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Bitcoin für internationale Überweisungen: (noch) kein No-Brainer, sondern harte Arbeit

Die auch von SETI-Anhängern und Youtube benutzte "Earth Flag" von James W. Cadle, hier in einer Variation durch die Knights of Gaia. Bild über Flickr bezogen, Lizent: Creative Commons

Ein großes südkoreanisches IT-Unternehmen kauft ein Bitcoin-Remittance Startup aus Manila.Wir nehmen das zum Anlass, um zu schauen, wie weit Bitcoin dabei ist, den Markt der internationalen Überweisungen umzukrempeln.

Immer wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen beginnt, ins Bitcoin-Business einzusteigen, ist das einen Blick wert. Diesmal geht es um KakaoTalk, einen südkoreanischen Instant-Messanger, der in seiner Heimat einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent hat. KakaoTalk hat insgesamt 170 Millionen User, ist fast 3 Milliarden Dollar wert und hat um die Chat-App herum ein kleines Ökosystem mit etwa einer Publishing- und Gaminig-Plattform aufgebaut.

Im Juni hat nun der Investmentarm von KakaoTalk sich erstmals in eine Firma außerhalb Südkoreas eingekauft. Für manche Beobachter ist die Wahl des Investments überraschend, für andere nur folgerichtig: KakaoTalk hat 40% von Satoshi Citadel gekauft. Wie viel die Firma dafür bezahlt hat, geht aus den Pressemitteilungen leider nicht hervor.

Satoshi Citadel ist, wie der Name schon andeutet, ein Bitcoin-Unternehmen. Das Startup mit Sitz in der philippinischen Hauptstadt Manila betreibt eine Börse, einen Zahlungsdienstleister, einige weitere Plattformen und vor allem die Remittance-Webseite rebit.ph. Remittance – oder, wie es Satoshi Citadel nennt: Rebittance – meint internationale Überweisungen, etwa von den vielen philippinischen Gastarbeitern, die rund um die Welt auf Baustellen und Schiffen arbeiten. Mithilfe der Kryptowährung Bitcoin bietet Satoshi Citadel Überweisungen von Bankkonten weltweit in die Philippinen zu recht günstigen Konditionen.

Der Sinn des Investments erschließt sich demnach recht einfach: In Südkorea arbeiten rund 60.000 Arbeitsmigranten aus den Philippinen, die im Jahr mehr als 200 Millionen Dollar nach Hause schicken. Bislang wird das Geschäft der Auslandsüberweisungen von Südkorea zu den Philippinen nur von wenigen Unternehmen angeboten. Durch seine neueste Investition  möchte Kakaotalk diesen Markt nun offenbar aufmischen.

Bitcoin-Remittance: In Korea und auf den Philippinen bereits jetzt ein umkämüfter Markt

Mit rebit.ph von Satoshi Citadel hat sich das koreanische Unternehmen dabei eine Plattform ausgesucht, die über die Philippinen hinaus in einem recht weitreichenden asiatischen Raum Bitcoins annimmt und dafür Bargeld ausliefert. Der einzige Anbieter im Korridor Südkorea-Philippinen ist Satoshi Citadel aber beileibe nicht. Auch PayPhil und SentBe nutzen den Bitcoin als Tunnelwährung, um den Geldtransfer zwischen den beiden Ländern zu erleichtern, während die koreanische Bitcoin-Börse Korbit anbietet, sowohl Geld von überall auf der Welt nach Korea zu senden wie auch von Korea Geld in den Rest der Welt zu schicken.

Zur besten Remittance-Plattform auf den Philippinen kürt der Cointelegraph jedoch coins.ph, ein Startup, das durch ein Bündel von Dienstleistungen den Geldtransfer zwischen Japan, Korea, den Philippinen und den USA erleichtern und unter anderem von Pantera Investments und der Digitcal Currency Group finanziert wird.

