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Die zwei Gesichter von Bitcoin

Kaninchen oder Ente? An der Perspektive hängt alles.

Hand aufs Herz: Geht‘s euch darum, alles durch 21 Millionen zu teilen – oder wollt ihr vor allem Mittelsmänner aus Zahlungen raus halten? Es gibt zwei Perspektiven auf Bitcoin. Meistens sind sie kompatibel. Aber halt nicht immer.

Die Attraktion von Bitcoin liegt in zwei Aspekten, die gewöhnlich kompatibel, aber manchmal auch konträr wirken:

1.) Die monetäre Perspektive

Dieser Perspektive geht es um „Geldpolitik“: Bitcoin ist ein hartes, auf 21 Millionen Einheiten beschränktes Geld mit einer stets kalkulierbaren Geldmenge. Insofern die Technologie dies stützt, ist sie interessant und sogar faszinierend, etwa wenn sie als thermodynamische Verankerung in der Wirklichkeit verklärt wird.

2.) Die praktische Perspektive

Ihr geht es darum, was die Technologie in der Praxis leistet: um die Handlungsoptionen, die sie dem Einzelnen gibt. Der Einzelne kann durch Bitcoin elektronische Werte autonom empfangen, speichern und versenden. Denn Bitcoin löst das Problem des Double Spendings.

Sagen wir es so: Savings Technology und Freedom Technology, eine Technologie fürs Sparen, und eine für die Freiheit.

Bei den meisten Bitcoinern gehen beide Hand in Hand: Sie wollen ein freies Geld, das keinem Staat unterliegt, und ein freies Zahlungsmittel, das von keiner Bank abhängt. Weder Mittelsmänner noch Notenbanken sollen verhindern, dass man Geld wirklich besitzt.

Ohnehin: Die Blockchain ist nur so mächtig, weil der Bitcoin wertvoll ist. Jeder Euro in Bitcoins wird zu Hashpower, die Entropie in Blockheader stampft. Geld und Plattform sind nicht zu trennen.

Oder? Und was, wenn doch? Hand aufs Herz!

Viele Bitcoiner ignorieren den Aufschwung der Stablecoins. Durch sie wurde ein Szenario denkbar, in dem Bitcoin, das Geld, scheitert, während sich Bitcoin, die Technologie, durchsetzt. Bitcoin wird nicht zum alltäglichen Zahlungsmittel, nicht zur Recheneinheit für alles, nicht zur Reserve in Währungskörben, sondern bleibt ein, sagen wir es böse, „Hipstergold“, während sich die Technologie, die Blockchain, in tausend Inkarnationen zur Plattform für alle Werte macht, für Dollar, Euro, Yen, Aktien, Anleihen, Immobilien, Kunstwerke, Verbindlichkeiten — als Internet der Werte.

Wie wäre das? Wäre es schade, weil wir nicht Bitcoin, das Geld bekommen haben, und Geldpolitik in der Hand des Staates bleibt? Oder wäre es ein Triumph, weil sich die Freedom Technology durchgesetzt hat?

Tja.

Ich persönlich denke: Solange Bitcoin nicht scheitert, wird er ein alternatives Geld bleiben, das, selbst nicht benutzt, das Fiatgeld als Konkurrenz diszipliniert. Er wird nicht mehr in die Flasche zurückgehen, ob nun als Zahlungsmittel oder Wertspeicher.

Und ansonsten: begrüße ich es, dass sich die Freedom Technology der Blockchain durchsetzt. Egal wie, mit oder ohne Treuhänder, dezentraler, zentralisierter, privater, transparenter. Es gibt tausend Facetten, und auch wenn es nicht immer lupenrein abläuft, wirken die Anreize und Möglichkeiten der Technologie: Sie verrückt den Status Quo unvermeidbar zu mehr Transparenz, Wettbewerb, Selbstbestimmung, Dezentralisierung.

Ich denke schließlich nicht, dass man wegschauen oder Innovationen ablehnen sollte, weil die Freedom Technology, wegen der man ja auch da war, „nicht Bitcoin das Geld“ ist. Auch wenn es besser wäre.

Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
Das Bitcoinblog wird von Bitcoin.de gesponsort, ist inhaltlich aber unabhängig und gibt die Meinung des Redakteurs Christoph Bergmann wieder ---

7 Kommentare zu Die zwei Gesichter von Bitcoin

  1. Schön geschrieben. Stimme 100% zu. 🙂

  2. Wolfgang Lohmann // 26. September 2023 um 9:24 // Antworten

    Für die, die die Einleitung des Bitcoin Whitepapers nicht richtig gelesen haben ;-):
    Die Mittelsmänner sind ein Grund, warum kleine Zahlungen im „Commerce on the Internet“ nicht wirtschaftlich sind. Es wird ja fast jeder mal abgewiesen worden sein, bei einem kleinen Händler kleine Beträge zu bezahlen, nicht alle wollen die damit verbundenen Kosten tragen. Das Entfernen der Mittelmänner hat also den Grund, Kosten zu sparen. Daraus macht man dann Freiheitsgeld. Das Ziel war elektronisches Bargeld. Wenn man nicht aufpasst, wird CBDC genau diese Eigenschaft übernehmen und damit den großen Markt abschöpfen (mit allen weiteren Vor-, und insbesondere Nachteilen). Maximalisten kann es egal sein, weil sie ihre Coins ja bis irgendwann halten können. Nützliches Geld muss fließen.
    Ich halte nicht viel von religiösen Aussagen („Jeder Euro in Bitcoins wird zu Hashpower, die Entropie in Blockheader stampft. Geld und Plattform sind nicht zu trennen.“). Hashpower kann sich auch ändern, ohne das Euro in/aus Bitcoin fließen. Natürlich kann man Geld und Plattform nicht trennen, denn wie Satoshi schrieb, ist Bitcoin ein System. 😉

