Lightning-Netzwerk: Erfolgreiches Routing nimmt mit steigendem Betrag rapide ab

Nachdem sich das Lightning-Netzwerk seit etwa fünf Monaten ausbreitet, ziehen Analysten die ersten Zwischenbilanzen. Das Ergebnis könnte ernüchternd sein: Das Routing zwischen zwei zufälligen Knoten ist äußerst unzuverlässig, vor allem bei größeren Beträgen, und es sind schon jetzt erhebliche Zentralisierungs-Tendenzen sichtbar. Doch es gibt verschiedene Arten, wie man dies interpretieren kann.
Seit Mitte Februar die ersten Lightning-Nodes ins Mainnet gegangen sind, wächst das Netzwerk rapide. Heute gibt es bereits mehr als 2.500 Lightning-Nodes, die 7.800 Channels mit einer gesamten Kapazität von fast 130.000 Euro. Mit ersten Apps wie Satoshis.Place oder dem Candy-Dispenser, der spürbaren Begeisterung auf den Lightning-Hackdays und immer mehr Anwendungen in Wallets und Firmen hat Lightning mächtig Rückenwind.
Man könnte meinen, das Netzwerk von Payment Channels habe die Skalierungsprobleme von Blockchains bereits gelöst, indem es Zahlungen einfach offchain prozessiert, also ohne dass diese jemals mit der Blockchain in Berührung kommen, aber dennoch deren Sicherheit bieten.

Wachstum der Nodes und Channels im Lightning-Netzwerk seit Februar. Quelle: Diar.co
Eine kürzlich erschienene Analyse fällt dagegen etwas ernüchternder aus. Ein kurzer Artikel in der neuesten Ausgabe von Diar schaut sich den gegenwärtigen Stand des Lightning Netzwerks an. Einer der Werte, den die Autoren unter die Lupe nehmen, ist die Erfolgschance, eine Zahlung einer bestimmten Größe zwischen zwei zufälligen Nodes zu versenden. Die Herausforderung ist dabei, dass der Node eine Route zum Empfänger senden muss, die über verschiedene Zwischen-Nodes führt, die je einen ausreichend gedeckten Channel haben müssen (mehr zum Channeling im Lightning Netzwerk). Erschwert wird dies dadurch, dass der Node nicht exakt weiß, welche Liquidität in den Channels verfügbar ist, und sich diese zudem ständig ändern kann (mehr dazu in der Lightning-FAQ für Fortgeschrittene).
Schwache Performance bei nicht-winzigen Zahlungen
Die Daten hierzu wurden nicht von Diar selbst erstellt, sondern von einem User namen YeOldDoc auf Basis des Recksplorers zusammengefasst und vor sieben Tagen veröffentlicht. Sie zeigen ziemlich deutlich, dass “die Zuverlässigkeit, eine Zahlungen erfolgreich über das Lightning Netzwerk zu routen, weiterhin recht schwach ist, vor allem für größere Beträge. Die Erfolgschance, um einen Dollar zwischen zwei zufälligen Lightning-Knoten zu versenden, liegt bei nur 70 Prozent.”

Erfolgschance, eine Route zwischen zwei zufälligen Knoten zu finden, gestaffelt nach Höhe des Betrags. Quelle: Ebenfalls Diar.co.
Einige Eckpunkte: Eine 100-prozentige Erfolgschance haben nur Beträge unter 3 Cent. Ab etwa 5 Euro fällt die Wahrscheinlichkeit, dass man eine Route findet, auf weniger als 50 Prozent, und wer mehr als 50 Euro versenden will, kommt nur mit einer 10-prozentigen Wahrscheinlichkeit durch. Für ein Zahlungssystem ist das relativ wenig, zumal wenn man bedenkt, dass die Bitcoin-Preise nicht eben stabil sind.
Ein Beispiel dafür: YeOldDoc hat die Analyse vor 7 Tagen damit kommentiert, dass “die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich einen Kaffee zu bezahlen (etwa 0,0004 BTC) zwischen zwei zufälligen Peers etwa bei 48 Prozent liegt.” Da der BTC-Preis seitdem gefallen ist, wäre dies heute ein sehr günstiger Kaffee (2,09 Euro), und die Chance, einen Cappucchino in einem Café zu bezahlen, dürfte noch tiefer liegen.

