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Bundesrat beschließt Umsetzung der neuen EU-Geldwäscheregeln – und macht damit Deutschland womöglich zum Krypto-Paradies

Der deutsche Bundesrat. Bild von Dominic Hallau via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Deutschland gießt die EU-Vorgaben zur Geldwäschebekämpfung in ein nationales Gesetz. Vom ersten Entwurf wurde noch gesagt, das Gesetz werde die Krypowirtschaft hierzulande erheblich hemmen. Nun gibt es eine neue Version, die vom Bundestag bereits verabschiedet wurde. Von ihr wird gesagt, sie könne Deutschland zur Krypto-Oase machen.

Es braucht oft viel Zeit, bis eine Idee aus Brüssel zur bundesdeutschen Wirklichkeit wird. Schon vor rund dreieinhalb Jahren hat die Europäische Kommission die “vierte Direktive” zur Bekämpfung der Geldwäsche beschlossen, ein Update des Regelwerks, mit dem sämtliche EU-Staaten verhindern sollen, dass Kriminelle Geld verbergen und waschen. Dieses Version nahm zum ersten Mal auch Kryptowährungen in den Kanon der zu kontrollierenden Finanzinstrumente auf.

Das war 2016, und die EU-Staaten hatten die Hausaufgabe, die Vorgaben aus Brüssel in einen nationalen Gesetzestext zu pressen. Die Bundesregierung ist eine der ersten, die diese Aufgabe erfüllt hat, indem der Bundesrat das Gesetz nun beschlossen hat.

Zu einem großen Teil geht es dabei nicht um Kryptowährungen, sondern um Geldwäsche mit herkömmlichen Methoden, wie sie – wir haben berichtet – weiterhin drastisch überwiegt. Im Fokus stehen vor allem Immobilien und Gold, die härter reguliert werden, um zu verhindern, dass sie für Geldwäsche missbraucht werden.

Die “Kryptowerte”

An vielen Stellen widmet sich das neue Gesetz aber auch Kryptowährungen. Denn mit ihm gehen diese erstmalig offiziell in die Vorschriften zur Geldwäsche ein. Die deutsche Interpretation der vierten Direktive ist dabei, schenkt man den Kommentaren dazu Glauben, so kryptofreundlich, dass manche englische Magazine Deutschland bereits zum nächsten Krypto-Paradies gekürt haben.

Im Kern hängt das Gesetzesupdate eigentlich nur das Wort “Kryptowerte” an zahlreiche Paragraphen an. Ein typisches Beispiel:

In § 16g Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa und Buchstabe c Doppelbuchstabe aa werden jeweils die Wörter „§ 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 1, 1c, 2, 3 oder 11 des Kreditwesengesetzes“ durch die Wörter „§ 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 1, 1c, 2, 3, 6 oder 11 des Kreditwesengesetzes“ ersetzt und werden jeweils die Wörter „Besitz an Geldern oder Wertpapieren“ durch die Wörter „Besitz an Geldern, Wertpapieren oder Kryptowerten“ ersetzt.

So ähnlich liest sich an vielen Stellen. Man muss die konkreten Paragrafen nicht kennen, um zu verstehen, dass Kryptowährungen damit erwachsen werden. Sie stehen im Gesetz an vielen Stellen neben “Geldern und Wertpapieren”, fallen also in die gleiche Klasse und werden genauso behandelt. Damit nähert sich ein langwährender Prozess, der bereits 2013 mit der ersten Stellungnahme der deutschen Finanzaufsicht BaFin begonnen hat, seiner Vollendung.

Der Begriff, auf den sich die Bundesregierung dabei geeinigt hat, sind die “Kryptowerte”. Dies ist eine vage Übersetzung des mittlerweile geläufigen englischen Begriffs “crypto assets”. Die Bundesregierung definiert “Kryptowerte” auf die folgende Weise: Sie sind

… im Sinne dieses Gesetzes digitale Darstellungen eines Wertes, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlichen Übung als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann.

