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Und sie nennen es Blockchain …

lemons von liz west via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Vor kurzem kam die deutsche Übersetzung des US-Bestsellers “Die Blockchain Revolution” von Don und Alex Tapscott auf den Markt. Von einem Kauf ist schärfstens abzuraten.

Wir haben mit Don Tapscott einen exzentrischen kanadischen Bestsellerautor (wikinomics), der mit seinem Sohn Alex Tapscott ein Buch über das Mode-Thema “Blockchain” geschrieben hat. Der Titel: “Die Blockchain Revolution”. Das Buch wurde von Apple-Mitgründer Steve Wozniok, Bythe Masters, Tim Draper, Benjamin Lawsky und vielen anderen als bahnbrechendes Meisterwerk beworben und fand dementsprechend in den USA reissenden Absatz.

Was kann da noch schiefgehen? dachte sich wohl der Plassen-Verlag, und verlegte eine Übersetzung des Buches. Tja. Ehrliche Antwort? Alles. Alles kann schiefgehen, und alles ist schief gegangen. Bitte, lieber Leser, lesen Sie dieses Buch nicht. Sie werden Ihre Zeit damit verschwenden, viele Floskeln und viele schlechte Übersetzungen, aber wenig Informationen zu erhalten – und diese Informationen sind zu allem Überfluss noch oft genug falsch und irreführend.

Die Blockchain Revolution von Don und Alex Tapscott. Ein Buch das ganz und gar nicht zu empfehlen ist.

Die Blockchain Revolution von Don und Alex Tapscott. Ein Buch das ganz und gar nicht zu empfehlen ist.

Ich meine das vollkommen ernst. Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, dieses Buch zu kaufen, um mehr über die Blockchain zu erfahren – lassen Sie es. Bitte. Wenn dieses Buch nicht ein Bestseller auf dem US-Buchmarkt gewesen wäre – kein Verlag hätte ein Manuskript der Übersetzung länger als 20 Seiten ernsthaft gelesen.

Don und Alex Tapscott haben mit vielen Eingeweihten der Blockchain-Wirtschaft gesprochen. Sie sind recht gut darin, Weisheiten zur Management-Theorie und zu Innovationen vom Stapel zu lassen. Und es gelingt Ihnen, mit schreienden Überschriften die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen. Das ist aber auch schon das beste, was man über dieses Buch sagen kann.

Eine plausible, richtige und einfach zu verstehende Erklärung, was die Blockchain ist, werden Sie in “Blockchain Revolution” nicht finden. Auch klare Beispiele, wo und warum die Blockchain die Wirklichkeit revolutionär verändert, werden Sie vergeblich suchen.

Stattdessen bekommen Sie immer wieder satzbautechnische Wunderwerke zu lesen. Beispiel: “Wir glauben, dass diese nächste Ära von Satoshi Nakamotos Vision inspiriert, rund um einen Satz impliziter Prinzipiel gestaltet und durch den kooperativen Geist vieler leidenschaftlicher wie kompetenter Vordenker in der Gemeinschaft realisiert werden könnte.” Alles klar? Probieren Sie es nochmal. Ich selbst bin ein großer Verfechter von langen Sätzen – aber so etwas geht selbst mir zu weit. Und so geht es mehr oder weniger das ganze Buch durch.

Eine Teilschuld trägt sicherlich auch der Übersetzer. Wer “Blockchain-Securities” als “Blockchain-Sicherheiten” übersetzt, muss sich schon fragen, ob er der richtige Übersetzer für ein solches Buch ist. Aber im Großen und Ganzen ist zu bezweifeln, dass ein so hoher Grad an Blablabla vom Übersetzer allein verbrochen werden kann.

Ich habe drei willkürliche Sätze durch den Blablameter gejagt. Das Ergebnis lässt sich vermutlich auf alle Sätze in diesem Buch anwenden: “Sie müssen PR-Profi, Politiker, Unternehmensberater oder Universitätsprofessor sein! Sollten Sie eine echte Botschaft transportieren wollen, so erscheint es fraglich, ob diese Ihre Leser auch erreicht.”

Und wissen Sie was? Das ist gut so. Denn noch schlimmer, als dass jemand das Buch gekauft hat und nach einigen Seiten in den Müll wirft, ist, dass es jemand komplett liest und die “echte Botschaft” versteht. Die ist nämlich höchst irreführend.

Der Großteil der in diesem Buch skizzierten und vorgestellten Blockchain-Anwendungen hat kaum etwas mit Blockchains zu tun. Vielmehr haben die Tapscotts offenbar die Datenbank entdeckt, zeigen einige sinnvolle und unsinnige Datenbank-Anwendungen und kleben das Etikett Blockchain drauf.

