Der Ort, an dem man Lightning verwendet, anstatt darüber zu reden
Drei Tage lang traf sich die deutschsprachige Bitcoin-Szene in Innsbruck zur btc2023. Wir waren auch da und berichten von der größten Bitcoin-Konferenz der Dach-Region.
Wenn man wissen möchte, was die auf deutsch träumende Bitcoin-Seele am Tag und in der Nacht bewegt, war Innsbruck am vergangenen Wochenende der beste Ort der Welt. Dort fand nämlich die btc2023 statt – die größte deutschsprachige Bitcoin-Konferenz. Mehr als 1000 Leute besuchten die Veranstaltung in der Tiroler Landeshauptstadt, auf der mehr als 80 Speaker das deutsche Ökosystem repräsentierten.
Wie schon im letzten Jahr war die Location, das Innsbrucker Kongresszentrum, ein Traum: Innen ein riesiges umgebautes Atrium mit weiß gekachelten Backsteinbögen und mindestens sieben Meter hohen Decken. Außen um die Ecke die türkisfarben rauschende Inn und der ausladende Hofgarten gegenüber, darum herum die malerische Altstadt, und als wäre das noch nicht Augenweide genug, säumen stolze Alpengipfel den Horizont in allen Himmelsrichtungen.

Auch das Monument für die Freiheit Österreichs sieht vor der Alpenkulisse schöner aus.
Auch die Organisation durch Peter Taschler und Lukas Waldner beeindruckte erneut. Sound und Bild waren hervorragend, die Verpflegung spitze, und die Moderatoren, Debbi Reher, Nico Jilch und Rahim Taghizadegan wirkten noch souveräner als im vergangenen Jahr. Vor allem Rahim zeigte sich als begnadeter, schlagfertiger Interviewer, von dem sich mancher Fernsehprofi eine Scheibe abschneiden könnte.
Von Mensch zu Mensch anstatt von Account zu Account

Der Veranstaltungsraum.
Die Vorträge habe ich nur zum Teil mitbekommen. Mein Eindruck ist aber, dass es weniger „Orange Pilling“ und Bitcoin-Moralismus als im letzten Jahr gab, und rhetorisch etwas abgerüstet wurde.
Ein Beispiel vom Industry Day am Donnerstag, eine Nuance im Wording: Andreas Streb von der Volksbank Bayern Mitte erklärte, man verkaufe ausschließlich Bitcoins, weil man die anderen Coins nicht genug verstehe. Das ist bemerkenswert, da er früher gesagt hatte, andere Coins seien pauschal nicht dezentral. Möglicherweise hat die Sakralisierung von Bitcoin ihren Höhepunkt überschritten.
Insgesamt gab es rund 60 Vorträge, Interviews oder Diskussionen, die zwischen 20 und 40 Minuten lang waren. Das Format war also eher Serie als Spielfilm, und da eher Friends als Game of Thrones. Die kurzen Intervalle ließen wenig Raum für Tiefe, schafften aber Abwechslung und passten ins zeitgemäße Konsummuster des Binge Watchings. Wenn ihr wollt, könnt ihr die Vorträge auf dem Youtube-Kanal der Konferenz durchsuchten.
Angehört habe ich mir leider nur einen Bruchteil, da ich meistens in Gespräche und Diskussionen verwickelt war. Genossen habe ich vor allem, höflich und respektvoll unterschiedliche Meinungen auszutauschen, politisch mit Joanna Cotar oder Milosz Matuschek, zu Bitcoin mit Roman Reher oder Joe Martin. „Agree to Disagree“ ist leichter, wenn man von Mensch zu Mensch redet anstatt von Account zu Account.
Über Pyramiden reden
Mit dem Blocktrainer Roman war ich dann auch auf der Bühne, in einer Diskussionsrunde über „Bitcoin vs. Krypto“. Die Idee war, dass ich Bitcoin kritisiere und für Altcoins werbe, während Roman den Bitcoin-Maximalismus vertritt.