    • Für die, die die Einleitung des Bitcoin Whitepapers nicht richtig gelesen haben ;-):

      Auf der Welt gibt es Probleme, und die Probleme bedürfen einer Lösung. Je größer die Probleme um so dringlicher die Lösung. Anscheinend verspüren noch zu wenige Händler oder Nachfrager die Notwendigkeit auf Mittelsmänner verzichten zu müssen. Wenn die Lösung sich in Form einer dezentralen Blockchain-Technologie später lösen lässt, dann ist das doch prima, egal wie der Coin dann auch heißen mag. Ich wehre mich aber entschieden dagegen, dass Satoshi und das Bitcoin Whitepaper wie eine Bibel verehrt wird, und als Argumentation für alles Mögliche her halten müssen. 😉

      • Wolfgang Lohmann // 26. September 2023 um 13:37 //

        Verehren ist der falsche Begriff. Ich habe gar kein Problem damit, dass man Erfindungen, Technologien über die Zeit weiterentwickelt, an andere Bedürfnisse anpasst. Sichten ändern sich. Narrative auch. Ehrlich wäre es eben, wenn man das auch genau so sagt. Satoshi mag richtig oder falsch gelegen haben. Was man von ihm hat, sind im Wesentlichen das Whitepaper, seine Postings und der Code. Von Dezentralisierung als Hauptziel, von Store of Value, und Staatsferne ist da eher wenig zu lesen ;-). Dagegen ist das Problem der Kosten des Vermittlungsprozesses ja direkt als Motivation aufgeführt. (Die vermissten Händler hatte es durchaus auch schon mal so gegeben, MicroSoft und Co haben aufgehört, als die Gebühren so angestiegen sind vor dem Blockgrößenkonflikt.)
        Einen Titel wählt man für solche Artikel idR. auch bewusst aus. Das ist nicht irgend ein Facebook-Post, sondern im Stil eines akademischen Aufsatzes geschrieben und sollte vielleicht auch so gelesen werden.
        Wie gesagt, man kann heute gerne etwas anderes haben wollen. Dann schreibe man am besten ein entsprechendes Manifesto und mache es im Namen (Zusatz?) kenntlich, ++, 2.0, NG, Future, Evolution, Gold(ahh, das ist verbraucht) da gäbe es viele positive Bezeichnungen 😉

      • Exil-Hexikaner // 26. September 2023 um 14:30 //

        Aus dem Grund sind „Alt-Coins“ völlig in Ordnung. Man kann es sogar so sehen, dass durch „Alt-Coins“ das Bitcoin-Netzwerk entlastet wird. Wer braucht da schon eine Erhöhung der Blockgröße?

  3. Solange die Banken keinen PrivatsphäreFreundlichen Weg für Internationale digitale Zahlungen hervorbringen der nicht massig Gebühren kostet, nehmen wir Kryptowährungen.
    In der EU wollen Podcaster lieber SEPA Überweisungen als PayPal Spenden da man da viel zu viel Geld verliert.
    Restaurants und Läden brauchen Mindestumsätze bevor sie gewisse Karten annehmen.
    All diesen Krempel könnte man mit Bitcoin, Lightning und Co deutlich reduzieren und dem Verkäufer deutlich mehr Wert zukommen lassen für seine Ware bzw als Käufer günstiger wegkommen oder gar beides.

    • Gebühren hin oder her, am Ende ist es die Volatilität die dem Verkäufer bei Bitcoin & Co eventuell das Geschäft vermasselt. Abhilfe würde ein sofortiger Umtausch in die lokale Fiat-Währung verschaffen, aber dafür braucht es wieder einen Dienstleister bzw. Mittelsmann, den man aber eigentlich ja abschaffen möchte. Ich denke daher, dass zunächst Stablecoins diese Rolle übernehmen werden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Marktkapitalisierung anderer Coins so weit zugenommen hat, dass einzelne Akteure so gut wie überhaupt keinen signifikanten Einfluss auf den Kurs ausüben können, und die Volatilität auf eine Größenordnung geschrumpft ist, die der von aktuellen Währungspaaren entspricht (z.B. USD/EUR), erst dann glaube ich an eine breite Akzeptanz von Bitcoin & Co im Retail-Business. Man darf sich da auch keiner Illusion hingeben und hoffen dass dies in den nächsten Jahren passieren wird. Ich denke das wird eher noch so 10 – 20 Jahre dauern, und bis dahin werden 2nd-Layer-Lösungen bestimmt schon gegen unendlich skaliert haben 🙂

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