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Die kommende Kreditklemme und Bitcoins Beitrag

Rettungsboot. Bild von Ruth Hartnup via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Ökonomen warnen vor einer Bankenkrise als Folge der Corona-Rezession. Sollte es kein Wirtschaftswunder geben, sei es beinah unvermeidlich, dass die Kredite knapp werden oder Banken sogar insolvent gehen. Warum droht die Bankenkrise – und was können Kryptowährungen und Blockchains leisten, um sie zu entschärfen?

Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat am 6. Juli ein Paper veröffentlicht, indem es davor warnt, dass die Corna-Krise eine Krise im deutschen Bankenwesen auslösen wird. Selbst in einem optimistischen Szenario sei es unvermeidbar, dass 6 Prozent der Banken in Probleme rutschen. Bedroht seien Sparkassen und Genossenschaften, da sie die kleine und mittlere Unternehmen mit Kapital versorgen.

Der Mechanismus ist eigentlich einfach: Eine Bank verleiht Geld an ein Unternehmen und erhält dafür Zinsen. Sie verdient daran, das Risiko des Unternehmers mitzutragen. Wenn eine Krise hereinbricht, erleiden viele Unternehmen Umsatzeinbußen, wodurch sie nicht mehr in der Lage sind, die Kredite zurückzuzahlen. In letzter Instanz führ das zur Insolvenz und zum Kreditausfall. Dadurch sinkt die Eigenkapitalquote der Banken. Sie können weniger Kredite vergeben und gehen im schlimmsten Fall pleite.

Wegen der Corona-Pandemie mussten zahlreiche Unternehmen für einige Monate heftige Umsatzeinbußen hinnehmen. Viele Geschäfte – etwa in der Gastronomie, im Tourismus oder im Veranstaltungswesen – leiden nach wie vor deutlich unter den veränderten Bedingungen während einer Pandemie. Das macht den Ausfall von Krediten wahrscheinlich.

Natürlich ist, gestehen die Ökonomen klar ein, jede Prognose unsicher. Man stochert im Nebel. Keiner weiß, wie es mit der Pandemie und der von ihr ausgelösten Wirtschaftskrise weitergeht. Die Ökonomen aus Halle behelfen sich daher mit drei möglichen Szenarien: Der V-Zyklus rechnet mit einem Boom in der zweiten Hälfte des Jahres, der den Einbruch rasch wettmacht. Der U-Zyklus geht davon aus, dass die Wirtschaft wieder langsam wachsen wird, nachdem sie die Talsohle durchschritten hat. Der L-Zyklus schließlich nimmt an, dass die Wirtschaft für einige Zeit in dem Tal bleibt, in das sie gefallen ist. V ist die optimistische Aussicht, L die pessimistische, und U liegt dazwischen.

Etwas klarer ist, welche Folgen eine Rezession auf Kredite hat. Bisher werden zwar erhöhte Mengen an Insolvenzen gemeldet, doch der Anstieg ist noch überschaubar. Beobachtungen aus früheren Krisen zeigen jedoch, dass Kreditausfälle stark verzögert auf Einbrüche von Realwirtschaft und Bruttoinlandprodukt folgen. Ihren Höhepunkt erreichen sie, wie sich in den südeuropäischen Volkswirtschaften nach der Krise 2008/09 zeigte, erst vier Jahre später.

Selbst im optimistischen V-Fall, so die Prognosen des IWH, wird es Kreditausfälle über 127 Milliarden Euro geben. Das wird die Eigenkapitalquote von sechs Prozent der Banken unter sechs Prozent drücken, was eine „akute Störung der Kreditwirtschaft“ auslösen wird. Selbst wenn es gut läuft, droht also eine Kreditklemme. Läuft es dagegen richtig schlecht, wie im L-Zyklus, rechnen die Ökonomen mit Kreditausfällen über 626 Milliarden Euro. Dadurch würden fünf Prozent der Banken sogar ihr komplettes Eigenkapital aufbrauchen und wohl pleite gehen. Da vor allem kleinere Banken betroffen sind, schließt die Studie mit der Warnung, es könne diesmal nicht „Too Big Too Fail“  heißen, zu groß, um scheitern zu dürfen – sondern „Too Many Too Fail“: zu viele, um scheitern zu dürfen.

Es scheint also schon beinah ausgemacht, dass uns in den nächsten Jahren im besten Fall eine Kreditklemme und im schlimmsten Fall eine Welle von Bankenpleiten erreicht. Können Kryptowährungen etwas dazu beitragen, eine solche Krise abzuwenden oder zu entschärfen?

Als Bitcoinblog haben wir dazu natürlich einige Ideen dazu.

