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Wird Äthiopien zum neuen Mining-Mekka?

Wasserfall am Blauen Nil. Der Strom sieht nicht nur schön aus, sondern produziert Strom für immer mehr Miner. Bild von Marc Veraart via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Immer mehr Bitcoin-Miner entdecken offenbar Äthiopien für sich. Das Land punktet mit günstiger und grüner Energie sowie einer den Minern freundlich gesinnten Regierung. Es hat aber auch seine Standortnachteile.

Seit die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre in Betrieb genommen wurde, wird Äthiopien für Bitcoin-Miner zunehmend attraktiv. Vor allem chinesische Bitcoin-Miner strömen offenbar in Scharen in das nordafrikanische Land.

Das wichtigste Argument für Äthiopien sind die zweitgünstigsten Strompreise der Welt. Dank des größten Staudamms Afrikas genießt das Land seit eineinhalb Jahren einen erheblichen Überschuss an grünem Strom. Dazu kommt eine zwar autokratische, aber halbwegs stabile und den Minern freundlich gesinnte Regierung. Weniger vorteilhaft ist ein schwach ausgebautes Stromnetz sowie die strenge Regulierung.

Der „Business Mirror“ hat sich in der Branche umgehört, um das Ausmaß des Interesses der Miner an Äthiopien abzuschätzen. Er zitiert den Mining-Ausrüster Luxor Technology, der berichtet, dass Äthiopien seit September einer der weltweiten Top-Empfänger von Minung-Geräten sei. Der staatliche Stromversorger erklärte dem Magazin, er habe bereits Lieferverträge mit 21 Bitcoin-Minern unterzeichnet – wie passend! -, von denen alle bis auf zwei aus China stammen. Und der Gründer der chinesischen Digital Mining Association erklärt, Äthiopien werde „eines der beliebtesten Ziele für chinesische Miner“ werden.

Die Regierung Äthiopiens hat Bitcoin-Mining im Jahr 2022 erlaubt, verbietet aber weiterhin den Handel mit Kryptowährungen. Eines der Motive für die Legalisierung des Minings war, dass die Mining-Unternehmen ihre Stromrechnung überwiegend in ausländischer Währung, also Devisen, bezahlen.

Devisen sind offenbar Mangelware in Äthiopien. Die erschwert den Import von Waren und übt Druck auf die heimische Währung Birr aus. Die Regierung versucht dem entgegenzuwirken, indem sie die Exporteure von Waren, etwa Kaffeeproduzenten, zwingt, die vereinnahmten Devisen an die Zentralbank abzuführen. Da die Stromversorgung einem staatlichen Monopol unterliegt, fließen die Devisenzahlungen der Miner direkt an den Staat.

Mit einem Strompreis von umgerechnet 3,14 Dollar-Cent pro Kilowattstunde verdient der Energieversorger an den Minern zudem deutlich mehr als an Privatverbrauchern, die lediglich 0,6 Cent pro Kilowattstunde bezahlen.

Günstig für das Mining ist neben den geringen Strompreisen das vorteilhafte Klima, das auf der äthiopischen Hochebene nahe an idealen Temperaturen für das Bitcoin-Mining liegt. Auch die geopolitischen Verhältnisse – vor allem die große Nähe zu China – machen Äthiopien für chinesische Miner attraktiv.

Weniger optimal ist hingegen wohl das Stromnetz. Obwohl Äthiopien durch den großen Staudamm mittlerweile mehr als genügend Strom erzeugt, gelang es dem Land bisher nicht, deutlich mehr als die Hälfte der Einwohner an das Elektrizitätsnetz anzuschließen. Diejenigen, die einen Stromanschluss haben, leiden unter regelmäßigen Blackouts, die Experten nicht auf einen Mangel an Strom zurückführen, sondern auf veraltete Bauteile im Stromnetz.

Die Miner kommen nun zwar gelegen, um den überschüssigen Strom abzunehmen. Doch sie laufen Gefahr, wie im Iran zum Sündenbock für Blackouts zu werden; eventuell könnten sie als günstig lokalisierter Abnehmer des Stroms – vielleicht auch direkt am Staudamm – die Motivation senken, den notwendigen Ausbau des Netzes in Angriff zu nehmen. Dies könnte zu einer Kontroverse über die ökonomischem Funktion der Miner führen, wie man sie schon aus China, Kasachstan und den USA kennt.

