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Es beginnt: Die Tokenisierung von Finanzprodukten läuft an – und fordert Mittelsmänner heraus

Der Sitz des Bankhauses von der Heydt in der denkmalgeschützten Widenmayerstraße 3 in München.

Das Berliner Startup Bitbond und das Münchner Bankhaus von der Heydt kooperieren, um Finanzprodukte auf die Blockchain zu bringen. Die Initiative gibt einen Vorausblick dafür, wie die Tokenisierung das Finanzwesen verändern wird. Der Standort Deutschland spielt dabei eine Vorreiterrolle.

Vor einigen Jahren war Deutschland als Krypto-Standort noch eine Art No-Go-Area. Hier ein Startup für Bitcoin oder Blockchain zu gründen, drohte in einer intensiven, langwierigen und unfruchtbaren Beziehung mit der Aufsicht zu enden, während der die eigentliche Unternehmung kaum noch Luft bekam. Dies hat sich in den letzten Jahren nicht nur geändert, sondern geradezu auf den Kopf gestellt. Kaum etwas illustriert das besser als ein gemeinsames Projekt des Berliner Startups Bitbond und dem Münchner Bankhaus von der Heydt.

Die beiden Unternehmen arbeiten zusammen, um Verbriefungen und Schuldverschreibungen auf eine Blockchain zu bringen und zugleich einen digitalen, blockchain-basierten Euro herauszugeben. Das Bankhaus von der Heydt, das mit einer bis ins Jahr 1754 zurückgehenden Geschichte eine der ältesten Banken Deutschlands ist, möchte dadurch “den größten Teil der Wertschöpfungskette bei der Emission von Verbriefungen und Schuldverschreibungen aus einer Hand anbieten,” so die Pressemitteilung. Damit wird die eher kleine Münchner Privatbank zum ersten deutschen Finanzinstitut, das offiziell bekannt gibt, die Blockchain für den Transfer von Werten zu benutzen.

Vom Marktplatz für Mikrokredite zum Technologieanbieter für Token

Radoslav Albrecht. Bildrechte vollständig bei Radoslav Albrecht.

Für den Technologie-Partner der Bank, Bitbond, markiert dieser Schritt einen dramatischen Wandel. Eigentlich hat das Startup einen Marktplatz für globale Mikrokredite durch Bitcoin betrieben. Allerdings war das ein undankbares Geschäft. Es sei, erzählt Gründer Radoslav Albrecht, “schwierig gewesen, den Zugang zu Kunden zu bekommen”, während die Gewinne sehr kleinmargig ausgefallen sind. Daher nutzte Albrecht die Gelegenheit, als sich eher nebenbei ein neues Geschäftsmodell anbot.

“Wir haben mit unserem Security Token Offering (STO) eine Vorreiterrolle übernommen, weil wir die ersten waren, die dafür eine Genehmigung der BaFin erhalten haben,” erzählt der Geschäftsführer, “und wir haben dann massiv in die Technologie investiert, um das zu realisieren.” Genauer gesagt hat Bitbond auf Basis der Blockchain Stellar ein System gebaut, um Token abzubilden. Für diesen Zweck sei Stellar, meint Albrecht, “die effizienteste Plattform”, weshalb alle technischen Lösungen, die Bitbond hierfür auf den Markt bringt, auch auf Stellar basieren.

Albrecht wurde während dieser Entwicklung klar, “dass wir da ein paar Probleme lösen, die auch für andere interessant sind.” Daher habe man schon früh “mit einem Auge darauf geschielt”, diese Technologie weiter zu vermarkten. Kurz nach dem Start der STO liefen zahlreiche Anfragen von Banken und anderen Unternehmen ein. Die Kundennachfrage, sie sich Bitbond mit dem Marktplatz für Mikrokredite hart erkämpfen musste, kam nun plötzlich beinah von allein. Daher entschloss Albrecht, fortan darauf zu setzen, für andere Unternehmen die Technologie zur Tokenisierung bereit zu stellen. “Wir haben 50 bis 60 Anfragen. Darunter sind auch Projekte, die nicht zu uns passen, aber viele sind zu Kunden geworden und mit manchen sprechen wir noch.”