Dass dabei Anwendungen herauskommen, bei der die Blockchain so gut wie keinen Vorteil gegenüber herkömmlichen Datenbanken hat, aber viele Nachteile, ist irgendwie zu erwarten. Schauen wir uns mal ein Beispiel an:

Ihr Metzger vor Ort kann zwar behaupten – und das auch ehrlich glauben -, dass sein Rindfleisch sicher ist und von artgerecht gehaltenen Tieren stammt, die hochwertiges Futter erhalten und keine unnötigen Medikamente. Garantieren kann er das aber nicht. Niemand führt Buch über jede Kuh …

Die Nahrungsmittelbranche könnte in der Blockchain nicht nur die Nummer von jedem Stier speichern, sondern sogar von jedem Stück Fleisch, mit potenzieller Verknüpfung zu seiner DNS. Dreidimensionale Suchfunktionen könnten eine umfassende Rückverfolgung von Vieh und Geflügel ermöglichen, sodass der Verbraucher die Identität eines Tieres mit seiner Geschichte verbinden kann.

Ok. An diesem Punkt habe ich die Geduld mit den Tapscotts verloren. Erstens überfordern solche Pläne die Skalierbarkeit einer Blockchain. Es gibt keine öffentliche Blockchain, in die wir die Daten über jedes Kilogramm Fleisch – und am besten noch die DNA des Rindviehs – abspeichern können. Funktioniert nicht – und löst zweitens sowieso kein echtes Problem.

Denn die Blockchain selbst kann nicht prüfen, ob das Fleisch im Supermarkt wirklich zu der Kuh gehört, die auf der Verpackung verlinkt ist, und die Blockchain kann auch nicht feststellen, ob derjenige, der die Daten eingegeben hat, nicht gelogen hat. Ergo: wir brauchen auch weiterhin Vertrauen. Der Vorteil, hierfür eine Blockchain zu benutzen, geht gegen Null – während die Nachteile immens sind. Eine ganz normale Datenbank kann dasselbe – und zwar besser und günstiger.

Man könnte es damit vergleichen, dass Ihnen jemand empfiehlt, die Probleme des innerstädtischen Individualverkehrs dadurch zu lösen, dass man anstatt Autos gepanzerte Kettenfahrzeuge benutzt.

Lassen Sie es einfach. Lesen Sie das Buch nicht. Es frisst Ihre Zeit, um Ihnen falsche Vorstellungen von der Blockchain zu vermitteln.

Über Christoph Bergmann (2552 Artikel)
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5 Kommentare zu Und sie nennen es Blockchain …

  1. Danke für die Warnung, wollte es mir die Tage bestellen…

  2. Hehe, und was bitteschön sind “Dreidimensionale Suchfunktionen” ? lol

  3. Letztens war da noch die in meinen Augen wirklich gelungene Sendung im Zündfunk, die auch das Buch zum Inhalt hatte: http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/kolumnen-sendungen/generator/generator-wie-die-blockchain-technologie-die-welt-veraendern-will-100.html

    Jetzt hab ichs mir gekauft und quäle mich etwas durch die Seiten. Werde mir ein eigenes Bild machen. Irgendwas zieht man ja immer aus einem Buch.

  4. Schöner Verriss, der ganze “Blockchain” Hype ist zu 99% Bullshitting. Bis heute habe ich keine Blockchain gesehen, die ohne werthaltige Tokens (wie Bitcoin) funktioniert. Es geht zuallererst um Geld, nicht um irgendwelches Web 10.0 Gelaber.

    Das Rindfleischbeispiel ist auch nur Rumposaunen schöner Wörter, allerdings ist die Entgegnung mit der Skalierbarkeit auch nicht ganz korrekt. Die Daten lassen sich ja meistens sinnvoll zusammen packen, und wenn ich z.B. die Daten meiner “aktuellen Schlachtung” gehasht timestampen lasse, habe ich ja schon etwas erreicht.
    Absolut fälschungssicher ist das natürlich nicht.

    Und die meisten scheinen 1. nicht vestanden zu haben wie eine Blockcchain funktioniert und 2. längst bekannte Verfahren, die z.B. bei Bitcoin (Public Key Krypto, Merkletrees, ..) genutzt werden, mit “Blockchain Technology” zu verwechseln.

  5. Hatte das Buch angefangen zu lesen und es dann irgendwann enttäuscht weggelegt. Auch ich rate vom Kauf dringend ab. Man muss allerdings sagen, dass es wirklich nicht leicht ist, gute Lektüre zum Thema Blockchain zu finden.

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