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Bizarrer SPIEGEL-Artikel findet, dass Kryptowährungen die Zukunft des Geldes sind

"All feathers" von jinterwas via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Wolfgang Münchau, Kolumnist bei Spiegel-Online, empfiehlt Griechenland den Bitcoin. Das ist aber längst nicht der einzige Grund, weshalb uns der Artikel sprachlos zurücklässt.

In dieser Woche hat sich die bisher wohl prominenteste Feder der Republik mit dem Bitcoin beschäftigt: Wolfgang Münchau, Gründer der Financial Times Deutschland und regelmäßiger Kolumnist bei SPIEGEL Online. Sein Text trägt den Titel “Bitcoins für Griechenland“. Es geht darin erfreulicherweise nicht um Drogen oder MtGox, sondern darum, ob und wie der Bitcoin eine Hilfe für die krisengeplagte Eurozone sein kann. Münchau meint ja, und er schimpft mit all den Ökonomen, die eine solche Idee bisher noch nicht einmal in Erwägung gezogen haben:

Wenn es zwei Gruppen gibt, die sich nicht verstehen, dann sind das nicht etwa Griechen und Deutsche, sondern Ökonomen und Experten für sogenannte Kryptowährungen wie Bitcoin. Es herrscht ein reger Wettbewerb der Unkenntnis. Und die Ökonomen sind gerade dabei, diesen Wettbewerb für sich zu entscheiden, indem sie die ganze Idee von vornherein abtun.

Ich schmelze ob dieser wundervollen Formulierung darin. Ungelogen. Wallstreet Online, das die Kolumne rezensiert, übrigens auch. Es schreibt über den weiteren Verlauf von Münchaus Artikel:

Die Geburtsstunde der Bitcoins?- Für Münchau ein „Geniestreich“, der Algorithmus hinter der bekanntesten digitalen Währung? – „deutlich cleverer als so ziemlich alles, was in den vergangenen 30 Jahren in der Ökonomie entwickelt wurde.“ Das alles klingt auf den ersten Blick wie jede x-beliebige Lobeshymne eines überzeugten Bitcoin-Fans. Und doch ist die Argumentation Münchaus besonders.

Das empfinde ich als x-beliebiger überzeugter Bitcoin-Fans nun als kränkend. Hätte der Autor von Wallstreet Online diese x-beliebige Lobeshymne auf Münchaus Text nicht auch verfassen können, ohne den Texten derjenigen, die sich schon etwas länger als Münchau mit dem Bitcoin beschäftigen, gleich eine Watsche zu verpassen? Zumal Münchaus Artikel durchaus “besonders” ist, aber in diesem Sinne, dass er mit zum Konfusesten gehört, was jemals über den Bitcoin geschrieben worden ist. Ich fasse mal zusammen:

Der Bitcoin ist ein Geniestreich, aber er kann nicht funktionieren, weil er deflationär. Nur “rechtskonservative Wirtschaftsideologen” denken, Deflation könne gut sein. Der Bitcoin ist ein cleveres Zahlungssystem, aber eine schlechte Wertanlage. Genau das macht ihn geeignet zur Parallelwährung. Wenn die EU Griechenland den Geldhahn zudreht, kann es ganz legal auf eine Kryptowährung setzen. Kryptowährungen können kein Nachfolger des Euro werden. Man kann aber eine bessere Kryptowährung als den Bitcoin bauen. Idealerweise koppelt man die Geldmenge an die Produktion. Eine Kryptowährung, die dem Euro folgt, könnte näher sein, als man denkt. Es geht um die Zukunft der Währungen.

Kann bitte jemand den Artikel auf SPON lesen und mir erklären, was er sagen möchte? Soll Griechenland nun eine Parallelwährung suchen oder eine Ersatzwährung oder sollte man das nicht so genau nehmen? Soll das der Bitcoin werden oder doch eine andere Kryptowährung? Weshalb muss jeder, der eine Deflation nicht per definition schrecklich findet, gleich ein rechter Ideologe sein? Wird eine Kryptowährung den Euro beerben oder doch nicht? Wie kann es sein, dass das große Problem des Bitcoin seine steigende Kaufkraft ist (Deflation!), er aber eine “äußerst riskante Wertanlage” abgibt? Und weshalb sollte eine riskante Wertanlage geeignet sein, Griechenland als Ersatz- oder Parallelwährung zu dienen?

Fragen über Fragen. Bitte nicht zuviel darüber nachdenken. Denn an der Kernaussage von Münchau ist etwas dran: Ökonomen dürften durchaus mal darüber nachdenken, ob der Bitcoin oder eine andere Kryptowährung hilfreich sein könnte, die Eurokrise zu bewältigen.

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7 Kommentare zu Bizarrer SPIEGEL-Artikel findet, dass Kryptowährungen die Zukunft des Geldes sind

  1. Für mich haben die ganzen Euro Finanzakrobaten sowieso, gelinde gesagt, einen an der Waffel.

    Da verliert der Euro innerhalb eines Jahres rund 75% seines Wertes gegenüber dem Dollar und die EZB schmeisst die Notenpresse an, mit der Begründung man müsse einer Deflation vorbeugen. Schon klar…

    Und zum Thema Griechenland. Jeder der halbwegs klaren Verstandes ist, muss sehen das Griechenland de facto pleite ist und niemals seine aufgelaufenen Finanzlasten bedienen kann, ergo geordnete Insolvenz, aber unsere EU Finanzakrobaten faseln weiter von Sparmassnahmen und Rettungspaketen.