Die Kryptowerte, erklärte die Regierung in den Erläuterung zu einer ersten Fassung des Gesetze, füge sich jedoch “nicht widerspruchsfrei” in das Kreditwesengesetz (KWG) ein. Denn der Begriff umfasst “sämtliche Kryptowerte unabhängig davon, ob es sich zugleich um Schuldtitel, Vermögensanlagen oder ein anderes Finanzinstrumente” handele. Während die herkömmlichen Finanzinstrumente durch ihre rechtlich-finanziellen Eigenschaften definiert werden, beschreibt “Kryptowerte” eine technische Eigenschaft. Es handelt sich also nicht lediglich um eine neue Klassen von Finanzinstrumenten, sondern um eine Oberklasse. Kryptowerte können gleichzeitig so gut wie jedes andere Finanzinstrument sein, und werden dementsprechend auch nicht einheitlich behandelt, sondern je nach der Art – Wertpapiere, Vermögensanlagen – gelten andere Auflagen. Gleichzeitig schaffen Kryptowerte auch neue Klassen, etwa virtuelle Währungen oder Investment Token. Das neue Gesetz wird damit eher zu einem Anfang, da noch viel definitorische Arbeit und Einpassung zu leisten sein wird.

Der entscheidende Paragraf, den es nicht mehr gibt

Das wichtigste an dem überarbeiteten Gesetz ist aber das, was nicht mehr darin steht. Im Entwurf gab es noch eine folgenschwere Passage:

Die Erlaubnis für das Kryptoverwahrgeschäft im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 6 kann nur erteilt werden, wenn das Unternehmen keine anderen nach diesem Gesetz erlaubnispflichtigen Tätigkeiten erbringt; die spätere Erteilung einer weiteren Erlaubnis nach diesem Gesetz ist ausgeschlossen, solange das Unternehmen nicht ausdrücklich auf eine bestehende Erlaubnis für das Kryptoverwahrgeschäft verzichtet hat oder die Erlaubnis nicht auf anderem Wege erloschen ist oder aufgehoben wurde.

Anders gesagt: Banken und andere erlaubnispflichtige Akteure, etwa Broker oder Vermögensverwalter, sollten nicht die Erlaubnis erhalten, selbst Kryptowerte zu verwahren. Stattdessen hätten sie diese Aufgabe an externe oder Tochterunternehmen abgeben müssen. Dieser Abschnitt wurde gestrichen, womit Banken also offiziell mit Kryptowährungen arbeiten dürfen.

Wegen diesem nicht mehr enthaltenen Passus wird das Gesetz als Durchbruch bewertet, der, so manche internationale Magazine, Deutschland zum “Krypto-Paradies” macht. Banken haben nun offiziell die Erlaubnis, unter bestimmten Bedingungen Kryptowerte unter dem eigenen Banner zu verwahren und zu verkaufen. Damit sind die rechtlichen Gleise gelegt, damit Bankkunden in Zukunft in ihrem Konto wie selbstverständlich Bitcoins und andere “Kryptowerte” neben Euro sehen, und ebenso in Bitcoins investieren können wie in Fremdwährungen oder Anleihen.

Großzügige Fristen

Für Krypto-Startups ist das Gesetz gleichzeitig gut und schlecht. Schlecht ist es, weil es nun vollends klar ist, dass eine Erlaubnis der BaFin notwendig sein wird, um jede Art von Kryptowerte für Kunden zu verwahren. Wer Bitcoins und andere Kryptowerte verwahrt, wird nicht darum herumkommen, eine Erlaubnis zu beantragen. Gut ist es dagegen, weil es klare Regeln gibt, wie man an die begehrte Lizenz kommt. Ein Unternehmen, “das auf Grund des neuen Tatbestands in § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 6 am 1. Januar 2020 zum Finanzdienstleistungsinstitut wird”, erhält eine vorläufige Erlaubnis, “wenn es die Absicht, einen Erlaubnisantrag zu stellen, bis zum 31. März 2020 der Bundesanstalt schriftlich anzeigt” und “bis zum 30. November 2020 einen vollständigen Erlaubnisantrag” stellt. Die Regierung lässt Krypto-Startups also einen vernünftigen Zeitrahmen, um die Erlaubnis zu beantragen, und gibt ihnen die Möglichkeit, vorerst auf sicherem rechtlichen Boden weiter zu operieren.

