo so sehr wie im Kryptomarkt, und dort am meisten im Web3-Bereich, wo eine Neuheit die nächste jagt und jeder in Echtzeit den anderen kopiert.

Eigentlich gibt es auf Ethereum zwei Tokenstandards, die sich bewährt haben: ERC-20 für fungible und ERC-721 für nicht fungible Token (NFTs). Eigentlich decken diese beiden Standards so gut wie alle Anwendungsfälle hervorragend ab, und eigentlich gibt es keinen Bedarf nach einem neuen Token-Standard.

Allerdings könnte man an ERC-721-Token das eine oder andere verbessern. Etwa die Liquidität: Während ERC-20 Token durch dezentrale Börsen wie Uniswap eine massive Vertiefung der Liquidität genießen, so dass man selbst Kleinsttoken reibungslos handeln kann, lassen sich ERC-721-Token nur über Auktionen handeln, wobei man rasch feststellt, dass sich der vermeintliche Wert mangels Liquidität nicht realisieren lässt.

Daneben gibt es seit langem den Wunsch, NFTs zu fraktionalisieren. Wenn ein CryptoPunk oder ein Bored Ape hunderttausende Dollar wert ist, wäre es nett, wenn man in einen Teil von ihm investieren könnte, etwa ein Prozent oder ein Promille. Zwar gibt es Protokolle, die ERC721-Token fraktionalisieren – etwa in eine Million ERC20-Token – doch keines davon konnte sich durchsetzen.

Happy Hour mit ERC-404

ERC-404 verspricht nun, beide Probleme zu lösen, indem es die beiden Standards in einem Smart Contract verschmilzt. Ein NFT-Token, das mit ERC-404 erstellt wird, besteht gleichzeitig aus einem fungiblen und nicht-fungiblen Teil, also aus einem Token und einem NFT. Wenn man das eine überweist, überweist man auch das andere.

Ein Beispiel: Wenn man ein fungibles Token auf Uniswap kauft, erhält man nicht nur dieses, sondern auch ein NFT. Wenn man das NFT durch eine Auktion verkauft, erhält der Käufer auch ein fungibles Token. Es ist Happy Hour!

Der Vorgang ist aber nicht ganz symmetrisch: Wenn man durch eine dezentrale Börse ein ganzes (fungibles) Token kauft, wird das diesem unterliegende NFT verbrannt und man erhält ein frisch geprägtes. Bei einem Handel des NFTs hingegen bleibt dieses erhalten.

Da man auf dezentralen Börsen auch Bruchteile von fungiblen Token handeln kann, sind NFTs nach dem ERC-404-Standard nativ teilbar. Allerdings bilden die fungiblen Token nicht einen Anteil an einem bestimmten NFT ab, sondern nur an der Serie. Nur wenn man ein ganzes Token kauft, erhält man auch das NFT.

Noch kein Standard, sondern ein Experiment

ERC-404 ist dabei noch kein allgemeiner Standard, sondern lediglich ein experimenteller Vorschlag, den die Schöpfer der Pandora-Token für ihr Token entwickelt und umgesetzt haben. Er existiert noch nicht als EIP, also als Ethereum Improvement Proposal, und wurde dementsprechend noch nicht von den Ethereum-Entwicklern geprüft und abgesegnet.

ERC-404 hat offensichtlich Nachteile. Zunächst ist die Asymmetrie des Tokens verwirrend. Wenn man einen Bruchteil eines fungiblen Tokens kauft, erwirbt man einen Anteil des Durchschnittswertes der NFTs; kauft man dagegen ein ganzes Token, bekommt man auch ein NFT dazu. Damit dürfte der Preis, den man für das fungible und nicht-fungible Token erhält, nicht derselbe sein, obwohl essenziell dieselbe Transaktion geschieht.

Ferner könnte ERC-404 es erlauben, NFTs zu „farmen“, indem man die Token so lange handelt, bis man seltene NFTs bekommt. Gerade auf Rollups, wo die Transaktionskosten vernachlässigbar sind, könnte dies lukrativ sein. Handelt es sich dabei um ein neues Geschäftsmodell – oder um einen DoS-Angriff?

Der Markt nimmt’s gerne

Nichtsdestotrotz scheint ERC-404 einen Nerv getroffen zu haben. Die Erfinder von ERC-404, die Herausgeber des Pandora-Token, starteten das erste duale Token Anfang Februar. Es gibt 10.000 Pandora-Token, die nach dem ERC-20 Standard laufen. Sie sind mit ebenso vielen Replikant-NFTs verbunden. Wenn man ein ganzes Pandora-Token auf Uniswap kauft oder verkauft, werden die zugehörigen Replican-NFTs verbrannt und geschöpft.

Das Pandora Token kam gut an. Es läuft nur auf Uniswap, erreichte dort aber bisher ein Handelsvolumen von bisher ungefähr 200 Millionen Dollar. Das Handelspaar Pandora/ETH war mit einem Handelsvolumen von 135 Millionen Dollar im Laufe der letzten sieben Tage das am siebtstärksten gehandelte Paar. Mit einem Wert von 17.500 Dollar pro Token kommt Pandora derzeit auf eine Marktkapitalisierung von knapp 180 Millionen Dollar – nicht schlecht für einen experimentellen Standard und ein NFT, das vor allem diesen Standard in Szene setzen soll.

Die Gebühren explodieren und eine Alternative bietet sich an

In der Kryptowelt folgt auf etwas, das einmal funktioniert, unvermeidbar eine Flut von Nachfolgern. So auch bei Pandoras ERC-404-Token: Anime-404 möchte 5.000 Animes über den neuen Standard tokenisieren, EGGX-404 den Standard für das GameFi-Ökosystem einführen, Gas-404 ein Proof-of-Gas-Token schaffen und und und – es gibt bereits eine kaum mehr überblickbare Flut an ERC-404-Projekten, die live sind oder in den Startlöchern stehen.

Weil eine ERC-404 Transaktion aber ungefähr dreimal so teuer ist wie eine normale NFT-Transaktion – sie braucht dreimal so viel Gas – machte sich der kleine Hype für andere User unangenehm bemerkbar: Die Gaspreise explodierten in den ersten Februar-Wochen, und mit ihnen die durchschnittlichen Transaktionskosten. Mit 71 Gwei am 9. Februar waren die Gaspreise zwar noch weit entfernt von den extremen Hochs der Jahre 2021 und 2022, erreichten aber den höchsten Stand seit Mai 2023. Teilweise kosteten einfache Transaktionen schon 18 Euro, komplexere Smart Contracts wurden kaum mehr bezahlbar.

Um solche Gasexzesse zu vermeiden, hat in anderes Entwicklungsteam eine alternative Variante vorgestellt: DN-404. Sie leistet dasselbe wie ERC-20, soll aber etwa 20 Prozent weniger Gas verbrauchen, indem sie fungible und nicht-fungible Token nicht wie ERC-404 in einem einzelnen Smart Contract vereint, sondern die beiden Smart Contracts miteinander verbindet.

Über Christoph Bergmann (2813 Artikel)
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