Quelle: Diar.co
Die verschiedenen Angaben, Charts und Interpretationen weichen zwar leicht voneinander ab, doch eines ist klar: Lightning ist derzeit nur für echte Mikrotransaktionen geeignet. Emin Gün Sirer, Blockchain-Forscher mit einem Hang für dramatische Diagnosen, kommentiert dies auf Twitter: “Wir sehen derzeit einige der entstehenden Eigenschaften von LN. In den letzten fünf Monaten hat sich die Anzahl an Routen verzehnfacht, aber die Wahrscheinlichkeit, eine Route zu finden, hat sich überhaupt nicht erhöht. Die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns scheint nicht zu skalieren.”
Nicht überraschend, aber auch nicht tragisch
Laut dem Chefentwickler von Lightning Labs, Olaoluwa Osuntok, ist die Analyse jedoch fehlerhaft. Sie versäume es, Lightning Channels auszusortieren, die keine größeren Transaktionen als einen bestimmten Betrag unterstützen, erklärt er TheNextWeb. “Wenn man sich anschaut, wie das Lightning Netzwerk wirklich funktioniert, ist das so, als würde man sagen, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Raum, in den 10 Leute passen, in der Lage ist, 50 Personen zu fassen, läge bei 0.” Die Resultate des Modells seien äußerst schräg, “da sie unsinnige Datenpunkte beinhalten.”
Jeff Gallas, der mit Fulmo Lightning Hackdays veranstaltet, kommentiert zwar nicht die Methode, teilt die Sorgen von Diar aber nicht. “Lightning funktioniert ja schon, vor allem für Mikrotransaktionen wie bei Satoshis.Place oder den Candy-Dispenser, aber auch für den berühmten Kaffee. Darum geht es doch: Offchain für kleine Transaktionen, onchain für Große.” Jeff ist aber zuversichtlich, dass Lightning in Zukunft auch für größere Zahlungen zuverlässig funktionieren wird: “Momentan wird von den Entwicklern davon abgeraten, zu viel Geld in einen Channel zu packen, weil die Software noch sehr beta ist. Daher ist es nicht überraschend, dass große Zahlungen nicht optimal durchgehen.” Dies werde sich aber in Zukunft vermutlich ändern.
Zentralisierung für die Dezentralität
Die Analyse auf Diar weist aber noch auf einen zweiten Kritikpunkt am Zustand von Lightning hin: Die Zentralisierung der Hubs. “Der Mangel an Liquidität zwischen den Hubs, sowie das Problem, dass ein Node immer online sein muss, haben dazu geführt, dass sich die Kapazität auf einige wenige Nodes konzentriert. Die zehn größten Lightning-Nodes machen 0,4 Prozent aller Nodes aus, fassen derzeit aber 53 Prozent der gesamten Kapazität, während die restlichen 99,6 Prozent der Nodes nur 47 Prozent der Kapazität haben.”

