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Die Maker DAO: Ein Modell für dezentrale Stablecoins – und eine nachhaltige Ökonomie der Token

Dai ist ein Stablecoin, der nebenbei einen Kreditmarkt schafft – oder umgekehrt. Der Maker-Vertrag, der die Basis von Dai ist, dürfte der wichtigste Smart Contract auf Ethereum sein. Er demonstriert, dass die Idee einer Dezentralen Autonomen Organisation (DAO) kein Wolkenschloss ist, sondern mächtige Anwendungen zeugen kann. Für die Wertbasis von Ether dürfte der Maker-Contract ein Segen sein.

Die Kryptomärkte sind mittlerweile voll von Stablecoins. TrueUSD, Circle-Dollar, JP-Morgan-Dollar, der Rock-Franke, der berüchtigte, nimmer sterben wollende Tether, und noch viele mehr. Sie alle sind mehr oder weniger Parasiten auf einer Blockchain, die nichts zur Sicherheit beitragen, aber Ressourcen verbrauchen, und die den Wert des nativen Tokens nicht stärken, sondern eher unterwandern, indem sie alternative Transaktionseinheiten einführen. Von der Idee der Dezentralisierung sind die von Banken gestützten Stablecoins ebenso weit entfernt wie von der Grundidee, eine neue, wertstabilere Währung zu schaffen.

Der Dai-Stablecoin ist auf eine phantastische Weise anders. Das Dollar-Token demonstriert, was man mit Ethereum alles machen kann, wenn man Anreize geschickt miteinander verknüpft. Es gibt keine Bank, sondern eine dezentrale Organisation, und die Dai-Dollar werden durch Ether hinterlegt, so dass sie den Wert der nativen Token von Ethereum unterstützen. Wenn es einen Stablecoin gibt, der interessant ist, dann ist es Dai.

Wie funktioniert Dai? Es ist, um ehrlich zu sein, nicht ganz einfach. Aber ich versuche, es so verständlich wie möglich zu beschreiben. Fangen wir mit den Begrifflichkeiten an: Ein Dai ist ein Token, das einen Dollar wert sein soll. Maker ist der Name der DAO, die MKR-Token ermächtigen einen, Teil der DAO zu werden. Der Maker-Smart-Contract verbindet die beiden Token. Anders als bei anderen Stablecoins gibt es keine Bank oder sonst einen Herausgeber, der das Token durch Einlagen der entsprechenden Währungen deckt, sondern lediglich den Smart Contract. Wie macht er das?

Der Maker Contract

Ein Artikel auf Medium namens „Maker for Dummies“ von Gregorys DiPrisco beantwortet diese Frage relativ verständlich, auch wenn die Funktionsweise ein wenig darin untergeht, dass DiPrisco immer wieder Werbung für das Konzept der Stablecoins macht.

Zunächst sollte man wissen, dass ein Dai durch ein Pfand in Ether gedeckt wird. Jemand, der Dai erschafft, sendet eine bestimmte Menge an Ether an einen Smart Contract, der in Dai-Begriffen „collatoralized dept position“ (CDP) heißt. Das funktioniert so ähnlich wie eine Hypothek oder eine Verpfändung: Man gibt einem anderen die Verfügung über einen Wertgegenstand, um dafür Euro oder Dollar zu bekommen, bleibt aber selbst an sich Eigentümer des Wertgegenstandes. Bei Dai sind die verpfändeten Wertgegenstände Ether, und man erhält dafür in einer bestimmten Ratio die Dai genannten Dollar-Token. Das Verhältnis kann sich im Lauf der Zeit verändern, aber in der Regel muss man mehr Ether hinterlegen, als man im Gegenwert an Dai-Token erhält. DiPrisco nennt als Beispiel eine Ratio vo 150 Prozent: Für 100 Dollar hinterlegte Ether kann man 66 Dai-Dollar erschaffen.

Die Ether sind nicht verloren, aber man kontrolliert sie nicht mehr. Um sie wieder zu erhalten, muss man die erschaffenen Dai-Dollar wieder zurückzahlen. Dann werden die Ether freigegeben,  und die Dai zerstört.

Der Smart Contract reagiert nun auf Preisänderungen von Ether. Die Preise bekommt er durch ein Oracle, was natürlich eine Quelle der Zentralisierung einführt. Wenn der Preis steigt, ist es unproblematisch. Die Dai-Dollar werden durch ein stärkeres Pfand gedeckt. Wenn der Preis aber sinkt, wird es problematisch. Solange er nicht zu weit sinkt, bleiben die Dai weiterhin gedeckt, weil man ja mehr Werte in Ether einzahlen muss, als man Dai erhält. Wenn er aber unter diese Schwelle sinkt, wird ein Dai nicht mehr durch ausreichend viele Ether gedeckt. Dann sollte sein Wert die Parität zum Dollar verlieren und das System kollabieren. Ab hier beginnt die Magie des Maker-Contracts.