Moderiert wurde die Diskussion von Manuel vom Münzweg-Podcast, der sich zwar selbst einen Maximalisten nennt, aber beachtlich neutral blieb. Insgesamt wurde es weniger kontrovers als erwartet, und wir verbissen uns am Ende in einer Detailfrage zum Mining. Aber ich habe es geschafft, dem Publikum zu sagen, dass Bitcoin nicht per se für die kommenden Jahrzehnte sicher bleiben wird, solange das Gebührenaufkommen nicht deutlich steigt. Außerdem habe ich endlich die Pyramiden erwähnt und das Publikum dazu aufgerufen, zusammen anstatt in verfeindeten Lagern für ein neues Finanzsystem zu streiten.
Aber natürlich hatte die „Bitcoin-Only“-Konferenz wenig Liebe für andere Kryptowährungen. Allerdings waren die Beißreflexe weniger ausgeprägt als im letzten Jahr, als die Konferenz mit dem Merge von Ethereum zusammenfiel und die Szene sich dadurch etwas bedroht fühlte. Stattdessen beschäftigte sich die Community stärker mit sich selbst und den Trends im Ökosystem.
Mining für die Energiewende
Auffällig stark vertreten war das Mining, das in Innsbruck durchweg unter grüner Flagge segelte. Unter den 21 Ausstellern fanden sich mehrere Anbieter von grünem Mining oder von Heizsystemen mit Mining-Anlagen. Ob es wirklich nachhaltiger ist, mit Minern anstatt Wärmepumpen zu heizen, und ob Mining in Kuwait wirklich grün ist oder doch nur washing, ist freilich eine andere Frage.

Schön erwähnt? Wenn man einen Bahnhof vor den Alpen platziert, freut das alle
Generell aber scheint „Mining für die Energiewende“ ein starker Narrativ geworden zu sein, der es auch hin und wieder auf die Bühne schaffte, etwa mit einem Teilnehmer des globalen Klimastreiks, der just an diesem Wochenende auch in Innsbruck stattfand. Mining, so die Aussage, schadet dem Klima nicht nur nicht, wie die Kritiker behaupten – sondern hilft ihm, was ein massiver Vorteil gegenüber Proof of Stake ist.
Ein anderes aktuelles Thema sind die Ordinals. Ich habe den Vortrag von Lightrider, was Ordinals für Bitcoin tun, leider verpasst, aber viel Gutes darüber gehört. Um Zero Knowledge Proofs ging es in zwei Vorträgen, die technisch ein Stück in die Tiefe gingen. Beides zeigt, dass sich das Sichtfeld der Bitcoin-Szene über Lightning hinaus erweitert.
Lightning wurde zwar an den Kaffee- und Speisetheken rege benutzt und im Ausstellungsbereich an zahlreichen Automaten eingesetzt. Aber in den Vorträgen kam das Offchain-Netzwerk relativ selten vor, was vermutlich ein gutes Zeichen ist: Lightning hat sich soweit entproblematisiert, dass man es verwendet, anstatt darüber zu reden. Endlich!
Die Konferenz als Treiber der Adoption
Viele Vorträge blieben aber, wohl auch der Kürze geschuldet, relativ oberflächlich. Wirkliche Neuigkeiten waren rar, zumal spektakuläre Neuigkeiten. Stattdessen boten die Vorträge viele Antworten auf die heikle Frage ab, ob Bitcoin wirklich nur großartig ist oder noch viel besser.
Neu war eine Rückbesinnung auf klassische Ideen. Nachdem es im letzten Jahr vor allem ums Holding ging, stand nun oft das Zahlungsmittel Bitcoin im Vordergrund, sowohl im Online-Shopping als auch International. Das könnte Hoffnung geben, dass die Stagnation der „Adoption“ endet.

Matthias Reeder von Coinfinity auf der Bühne. Man beachte sie Stühle!
Die Konferenz selbst sieht sich auch als Treiber der Adoption. Auf der einen Seite indem sie bekannte Persönlichkeiten im deutschsprachigen Raum einlädt, die indirekt etwas mit Bitcoin zu tun haben. Etwa der österreichische Schauspieler Roland Düringer, der Unternehmer Peter Kotauczek, der Journalist Milos Matuschek, der Podcaster Daniel Stelter oder der ewige Crash-Prophet Marc Friedrich. Auch wenn mir die Auswahl nicht durchgehend gefiel, brachte dies eine Abwechslung auf die Bühne, die etwa bei Roland Düringer sehr erfrischend war.