    Wie sagten schon die Dakota Indianer: “Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.” – Aber was verstehen Dakota Indianer schon von Pferden…

    • Einen an der Waffel haben eher Jene, welche seit Beginn des Euro versuchen diesen Tot zu reden, denn ginge es danach, wäre der Euro bereits Geschichte. Der Euro jedoch existiert mittlerweile seit 15 Jahren und wird meiner Meinung nach auch weitere 15 Jahre überdauern, weil sich die Untergangsprophezeiungen wie fast immer nicht erfüllen werden.

      Auch dass Griechenland seine Euros in Bitcoin rüberretten könnte, ist sicherlich ein interessanter Gedanke, doch wird Griechenland nicht wirklich weiterhelfen, weil das Kernproblem nicht die Schulden, sondern die zu geringe Leistungsfähigkeit ist.
      Was der Bitcoin jedoch leisten kann ist es die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller Staaten zu verbessern, indem Transaktionen schneller und günstiger ausgeführt werden und somit die Leistungsfähigkeit jedes Unternehmen weiter erhöhen können.
      Man kann dies in etwa mit dem Internet vergleichen, ohne das Internet wären Unternehmen heute wesentlich weniger Leistungsfähig und ein solch globaler Handel und Betrieb gar nicht effektiv möglich.
      Man kann dies auch auf der Ebene des Kapitals mit der Einführung des Buchgeldes vergleichen, ohne Buchgeld wären Unternehmen ebenfalls wesentlich weniger leistungsfähig, weil erst Buchgeld die Transaktionsgeschwindigkeit steigert, sowie die Kosten deutlich gesenkt hat.

      Mit zunehmender Leistungsfähigkeit sowie Automatisierung wird der Lebensstandard weiter steigen, wird der globale Handel weiter forciert, werden die Menschen immer weiter zusammenwachsen und sich daraus Synergieeffekte ergeben, u.a. eben auch indirekt für Griechenland.

      • Zu welchem Preis überlebt der Euro bisher?
        Allein im vergangenen Jahr hat der Euro gegenüber dem Dollar ca. 75% an Wert verloren. 75% gegenüber einer Währung die selbst inflationär ausgelegt ist und ständig an realem Wert verliert. Wenn das mal nicht eine tolle Leistung ist.

        Wir werden ständig und schleichend enteignet – wenn ich an meine private Rentenversicherung denke, die in Euro läuft und aus der ich im Moment nicht raus kann wird mir richtig speiübel. Die ganzen “Rettungspakete” eit 2008 sind nichts anders als eine unglaubliche Aufblähung der Geldmenge ohne realen wirtschaftlichen Wert dahinter und damit einer der größten Scams der Menschheitsgeschichte.

        Habe ich Geld gesagt? Der Euro ist kein Geld, ihm fehlt eine grundlegende Eigenschaft von wirklichem Geld – die Werthaltigkeit. Alles, was ich in Euro für die Zukunft “speichere” verliert jeden Tag an Wert. Das passiert bei allen Währungen ohne echte Deckung, aber beim Euro ist die Geschwindigkeit im Moment atemberaubend.

        Es ist nicht die Frage, ob der große Knall kommt, sondern nur wann. Das ist unausweichlich und systembedingt. Niemand redet den Euro tot, er ist es längst, so sicher wie 1 +1 = 2.

    • Nur zur Klärung: USD vor einem Jahr bei 1,40 Euro, jetzt bei 1,05. Verlust 0,35 Euro. Der Euro hat daher “lediglich” 25% an Wert gegenüber dem USD verloren, nicht 75%.

  2. Ich fand besonders diese Aussage sehr gut:
    “Die klassische Ökonomie weist Geld drei Rollen zu: Zahlungsmittel, Zahlungseinheit und Wertaufbewahrung. Es gibt aber keinen logischen Grund, warum man diese Funktionen nicht trennen könnte. Bitcoins sind ein gutes Zahlungsmittel, aber keine wirkliche Zahlungseinheit und eine äußerst riskante Wertanlage. ”
    Wenn man Bitcoin als Zahlungsmittel nimmt, mit dem schnell, sicher und garantiert “Geld” übertragen kann, dann ist es vergleichbar wie Bargeld und keine Konkurrenz zu den bestehenden Methoden. Warum kann der Zahlungsverkehr nicht darauf basieren? Warum muss ich bei einer Überweisung 2-3 Tage warten? Die Banken müssten aus eigenem Interesse eigentlich den Zahlungsverkehr darauf umstellen und nicht Bitcoins verteufeln. Oder erkennt man die Konkurrenzbedrohung?
    Fazit: Bitcoin ist das perfekte Zahlungsmittel.

  3. Es wäre sicher sinnvoll, wenn Finanzminister wenigstens halb soviel von Finanzen verstehen würden, wie Dakota Indianer von Pferden.
    Dann wäre dieses ganze Gedöns um den Euro schon längst Geschichte oder erst gar nicht entstanden.

  4. “Nur “rechtskonservative Wirtschaftsideologen” denken, Deflation könne gut sein…”

    Hier offenbart sich die Gedankenblockade des Autors, er sollte sich noch weiter von seinen Ideologien entfernen, aber er ist ja schon auf einem guten Weg und das finde ich toll.

    Selbstverständlich wird er dann irgendwann auch feststellen, dass Deflation per se weder “gut” noch “schlecht” ist…

    Ein freier Geist kann Begriffe frei von Ideologischen Schubladen begreifen, und hier ist eigentlich klar erkennbar, das ein Deflationäres System ein Werterhaltendes ist, was für die Mehrheit der Menschen sicherlich ein großer Vorteil wäre. (Aber natürlich für ganz bestimmte wenige ein absoluter Nachteil)

    Es gibt einen ganz einfachen Grund, warum Bitcoin das “bessere” Gold ist: Unendliche Teilbarkeit.

    grüße!

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