Die Regeln, wer eine Erlaubnis benötigt, sind relativ klar: Jeder, der Kryptowerte “verwahrt”, “verwaltet” oder “sichert”. Eine Erläuterung zum Entwurf erklärt, was unter diesen Begriffen gemeint ist: Verwahrung meint “die Inobhutnahme der Kryptowerte als Dienstleistung für Dritte … ohne dass die Kunden selbst Kenntnis der verwendeten Schlüssel haben.” Die Verwaltung dagegen ist “im weitesten Sinne die laufende Wahrnehmung der Rechte aus dem Kryptowert.” Diese Definition ist relativ frei interpretierbar; sie kann sowohl bedeuten, dass der Verwalter Transaktionen zeichnet, aber auch, dass er beispielsweise Dividenden aus Token oder Einnahmen durch Staking verwaltet.

Die Sicherung schließlich meint sowohl die “digitale Speicherung der privaten kryptografischen Schlüssel Dritter” als auch “die Aufbewahrung physischer Datenträger (z. B. USB-Stick, Papier), auf denen solche Schlüssel gespeichert sind”. Allerdings trifft dies nicht auf die bloßen Zurverfügungstellung von Coud-Speicher zu, der nicht ausdrücklich für private Schlüssel angeboten wird; ebenfalls nicht betroffen ist “die bloße Bereitstellung von Hard- oder Software zur Sicherung der Kryptowerte oder der privaten kryptografischen Schlüssel, die von den Nutzern eigenverantwortlich betrieben wird, soweit die Anbieter keinen bestimmungsgemäßen Zugriff auf die damit gespeicherten Daten haben.”

Diese Regelung geht konform mit den international, etwa in den USA, bereits skizzierten Vorgaben. Damit sind Kryptowährungen international weitgehend legalisiert. Und Deutschland nimmt dabei tatsächlich eine Vorreiter-Rolle ein, die es in Aussicht stellt, dass einerseits viele Krypto-Startups hierher ziehen werden, und dass andererseits die etablierten Finanzinstitutionen in Deutschland beginnen werden, sich auf Krypto einzulassen.

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1 Kommentar zu Bundesrat beschließt Umsetzung der neuen EU-Geldwäscheregeln – und macht damit Deutschland womöglich zum Krypto-Paradies

  1. Herrlich, Kryptowährungen werden endlich langsam rechtlich “erwachsen”, das ist tatsächlich zu begrüßen! Auch wenn es in einem Anti-Geldwäsche Gesetz irgendwie verpackt wurde…

    Die Regeln, wer eine Erlaubnis benötigt, sind relativ klar: Jeder, der Kryptowerte “verwahrt”, “verwaltet” oder “sichert”. Eine Erläuterung zum Entwurf erklärt, was unter diesen Begriffen gemeint ist: Verwahrung meint “die Inobhutnahme der Kryptowerte als Dienstleistung für Dritte … ohne dass die Kunden selbst Kenntnis der verwendeten Schlüssel haben.”

    Sehe nur ich das schwammig formuliert? Custodial Wallets wären damit trotzdem nicht erlaubnispflichtig, wenn man dem Kunden auch die Schlüssel aushändigt und trotzdem selbst vollen Zugriff auf diese hat?

    Schade auch, dass man sich nicht gleich umfassend beraten lassen hat und z.B. MultiSig Konstruktionen gleich mit aufgenommen hat, diese werden immer wichtiger und ich könnte mir “unregulierte” Börsen vorstellen, die 2 von 3 MultiSig anbieten, wobei der Kunde einen Schlüssel hält, die Börse einen und ein dritter z.B. von einem Notar, der nur im Streitfall gerichtlich abgerufen werden könnte. Solche Konstrukte sind eventuell auch erbrechtlich interessant, nachdem das hier kürzlich behandelt wurde…

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