Bitcoin könnte alles so einfach machen …

Internatinale Überweisungen gelten nicht nur auf den Philippinen als die natürliche Domain des Bitcoins. Bislang werden sie von Firmen wie Western Union, MoneyGram und RIA beherrscht, die recht allgegenwärtig verfügbar sind und so gut wie jeden Winkel der Erde erreichen, dafür aber mitunter horrende Gebühren verlangen. Dass es gerade die Ärmsten der Armen sind, die zum Teil über zehn Prozent berappen, um Geld zu ihren Familien zu schicken, ist eigentlich ein Unding, das aus der Welt zu tilgen eine der edelsten Anwendungen des Bitcoins sein sollte.

Allerdings ist die Sache nicht ganz so einfach. Wenn ich Bitcoins habe – oder Bitcoins verdiene – und mein Verwandter in Ghana oder Madagaskar oder Indien Bitcoins sparen oder mit ihnen seine Miete bezahlt, ist alles wunderbar. Aber da die Welt (noch) nicht so ist, sondern die meisten Gastarbeiter die eine Fiat-Währung verdienen und ihre Verwandten die andere Fiat-Währung brauchen, ist Bitcoin lediglich eine Tunnelwährung, in die man (teuer) rein- und (teuer) rauswechseln muss. Anstatt eines No-Brainers wird Bitcoin-Remittance so zu harter Arbeit und einem Geschäft, in dem knallhart Grenzkosen zu kalkulieren sind.

Dies hat vor kurzem auch das Bitcoin Remittance Startup Freemit, gegründet von John Biggs, einem ehemaligen TechCrunch-Redakteur, erfahren. Freemit musste schließen, nachdem es nicht möglich war, neue Investitionen einzufahren. Laut dem Geschäftsführer hat schlichterdings ein marktfähiges Produkt gefehlt, das Investoren überzeugen konnte. Nicht besser erging es HelloBit, einem ebenfalls amerikanischen Bitcoin-Remittance-Startup, das derzeit dabei ist, herunterzufahren, sowie ArtaBit, einem (ehemaligen) indonesischen Bitcoin-Remittance-Startup, dessen Webseite mittlerweile tot ist.

Es reicht eben nicht mehr, einen reformbedürftigen Markt wie das Remittance zu nehmen, Bitcoin zu rufen und zu erwarten, dass alles gut wird. Bitcoin ist ein Ansatz, aber kein Zauberstab, der alle Probleme wegfunkelt. Man braucht eine Idee mehr.

CFD, Smart Contracts und ein dezentrales Netz auf Bitcoin drauf

Eine solche Idee mehr hat vielleicht die Remittance App Abra, die mit dem wenig bescheidenen Ziel an den Start geht, ein international operierendes “Uber der Geldüberweisuungen” zu werden. Ein Blick auf Abra zeigt, wie komplex die Angelegenheit wird, wenn man Bitcoin als Tunnelwährung nutzbar macht. Aber er zeigt auch, welche unerwarteten Möglichkeiten in der Blockchain liegen.

Der Gründer von Abra, Billy Bardhydt, hat vor kurzem erzählt, wie er seit Jahren nach einem Weg sucht, weltweit Geld über Telefonnummern zu senden. In Bitcoin habe er das fehlende Puzzlestück gefunden; “Ich habe erkannt, dass, wenn es einen Weg gibt, Geld von einer Telefonnummer zu einer anderen weltweit zu versenden, man alle Mittelmänner eliminieren muss.”

Bitcoin löst das eine Problem – die Mittelsmänner – bringt dafür aber ein anderes ins Spiel: die Volatilität. Wenn der Preis der Kryptowährung am Tag um mitunter 5 Prozent schwankt, hilft das günstigste Versenden nichts, da ein kleiner Crash die Überweisung extrem teuer machen kann. Man weiß nie, wieviel es kosten wird, was vielleicht noch viel schlimmer ist, als viel zu bezahlen.

Abra versucht dieses Problem zu entschärfen, indem eine “synthetische” Währung erzeugt wird, die wertstabil bleibt. Hierfür sollen Smart Contracts auf der Blockchain genutzt werden, die das Geld als Token in der jeweiligen Währung abspeichern und Anreize für die Beteiligten setzen, den Wert stabil zu halten. Die App soll so ähnlich wie Colored Coins oder Counterparty “auf Bitcoin drauf” als dezentrales Netzwerk operieren, indem die beteiligten Parteien über Wetten gegenseitig den Wert der Token stabilisieren.

