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Ethereum-Foundation kündigt Berlin-Hardfork an

ETH Particles schwarz. Bild von EthWorks & Alan Wu, bereitgestellt von Ethereum.org.

Im April soll die nächste Hardfork von Ethereum aktiviert werden. Die Änderungen wirken für Laien eher kosmetisch-esoterisch. Das weithin erwartete, aber auch umstrittene Update EIP 1559 bleibt außen vor – vorerst.

Seit dem 8. März ist das Berlin-Upgrade für Ethereum offiziell angekündigt. Dieses Upgrade wird Teil einer Serie von nicht abwärtskompatiblen Hardforks sein, welche die Entwickler von Anfang an als Zwischenstationen auf dem Weg zu Serenity, der finalen Gestalt von Ethereum, eingeplant haben.

Das Upgrade wird mit Block 12.244.000 aktiviert, was voraussichtlich am 14. April 2021 geschehen wird. Das Ropsten-Testnet hat die Hardfork bereits aktiviert, das Goerli-Netz folgt heute, und Rinkeby am 24. März.

Mit dem Berlin-Upgrade werden vier EIPs (Ethereum Improvement Proposals) eingespielt: 2565, 2929, 2718 und 2930. Wie schon in früheren Hardforks sind diese EIPs für Laien schwer durchschaubar: Sie führen kosmetisch erscheinende Veränderungen durch, deren Sinn eher esoterisch wirkt.

Die vier EIPs der Berlin-Hardfork

Dennoch verdeutlicht auch “Berlin” den zentralplanerischen Ehrgeiz der Ethereum-Entwickler. Ähnlich wie die Entwickler von Computerspielen in die Ökonomie virtueller Welten gestaltend eingreifen, wollen die Ethereum-Entwickler durch Anpassungen der Gaspreise die Nutzung von Ethereum in eine als wünschenswert definierte Richtung bugsieren. Dies drückt sich in den beiden EIPs 2565 und 2929 aus.

EIP 2565 “ModExp Gas-Preise”

Dieses EIP spezifiziert einen Algorithmus, um die Gaspreise einer bestimmten Operation neu zu definieren: ModExp, die “modular exponentiation”, oder, auf Deutsch: diskrete Exponentialfunktion. Diese ist, erklärt das EIP, “eine fundamentale arithmetische Operation von vielen kryptographischen Funktionen”, darunter Signaturen, verifizierbaren Verzögerungsfunktionen (VDF), Zero-Knowledge-Proofs und mehr. Allerdings ist der ModExp-Compiler bei Ethereum zu teuer – die Operation kostet unverhältnismäßig viel Gas, wodurch sie ineffizient und teuer wird. Indem EIP 2565 die Preise senkt, soll ModExp praktikabler weden und beispielsweise mit VDFs sichere und starke Zufälligkeit ermöglichen. Kurzum: EIP 2565 befördert die Anwendung eines breiteren Spektrums kryptographischer Operationen in Smart Contracts.

EIP 2929 “Erhöhung der Gas-Kosten für State Access Opcodes”

Dieses EIP senkt die Preise für bestimmte Operationen nicht, sondern erhöht sie. Konkret geht es um Operationen (“Opcodes”), welche auf den Speicher zugreifen. Diese sind, erklärt das EIP, seit langem zu günstig und waren schon Teil von DoS-Angriffen. Zwar wurden die Preise bereits in der Vergangenheit erhöht, doch laut einer wissenschaftlichen Studie hat dies Angriffe noch nicht vollständig entschärft. Ein Hacker kann weiterhin relativ günstig sämtliche Knoten im Netzwerk dazu zwingen, aufwändige und langsame Festplattenzugriffe auszuführen. Indem EIP 2929 die Kosten etwa verdreifacht, wenn eine Transaktion eine dieser Operationen erstmals ausführt, soll es die Schwachstelle endgültig schließen.

Wie so oft haben Eingriffe in Preise Nebenwirkungen. So auch EIP 2929: Aktive Smart Contracts, die durch Operationen auf den Speicher zugreifen, werden durch die erhöhten Gaspreise geschädigt, was im schlimmsten Fall soweit geht, dass sie nicht länger operieren können und die in ihnen verwahrten Coins einfrieren. Dies möchten die Entwickler mit einem weiteren EIP verhindern.

EIP 2930 “Optional Access Lists”

Wie es konkret funktioniert, ist ziemlich schwer verständlich. EIP 2930 definiert einen neuen Transaktionstypen, der eine Liste mit Adressen und Schlüsseln enthält und diese für eine andere Transaktion vordefiniert. Dadurch können Smart Contracts die erhöhten Gaspreise durch EIP 1229 wieder senken.

Für Entwickler könnte beinah interessanter sein, wie EIP 2930 den neuen Transaktionstypen bildet. Denn dafür nutzt das EIP ein Feature, das erst durch die Berlin-Hardfork freigeschaltet wird.