Finanzprodukte mit weniger Mittelsmännern

Maximilian Ludwig vom Bankhaus von der Heydt. Bildrechte: Bankhaus von der Heydt.

Das Bankhaus von der Heydt ist also nicht das einzige Unternehmen, das die Technologie von Bitbond benutzen wird, um Werte zu Blockchain-Token zu machen – aber das erste, das es öffentlich bekannt gibt. Maximilian Ludwig vom Business Management der Bank erklärt, wie es dazu kam: “Wir sind zwar eine sehr alte Bank, aber sind schon immer technikaffin und interessieren uns schon lange für die Blockchain. Wir haben uns verschiedenes angeschaut, uns aber bisher immer dagegen entschieden. Bis uns die Lösung von Bitbond überzeugt hat.”

Die Münchner Privatbank bedient vor allem institutionelle Kunden. Ihr Kerngeschäft sind Verbriefungen und Inhaberschuldverschreibungen. “Bei diesen Wertpapieren hatten wir von Kunden oft das Feedback, das es zu lange braucht, bis sie emittiert und bei den Investoren angekommen sind. Einfach, weil zu viele Prozesse und Mittelsmänner zwischen der ausgebenden Partei und den Käufern stehen.” Solche Wertpapiere seien prädestiniert dafür, tokenisiert zu werden, weil dies den Prozess deutlich verschlanke und Intermediäre wie Zentralverwahrer ausschalte.

Das Projekt steht noch am Anfang. Ende letztes Jahr ging die erste Phase zu Ende, in der die Bank die Verwahrung von Stablecoins und Token eingerichtet hat. Die Stablecoins sind zwar als Euro denominiert, sollen aber nicht als ein digitales Bargeld wie die Tether-Dollar in Umlauf gebracht werden. Sie dienen vielmehr dazu, die Verbriefungen und Schuldverschreibungen zu managen. Im zweiten Schritt, der derzeit anläuft, sollen die Verbriefungen dann ebenfalls zu Token werden, die auf der Blockchain laufen. Als offizieller Start der Blockchain-Wertpapiere ist Anfang Juni angepeilt.

Dass die Kunden einmal die Wertpapiere selbst auf einer eigenen Wallet verwahren können, wäre möglich. Aber es ist zweifelhaft, ob sie das überhaupt wünschen und wie sich dies mit der Regulierung in Einklang bringen lässt. Der Vorteil, den sich die Bank von den Token verspricht, sind vielmehr die höhere Geschwindigkeit, die geringeren Kosten und die verstärkte Transparenz der Wertpapiere. Wenn Zwischenmänner wegfallen, macht dies den Lebenszyklus eines Finanzproduktes immer effizienter.

Solche Mittelsmänner, schätzt Ludwig, dürfte der Trend zur Tokenisierung daher unter Innovationszwang setzen – vor allem, da die Münchner Bank lediglich die erste von einer Vielzahl von Finanzinstitutionen ist, die diesen Weg gehen werden. Ludwig ist sich sicher, dass der Wandel im Finanzwesen bereits begonnen hat, auch wenn größere Banken natürlich sehr viel mehr Zeit brauchen werden, um sich drauf einzulassen. “Mein persönlicher Eindruck ist, dass manche Banken offen sind, während andere das Thema lieber vermeiden möchten.”

Gute Bedingungen für eine Tokenisierung der Finanzen in Deutschland

Es gibt einige Gründe dafür, dass dieser Wandel möglich wurde und ausgerechnet in Deutschland seinen Anfang nimmt. “Das ist eine Entwicklung, die schon vor zwei bis drei Jahren begonnen hat, und sich jetzt beschleunigt”, erklärt Albrecht.