Der Smart Contract reagiert darauf, indem er die als Pfand gehaltenen Ether verkauft, bevor ihr Wert unter die Schwelle fällt, ab der die Dai nicht mehr gedeckt sind. Die Ether werden gegen Dai versteigert, die zurück ins System fließen und sich damit selbst zerstören. Für Halter von Dais dürfte dies eine gute Gelegenheit sein, günstig Ether zu kaufen. Der Smart Contract stößt also die Ether-Dai-Kombinationen ab, die drohen, das System zu gefährden; er verhält sich wie ein Immunsystem, und sorgt dafür, dass die verbleibenden Dai wieder durch ein ausreichend starkes Pfand gedeckt sind. Das ganze funktioniert ähnlich wie ein ETF, bei dem die Herausgeber ausreichend Liquidität halten, um an Börsen den Preis ihres ETFs so zu kontrollieren, dass er bestimmte andere Werpapiere abbildet.

Was aber, wenn es einen Crash gibt, und der Preis von Ether so rapide fällt, dass der Contract nicht rechtzeitig verkaufen kann? Hier kommt der Makercoin (MKR) ins Spiel. Die Halter von Maker bilden die DAO. Sie stimmen etwa darüber ab, in welchem Verhältnis zu den hinterlegten Ether Dai ausgeschüttet werden. Sie bilden sozusagen den Verwaltungsrat des Smart Contracts, wofür sie mit Gebühren belohnt werden. Gleichzeitig tragen sie ein Risiko: Sie sind die „Buyer of last resort“, also die Käufer der letzten Instanz. Wenn das Pfand im System nicht mehr ausreicht, um die umlaufenden Dai zu decken, werden MKR-Token erschaffen und auf dem offenen Markt gegen Ether verkauft, um das Pfand aufzustocken. Dies soll als Anreiz für die Halter von MKR-Token dienen, um die Parameter sorgfältig zu regulieren, da ein Scheitern von Dai dazu führt, dass ihre eigenen Token entwertet werden.

1-Jahres-Chart des Dai-Dollars. Die grüne Kurve zeigt den Preis, die blaue den Wert aller Token. Quelle: Creative Commons

Bis jetzt kann Dai ungefähr den Wert des Dollars abbilden. Der Kurs fällt gelegentlich – und kurzzeitig – auf 96 bis 98 Cent, tendiert aber eher dazu, auf 1,01 oder 1,02 Dollar zu steigen. Insgesamt oszilliert er recht zuverlässig um die Dollar-Marke herum, während die Anzahl der Dai-Dollar kontinuierlich ansteigt und mittlerweile bereits 88 Millionen erreicht hat. Das ist noch wenig im Vergleich zu den 2 Milliarden Tether-Dollar, aber nicht so viel weniger als die 200 Millionen TrueUSD oder USD Coins, und ziemlich viel im Vergleich zu den knapp 3 Millionen Dollar, die im Lightning-Netzwerk stecken.

Aber weil man nie weiß, was passiert, hat der Maker-Contract noch eine Art Notfallschalter. Dieser Prozess wird das „globale Settlement“ genannt. Wenn es getriggert wird, friert das gesamte System ein und die hinterlegten Ether werden an die Dai-Besitzer ausgezahlt. Dieses globale Settlement kann durch einige ausgewählte Personen ausgeführt werden, die die entsprechenden Schlüssel dafür halten. Das führt, natürlich, erneut ein Stück Zentralisierung ein, um die sich DiPrisco ein wenig herumschleicht, indem er erklärt, dass das einzige, was die Besitzer der Schlüssel machen können, ist, die Auszahlung der verpfändeten Ether einzuleiten. Sie können nichts stehlen oder das System in sonst einer Weise manipulieren.

Aber trotz der beiden zentralisierenden Elemente – das Preis-Oracle und das globale Settlement – ist Maker sehr viel dezentraler als alle vergleichbaren Stablecoins. Das macht den Smart Contract revolutionär.