Auf der anderen Seite wurde die Konferenz selbst zur Demoshow für Lightning. Anstatt darüber zu reden, wird gemacht. Man konnte mit Lightning Flipper spielen, viele andere Automaten bedienen, einen Tesla vor der Türe hupen lassen, Kaffee, Bier, Eis und Essen kaufen und, natürlich, sich am legendären Cocktail-Automaten meiner Landsleute vom Ulmer Bitcoin-Stammtisch Treibstoff für die Abendunterhaltung ziehen.
Laut dem Zahlungsdienstleister LIPA haben die Besucher 0,62 Bitcoin für die Gastronomie ausgegeben. Soweit ich es mitbekommen habe, wurde in der Regel mit Bitcoin bezahlt, und laut dem Personal gingen die Zahlungen auch zuverlässig durch. Noch keine 100 Prozent, aber wir kommen dem näher.
Und vielleicht ist das die stärkste Nachricht, die man von einer starken Konferenz mit nach Hause nimmt, wenn man aus der Tiroler Landeshauptstadt zurück ins deutsche Plattland reist.
Lightning-Bezahlung am Automaten? Cool, ich warte darauf, dass man in Berlin den Gang zur öffentlichen Toilette mit Lightning bezahlen kann.
@Christoph, kannst den Kommentar nach dem Lesen auch wieder löschen, weil er offtopic ist, aber da Du dort so wenig über Ordinals gehört hast:
Du kannst Dich ja mal JPEGWars widmen, oder dem Trading Card Game Coombattles, die mithilfe von Ordinals Cross-Chain-Games implementiert haben (also BTC+BSV, und teilw. auch SOL+ETH).
Für kleinere Zahlungen funktioniert Lightning (Self Custodial, alles andere ist Bullshit) mittlerweile auch ganz gut (wenn sich der Merchant um entsprechende Channels und Balancing kümmert), bei 3-stelligen Beträgen wird es schon zum Gambling.
Offensichtlich war hier ein Zahlungsdienstleister (LIPA) am Werk, der sich darum kümmert. Ist zwar günstiger als die meisten Online-Payment Systeme, hat aber mit P2P hat das nichts zu tun und Funds können jederzeit eingefroren werden wie bei PayPal. Self-Custodial zu Self-Custodial beim Merchant ist weiterhin ein enormer Aufwand, es sei denn man nutzt komplexe Lösungen wie Phoenix, die Channels mit sich selbst aufbauen, die wiederum zu Zentralisierung führen.
Ordinals machen hingegen einen enormen Anteil der Transaktionen aus, am 15.09. gab es sage und schreibe 700.000 Tx bei Bitcoin, davon 440.000 Ordinals, das sind 63%: https://dune.com/dgtl_assets/bitcoin-ordinals-analysis
Gut finde ich, dass zk-Proofs endlich eine Beachtung unter Bitcoinern finden, das Konzept wurde schon von Hal Finney analysiert noch bevor es Bitcoin gab und das ursprüngliche Paper geht auf die 80-er Jahre zurück: https://twitter.com/fluffypony/status/1704729980255571969
Immerhin hat man Dich als kritischen Speaker auf einem Panel zugelassen, aber ich sehe in allen Diskussionen mit Bitcoin Maxis wenig bis kein Verständnis für offensichtliche Probleme und seien es auch offensichtliche wie nicht kalkulierbare Gebühren, weil der Mempool seit Monaten relativ voll ist. Was passiert, wenn die Nachfrage nach Transaktionen auch nur um 10% steigt? Der Mempool füllt sich eben täglich um diese, was monatlich 300% sind. Dass die Balance aktuell noch “funktioniert”, wenn man bereit ist, 1$ Fee für einen simplen SegWit Transfer zu bezahlen liegt daran, dass die Nachfrage nach Transaktionen historisch mit dem Preis korreliert und da tut sich nicht viel in letzter Zeit. Wenn man noch tiefer in den Kaninchenbau steigt, blocken die meisten per se mit dem Argument, dass das alles perfekt durchdacht ist.