Zum einen sei da der Trend zu Token. Er hat mit Colored Coins auf Bitcoin begonnen, löste über ICOs auf Ethereum einen Hype mit fragwürdigen Resultaten aus und mündete mit den Security Token (STO) schließlich in den regulierten Gewässern, in denen sich Banken wohler fühlen. Die Blockchain-Technologie hat sich auf diesem Weg von Kryptowährungen getrennt und wurde zur reinen Technologie. Für Unternehmen wie das Bankhaus von der Heydt wird sie dadurch erst interessant. “Für uns sind Kryptowährungen nicht relevant. Uns geht es um die Blockchain-Technologie”.

Diese technologische Entwicklung wurde von einem Bewusstseinswandel in der deutschen Politik begleitet. “Die Blockchain-Strategie der Bundesregierung“, erzählt Albrecht, “war ein sehr starkes Signal, das alle Banken aufmerksam gemacht hat.” Die Regierung ermutigt damit Banken, die neue Technologie auszuprobieren. “Danach kam die Gesetzesänderung im KWG für Krypto-Verwahrer. Das hat eine große Rolle gespielt. Nun können Finanzmarktunternehmen ihre Projekte starten.”

Auch für das Bankhaus von der Heydt war die wohlwollende Regulierung entscheidend. Zwar hat die BaFin noch nicht auf das neue Projekt reagiert, aber Ludwig ist optimistisch. “Dass sich nun Kryptowährungen und Technologien trennen, ist für uns nicht das schlechteste, weil Kryptowährungen noch immer oft zum Zwecke der Geldwäsche benutzt werden, wovon wir uns natürlich fernhalten wollen.” Technische Entwicklung und Regulierung gehen hier Hand in Hand.

Mit Technologieanbietern wie Bitbond, einer großen, innovationsbereiten Bankenlandschaft und den neuen Gesetzen hat sich Deutschland wie kaum eine andere große Volkswirtschaft für die Blockchain-Technologie positioniert. “Ähnlich gute Bedingungen findet man eigentlich nur in der Schweiz und in Liechtenstein,” meint Albrecht. Er ist überzeugt, dass wir an der Schwelle eines Umbruchs im Finanzwesen stehen.

“Die Signale, die wir haben, deuten sehr deutlich darauf hin, dass Tokenisierung ein sehr stark zunehmendes Phänomen ist. Banken setzen sich damit auseinander, und es werden mehr und mehr Arten von Vermögenswerten tokenisiert. Das können neben Aktien auch Bankkredite, Forderungen und alle Arten von Finanzinstrumente sein,” meint Albrecht. Er nimmt an, dass dies den Wettbewerb unter Banken erhöhen wird, und dass die Kosten sinken und die Geschwindigkeit steigen wird. “Das wird sicherlich auch eine Herausforderung für viele, für die Kunden aber spürbare Vorteile bringen.” Auch neue Arten von Wertpapieren werden durch die Tokenisierung denkbar: “Es gibt Assets, die heute nur privat gehalten werden, wie Kunstwerte. Das kann in Zukunft fraktionalisiert und tokenisiert werden. Auch im Immobilienbereich bahnt sich schon eine Öffnung zu kleinteiligeren Investmentprodukten an. Dafür arbeiten wir auch bereits mit einer Plattform zusammen, klickown.com.”

Es hat einige Jahre gedauert, aber der Einzug der Blockchain in das Bank- und Finanzwesen scheint mittlerweile kaum mehr aufzuhalten sein. Und wie es aussieht, wird die deutsche Finanzwirtschaft in diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielen.

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2 Kommentare zu Es beginnt: Die Tokenisierung von Finanzprodukten läuft an – und fordert Mittelsmänner heraus

  1. Wow, der kurze Urlaub hat dir wohl gut getan, super Artikel! 🙂
    Ich würde mir ein paar Tesla Aktien auf die wallet holen, falls schon möglich.
    Dass Deutschland sich zu einem Krypto-freundlichen Land entwickelt hat, wundert mich schon.

  2. Also auf HODL in Stellar!

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