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Iranische Regierung gibt Bitcoin-Minern Schuld an Blackouts und Smog

Öl- und Gasfeld im Westen des Iran. Bild von dynamosquito via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Im Iran hat sich im Lauf der letzten Jahre eine ansehnliche Mining-Industrie angesiedelt. Während die Regierung die Miner erst kürzlich explizit begrüßt hat, gibt sie ihnen nun die Schuld an Stromausfällen und Luftverschmutzung und lässt große Farmen abschalten. Das Bitcoin-Netzwerk bleibt davon natürlich unbeeindruckt.

Es könnte sein, dass sich die Haltung der iranischen Führung zu Bitcoin gewandelt hat: Mohammadreza Mani Yekta, stellvertetender Direktor der iranischen Zentralbank, erklärte Ende Dezember, Kryptowährungen würden keinen Beitrag dazu leisten, die Finanzsanktionen zu unterwandern.

Was aus dem Mund eines westlichen Regierungsvertreters wie eine Entlastung klingen würde, dürfte für den Zentralbanker der islamischen Republik eher eine Enttäuschung sein. Schließlich hatte die Regierung erst vor kurzem das Mining subventioniert, aber gesetzlich dazu verpflichtet, die geschürften Bitcoins dazu einzusetzen, Importe zu bezahlen, um die drückenden Sanktionen durch die USA zu unterlaufen.

Die Bezahlung im Außenhandel mit Bitcoin scheint aber eher schleppend anulaufen, sieht man einmal von iranischen Hackergruppen wie Pay2Key an, die in Israel Unternehmen und essenzielle Infrastukturen wie das Rakenabwehrsystem hacken und auch Lösegelder in Bitcoin einziehen. Als  Zahlungsmittel für den Handel mit dem Ausland scheint Bitcoin weiterhin keine wichtige Rolle zu spielen. Zumindest sagt das die Zentralbank, auch wenn etwa aus Venezuela andere Töne zu hören sind.

Der iranische Notenbanker Yekta warnt darüber hinaus, dass “die Menschen sich bewusst sein müssen, welche Risiken damit verbunden sind, Geld in Krypto-Assets zu stecken.” Die Preise seien hochvolatil und es gäbe kein Aufsichtsorgan, das die Märkte kontrollierte, weshalb es sehr wahrscheinlich sei, dass Investoren hohe Verluste erleiden würden. Auch das Industrieministerium begegnet der immer weiter wachsenden Mining-Industrie des Landes zunehmend kritisch. Ali Tazreji, ein Vertreter des Ministeriums, kündigte an, dass man enger mit der Justiz zusammenarbeite, “um illegales Kryptomining und damit verbundene Straftaten stärker einzudämmen.”

Doch womöglich war es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät, und Bitcoin hat im Iran eine Eigendynamik gewonnen, welche kaum mehr aufzuhalten ist.

Blackouts und Smog

Die mit etwa 0,5 Cent je Kilowattstunde extrem günstigen Strompreise sowie die Ermutigungen durch die Regierungen haben im Iran bereits einen Mining-Boom hervorgerufen. Laut einer Statistik stellte das Land schon im Sommer 2020 rund acht Prozent der globalen Hashrate – was aufgrund eines Missverständnisses zur Schlagzeile umgedeutet wurde, der Iran halte acht Prozent aller Bitcoins. Die Mining-Power dürfte allerdings seit dem Sommer des vergangenen Jahres noch weiter angezogen haben.

Mittlerweile hat das Mining im Iran ein Ausmaß angenommen, welches die Infrastruktur des Landes zu überfordern scheint. Die Washington Post berichtet am 16. Januar von massiven Blackouts in und Smog-Wolken über mehreren Städten.