Warum denn ANSTATT und nicht UND? In unserem Keller steht eine Umluft-Brauchwasserwärmepumpe, und der wäre es bestimmt nicht unrecht, wenn ich im Winter parallel noch einen Miner betreiben würde. 😉
Ich will ja nichts unterstellen, aber wenn ich mir die Winter in unserer Hemisphäre die letzten Jahre ansehe, dann wird dieser maximal zu 5% ausgenutzt. Selbst für einen der ältesten ASIC, den Du dafür nehmen könntest, würdest Du mit einem überdachten Setup von CPU-“Minern”, die Du ohnehin im Besitz hast oder upgraden könntest, besser beraten.
Naja, Warmwasser braucht man auch im Sommer. Da unsere Brauchwasserwärmepumpe in einem geschlossenen Raum steht, erhöht die Abwärme jeglicher Apparatur das Temperaturniveau der von der Wärmepumpe angesaugten Luft. Um die Taktung der Wärmepumpe gering zu halten, läuft diese je nach Wärmeverbrauch und Pufferspeichergröße nur wenige Stunden pro Tag. Während des Betriebs könnte man mit der kalten Abluft der Wärmepumpe einen ASIC oder eben auch eine CPU kühlen, ohne dass es dabei zu einer Absenkung des Temperaturnieveaus innerhalb des Raumes kommen würde (obwohl das vielleicht im Sommer sogar als positiver Nebeneffekt gewünscht wäre).
Ich habe da jetzt nichts berechnet, aber eine kWh Heizenergie wird unter Berücksichtigung der zusätzlichen Mining-Hardware bestimmt teurer sein, als rein über die Wärmepumpe zu heizen. Lediglich wenn einem idealistischer Weise die Dezentralisierung des Minings am Herzen liegt, und man evtl. ohnehin schon Mining betreiben würde, dann hätte man keine zusätzlichen Kosten für die Mining Hardware beim Heizen zu berücksichtigen.
Zur Fernabfrage sind die meisten Wärmepumpen i.d.R. bereits mit dem WLAN verbunden. Hätte es eine Brauchwasserwärmepumpe mit einer kleinen angepassten Mining Hardware gegeben, ich glaube ich hätte mich vielleicht sogar dafür entschieden (dann aber eher aus Idealismus als unter ökonomischen Gesichtspunkten) 🙂
Hallo Christoph,
wird irgendwann auch dein Talk mit Roman Reher auf dem YT-Kanal der btc2023 veröffentlicht? Oder habe ich ihn schlicht einfach übersehen?
Gruß PeWi
Hallo PeWi, danke für dei Nachfrage, heute erschien der Talk.
Hallo Christoph,
ich habe euren Talk eben gesehen und finde, du hast dich gar nicht schlecht geschlagen.
Roman merkt man seine immense Übung an, vor Publikum zu sprechen – da bist du ihm gegenüber natürlich im Nachteil.
Er formuliert prägnanter und scheut sich nicht, durch Weglassen von Genauigkeit/Details seine Aussagen einfacher und durchschlagender zu machen. (Schade um die Grautöne und die frühere Neutralität, die dabei verloren gegangen sind.)
Du möchtest nicht so simplifizieren, wodurch du im Gegenzug ein bisschen umständlicher und nicht so “on the point” rüber kommst. Aber im Gegensatz zu Roman eben auch erfreulich unideologisch, was ich sehr schätze.
Gruß PeWi
PeWI’s Einschätzung kann ich mich voll und ganz anschliessen. Deine Aussagen klingen weniger prophetenhaft und deutlich realistischer und offener ( in meinen Ohren 😉 ).
Auch mal schön zu sehen, dass dieser Blog ganz offensichtlich von einem echten Menschen betrieben wird und nicht etwa von einer KI. Gibt es noch andere Events auf denen man Dich im nächsten Jahr mal iRL sehen (oder antreffen) könnte.