Die Fußarbeit für dieses recht komplexe Finanzprodukt bilden die “Retailer”, private Geldwechsler, die Geld in das Abra-Netzwerk hineinbringen bzw. herausholen. Sie operieren ähnlich wie die bereits bekannten und etablierten Geldwechsler, die man in den meisten Ländern als nahezu allgegenwärtige unabhängige Kleinunternehmer kennt. In Deutschland ist ein solches kleinunternehmerisches Geldwechselns aus regulatorischen Gründen etwas haarig, was auch einer der Gründe sein dürfte, weshalb Abra hierzulande noch nicht verfügbar ist.

Indien in den Startlöchern

Für Remittance-Startups ist Deutschland allerdings sowieso eher ein Nischenmarkt. Wer hierzulande Bitcoins als Tunnelwährung benutzen will, kann sie unter anderem bei Bitcoin.de günstig und zuverlässig kaufen. Prinzipiell gibt es daher kaum ein Hindernis, um die Kryptowährung für internationale Überweisungen zu nutzen. Das Problem – und damit die Chance für Startups – liegt am anderen Ende der Überweisung: Im Heimatland der Empfänger. So stelt beispielsweise der Mangel an Liqudität in den meisten afrikanischen Ländern derzeit für den Bitcoin-Remittance ein noch nicht überwindbares Hindernis dar.

Besser sieht es dagegen in Indien aus. Das Reich der Götter, Kühe und Currys könnte neben den Philippinen das Land sein, in dem dem Bitcoin-Remittance der Durchbruch gelingt. Zebpay, eine indische App-basierte Börse, berichtet dem Bitcoinmagazine stolz, die 100.000-Downloads-Marke geknackt zu haben. Mit dem Ziel, bis Ende des Jahres 450.000 Kunden zu haben, möchte Zebpay, so der COO Sandeep Goenka, “aggressiv in Indien expandieren.” Mit 20.000 neuen Kunden je Monat und einem bisherigen Handelsvolumen von 22 Millionen Dollar scheint das Startup auf einem guten Weg zu sein. Rückenwind bekommt es durch den langsam, aber kontinuierlichen Bitcoin-Handel in Indien.

Dass Bitcoin laut den Mitarbeitern von Zebpay in Indien immer mehr als alternatives Zahlungsmittel im E-Kommerz genutzt wird, könnte dramatische Folgen für den globalen Remittance haben. Indien ist mit einem Volumen von 69 Milliarden Dollar im Jahr laut der Weltbank der größte Empfänger von Remittance-Zahlungen. Mithife von Bitcoin, so Goenka, könnten die Inder im Jahr rund 7 Milliarden Dollar an Gebühren sparen.

Zebpay in Indien verdeutlicht, ebenso wie Satoshi Citadel, dass Remittance vor allem in Asien passiert. In Europa sitzen die Leute meist am anderen Ende der Überweisung, dem Gebenden.Für sie steht eigentlich schon alles bereit. Sie müssen nicht mehr tun, als Bitcoin benutzen.

Über Christoph Bergmann (2641 Artikel)
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1 Kommentar zu Bitcoin für internationale Überweisungen: (noch) kein No-Brainer, sondern harte Arbeit

  1. Bei bravenewcoin.com gibt es passend dazu gerade einen ähnlichen Bericht:
    Bitcoin remittances ‘20 percent’ of South Korea-Philippines corridor
    http://bravenewcoin.com/news/bitcoin-remittances-20-percent-of-south-korea-philippines-corridor/

    Als Vorzeigeprojekt dient allerdings nicht Satoshi Citadel sondern BloomSolutions (bitcoin powered remittances now account for 20% of the Asian remittance corridor between South Korea and the Philippines).

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  1. Gebührenfreie internationale Überweisungen: OKLink subventioniert Bitcoin-Remittance - Coinomia Forum

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