Auch regulatorisch könnte sich Äthiopien als problematischer Standort erweisen. Die Regierung erlaubt nur direkt lizenzierte Miner; denen, die angeblich schon jetzt verschleiert operieren, droht die Verfolgung. Problematisch könnte auch die Gewohnheit der Regierung sein, das Internet in regelmäßigen Intervallen abzuschalten, um Unruhen und Unzufriedenheit in Regionen oder Organisationen zu blockieren. So wurde in manchen Regionen in den letzten Jahren mehrmals Internet und Mobilfunk für mehr als einen Monat abgeschaltet, in der aufsässigen Tigray-Region sogar mehr als zwei Jahre lang. Ein solcher Shutdown kann natürlich auch die Miner empfindlich treffen.

Offenbar sind die Miner aber gerne bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen, solange sie dafür günstigen Strom erhalten. Und den liefert die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre im Überfluss. Der größte Staudamm Afrikas liegt am Blauen Nil in der westäthiopischen Region Benishangul-Gumuz, nahe der Grenze zum Sudan. Er wird seit 2011 gebaut und umfasst eine zwei Kilometer lange sowie 145 Meter hohe Mauer. Der Stausee fasst 74 Milliarden Kubikmeter Wasser. Er wurde ab Mitte 2020 gefüllt, was zunächst zu Konflikten mit den Nachbarstaaten führte, da sie befürchteten, er werde den Nil austrocknen. Diese Bedenken schwemmten jedoch die starken Regenfällen in den folgenden Jahren weg. Im Februar 2022 gingen die ersten Turbinen in Betrieb, die derzeit rund vier Gigawatt Strom erzeugen. Insgesamt soll der Staudamm mehr als sechs Gigawatt Strom erzeugen, womit die Menschen in Äthiopien nahezu ausschließlich erneuerbare Energien beziehen werden.

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11 Kommentare zu Wird Äthiopien zum neuen Mining-Mekka?

  1. Multiakademiker // 14. Februar 2024 um 16:01 // Antworten

    Intelligente Menschen ziehen ihresgleichen halt an.

    Uns treibt es aus unserem Land… kaum hätte es jemand 1995 für möglich gehalten…

  2. 3 Dollar die kWh wird kein Miner dieses Planeten für den Strom zahlen. Dann wäre Deutschland längst ein Minerparadies 😉

    3 Cent vielleicht?

  3. Frage aus Interesse: Was ist in Brasilien besser?

  4. War das jetzt ein Schnellschuss oder hast Du Dir das sorgfältig überlegt? Ein Bekannter von mir, Pavol Luptak, der u.A. dem Paralleli Polis in Prag vorsteht und Liberation.travel gegründet hat, hat erst gestern einen ziemlich verstörenden Beitrag über Brasilien gepostet:
    https://twitter.com/wilderko/status/1757558403440755025

  5. Die Miner kommen nun zwar gelegen, um den überschüssigen Strom abzunehmen. Doch sie laufen Gefahr, wie im Iran zum Sündenbock für Blackouts zu werden;

    Nicht zu unrecht.

    Dem könnte man aber leicht Abhilfe schaffen, indem man statt vorhandene Infrastruktur zu nutzen einfach neue aufbaut. Schliesslich liefern Sonnenstrahlen in Afrika auch wesentlich mehr kWh/m² als hier. Große Felder von PV Anlagen wären wesentlich umweltgerachter als die Nutzung eines Staudamms.

    Würden die Miner sich im großen Stil in mal dieses Geschäftsfeld reinwagen, würde sämtliche – nicht ganz falsche – Unkenrufe wegen Klima und CO2 wie an einer Teflonpfanne abperlen.

    Ein ausgebautes Stromnetz müsste dafür anfangs gar nicht vorhanden sein, schliesslich verbraucht man den produzierten Strom erstmal gut selber. Eine schnelle latenzfreie Internetleitung ist wohl eher das Problem. Die braucht schon um mit anderen Minern konkurrenzfähig um die Wette zu minen.

  6. Athiopien -vor allem in grosser Nähe zu China- // Entfernungen sind vielleicht auch relativ, aber auf meiner Weltkarte liegen die beiden nicht ganz so sehr beieinander.

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