EIP 2718 “Typed Transaction Envelope”

Dieses EIP definiert einen neuen Transaktions-Typus, der eine “Hülle für zukünftige Transaktionstypen” sein soll. Das Problem, das EIP 2718 löst, ist folgendes: Neue Transaktionstypen lassen sich bei Ethereum nur schwer hinzufügen, da sie abwärtskompatibel mit allen anderen Transaktionen sein müssen. Dies reduziert die Optionen, erhöht aber die Komplexität. Die neuen Hüllen-Transaktionen (englisch: “Envelope transactoin type”) sollen diese ungünstige Kombination aus der Welt schaffen – und EIP 2930 wird das erste Beispiel dafür abgeben.

Und was ist mit EIP 1559?

Kein Teil des Berlin-Upgrades ist EIP 1559 – obwohl gerade dieses Upgrade am meisten erwartet wird. Schließlich verspricht sich die Community von ihm zumindest zeitweise die Erlösung von dem, was bei Ethereum derzeit die stärksten Schmerzen bereitet: die extrem hohen Gebühren.

EIP 1559 soll die Art und Weise, wie User für Transaktionen bezahlen, fundamental ändern. Bisher verteilen die Miner den Platz in den Blöcken durch ein Auktionsmodell: Die User bieten mit ihren Transaktionsgebühren, und die Transaktionen mit den höchsten Geboten werden in dieser Reihenfolge aufgenommen. Für User ist es schwer zu kalkulieren, mit welchen Gebühren sie es in den Block schaffen, weshalb die Wallets oft zuviel bezahlen, was wiederum andere Wallets dazu treibt, noch mehr zu bezahlen, und so weiter. Das Leid kennt jeder, der in den letzten 30 Tagen eine DeFi-App auf Ethereum verwendet hat und von einer plötzlichen Gebühreneskalation überrascht wurde.

EIP 1559 soll das Auktionsmodell abschaffen. Stattdessen definiert ein Algorithmus einen Festpreis, durch den Transaktionen garantiert in einen Block kommen. Dieser Preis wird die Basefee genannt: die “Basisgebühr”. Daneben können die User aber noch einen “Tip” bezahlen, um eine höhere Position in den Blöcken zu erhalten, was für viele DeFi-Operationen durchaus profitabel sein kann.

Darüber hinaus ersetzt das EIP das bisher fixe Gaslimit von 12,5 Millionen durch ein langfristiges Ziel von 10 Millionen und einem harten Limit von 20 Millionen. Wenn der Gasverbrauch je Block über 10 Millionen liegt, soll die Basisgebühr steigen, um Nutzer abzuschrecken; liegt sie darunter, soll sie sinken. Mit Blöcken, die bis zu 20 Millionen Gas enthalten, können die Miner vorübergehende Spitzen der Nachfrage abbauen.

Die vielleicht gravierendste Änderung ist jedoch, wer die Gebühren erhält. Während sie bislang vollständig an die Miner gehen, sollen nach EIP 1559 die Basisgebühren verbrannt, also vernichtet werden, während die Miner nur die Tips erhalten. Ohne das Verbrennen der Basisgebühren könnte man kaum verhindern, dass die Miner am für sie profitablen Auktionsmodell festhalten.

Ein für Ethereum-Investoren angenehmer Nebeneffekt ist, dass die Inflation reduziert wird und Ethereum bei ausreichender Nutzung sogar deflationär wird – dass also die in Umlauf befindliche Menge an Coins nicht nur langsam steigt, sondern tatsächlich sinkt. Davon erhoffen sich Investoren natürlich Kursgewinne.

Der Widerstand der Miner

Weniger nett finden das die Miner. Klar – ihnen entgehen ja die derzeit üppig sprudelnden Einnahmen aus dem Gebührenmarkt.

Auf der Webseite StopEIP1559.org protestiert eine Gemeinschaft von Pools gegen das EIP. Während die großen, Blockchain-übergreifenden Pools F2Pool, Poolin, Binance, Antpool, BTC.com und ViaBTC das EIP unterstützen – oder zumindest noch nicht dagegen sind – protestieren viele kleinere und auf Ethereum fokussierte Pools. Darunter auch die beiden wichtigsten Pools für Ethereum, Spark und Ethermine, die zusammen mehr als 40 Prozent der Hashrate stellen.

“Wir sind überzeugt, dass EIP-1559 die Zukunft von Ethereum gefährdet”, kommentiert Ethermine auf Twitter. “Je näher wir dem Übergang zu Ethereum 2.0 kommen, desto riskanter wird eine solche Änderung, da die Miner weniger Einsatz im Spiel haben.” Der Pool betont, dass er Ethereum “mit seiner perfekten Unperfektheit seit der Genesis unterstützt” und fordert die Entwickler auf, eine Lösung zu finden, die nicht auf dem Verbrennen von Gebühren beruht, um die Unterstützung der Miner zu gewinnen.