Die zehn größten Lightning-Knoten und ihre Kapazität in Bitcoin. Quelle: nochmal Diar.co.
Das Lightning Netzwerk ist vieles, aber nicht dezentral. Es scheint eine strukturelle Tendenz zur Zentralisierung auf große Hubs zu geben, was zum Teil auch bereits vorausgesagt wurde.
Jeff Gallas findet aber auch dies nicht zwingend schlimm: “Die Kapazität eines Nodes bedeutet nicht unbedingt, dass er auch so viele Bitcoins hat. Bitrefill, der Hub mit der größten Kapazität, hat etwa schon sehr früh größere Zahlungen für Gutscheinkarten akzeptiert, weshalb am Anfang viele Leute direkt mit ihm einen Channel geöffnet haben. Das erhöht natürlich dessen Kapazität. Aber das bedeutet noch nicht, dass er Macht über die User hat. Im schlimmsten Fall geht er offline. Dann werden die Channels geschlossen, die Leute bekommen ihr Geld zurück und machen neue Channels mit anderen Hubs auf.”
Zentralisierung auf Lightning, könnte man sagen, ist leicht zu verschmerzen, solange die Basisschicht von Bitcoin, die Blockchain weiterhin dezentral bleibt – und solange die Zentren bei Lightning wenig Möglichkeiten haben, ihren Status im Netzwerk zu missbrauchen. Diar befürchtet jedoch, dass die großen Hubs von der Finanzaufsicht als Finanzdienstleister betrachtet und reguliert werden. Dabei beruft sich das Journal auf einen Kommentar von Bitcoin-Evangelist Andreas Antonopolous, der im Januar prophezeit hat, dass große Unternehmen keine Lightning-Nodes betreiben werden, weil sie verpflichtet sind, Anti-Geldwäsche-Regeln umzusetzen, was mit Lightning kaum oder gar nicht möglich sei.
Allerdings ist reichlich unklar, wozu solche Regeln die Hubs verpflichten würden bzw. könnten, wie es auch nebulös bleibt, auf welcher rechtlichen Grundlage Lightning-Hubs reguliert werden können. Die Analyse zeigt, dass die Struktur des Lightning-Netzwerkes wohl nicht für jeden optimal ist – aber sie vergisst, zu erwähnen, dass alle Probleme, die sich auf Lightning zeigen, die Blockchain von Bitcoin selbst unberührt lassen. Selbst wenn Lightning extrem zentralisiert wird, hilft dies, Bitcoins Dezentralität zu erhalten.
Bitcoins Dezentralität? Auch die Miner tendieren zur Zentralisierung:
https://www.ccn.com/bitmains-mining-pools-now-control-nearly-51-percent-of-the-bitcoin-hashrate/
Evtl. kann hier ja Betterhash helfen. Gab’s dazu eigentlich mal einen Bericht hier? Fände ich auch super interessant…
Ich kann mir gut vorstellen, dass das nur temporär sein wird. Sollte sich Bitcoin (BTC oder BCH) weltweit durchsetzen, dann wird es auch mehr Wettbewerb beim Mining geben. Folgen sind Dezentralisierung und eventuell auch mehr Fokus auf Umweltschutz (ASICs deren Wärmeabgabe weiterverwendet werden kann).
Naja, also.. mal vielleicht ein bisschen Abstand nehmen. Hätte man 2010 analysiert, wie “gut” der Bitcoin so funktioniert….
Die “Probleme” sind bekannt und werden auch aktiv angegangen. LND hat zum Beispiel ein Autopilot-Feature, dass automatisch im Hintergrund Channel öffnet und so versucht, eine bestmögliche Konnektivität zu erzeugen. Ab einer bestimmten Netzwerkgröße werden das immer weniger Channel sein, dazu gibt es auch irgendwo schöne Grafiken.
Kombiniert mit Atomic Multi-Path Payments (AMP) werden die Routen immer stabiler und es steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass immer größere Zahlungen an beliebige Teilnehmer durchgehen.
Denkbar wäre aber auch, eine beliebige Anzahl von Zahlungen sehr schnell hintereinander zu verschicken, quasi zu streamen. Dann hat man bei der erwähnten 300 USD-Zahlungen eben 300 x 1 USD-Teilzahlungen oder 3000 x 0,1 USD-Zahlungen.
Das passiert alles im Hintergrund und die entsprechende Software wird zur Zeit geschrieben.
Man darf auch nicht vergessen, dass C-Lightning von Blockstream gerade einmal seit zwei Tagen offiziell in der Beta-Version ist und damit erst die dritte Implementierung ist, die in den vergangenen Monaten diesen Status erreicht hat.
Man muss auch beruecksichtigen, dass Lightning noch neu ist und die allermeisten wohl nur $20 oder so in einen Channel stecken, um zu testen. Die Gesamtkapazitaet ist ja gerademal 130kEUR.
Alles noch ziemlich testnet und ist der maximal Betrag den man zurzeit nutzen darf nicht sogar begrenzt auf 250€ oder so ?
Für mich eine nutzlose möchtegern klugscheiser Studie.