Die Luftverschmutzung über Teheran und anderen Metropolen sei im generellen ungesund, meldet das Gesundheitsministerium überraschend ehrlich, doch in den letzten Tagen habe man Werte gemessen, die “sehr gefährlich” seien. Der Index der Luftverschmutzung erreiche oder übersteige an einigen Tagen die Marke von 200, ab welcher gesundheitliche Gefahren für alle Personen auftreten können. In Europa liegen die Werte meistens unter 100, in China und Indien dagegen in großen Städten oft über 200, in Extremfällen auch sehr weit. Das Gesundheitsministerium warnt darüber hinaus, dass hohe Luftverschmutzung die Schädlichkeit von Covid erhöhe, und dass die Anzahl von Personen, die sich mit Atemschwierigkeiten in Krankenhäusern begeben, um 15 Prozent zugenommen habe. Ferner mahnt das Ministerium, dass Industrien und Fabriken rund um Teheran, die ihre Energie durch das Verbrennen von Öl gewinnen, ein großer Teil des Problems seien.

Zur selben Zeit erklärt das Energieministerium, dass der hohe Stromverbrauch der Miner eine Bedrohung für die Stromversorgung darstelle. Zwar beliefere das Ministerium legale, regulierte Miner mit geplanten Strom-Kapazitäten, doch der Verbrauch der illegalen, unauthorisierten Miner sei besorgniserregend. Sie konsumierten Schätzungen zufolge rund 300 Megawatt. Mit dem gestiegenen Bitcoin-Preis sei auch die Anzahl der Miner in die Höhe geschnellt; sowohl Einheimische als auch Ausländer investieren in Anlagen im Iran, Mining-Geräte werden zu Tausenden in das Land geschmuggelt.

Der Stromverbrauch habe nun das Stromnetz überforder. Es kam zu Stromausfällen, und eventuell sind viele Fabriken und Haushalte auf benzinbetrieben Notstromaggregate umgestiegen, was vermutlich die hohe Luftverschmutzung erklärt.

Miner als Sündenböcke

Die gesamte Situation ist aber komplizierter, und weder Stromausfälle noch das Blackout sind ausschließlich oder auch nur hauptsächlich auf die Miner zurückzuführen. So ist das Stromnetz generell schlecht gewartet; die Misswirtschaft der Energie im Iran ist weithin bekannt. Laut der iranischen Blockchain-Association stemmt das Stromnetz des Landes 100.000 Megawatt, verliert davon aber ein Zehntel. Die Miner des Landes dagegen verbrauchen lediglich 7.000 Megawatt, also weniger als der Verlust des Netzes.

Im Winter wird zudem viel mit Gas geheizt. Das hat zur Folge, dass es den Kraftwerken teilweise an Gas mangelt, weshalb sie Strom mit Öl anstatt mit Gas erzeugen müssen. Das ist vermutlich weniger effektiv – weshalb die Stromversorgung schwächelt – aber stärker luftverschmutzend – weshalb der Smog zunimmt. Mit Bitcoin hat das an sich eher gar nichts zu tun.

Die Miner dienen also vor allem als Sündenböcke, um von den vielen anderen Problemen mit dem Stromnetz abzulenken. Ihnen, vor allem den illegalen Mining-Centern, geben Regierung und Stromversorger die Schuld. Der dem Staat gehörende Stromversorger Tanavir kappte einer riesigen chinesisch-iranischen Farm bei Rafsanjan, welche allein 175 der 700 für das Mining reservierten Megawattstunden verbraucht, die Energie. Das Unternehmen identifizierte darüber hinaus 1.620 illegale Farmen, welche zusammen weitere 250 Megawattstunden verbrauchten, und deaktivierte deren Stromversorgung ebenfalls.

In der Hashrate von Bitcoin könnte ein (sehr) kleiner Knick am 13. Januar auf die Abschaltung der Mining-Farmen hinweisen. Doch der Knick ist so klein, und die Hashrate erholte sich so rasch, dass man es in den Charts kaum als mehr als ein Rauschen wahrnimmt. Das Bitcoin-Mining mag für den Iran groß sein – doch für das globale Mining ist der Iran weiterhin ziemlich klein.

Über Christoph Bergmann (2691 Artikel)
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