Drastischer fällt der Kommentar von Sparkpool aus: “Wir sind Miner, und wir sind Holder. Wir haben unsere ersten Ether im Crowdsale 2014 gekauft.” Das Verbrennen der Gebühren durch EIP 1559 sei jedoch “eine Umverteilung von Wohlstand von den Minern zu den Holdern.” Dies sei der Grund, “warum so viele Leute es unterstützen. Sie denken, je weniger Ether, desto höher der Preis, daher werden sie reicher werden.” Für den Pool ist das aber eine “Tyrannei der Mehrheit im Namen einer besseren UX”. Es ist “Diebstahl”. Dabei liebt der Pool Ether und BTC gerade deswegen, “weil es uns perfekte Eigentumsrechte gibt”. EIP 1559 bricht diese. “Es macht uns traurig, zu sehen, dass sich so viele Menschen nur noch um den Preis sorgen.”

Die Pools fordern die Miner auf, sich Pools anzuschließen, die gegen EIP 1559 sind. Was für Miner die rationale Entscheidung wäre. Oder?

Der Blockchain-Analyst Hasu sieht das anders. Für die Miner führe es “zum besten Ergebnis, EIP-1559 einfach zu akzeptieren.” Für Ethereum wird es mindestens noch 18 Monate lang ein PoW-Mining geben (bevor ETH2.0 auf Staking umsteigt), weshalb die Miner viel zu verlieren haben, wenn sie EIP-1559 verhindern, etwa indem sie Ethereum durch Double-Spends und Zensur angreifen. Damit würden sie sich aber vor allem ins eigene Fleisch schneiden.

Darüber hinaus sei es durchaus möglich, dass die Miner nach EIP-1559 nicht weniger, sondern mehr Geld verdienen. Wenn das EIP Ethereum besser – und knapper – macht und damit den Wert des pauschalen Blockrewards von 2 Ether erhöht, würden die Miner womöglich tatsächlich besser dastehen als zuvor.

Da das umstrittene EIP nun nicht in der Berlin-Hardfork enthalten ist, dürfte sich die teils hitzige Diskussion vorerst entschärfen. Allerdings steht es zur Debatte, dass es in der nächsten Hardfork, die für August unter dem Namen “London” geplant ist, doch noch aktiviert wird. Die Diskussion wird also andauern.

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1 Kommentar zu Ethereum-Foundation kündigt Berlin-Hardfork an

  1. “EIP 1559 soll das Auktionsmodell abschaffen. Stattdessen definiert ein Algorithmus einen Festpreis, durch den Transaktionen garantiert in einen Block kommen. Dieser Preis wird die Basefee genannt: die „Basisgebühr“. Daneben können die User aber noch einen „Tip“ bezahlen, um eine höhere Position in den Blöcken zu erhalten, was für viele DeFi-Operationen durchaus profitabel sein kann.”

    Ich lese immer wieder, dass Front-Running eins der größten Probleme im DeFi-Bereich ist. Nun würde eine Basisgebühr ohne die zusätzliche Möglichkeit zu “tippen”, das Problem de facto beseitigen (und noch dazu weiteren Platz für organische Transaktionen schaffen, da diese Art der Vorteilsnahme nicht mehr möglich wäre und wegfällt).

    Aber offensichtlich ist Front-Running von den Entwicklern sogar gewollt oder zumindest hat man Angst, die Möglichkeit per Fork abzuschaffen. Wieso sonst sollte man dieses “Vordrängeln” trotz der Implementierung einer Basisgebühr über eine neue Hintertür (die Tips) wieder möglich machen?

    Falls der Begriff Front-Running nicht jedem geläufig sein sollte, zur Verdeutlichung ein einfaches Beispiel: Der Preis von CoinX liegt bei ca. 100€. Alice möchte über einen AMM (Automatted Market Maker) CoinX kaufen und setzt ein Limit von 110€ zu dem sie das maximal tun möchte. Die Transaktion läuft im Mempool auf und wird bekannt. Vor der Ausführung des nächsten Blocks liegt die niedrigste Verkaufsorder bei 101€, die zweitniedrigste bei 109€.
    Mit dem Wissen kann nun Bob, ein weiterer Marktteilnehmer, zwei Transaktionen mit höherer Fee / höherem Tip erstellen: eine, die Coins bei 101€ von im Markt vorhandenen Orders aufkauft und eine, die diese Coins für 108€ an Alice weiter verkauft. Macht 7€ Gewinn pro Einheit.

    Verlierer ist der normale Nutzer. Das lässt sich sehr gut vergleichen mit dem Speed-Trading auf klassischen Börsen. Auch da wird ein Vorteil ausgenutzt, um zum Nachteil des gewöhnlichen Nutzers Gewinn zu generieren.

    In meinen Augen hätte man hier bei ETH mit diesem Update diesen Makel mit beseitigen können. Man hat sich aber aktiv dafür entschieden, diesen Nachteil für die Nutzer künstlich wieder einzurichten.

    Ich lasse mich hier gerne korrigieren, aber für mich ist das ein klares No-Go und ein Mittelfinger an alle 0815-Nutzer von DeFi-Anwendungen.

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