Warum Maker extrem spannend und vielversprechend ist

Am Maker Contract ist vieles interessant. Erstens, weil wir hier einen Stablecoin haben, der das native Token einer Blockchain nicht abwertet, sonder stützt. Um eine Ökonomie von 10 Milliarden Dai-Token zu haben, muss man Ether im Wert von etwa 15 Milliarden Dollar einfrieren. Der automatisierte Verkaufsprozess führt zu interessanten Dynamiken, und eventuell könnte man annehmen, dass er den Kursverfall von Ether, den man im Lauf des letzten Jahres beobachten konnte, spiralartig verstärkt hat. Gleichzeitig könnte er den Verfall bremsen, indem immer mehr Ether dem Markt entzogen werden, wenn sich Marktakteure durch Dai-Token gegen die Volatilität absichern.

Zweitens modelliert der Maker-Contract ein Modell, durch das man in der Art eines ETFs jedes beliebige Wertpapier auf der Ethereum-Blockchain abbilden kann, ohne einer Institution zu vertrauen, die Wertpapiere zu halten. Gold, der Dax-Index, Öl, Cannabis-Aktien, Immobilien – alles ist möglich. Eine solche Konstruktion verändert die Rolle der Ether komplett. Sie sind nicht länger Transaktionsmedium, sondern das Pfand für große Token-Ökonomien; die Vision, eine Blockchain für die Tokenisierung von allem zu benutzen, wird plötzlich realistisch, und die native Währung, die Ether, bekommen eine vollkommen neue Wertbasis. Als Vergleich: Würde man mit Bitcoin-Token alle Wertpapiere dieser Welt nachbilden, würde dies den Wert eines Bitcoins kaum tangieren. Würde man es hingegen mit dem Maker-Contract machen, würde der Preis von Ether in den Himmel schießen, weil jedes durch Maker ausgeschüttete Token die Menge der umlaufenden Ether verknappt.

Drittens – und das ist vielleicht am spannendsten – gründet Maker einen Markt für Kredite. Wenn jemand Ether besitzt, aber gerne Dollar hätte, ohne dafür die Ether zu verkaufen, kann er Dai-Dollar schöpfen. Im Prinzip kann man die Dai auch benutzen, um noch mehr Ether zu kaufen, was den Maker-Contract effektiv zu einem Instrument macht, um Ether „margin“, also auf Kredit und mit Hebel, zu kaufen. In der derzeitigen Mining-Landschaft sind solche Arten von Krediten begehrt, weil die Miner ihre Coins nicht verkaufen, aber Fiatgeld in neue Mining-Hardware investieren wollen. Mit dem Maker-Contract wird dies nun auf dezentrale Weise möglich.

Es zeichnet viele große Erfindungen aus, dass sie die Lösung für ein Problem nutzen, um damit ein anderes zu lösen. Bitcoin hat etwa seine Lösung des Problems der Schöpfung neuer Währungseinheiten dafür verwendet, um das Problem des Double-Spendings zu lösen. Indem Maker-DAO die Schaffung eines dezentralen Stablecoins nutzt, um zugleich einen dezentralen Kreditmarkt ins Leben zu rufen, stellt es sich in diese Tradition großartiger Erfindungen.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
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12 Kommentare zu Die Maker DAO: Ein Modell für dezentrale Stablecoins – und eine nachhaltige Ökonomie der Token

  1. Toller Artikel!

  2. und wieder einfach und schön geschrieben, an dir ist ein Schriftsteller verloren gegangen! Merci

  3. Gibt es eine Obergrenze an DAIs die generiert werden dürfen.

  4. Einfach großartig deine Beschreibung des Maker-Systems!
    Ich lese immer gerne deine Artikel, danke dafür!

    Grüße Niko

  5. Ps: Nein es gibt keine Obergrenze an DAI, je mehr der Etherpreis steigt, desto mehr DAI können erschaffen werden. Wenn man bedenkt das Ether bald für Staking, Maker-Pfand, Transaktionsgebühren, und co benutzt wird – fängt man an sich über den Preis von Ether Gedanken zu machen. Da sind dann Preisprognosen von 10.000 $ oder gar 100.000 $ pro Ether garnicht mehr so abwegig… 😀 we will see.

  6. https://prestonbyrne.com/2018/01/11/epicaricacy/

    Hier der Artikel von Preston Byrne

  7. Thomas70513 // 9. März 2019 um 14:28 // Antworten

    Ich hab immer noch nicht ganz verstanden was mir der Besitz von Maker genau bringt. Ich will keinen Kredit nehmen, sondern in sinnvolle Kryptoprojekte investieren. Kann mir das einer erklären?
    LG Thomas

  8. Mir fehlt der Hinweis auf BitShares, das ein ähnliches Modell schon 2014 realisiert hatte. (Und nein, ich bin kein Investor dort.)

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