Rettungsboote, Kreditgeber und Token

Zunächst trennen Kryptowährungen die Verwahrung von digitalen Werten von Banken. Wer digitales Geld empfangen, speichern und versenden möchte, braucht dazu keine Bank mehr. Krypto-User entziehen ihr Geld dem Kreditsystem: Sie tragen nicht das Risiko mit, das Banken mit der Kreditvergabe eingehen, und ihr Geld droht nicht zu verpuffen, wenn die Bank aufgrund von Kreditausfällen pleite geht. Kryptowährungen sind das Rettungsboot, das man besser an Bord hat, wenn der Orkan aufzieht.

Das Geld in einer Wallet ist dem Kreditwesen entzogen. Wenn immer mehr Leute Kryptowährungen benutzen, dürfte das die Kreditklemme eher verschärfen als mildern. Das Bankensystem wird weniger in der Lage sein, strauchelnde Unternehmen zu stützen, und Banken, die zu viele Kredite abschreiben müssen, können selbst pleite gehen. In der Tradition der liberalen Volkswirtschaften ist das nicht an sich schlecht. Der Markt soll entscheiden, wie Ressourcen verteilt werden. Überflüssige Geschäftsmodelle dürfen aussterben und marode Unternehmen pleite gehen. Anstatt dass ein Konsum auf Pump für endloses Wachstum sorgt, kann die Wirtschaft gesundschrumpfen. Kurzfristig wäre das schmerzhaft, langfristig vermutlich nachhaltig.

Andererseits können Kryptowährungen sehr wohl auch einen Beitrag zur Kreditvergabe leisten. Börsen oder Wallets, aber auch DeFi-Webseiten oder Lightning-Hubs könnten sich als Kreditgeber positionieren, um Bereiche zu bedienen, in denen das Bankenwesen ausfällt. Solche Plattformen sind weit internationaler und transparenter, als traditionelle Banken oder auch Online-Plattformen fürs Crowd-Lending. Das könnte die Kreditvergabe fairer machen und den Tribut an den Mittelsmann reduzieren, so dass die Kreditnehmer weniger Zinsen zahlen, während die eigentlichen Kapitalgeber mehr erhalten.

Eine Schlüsselrolle dabei, Kreditklemmen zu überbrücken, könnte die Tokenisierung aller Werte spielen. Wenn man alles, was einen Wert hat, durch ein Token auf einer Blockchain abbildet – vom iPhone über die Waschmaschine zur Lebensversicherung und Eigentumswohnung – kann man eine stille Reserve von Sicherheiten für Kredite heben. Gleichzeitig machen Token auf einer Blockchain die Mobilisierung von Sicherheiten im Zuge der Kreditvergabe so effektiv, dass Reibungen fast gänzlich verschwinden. Kredite werden rascher fließen und automatisiert vergeben. Wenn sie platzen, verwerten Zweitmärkte die tokenisierten Sicherheiten effektiv, anstatt dass sie entsorgt werden.

Etwa so könnten die Szenarien aussehen, indem Kryptowährungen und Blockchains helfen, eine Kreditklemme zu überbrücken.

Ein (zu) weiter Weg

Dorthin ist allerdings noch ein weiter Weg. Bisher treten Krypto-Firmen nur äußerst selten als Kreditgeber auf; die großen Wallets und Börsen dürfen dies vermutlich aufsichtsrechtlich gar nicht. DeFis und andere Dienstleister, die Kryptowährungen verleihen, verlangen dafür in der Regel die Hinterlegung anderer Token als Sicherheit, und zwar in einem Wert, der den geliehenen Betrag übersteigt. Das macht solche Arten von Darlehen nur für einige Nischen interessant, etwa Geldmärkte, wo sich Trader kurzfristig Liquidität borgen, ohne eine bestehende Position aufzulösen.

Auch die Tokenisierung steckt noch in den Kinderschuhen. Sie ist noch weit davon entfernt, sich im Aktienwesen durchzusetzen, und für die allermeisten Arten von Werten besteht weder die technische Infrastruktur noch die rechtliche Umgebung, um eine Tokenisierung rechtsgültig zu gestalten. Ein Hersteller müsste beispielsweise einen Kühlschrank bei der Produktion notariell beglaubigt tokenisieren, woraufhin das Token über die Lieferkette hin beim Konsumenten landet, der es dann als Sicherheit auf einem Kreditmarkt hinterlegen könnte. So weit sind wir noch lange nicht.

Für die Bankenkrise, die in den nächsten vier Jahren ihren Höhepunkt erreichen könnte, sind solche Szenarien daher irrelevant. Es mag sein, dass einige DeFis in Nischenbereichen mit der Kreditvergabe aushelfen, und es mag passieren, dass Kryptounternehmen vermehrt Kredite vergeben und Kryptowährungen dabei als Sicherheit hinterlegt werden. Aber am häufigsten werden Kryptowährungen vermutlich genutzt werden, um das Geld vor einem in den Fugen knirschenden Bankwesen in Sicherheit zu bringen. Sie sind noch nicht die Lösung – aber ein Rettungsboot.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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